Rechte in Europa
UKIP in England, Front National im Europaparlament

von Bernard Schmid

 

10-2014

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Kräfte rechts von den klassischen Konservativen halten Beobachter/innen der europäischen Politik in Atem. Das jüngste spektakuläre Ereignis war dabei der Einzug der britischen UKIP oder United Kingdom Independence Party ins Unterhaus des britischen Parlaments. Das britische Wahlrecht, ein striktes Mehrheitswahlrecht nach dem Prinzip The winner takes it all - bei dem ausschließlich die Stimmen des stärksten Kandidaten oder der stärksten Bewerberin im Wahlkreis gewertet werden -und alle anderen Voten unter den Tisch fallen, verhinderte bis dahin die parlamentarische Vertretung der rechtsnationalistischen Partei. Doch nach dem spektakulären Erfolg der UKIP von Nigel Farage bei den Europaparlamentswahlen im Mai 2014 (mit 26,6 Prozent der abgegeben Stimmen und dem Status der stärksten Partei), war es nur noch eine Frage der Zeit, wann sich dies ändern würde.

Am Donnerstag, den 09. Oktober 2014 war es nun soweit. Es war Wahltag in Clacton-on-Sea, einem englischen Seebad, das seit den 1980er Jahren einen dramatischen Niedergang erlebt hatte. Mit einem stattlichen Ergebnis von 59,7 Prozent wurde der UKIP-Kandidat Douglas Carswell auf den freigewordenen Sitz im Unterhaus, auf den er sich beworben hatte, gewählt. Denselben Sitz hatte er bereits zuvor besetzt, aber für eine andere Partei, nämlich die britischen Konservativen oder Tories. Am 28. August des Jahres kündigte der 43jährige jedoch an, er trete aus seiner bisherigen Partei aus und folglich von dem Mandat, das er bei den Wahlen von 2010 für die Konservativen errungen hatte, zurück. Daraufhin trat er jedoch zur Wiederwahl auf den „eigenen“ Sitz an, nunmehr allerdings als Bewerber für die UKIP. Er gewann haushoch, und sein Gegenkandidat aus den Reihen seiner früheren Partei, der Tory-Kandidat Gilles Watling, wurde mit einem Stimmanteil von 24,6 Prozent abgeschlagen.

Am selben Tag – auf den britischen Insel wird stets Donnerstags gewählt – konnte ein anderer UKIP-Bewerber im nordenglischen Wahlkreis von Heywood and Middletown, im Umland von Manchester, ein Ergebnis von 38,7 Prozent erringen. Bei der Wahl zuvor waren es dort, vor vier Jahren, noch 2,6 Prozent gewesen. In dem von Arbeitermilieus geprägten Wahlkreis hatte der rechtsnationalistische Kandidat auch stark das „Einwanderungsproblem“ thematisiert. Im Wahlkreis hatte es zuvor einen Skandal um den sexuellen Missbrauch von „weißen“ jungen Frauen durch eine von Pakistanern gebildete „Taxifahrergang“ gegeben. Das Thema Immigration wurde in den vergangenen Monaten, seitdem es zu Jahresanfang 2014 auch in Großbritannien eine Debatte über den angeblichen „Sozialtourismus“ von Zuwanderern aus Ost- und Südosteuropa gegeben hatte – wie die CSU sie ungefähr zeitgleich in Deutschland anstieß -, allmählich zum zweiten Standbein der UKIP. Zuvor hatte die Partei, die 1993 gegründet worden war und vor allem bei den Europaparlamentswahlen von 2004 und 2009 gewisse Erfolge feiern konnte, vor allem gegen die EU-Integration Großbritannien gekämpft und agitiert.

Am 10. Oktober, am Tag nach dem doppelten Wahlerfolg seiner Partei, rief UKIP-Chef Nigel Farage diesbezüglich einen Skandal hervor, nachdem Newsweek Europe einige Äußerungen von ihm zum Thema zitiert hatte. Der frühere Börsenmakler Farage sprach sich dabei dafür aus, „die Quantität und Qualität der Leute, die wir hereinlassen“, zu überprüfen. Er konkretisierte dies, indem er forderte, Zuwanderungswillige einem AIDS-Test zu unterziehen und HIV-infizierte Migrantinnen und Migranten vom Zugang zum britischen Staatsgebiet sowie Gesundheitssystem auszuschließen.

Der Kandidat seiner Partei in Clacton-on-Sea, Carswell, hatte allerdings seinerseits wenige Tage zuvor gegenüber der französischen Zeitung Le Monde erklärt, er sei gegen eine Position des nativism (Ablehnung von Einwanderung, „Inländerbevorzugung“). Und um seinen Wunsch zu unterstrichen, nur nicht mit der französischen rechtsextremen Politikerin Marine Le Pen verglichen zu werden, betonte er im selben Gespräch: „Ich liebe McDonalds, die Moderne und die Freiheit des Handels.“ Dadurch versuchte er sich von der Chefin des französischen Front National (FN) abzugrenzen, die ihrerseits ihre Agitation gegen Einwanderung und Islam oft mit Forderungen nach einer protektionistischen Wirtschaftspolitik und Versatzstücken von sozialer Demagogie verknüpft. Wo Marine Le Pen sich gegen offene Grenzen auch für den Warenhandel oder jedenfalls seine Konditionierung durch nationalstaatliche Regeln ausspricht, macht die UKIP sich in aller Regel zur Fürsprecherin von Freihandel und so genannte freie Marktwirtschaft.

Dies deutet bereits an, dass es tatsächlich gewichtige Unterschiede im Auftreten der verschiedenen Parteien und „Bewegungen“ im Raum rechts von den Konservativen und den Wirtschaftsliberalen gibt. Manifest wurde dies auch angesichts der Schwierigkeiten der Rechtskräfte, nach den Wahlen vom 22. Mai (auf den britischen Inseln) respektive 25. Mai 2014 (auf dem Kontinent) eine gemeinsame Fraktion im neuen Europaparlament zu bilden. Schließlich gelang es zwar UKIP-Chef Nigel Farage, seine Pläne zur Fraktionsbildung in Brüssel/Straßburg wahrzumachen – nicht jedoch Marine Le Pen, deren Vorhaben zur Formierung einer Fraktion mit denen des Engländers konkurrierten.

Am 23. Juni 2014, bei Ablauf der Frist für die Gründung von Fraktionen im frisch gewählten Europäischen Parlament, wurde das Scheitern der entsprechenden Versuche des Front National bekannt. Dieser verfügte zwar mit seinen Verbündeten (der niederländischen PVV von Geert Wilders, dem belgischen Vlaams Belang der österreichischen FPÖ, und der italienischen Lega Nord) über ausreichend Sitze. Denn es waren mindestens 25 Mandate zur Bildung einer Fraktion erforderlich, und der französische FN verfügte allein über ihrer 23. Doch eine andere Hürden konnten sie am Ende nicht nehmen: Die Abgeordneten einer Europaparlamentsfraktion müssen aus mindestens sieben verschiedenen Mitgliedsländern der Union stammen, zwei Länder fehlten Marine Le Pen und Geert Wilders. Aus Enttäuschung legte der Holländer Wilders daraufhin sein Mandat im Europaparlament nieder, um nur noch seine nationalen Mandate wahrzunehmen. Zwischenzeitlich hat Marine Le Pen allerdings angegeben, gewissermaßen zum Trost nun eine Stiftung auf EU-Ebene zu gründen, wie am 03. Oktober 2014 bekannt wurde. Diese soll zusammen mit einem Verein unter dem Namen „Bewegung für das Europa der Nationen und der Freiheitsrechte“ (Mouvement pour l’Europe des nations et des libertés, MENL) aus der Taufe gehoben werden. Im Augenblick wollen dabei jedoch nur die FPÖ und die italienische Lega Nord mitziehen.

Editorische Hinweise

Wir erhielten den Artikel vom Autor für diese Ausgabe.