1. Bei der Wahl am 24. September hat die bisherige
Union-SPD-Regierung herbe Verluste erlitten. Beide
Parteien werden zwar wieder die stärkste bzw.
zweitstärkste Fraktion im neuen Parlament bilden,
was darauf zurückzuführen ist, dass sie nach wie
vor auf einen einigermaßen gefestigen Kern von
StammwählerInnen zurückgreifen können. Die
schlechtesten Ergebnisse für diese Parteien seit
den 1940er Jahren machen jedoch deutlich, dass in
der Bevölkerung die Ablehnung der Regierungspolitik
und der Wunsch nach politischen Veränderungen
wachsen. Auch die bürgerlichen Medien haben nach
der Wahl festgestellt, dass es in der arbeitenden
Bevölkerung in Deutschland “gärt”.
2. Eine Alternative für Veränderungen bietet
jedoch keine der im Bundestag vertretenen Parteien.
Egal, ob jetzt eine Union-FDP-Grüne-Regierung
gebildet wird oder die SPD ihre Ankündigung, in die
Opposition zu gehen, doch noch widerruft: Jede
denkbare Regierungskonstellation wird die Politik
der Angriffe auf die ArbeiterInnenklasse und die
arbeitenden Menschen in Deutschland, der
wirtschaftlichen Durchdringung und Ausbeutung
anderer Länder und die Kriegspolitik des deutschen
Imperialismus fortsetzen und weiterentwickeln.
CDU/CSU, FDP, Grüne und SPD haben dies in
Regierungsverantwortung schon vielfältig unter
Beweis gestellt. Die Linkspartei, die in diesem
Parlament ohnehin über keine Machtoption verfügt,
ist hinsichtlich ihrer offenen Bereitschaft zu
einer Politik des Sozialabbaus und der
Kriegseinsätze zwar noch zögerlich, steht aber
inhaltlich und hinsichtlich ihres führenden
Personals klar auf der Seite des deutschen Kapitals
und seiner strategischen Interessen. Eine
Alternative ist auch von ihr nicht zu erwarten.
3. Die faschistische AfD ist mit etwa 5,8
Millionen Stimmen und 12,6 Prozent als
drittstärkste Kraft erstmals in den Bundestag
eingezogen, was eine politische und
organisatorische Stärkung des Faschismus in
Deutschland bedeutet und zum Ausdruck bringt. Ihre
Wahlkampagne hat es offensichtlich vermocht, einen
Teil der WählerInnenschaft mit nationalistischen
und rassistischen Auffassungen oder einer Offenheit
für solche Auffassungen zu mobilisieren. Dieser
Teil der Wählerschaft wird bereits seit Jahren auf
recht konstante zwanzig Prozent geschätzt.
Demgegenüber konnten die Wahlparteien “links” von
der Linkspartei (MLPD, DKP, SGP), die alle etwas
radikalere Reformprogramme vertreten, zusammen nur
gut 40.000 WählerInnen (etwa 0,2 Prozent)
mobilisieren.
4. Der nun von anderen bürgerlichen Parteien
erweckte Eindruck, dass es sich beim Einzug der AfD
um einen historischen Bruch, um die erste Präsenz
von Nazis im Parlament seit den 1945 handelt, ist
jedoch trügerisch und gefährlich. Trügerisch, weil
das faschistische und neurechte politische Spektrum
in früheren Wahlperioden als Teil der FDP und des
sogenannten “Stahlhelm”-Flügels der CDU/CSU
durchaus bereits im Bundestag vertreten war, wenn
auch in mehr versteckter Form. Der
AfD-Spitzenkandidat Gauland gehörte z.B. über
mehrere Jahrzehnte der letztgenannten Gruppierung
an und war in verschiedenen staatlichen Funktionen
tätig.
5. Die fortschrittlichen politischen Kräfte
dürfen jetzt nicht in die Falle tappen, sich um des
vermeintlichen Kampfes gegen den Faschismus willen,
mit Argumenten wie der Schaffung des
“breitestmöglichen demokratischen Bündnisses” zum
Anhängsel der anderen bürgerlichen Parteien zu
machen, die jetzt versuchen, aus dem Erstarken des
Faschismus politisches Kapital für sich zu
schlagen. Der Faschismus ist ein Kind derselben
kapitalistischen Klasseninteressen, die diese
Parteien auch vertreten. Die Existenz eines
“demokratischen Flügels” innerhalb der deutschen
Bourgeoisie und der bürgerlichen Parteien ist eine
gefährliche Illusion. Die bürgerlichen Parteien
beweisen immer wieder aufs Neue, dass sie den
Faschismus gerade benutzen, u.a. um ihre eigene
arbeiterInnenfeindliche, rassistische und
kriegstreiberische Politik zu radikalisieren.
6. Anstatt angesichts des Erstarkens der
Faschisten in Panik zu verfallen und eigene Inhalte
zum Zweck einer vermeintlichen Bündnisfähigkeit
preiszugeben, ist es jetzt die Aufgabe der wirklich
demokratischen, revolutionären und kommunistischen
Kräfte in Deutschland, ihre Inhalte und Positionen
offensiv zu vertreten und eine antifaschistische
Arbeit auf revolutionärer Grundlage in den Massen
der Bevölkerung, d.h. in Betrieb und Stadtteil, zu
entfalten. Wir sind der Auffassung, dass die
politische Zuspitzung und die neue, scheinbar
polarisierende Zusammensetzung des Parlaments die
nach Auswegen suchende arbeitende Bevölkerung
gerade empfänglich für neue Positionen machen kann,
dass sie einen günstigen Boden für eine offene und
direkte revolutionäre Massenarbeit bieten kann.
7. Im Zuge der Entwicklung einer revolutionären
Massenarbeit ist es wichtig, sich als revolutionäre
Kräfte nicht nur in scheinbare linke
“Wohlfühloasen” in westdeutschen Großstädten
zurückzuziehen. Ebenso wenig dürfen wir Stimmungen
nachgeben, die von Verachtung und Chauvinismus
gegenüber der Bevölkerung in den ostdeutschen und
ländlichen Regionen geprägt sind, wo die Faschisten
besonders starke Ergebnisse erzielen konnten. Als
RevolutionärInnen müssen wir vielmehr gerade dort
arbeiten, wo die gesellschaftlichen
Gärungsprozesse, auch zu unseren ungunsten,
besonders stark sind, den Faschismus dort
zurückdrängen und die Massen für die sozialistische
Revolution gewinnen.