"Münchner Richterin befreit Deutschland durch absurde Antisemitismus-Definition von der Mehrheit seiner Antisemiten"
Zum Prozess Elsässer gegen Ditfurth am 8. Oktober 2014 vor dem Landgericht München

von Jutta Ditfurth

10-2014

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Eben erst war ich zurück gekommen von der Brandeis University in Waltham (Mass./USA), von Lesungen mit meinem Buch "Der Baron, die Juden und die Nazis", der Teilnahme an der Herbert-Marcuse-Konferenz anlässlich des 50. Jahrestags von "Der eindimensionale Mensch" und von Interviews mit letzten Überlebenden der Shoa, liebenswürdigen und klugen Menschen. Den Kopf voller Gespräche und neuen Erfahrungen musste ich gleich am nächsten Tag (8.10.2014) vor’s Landgericht in München, weil Jürgen Elsässer mich verklagt.

Ich halte ihn aus sehr gut recherchierten Gründen für einen "glühenden Antisemiten". Im Rahmen meiner politischen Auseinandersetzung mit den neuen völkischen "Montagsmahnwachen" bzw. der "neuen Friedensbewegung" hatte ich ihn am 16. April 2014 in einem Interview mit "Kulturzeit" (3sat) als solchen bezeichnet.

Der Prozesstag in München war ein Kulturschock. Noch immer kann ich nicht fassen, wie eine Richterin in Deutschland im Jahr 2014 Antisemitismus definiert:

"Ein glühender Antisemit in Deutschland ist jemand, der mit Überzeugung sich antisemitisch äußert, mit einer Überzeugung, die das III. Reich  nicht verurteilt und ist nicht losgelöst von 1933-45 zu betrachten vor dem Hintergrund der Geschichte."

Die Aussage der Richterin bedeutet: Es ist untersagt, Menschen Antisemiten zu nennen, die andere Menschen antisemitisch beleidigen, mit Hass verfolgen, demütigen und diskriminieren, man darf sie nicht als das bezeichnen was sie sind: Antisemiten. Die Bezeichnung Antisemit sei –so die Richterin –nur dann erlaubt, wenn der Judenhasser sich auch noch positiv auf 1933-45, also auf den NS-Faschismus und auf Auschwitz bezieht. Jemanden Antisemiten zu nennen sei ein "Totschlagargument" und  die (angebliche) Gefahr für die Existenz des Klägers rechtfertige eine Begrenzung meiner Meinungsfreiheit.

Es hat in der richterlichen Logik vor 1933 keinen Antisemitismus in Deutschland gegeben, keine Hetze, die  zu Pogromen führte, keinen Antisemitismusstreit, keine völkische Bewegung usw. Auch nach 1945 sind –folgt man dieser Richterin z.B. die Propagandisten der "Protokolle der Weisen von Zion" oder die neuen Anhänger des Mythos' einer angeblichen "jüdischen Weltverschwörung" (etwa in der "neuen Friedensbewegung") nicht als Antisemiten zu bezeichnen.

Die ganze Flut von offenem, sekundärem, strukturellem, verdeckten, codierten und sonstigem Antisemitismus wäre dann zulässig. Man nimmt die Täter vor den Opfern in Schutz und vor den Kritikern. Vor Gericht durfte ich nur kurz Stellung nehmen. Ich verwies auf einige der vielen Belege, die mein Anwalt und ich vorgelegt hatten und sagte zusammenfassend:

"Es ist die Freiheit meiner Meinung, jemanden einen Antisemiten nennen zu dürfen, der massenhaft verdeckt Antisemitisches sagt und schreibt; der gemeinsam mit anderen antisemitischen Rednern auf Kundgebungen spricht und sich bei Kritik an deren Antisemitismus explizit mit ihnen solidarisiert; einen, der die Regierung Israels nicht sachlich kritisiert sondern Israel antisemitisch schmäht; einen, der sich von Antisemiten und Shoa-Leugnern zu Veranstaltungen einladen lässt; einen, der Antisemiten für seine Zeitschrift interviewt und für seinen Verlag Bücher  schreiben lässt. Warum sollte man den in Deutschland nicht das nennen dürfen, was er ist: einen glühenden Antisemiten?"

Die Antisemitismus-Definition des Gerichts ignoriert u.a. die Erkenntnisse der Bundestags-Studie zum Antisemitismus von 2011(1) und neueste wissenschaftliche Studien etwa über judenfeindliche Sprache (2).

Zu den Besonderheiten dieses Prozesses gehört auch, dass Elsässers Anwalt Michael Hubertus von Sprenger behauptete, dass er sich ja niemals neben einen glühenden Antisemiten setzen würde. Aber er hat schon den berüchtigten Holocaust-Leugner David Irving verteidigt. Und dann sass am ersten Prozesstag auch noch einer der abscheulichsten Nazis der alten Bundesrepublik, der Chef der 1980 verbotenen Wehrsportgruppe Hoffmann (WSG), als Zuschauer in der ersten Reihe und er war nicht allein.

Die Richterin hat angedeutet, dass ich den Prozess in der Ersten Instanz verlieren werde. Das Urteil fällt am 19.11.2014.  - Natürlich mache ich danach weiter! Ich bin mir meiner politischen Verantwortung bewusst. Aber mein "persönliches" Problem ist: Ich habe kein Geld und brauche dringend Ihre/Eure Unterstützung, damit ich die bisherigen Kosten bezahlen und in die nächste Instanz gehen kann. Bisher (Einstweiliges Verfügungsverfahren und I. Instanz) sind etwa 25.000 Euro angefallen.

Ich brauche Hilfe und bitte so dringend wie herzlich um Spenden:

Kontoinhaberin: Jutta Ditfurth
Verwendungszweck: "Elsaesser-Prozess"
IBAN: DE61500502011200881450
BIC: HELADEF1822

Herzlichen Dank

Jutta Ditfurth
Frankfurt/Main, 11.10.2014

www.jutta-ditfurth.de
e‐Mail: jutta.ditfurth@t-online.de

Berichte und Kommentare zum Prozess:

1.) Blog Schlamassel Muc: http://schlamassel.blogsport.de

2.) Amadeu Antonio Stiftung: http://www.publikative.org/2014/10/10/keine-antisemiten-links-von-hitler/

3.) Hagalil: http://www.hagalil.com/archiv/2014/10/10/ditfurth-3/

4.) Tapfer im Nirgendwo: http://tapferimnirgendwo.com/2014/10/10/gluh-im-glanze-dieses-antisemitismus/

Fortlaufende Informationen und Diskussionen auf meinen Facebook-Seiten: https://www.facebook.com/Jutta.Ditfurth ("Fan"--‐Seite)  und https://www.facebook.com/jutta.ditfurth.5 (Profil--‐Seite)

Weitere Informationen auf meiner website: www.jutta-ditfurth.de

Anmerkungen:

(1) Bundestagsbericht: Bericht des unabhängigen Expertenkreises Antisemitismus: Antisemitismus in Deutschland Erscheinungsformen, Bedingungen, Präventionsansätze. Berlin 2011, Bundestagsdrucksache 17/7700; http://dip21.bundestag.de/dip21/btd/17/077/1707700.pdf ; aufgerufen am 11.10.2014)

(2) Beispielsweise: Monika Schwarz-Friesel / Jehuda Reinharz: Die Sprache der Judenfeindschaft im 21. Jahrhundert, Reihe: Europaisch-jüdische Studien –Beiträge 7, Hrsg. v. Moses Mendelssohn Zentrum in Kooperation mit dem Zentrum Jüdische Studien Berlin-Brandenburg, Berlin: de Gruyter 2012

 

Editorische Hinweise

Den Text erhielten wir von der Autorin.