Die Landtagswahlen in
Berlin und Mecklenburg-Vorpommern sowie die
Kommunalwahlen in Niedersachsen bestätigen einen
weiteren Rechtsruck in der Gesellschaft. Die
Wahlerfolge der rechts-populistischen AfD sind
deutlichstes Zeichen dieser Entwicklung.
Die Ergebnisse zeigen
aber auch eine fortschreitende Krise im offen
bürgerlichen Lager: Stimmenverluste der CDU,
permanente Zerwürfnisse zwischen den
Schwesterparteien CDU und CSU, Wiedereinzug der FDP
in den Berliner Landtag, was auch ein Schritt zu
deren Rückkehr in den Bundestag sein mag. Die Grünen
erweisen sich als relativ stabil, legen aber auch
nicht großartig zu.
Zugleich verliert die
SPD ständig an Boden, obwohl die Posten des
Ministerpräsidenten in Mecklenburg-Vorpommern und des
Regierenden Bürgermeisters in Berlin verteidigt
werden konnten. In jedem Fall wird eine Fortsetzung
der aktuellen Regierungskoalition nach den
Bundestagswahlen 2017 deutlich schwieriger.
Strategische Ausrichtung?
Das selbst ist Ausdruck einer Verschärfung der
politischen Krise der EU, der enormen Schwierigkeiten
dieser, sich selbst nach den eigenen politischen
Vorstellungen zu „ordnen“. Die sog.
„Flüchtlingskrise“, der Brexit, das Zurückbleiben des
europäischen Blocks gegenüber den USA und China
machen es immer wahrscheinlicher, dass die EU an
ihren inneren Gegensätzen - vor allem an denen
zwischen ihren imperialistischen Mächten - scheitern
wird.
Sie zeigen damit auch die Grenzen der Stellung
des deutschen Imperialismus auf. Das deutsche Kapital
und die Mehrheit seiner Strategen hängen zwar (noch)
an der Orientierung auf eine imperialistische
Einigung des europäischen Blocks - aber das rückt in
immer weitere Ferne. Ansonsten würde eine
Neuorientierung (z. B. in Form eines „Kerneuropa“)
notwendig werden, aber es gibt keine klare, positive
Alternative zum gegenwärtigen Kurs. Ironischerweise
lässt gerade dieses Fehlen einer alternativen
Strategie Merkel trotz der sinkenden Umfragewerte der
CDU als Kanzlerin alternativlos erscheinen.
2017 wird im Zeichen
eines Bundestagswahlkampfes stehen und somit wird die
Regierung versuchen, vor den Wahlen keine großen
Entscheidungen mehr zu fällen. Die Wahlergebnisse von
Berlin haben auch wieder die Spekulationen um
Rot-Grün-Rot im Bund aufgeworfen. Das mag nach den
Wahlen arithmetisch möglich sein. Aber SPD oder Grüne
mögen sich trotzdem für eine Koalition mit der
CDU/CSU aus “Staatsräson”entscheiden.
Die Linkspartei verlor
bei den meisten Landtagswahlen 2016 auch massiv.
Dieser Trend wurde in Berlin gestoppt - jedenfalls
vorerst.
Dabei vollzieht die
Partei einen politischen Spagat. Einerseits wird auf
eine Regierungsperspektive gezielt (Rot-Rot-Grün) und
die nächsten Verrätereien werden vorbereitet.
Andererseits versucht sich die Linkspartei als die
„Anti-AfD“-Partei, die wirkliche Opposition ins Spiel
zu bringen.
Die beschämendste, weil
passivste Rolle, spielen in der aktuellen Lage die
Gewerkschaften. Diese äußern sich möglichst wenig zu
den entscheidenden politischen Fragen, machen
andererseits der SPD politisch die Mauer. Ihr Credo
lautet: Sozialpartnerschaft und Klassenzusammenarbeit
- und damit Passivität und Rückzug. So stellt sich
die Gewerkschaft der Spaltung der Klasse nicht
entgegen, sondern reproduziert sie selbst noch.
Düstere Aussichten
Vor diesem Hindergrund werden wir es in den
kommenden Monaten mit einem weiteren Vormarsch des
Rassismus und rassistischer Angriffe zu tun haben.
Vor allem werden wir mit mehr Abschiebungen und
Rückführungen, weiteren Erschwerungen der
„Integration“ und anti-muslimischem Rassismus
konfrontiert sein.
Gleichzeitig schreiten
die Krise der EU wie des globalen Kapitalismus weiter
voran - und damit auch die soziale Unsicherheit, auch
wenn die Regierung bis zu den Bundestagswahlen
versuchen wird, die Ökonomie einigermaßen stabil zu
halten und große politische Angriffe auf die
Kernschichten der ArbeiterInnenklasse zu vermeiden.
Das wird angesichts der Krise der Deutschen Bank und
bei VW trotz des Titels als „Exportweltmeister“
schwer genug. Der Nährboden für Populismus,
Nationalismus, Rassismus wird so in jedem Fall weiter
aufbereitet - und damit auch für härtere, soziale und
politische Angriffe des Kapitals.
Während die
reformistischen Kräfte an der Neuauflage
gescheiterter Reformstrategien basteln, schwimmt die
„radikale“ Linke im eigenen Saft. Vorschläge,
Forderungen an Massenorganisationen zu richten, ja
überhaupt Initiativen zu setzen, liegt ihr fern -
eine strategische, programmatische Debatte der
Kernaufgaben revolutionärer Politik erst recht. Sie
ist schon so sehr an ihren eigenen Rückzug, ihre
Perspektivlosigkeit gewöhnt, dass sie es nicht einmal
merkt. So kann sie weder den weiteren Rechtsruck
stoppen noch erst recht nicht die reale politische
Krise der herrschenden Klasse nutzen.
Quelle: Zusendung per email von
ARBEITER/INNEN/MACHT-INFOMAIL, Nummer 909, 14.
Oktober 2016
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