Stadtumbau & Stadtteilkämpfe
"
Wir bekommen keine Hilfe von der Stadt"

Antworten auf die Räumung des Hannibal II notwendig

von Jens Jaschik, SAV Dortmund

10/2017

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Vor drei Wochen wurde der Gebäudekomplex Hannibal II in Dortmund-Dorstfeld von der Stadt auf Grund von Brandgefahr geräumt. Betroffen sind fast 800 Menschen, darunter Familien mit Kindern. Sie wollen Antworten für ihre Zukunft. Aber die Stadt Dortmund bietet keine glaubwürdigen Lösungen und erst Recht nicht der Eigentümer Intown.

Am 21. September mussten fast 800 AnwohnerInnen plötzlich ihre Wohnung verlassen. Für viele war diese von der Stadt Dortmund koordinierte Aktion eine Überraschung. Die Begründung: Brandgefahr. Seit Jahren hat der Eigentümer, das in Berlin sitzende Immobilien-Unternehmen Intown, den Gebäudekomplex nicht auf den neuesten Brandschutzstandard gebracht. Aus den selben Gründen wurde schon in Wuppertal ein ebenfalls dem Unternehmen Intown gehörendes Hochhaus geräumt. Auch andere Instandhaltungen wurden nach Angaben des Mieterverein vernachlässigt. Intown will nur Profite machen. Der Lebensstandard der MieterInnen ist ihnen egal – ihnen ist sogar egal, dass sie die AnwohnerInnen in Lebensgefahr bringen. Am 28. Juni sind in England über 80 Leute beim Brand des Grenfell Towers gestorben. Auch dort wurde der Brandschutz ignoriert.

Schuld trifft auch die Stadt Dortmund. Wieso hat die Stadt nicht vorher reagiert? Die Informationen über die Räumung waren für die MieterInnen völlig intransparent. Wo kommen sie unter und wann können sie in ihre Wohnungen zurück? Die Stadt Dortmund ignoriert das es hierbei um die Existenzfrage von Menschen geht. Stattdessen werden die Probleme auf Intown geschoben und die wiederum klagen gegen die Stadt Dortmund, dass die Räumung nicht rechtens gewesen sei.

Notwendig ist eine Lösung die sofort den Menschen hilft und sich nicht nach der Laune von SPD-Oberbürgermeister Sierau oder den Profiten von Intown orientiert.

„Wir sind Menschen, keine Verbrecher“

Die Menschen fühlen sich von der Stadt vernachlässigt. Von heute auf morgen mussten sie nur mit dem Nötigsten bepackt, ihre Wohnungen verlassen. Sie wurden in Notunterkünften untergebracht, in Hallen mit Feldbetten. Die Versorgung ist mangelhaft. Am ersten Tag hieß es, die Leute sollen hier nur für zwei Tage unterkommen. Die Mehrheit von ihnen ist noch immer dort. Leerstehende Wohnungen gäbe es laut der Stadt nur für circa 100 Menschen, viele davon liegen in Gelsenkirchen oder Duisburg. Die Stadt erwartet wohl, dass sie bei Freunden und Verwandten unterkommen.

Viele Fragen sind ungeklärt. Müssen sie weiter Miete, Strom, Gas usw. bezahlen? Wie kommen sie zur Arbeit? Wie bringen sie ihre Kinder in die Schule oder den Kindergarten? Wer zahlt die Fahrtkosten? Informationen sind mangelhaft. Nicht mal so grundlegende Fragen, wie sie jetzt ihre Post bekommen sollen, wurden geklärt. Die Stadt Dortmund hat Infopoints eingerichtet, aber diese sind meistens nicht besetzt. Am Montag gab es eine Informationsveranstaltung. Hier versteckten sich die Politiker hinter vielen Worten und langen Erklärungen, über Versprechungen gingen die Lösungsvorschläge nicht hinaus. Kein Wunder das ein Betroffener es wie folgt zusammenfasste: „Hier wird immer wieder drumherum geredet – wir wollten Fakten, die haben wir nicht bekommen.“

Lösungen statt Versprechungen!

Die Wut der MieterInnen des Hannibal II ist groß und das mit Recht! Die Stadt hat versagt, den Menschen wirkliche Hilfe anzubieten. Bei der Informationsveranstaltung droht ein Anwohner mit 35 weiteren vor dem Hannibal II in den Hungerstreik zu treten. Oberbürgermeister Sierau nahm diese Drohung nicht ernst. Nächsten Montag soll die nächste Informationsveranstaltung stattfinden. Es ist wichtig auch dort wieder Druck zu machen und ihn zu Verstärken. Die Solidarität der ganzen Dortmunder Bevölkerung und Widerstand auf der Straße sind nötig. Der Skandal darf nicht klein geredet werden. Und die Stadt kann mehr tun, als sie will!

Es gibt ganz konkrete Lösungen: Die AnwohnerInnen sollten für die Belastungen der letzten Wochen eine sofortige finanzielle Entschädigung bekommen. Rechnungen für Miete, Strom, Gas und weiteren sollten sofort ausgesetzt werden. Fahrten zur Arbeit, Schule und Kindergarten müssen von der Stadt sofort bezahlt werden. Ein Antrag auf Erstattung dauert zu lange. Die Stadt muss sich so schnell genug nach alternativen Wohnraum umschauen – Leerstand gibt es Dortmund genug. Und sie muss sich sofort an die Instandsetzung des Hannibal II machen und Transparenz über die Dauer herstellen. Zahlen sollen die Verursacher: Das Unternehmen Intown. Hinter dem Unternehmen steckt ein ein milliardenschwerer Fonds-Experte namens Amir Dayan, der ausreichend Geld dafür hat und von zahlreichen dubiosen Immobiliengeschäften profitierte.

Die Situation um das Hannibal II macht eins deutlich: Der Profitlogik des Kapitalismus wird sogar das Grundbedürfnis nach Wohnraum untergeordnet. Intown ist ein Immobilienunternehmen: Ihr Interesse ist es nicht Menschen Wohnungen zu beschaffen, sondern mit Wohnraum Geld zu machen. Eine bundesweite Untersuchung von Hochhäusern und der Einhaltung von Brandschutzauflagen ist nötig. Immobilienunternehmen, die sich wie Intown sich nicht daran halten und ihren Verpflichtungen nicht nachkommen, sollten enteignet und nur bei erwiesener Bedürftigkeit entschädigt werden. Die Miete sollte auf die tatsächlichen Kosten abgesenkt werden. Die Miete darf nach der Sanierung nicht erhöht werden. Mit Wohnungen in öffentlicher Hand ließe sich durch demokratische Verwaltung durch MieterInnen, Stadt und Mietervereine bestimmen, welche Modernisierungen nötig sind.

Von der Räumungen und dem mangelhaften Vorgehen sind besonders RenterInnen, Arme Menschen, Geflüchtete und MigrantInnen betroffen. Wenigstens eine Sache wird dadurch klar: Wir alle haben ein Interesse an guten und bezahlbaren Wohnraum. Um das zu bekommen müssen wir uns gemeinsam organisieren.

Editorischer Hinweis

Der Artikel ist eine Spiegelung von: https://www.sozialismus.info/2017/10/wir-bekommen-keine-hilfe-von-der-stadt/  / Stand 6.10.2017