“Katar ist ein Land ohne Gewissen“
Aspekte aus der feudal-religiösen und kapital-faschistischen Ausbeuterordnung


von Reinhold Schramm

10-2014

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Aini hat in einem katarischen Haushalt gearbeitet, in dem sie zwei Jahre lang immer wieder bewusstlos geschlagen wurde. Ihrem Körper und ihrem Gesicht sind die Spuren der Folter anzusehen. Gerettet wurde sie von einem mutigen Fahrer und einem großzügigen Ausländer, die sie in ein Krankenhaus brachten. Dank mehrerer Operationen, einschließlich Eingriffen im Kopfbereich, hat sie Chancen auf eine körperliche Erholung, aber ihr Ausbeuter und Peiniger wurde bisher nicht bestraft. (Vgl. S. 23)

„Es ist tragisch, dass sich die Behörden der allzu häufigen Brutalität gegenüber Hausangestellten sehr wohl bewusst sind, ihnen aber dennoch keine gesetzlichen Rechte zugestehen.

Obwohl jedes Jahr Tausende Frauen vor ihren Arbeitgebern fliehen [„Arbeitgebern“ sagt die ITUC-Generalsekretärin], sind sie den katarischen Behörden nicht wichtig genug, um Aufzeichnungen darüber zu machen.

Ein Land, Indonesien, berichtet, dass jedes Jahr mehr als 2500 weibliche Hausangestellte ihren brutalen Arbeitgebern weglaufen.“ (Sharan Burrow, General Secretary, ITUC)

Viele Unternehmen händigen ihren Beschäftigten keine Identitätskarte aus. Ohne eine gültige Identitätskarte können die Arbeiterinnen und Arbeiter bei landesweiten Kontrollen von der Polizei inhaftiert werden.

Die Haftzentren sind für geflüchtete Arbeiter bestimmt, deren Identitätskarten und Papiere nicht in Ordnung sind. Es ist nicht bekannt wie viele Arbeiterinnen und Arbeiter dort inhaftiert sind.

Das Deportationszentrum ist für diejenigen Arbeiter bestimmt, die in Haft genommen werden, bis sie das Land verlassen können. Die inhaftierten Arbeiter verbringen zum Teil 90 Tage im Deportationszentrum, genügend Zeit, um das Geld für den Flug nach Hause zusammen zubekommen, da sich der Peiniger und Unternehmer nicht an den Vertrag hält und ihnen das Ticket nicht kauft.

Fallstudie: Gina, Hausangestellte, Katar

„Die Arbeit in einem katarischen Haushalt ist sehr schwer. Als ich für meinen ersten Arbeitgeber gearbeitet habe, gab es nichts zu essen und mein Lohn wurde immer verspätet gezahlt.

Der Vertrag wird nicht eingehalten, denn dort steht, dass wir 400 US-Dollar Lohn bekommen, aber sie geben uns nur 200 US-Dollar.

Der Fahrer meines zweiten Bürgen hat versucht, in mein Zimmer zu kommen und mich zu vergewaltigen.

Er hat mir Geld angeboten, aber ich wollte das nicht. Das gehört nicht zu meiner Arbeit. Ich bin ins Ausland gegangen, um meiner Familie zu helfen, sonst nichts.

Darum bin ich aus dem Haus meines Bürgen weggelaufen.

Als ich weggelaufen bin, habe ich nichts mitgenommen, nur ein paar meiner Kleidungsstücke und 5,50 US-Dollar, Geld für ein Taxi.

Wenn ich einen katarischen Mann sehe, habe ich immer Angst, weil ich denke, dass sie mich fangen und ins Gefängnis stecken und auf die Philippinen zurückschicken werden.

Dem Bürgen wegzulaufen, ist sehr schwierig, weil ich keine gültigen Papiere habe und keine neue Arbeit bekommen kann.

Niemand will mich einstellen, weil sie Angst haben, dass auch sie deportiert und bestraft werden, wenn man mich in ihrem Haus findet.

Aber es ist sehr schwer für mich, mich zu verstecken. Und manchmal habe ich Angst, dass ich von der Polizei kontrolliert oder gerufen werde. Darum will ich meine Situation legalisieren. Ich will meinen Pass.“

Das Deportationsgefängnis von Katar – für eingefangene Arbeitskräfte

Augenzeugenbericht: „Das Deportationsgefängnis von Katar befindet sich am Stadtrand von Doha auf der Salwa Road hinter dem ‘Search and Follow up Department’, das geflüchtete Beschäftigte einfängt. Man sollte glauben, dass der Zweck eines Deportationszentrums darin besteht, die Insassen so schnell wie möglich zu ‘deportieren’, aber das ist im Deportationszentrum von Katar nicht der Fall. In diesem Gefängnis können Männer und Frauen monatelang einsitzen und manche mehr als ein Jahr. Dabei dürfen wir nicht vergessen, dass die große Mehrheit dieser Männer und Frauen keine Kriminellen sind, sondern Opfer eines Bürgensystems, das nicht nur missbräuchlich, sondern auch moderne Sklaverei ist und an dem sich in Katar auch 2013 nichts geändert hat.

Die staatlich betriebene Einrichtung ist nicht besser als die Arbeiterunterkünfte in Saniya. Etwa 1000 Frauen sind auf rund 2000 Quadratfuß eingepfercht. Es gibt ein öffentliches Telefon und ungefähr zehn Toiletten. Es ist so wenig Platz, dass die Frauen in den Fluren auf Matratzen schlafen, oder es werden Matratzen unter die Betten gelegt, um mehr Menschen unterbringen zu können. Oft teilen sich zwei bis drei Frauen eine Matratze. Man würde nicht damit rechnen, im einem Gefängnis Babys zu sehen, aber es gibt dort auch Babys. Neben dem Schlafbereich, in dem die Frauen eingesperrt sind, gibt es einen kleinen Bereich, in den jeden Tag das Essen gebracht wird. Es gibt keine Feuerlöscher und bis auf die verschlossene Tür zum Schlafbereich keinen Ausgang. Die Frauen sitzen dort tage- und nächtelang, wochen- und monatelang fest und können nur warten.

Die Bürgen scheinen so viel Macht zu besitzen, dass sie das Ticket nach Hause nicht zu kaufen brauchen, wenn sie keine Lust dazu haben, und dann sitzt man als eine Art Strafe in diesem Gefängnis fest.“ (Vgl. S. 25)

Editorische Hinweise

Quelle: Die Akte Katar. “Katar ist ein Land ohne Gewissen.“ IGB–Sonderbericht 2014

29.09.2014, Reinhold Schramm (Bereitstellung)