3.
Okt. Ernennung des Prinzen Max v. Baden
zum Reichskanzler. Die deutsche Regierung ersucht
in einer Note den Präsidenten der USA, W. Wilson,
um die Vermittlung von Waffenstillstands- und
Friedensverhandlungen. Am 4. Okt. bildet Max v.
Baden eine parlamentarische Regierung, die die
revolutionäre Bewegung in Deutschland aufhalten,
die Monarchie retten und der Entente gegenüber
verhandlungswürdig erscheinen soll. In diese
Regierung treten Ph. Scheidemann (Vors. der SPD)
und G. Bauer (2. Vors. der Generalkommission der
Gewerkschaften Deutschlands) als Staatssekretäre
ein. Mit diesem Schritt gehen die rechten
sozialdemokratischen Führer von der Burgfriedens-
zur Koalitionspolitik über und unterstützen damit
die Politik zur Rettung der imperialistischen
Klassenherrschaft.
5.
Okt. Ein Aufruf der Parteileitung und
der Reichstagsfraktion der USPD stimmt dem
Waffenstillstands- und Friedensangebot der
deutschen Regierung zu und betont, daß dieser
Schritt ihren „unausgesetzten
Friedensbestrebungen" entgegenkomme.
7. Okt.
Reichskonferenz der Spartakusgruppe mit Vertretern
der Linksradikalen in Berlin. Die Konferenz
erörtert und beschließt Maßnahmen zur Vorbereitung
des bewaffneten Aufslandes und nimmt das Programm
der Volksrevolution an. In seinein Mittelpunkt
stehen die sofortige Beendigung des Krieges, die
revolutionäre Erkämpfung demokratischer Rechte und
Freiheiten und der Sturz des Imperialismus. Als
Endziel des Kampfes wird die
sozialistische Republik proklamiert. In einem
Aufruf an die Bevölkerung werden folgende
unmittelbare Forderungen aufgestellt: unverzügliche
Freilassung aller politischen Gefangenen und aller
wegen militärischer und politischer Verbrechen
verurteilten Soldaten; sofortige Aufhebung des
Belagerungszustandes; sofortige Aufhebung des
Hilfsdiensgesetzes;
entschädigungslose Annullierung aller
Kriegsanleihen; Enteignung des Bankkapitals, der
Bergwerke und Hütten; wesentliche Verkürzung
der Arbeitszeit, Festlegung von Mindestlöhnen;
Enteignung des Groß- und Mittelgrundbesitzes
und Übergabe der Leitung der Produktion an
Delegierte der Landarbeiter und Kleinbauern;
durchgreifende Umgestaltung des Heerwesens;
Abschaffung der Todes- und Zuchthausstrafen für
politische und militärische Vergehen;
Übergabe der
Lebensmittelverleilung an Vertrauensleute der
Arbeiter; Abschaffung der Einzelstaaten und
Dynastien. Das Programm formuliert — unter
Berücksichtigung der Klassenverhältnisse — die
nationale und soziale Grundaufgabe der Revolution
im wesentlichen richtig. In seinen
Hauptzügen kommt es den Grunderkenntnissen
nahe, die W. I. Lenin in seinem Werk „Zwei Taktiken
der Sozialdemokratie in der demokratischen
Revolution" über (Ins Heranführen der werktätigen
Massen an die sozialistische Revolution entwickelt
hat.
Die Konferenz
beschäftigt sich mit der Militäragitation, der
Situation in der Jugendbewegung und faßt
entsprechende Beschlüsse. Es wird die Bildung von
ASR in allen Orten beschlossen. Bei der
Berichterstattung werden die Erfahrungen über die
Zusammenarbeit mit der USPD ausgelauscht. Die
Teilnehmer bekennen sich zur russischen Revolution
und versichern, die Solidarität mit ihr durch
Aktionen nach russischem Vorbild zu beweisen.
9. Okt. Auf
der Tagung im Düsseldorfer Stahlhof schätzen
führende Schwerindustrielle
ein, daß die Regierung Prinz Max v. Baden sich nur
noch vier bis fünf Wochen behaupten kann.
Nur ein Bündnis der Industriellen mit den Führungen
der Gewerkschaften könne das Unter-
nehmertum vor der Sozialisierung und der nahenden
Revolution bewahren.
11. Okt. W.
I. Lenin setzt sich in der „Prawda" in dem Artikel
„Die proletarische Revolution und der Renegat
Kautsky" mit K. Kautskys Schrift „Die Diktatur des
Proletariats" auseinander und weist die
historische Notwendigkeit der Errichtung der
Diktatur des Proletariats nach, deren
Allgemeingültigkeit die Oktoberrevolution in
Rußland bewiesen hat. Lenin betont die
Notwendigkeit des Bruchs mit den Zentristen und
bezeichnet das Fehlen revolutionärer Parteien in
Westeuropa als ein großes Unglück und eine große
Gefahr. Dieser Artikel, in einigen Ex. nach
Deutschland gesandt, wird von der Spartakusgruppe
als Flugblatt verbreitet.
Mitte Okt.
„Spartacus", Nr. 12 erscheint. Es Werden die
Bildung der Regierung des Prinzen Max v. Baden und
deren Politik als Reaktion der Konterrevolution auf
die ersten Regungen der Revolution eingeschätzt
und der Eintritt rechter Sozialdemokraten in diese
Regierung als Versuch gewertet, den Kapitalismus zu
retten. Weilerhin wird über die Reichskonferenz
der Spartakusgruppe vom 7. Okt. informiert.
10. Okt.
Eine Friedensdemonstration von 5000 bis 0000
Berliner Arbeitern, zu der die USPD aufgerufen hat,
fordert den Sturz der Regierung und die Freilassung
K. Liebknechts. Unter den Linden werden die
Demonstrationszüge durch Polizei mit
Säbelhieben auseinandergetrie-
ben. Zahlreiche Demonstranten, darunter viele
Frauen, werden verletzt.
17. Okt.
Der Aufruf dos PV der SPD „An Deutschlands Männer
und Frauen!" behauptet, daß sich Deutschland in
einer tiefgehenden Umwälzung befände und auf dem
Weg vom Obrigkeitsstaat zum Volksstaat sei. Es
gelte in noch stärkerem Maße als am 4. Aug. 1914,
das Vaterland in der Stunde der Gefahr nicht im
Stich zu lassen. Der PV wendet sich gegen
revolutionäre Aktionen für die Erkämpfung des
Friedens und für die Demokratisierung Deutschlands.
18. Okt. W.
L Lenin schreibt in einem Brief „An die Mitglieder
der Sparlakusgruppc": „Die Arbeit der deutschen
Spartakusgruppe, die unter den schwierigsten
Umständen eine systematische revolutionäre
Propaganda trieb, hat wirklich die Ehre des
deutschen Sozialismus und des deutschen
Proletariats gerettet."
Proteststreik von
4600 Breslauer Arbeitern gegen das Verbot der
sozialdemokratischen Zeitung „Volkswacht".
23. Okt. K. Liebknecht
wird aus dem Zuchthaus Luckau entlassen und vor dem
Anhalter Bahnhof in Berlin von Tausenden Arbeitern,
Soldaten und Frauen stürmisch empfangen. Auf dem
Potsdamer Platz fordert er in einer Ansprache die
deutsche Arbeiterklasse auf, dem russischen
Beispiel zu folgen.
In einem von W. I.
Lenin, J. M. Swerdlow und J. W. Stalin
unterzeichneten Begrüßungstelegramm, das am 24.
Okt. auf dem Empfang der sowjetrussischen Botschaft
zu Ehren K. Liebknechts verlesen wird, heißt es:
„...die Befreiung des Vertreters der revolutionären
Arbeiter Deutschlands aus dem Gefängnis ist das
Zeichen einer neuen Epoche, der Epoche des
siegreichen Sozialismus, die sich jetzt Deutschland
wie auch der ganzen Welt eröffnet".
K. Liebknecht
erhält von Spartakusanhängern, linksradikalen
Organisationen und Ortsgruppen der USPD
Sympathieerklärungen. Das internationale
Proletariat begrüßt seine Befreiung.
25. Okt.
Beschluß der erweiterten Parteileitung der USPD, K.
Liebknecht in die Parteileitung zu berufen.
Liebknecht will der Berufung folgen, wenn die USPD
auf einem sofort einzuberufenden Parteitag ihr
Programm und ihre Taktik im Sinne der
Spartakusgruppe ändert.
0.
Rühle, einer der Führer der linksradikalen
Gruppe in Dresden, fordert in einer Rede im
Deutschen Reichstag die Absetzung und Bestrafung
Wilhelms II. und ruft zur Bevolution und zum Kampf
für den Sozialismus auf.
26. Okt. W. Pieck kehrt
aus der Emigration nach Berlin zurück. K.
Liebknecht und W. Pieck nehmen seit dem 26. Okt. an
den Sitzungen des Vollzugsausschusses der
revolutionären Obleute Berlins teil. Liebknecht
schlägt vor, für den 3. Nov. Massenversammlungen
und Demonstrationen zu organisieren, um die
Arbeiter an die entscheidenden revolutionären
Kämpfe heranzuführen. Für den 4. oder 5. Nov.
beantragt er die Ausrufung des Generalstreiks.
Beide Vorschläge werden
unter dem Einfluß von Vertretern der USPD
abgelehnt. Die revolutionären Obleute delegieren
K. Liebknecht, E. Meyer und W. Pieck in die Leitung
des Vollzugsausschusses.
Demonstration von
etwa 2000 Werktätigen in Hamburg für den Frieden
und die Befreiung der politischen Gefangenen.
Der Deutsche
Reichstag beschließt gegen die Stimmen der
Konservativen Verfassungsänderungen. Der
Reichskanzler ist in Zukunft an das Vertrauen des
Reichstages gebunden. Diesem und dem Bundesrat ist
er für seine Amtsführung verantwortlich;
Kriegserklärung und Friedensschluß bedürfen der
Zustimmung des Reichstages und des Bundesrates:
Offiziere der Armee können nur ernannt oder
verabschiedet werden, wenn durch die Kriegsminister
der jeweiligen Länder, und Offiziere der Marine,
wenn durch den Reichskanzler gegengezeichnet worden
ist. Diese Reformen erweitern die Rechte des
Parlaments, ohne jedoch grundlegende demokratische
Umgestaltungen einzuleiten.
General Ludendorff
wird entlassen. Erster Generalquartiermeister
wird Generalleutnant Groener.
26./27.
Okt. Reichskonferenz der Freien Sozialistischen
Tugend Deutschlands (FSJ) in Berlin. 57 Delegierte
aus 18 Orlen Deutschlands, die rd. 4000 Mitgl.
vertreten, beschließen den festen organisatorischen
Zusammenschluß unter dem Namen Freie Sozialistische
Jugend Deutschlands und die Herausgabe eines
Zentralorgans. Die Leitsätze der Jenaer
Jugendkonferenz (24./2S. Apr. 1916) werden zur
Grundlage der sozialistischen Jugendbewegung
erklärt. Zur Leitung der Organisation wird eine
Zentrale, bestehend aus einem Reichsarbeitsausschuß
von sieben und einer Redaktionskommission von fünf
Mitgl., gebildet. Der Reichskonferenz, an der auch
K. Liebknecht teilnimmt, gelingt es, mit der
Gründung der FSJ eine Arbeiterjugendorganisation
für ganz Deutschland auf der Grundlage eines
revolutionären Programms zu bilden.
27.
Okt. K. Liebknecht spricht in fünf öffentlichen
Versammlungen der USPD vor mehreren tausend
Arbeitern. Die Versammelten bekennen sich zur
sofortigen Herbeiführung des Friedens und zur
Errichtung einer sozialistischen deutschen
Republik. Massenversammlungen und Demonstrationen
mit gleichen Forderungen finden in allen Teilen
Deutschlands statt.
Österreich-Ungarn erklärt sieh in einer Note an die
Regierung der USA zu
Sonderfriedensverhandlungen
bereit.
Die deutsche
Regierung erklärt sich in einer vierten Note an W.
Wilson bereit, die
Bedingungen für den Waffenstillstand anzunehmen.
27.—30. Okt.
Revolutionäre Bewegung in der deutschen Flotte. Die
deutsche Seekriegsleitung bereitet das Auslaufen
der Flotte für den Angriff auf die englische Flotte
vor. Unter den 80.000
Matrosen und Heizern breitet
sich rasch eine Bewegung aus, deren Ziel es ist.
die Verlängerung des Krieges und weiteres
sinnloses Blutvergießen zu verhindern. Malrosenräte
entstehen, und auf den Kriegsschiffen werden rote
Flaggen gehißt. Matrosen und Heizer verweigern den
Dienst, die Flotte kann nicht auslaufen. Mehr als
1000 Matrosen werden
verhaftet, die Kriegsschiffe müssen in ihre
Heimathäfen zurückgeführt werden.
28.
Okt.
Wilhelm II.
unterzeichnet die vom Deutschen Reichstag
angenommenen Verfassungsänderungen zur
„Parlamentarisierung" Deutschlands (26. Okt.).
29.
Okt.
Demonstration von
Tausenden Werktätigen in Hanau. Sie bringen
Hochrufe auf K. Liebknecht und Rosa Luxemburg aus
und fordern die sozialistische Republik.
31. Okt.
Abschluß des
Waffenstillstandes zwischen der Türkei und der
Entente auf Mudros. Er tritt am 31. Okt. in Kraft.
Massenversammlung
und Demonstration von 6000 bis 7000 Arbeitern in
Stuttgart für sofortigen Waffenstillstand, die
Beseitigung der Dynastien und die Errichtung einer
sozialistischen Republik. Kundgebungen und
Demonstrationen finden auch in Frankfurt (Main),
Friedrichshafen, Halberstadt, Kassel, Mannheim,
Zeitz u. a. Städten statt.
31. Okt.
Aufruf K.
Liebknechts „An die Arbeiter und Soldaten der
Entente!", nicht zuzulassen, daß die sozialistische
Revolution in Rußland durch die geeinte Front des
Weltimperialismus beseitigt wird. Ihr Untergang
würde die Niederlage des Weltproletariats bedeuten.
3.Nov.
Bewaffnete Matrosen,
Arbeiter und Soldaten demonstrieren in Kiel für die
Befreiung der Ende Okt. verhafteten Matrosen. Ein
Feuerüberfall auf die Demonstranten wird mit dem
bewaffneten Aufstand beantwortet, der sich schon am
Morgen des 4. Nov. auf 20 000 Matrosen stützen
kann. Auf Schiffen und in Kasernen werden
Soldatenräle (SR) gewählt, die folgende Forderungen
erheben: sofortige Beendigung des Krieges;
Abdankung der Hohenzollern; Aufhebung des
Belagerungszustandes; Freilassung der verhafteten
Malrosen und aller politischen Gefangenen sowie
allgemeines Wahlrecht. Die Kieler Arbeiter schließen
sich der revolutionären Bewegung der Malrosen an
und bilden am 4. Nov. einen AR. Am 4. Nov.
befindet sich die gesamte zivile und militärische
Gewalt in Händen der ASR. Der Kieler AR ruft für
den 5. Nov. zum Streik auf.
G. Noske (SPD) und
Staatssekretär C. Haußmann (Fortschrittliche
Volkspartei), von der Regierung am 4. Nov. nach
Kiel entsandt, sind nicht in der Lage, die
Ausbreitung der Revolution zu verhindern. Noske
gelingt es jedoch, sich in Kiel an die Spitze der
Bewegung zu stellen, um sie in „ruhigere" Bahnen zu
lenken.
Eine Demonstration
in München, organisiert von der USPD, fordert den
sofortigen Abschluß eines Friedens zwischen den
Völkern und als Voraussetzung die Errichtung eines
Volksstaates in Deutschland. Sie erzwingt die
Freilassung politischer Gefangener.
Gründung der KP Österreichs.
4.Nov.
Die deutsche
Reichsregierung fordert in einem Aufruf das
deutsche Volk auf, der Regierung zu vertrauen. Sie
verspricht, einen baldigen Frieden herbeizuführen
und bürgerliche demokratische Freiheiten zu
gewährleisten.
Die Parteileitung
der USPD veröffentlicht einen Aufruf „An das
werktätige Volk Deutschlands!", in dem sie die
Herbeiführung eines sofortigen Friedens verlangt
und die Arbeiterklasse und das ganze werktätige
Volk auffordert, sich zum Eingreifen bereit zu
halten.
Generalstreik in
Stuttgart unter Führung der Sparkakusgruppe.
30.000 Arbeiter
demonstrieren für einen sofortigen Waffenstillstand
und für die sozialistische Republik. Bildung eines
ASR, dessen Forderungen dem Programm der
Reichskonferenz der Spartakusgruppe (7. Okt.)
entsprechen.
Aufruf des PV der
SPD gegen revolutionäre Massenaktionen.
4.-19.
Nov.
Gründungskongreß
der Sozialistischen Arbeiterpartei Griechenlands,
die sich ab Nov. 1924 KP Griechenlands nennt.
5. Nov.
Ausbreitung der
Revolution auf Lübeck und Brunsbüttel. ASR werden
gebildet.
„Die rote Fahne", Mitteilungsblatt des
Stuttgarter ASR, Zenlralorgan sämtlicher ASR
Württembergs, erscheint.
Ausweisung der
sowjetrussischen Botschaft aus Deutschland auf
Grund einer Provokation, deren geistiger Urheber
Ph. Scheidemann ist.
6. Nov.
Revolutionäre
Erhebung der Arbeiter und Soldaten und Bildung von
ASR in Altona, Bremen, Bremerhaven, Cuxhaven,
Flensburg, Hamburg, Neumünsler, Oldenburg,
Bendsburg, Bostock und Wilhelmshaven.
Sitzung der
revolutionären Obleute in Berlin. K. Liebknechts
Antrag, den Aufstand in Berlin am 8. Nov. zu
beginnen, wird abgelehnt. Der Vollzugsausschuß
erhält Vollmacht, den Aufstand frühestens für den
11. Nov. auszurufen. Am 7. Nov. erklären
Parteileitung und Beirat der USPD hierzu ihre
Zustimmung.
Der PV der SPD
wendet sich in einem Aufruf im „Vorwärts" gegen
revolutionäre Massenaktionen. Er fordert dazu auf,
der sozialdemokratischen Taktik der friedlichen
Umwälzung „zu den Zielen der Demokratie und des
Sozialismus" zu folgen.
7. Nov.
Revolutionäre Erhebungen der Arbeiter und Soldaten
und Bildung von ASR u. a. in Braunschweig,
Frankfurt (Main), Großenhain, Hannover, Lüneburg,
München. Schwerin. In Bayern wird die Monarchie
gestürzt und eine demokratische Republik
ausgerufen.
Militärische Besetzung von Berliner Großbetrieben,
Unterbindung des Eisenbahn- und Nachrichtenverkehrs
von und nach Berlin zur Verhinderung der
Revolution in der Hauptstadt.
Die Flugschrift der Spartakusgruppe „Zum Jahrestag
der sozialistischen Revolution in Rußland"
erscheint. Die Arbeiter Deutschlands werden
aufgefordert, den Jahrestag der russischen
Revolution zu feiern, indem sie deren Beispiel
folgen.
Ultimatum des PV der SPD und des Vorstands der Reichstagsfraktion
der SPD an den Reichskanzler Prinz Max v. Baden, in
dem u. a. der Bücktritt Willielms II. und des
Kronprinzen Wilhelm v. Hohenzol-lern, die
Verstärkung des sozialdemokratischen Einflusses in
der Reichs-regierung und die Umgestaltung der
preußischen Regierung gefordert werden. Damit
hoffen die rechten Führer der SPD, das Zurückgehen
ihres Masseneinflusses aufzuhalten und die
Revolution zu verhindern, die sie „wie die Sünde"
hassen (F. Ebert).
8. Nov.
übeigreifen der Revolution auf Augsburg, Bayreuth,
Chemnitz, Dresden, Düsseldorf, Elberfeld-Barmen,
Gotha, Halle (Saale), Hildesheim, Koblenz, Köln,
Leipzig, Magdeburg, Mannheim, Nürnberg, Passau,
Rosenheim, Würzburg. Bildung von ASR.
Die Spartakusgruppe und der Vollzugsausschuß der
revolutionären Obleute in Berlin rufen in
Flugblättern für den 9. Nov. zum Kampf für den
Sturz der Monarchie, die Errichtung der
sozialistischen Republik, die Übernahme der
Regierung durch Vertreter der ASR und für die
sofortige Herstellung der Verbindung zur russischen
Sowjetrepublik auf.
„Die
Rote Fahne", amtliches Organ des Hamburger ASR,
ehem. „Hamburger Echo", erscheint.
Rosa Luxemburg wird durch die Revolution aus dem
Gefängnis in Breslau befreit und trifft am 10. Nov.
in Berlin ein.
Befreiung von F. Heckert u. a. Gefangenen aus dem
Gefängnis in Chemnitz durch revolutionäre
Arbeiter.
9.
Nov.
Generalstreik und bewaffnete Demonstrationen in
Berlin. Hunderttausende folgen dem Buf der
Spartakusgruppe und der revolutionären Obleute,
demonstrieren durch die Stadt, entwaffnen
Polizisten und Offiziere, besetzen Polizeiwachen
und stürmen Kasernen, befi 'eien die politischen
Gefangenen, unter denen sich L. Jogiches befindet.
Gegen Mittag ist Berlin in den Händen
revolutionärer Arbeiter; das Polizeipräsidium, das
Haupttelegrafenamt, das Rathaus u. a. wichtige
Gebäude sind besetzt.
Bekanntgabe der Abdankung Wilhelms II. als
Deutscher Kaiser und des Thronverzichts des
Kronprinzen Wilhelm v. Hohenzollern sowie
Ankündigung von Wahlen für eine verfassunggebende
Nationalversammlung durch den Reichskanzler Prinz
Max v. Baden. F. Ebert, der Vors. der SPD, läßt
sieh von Prinz Max v. Baden zum
Reichskanzler ernennen. Er erklärt, die
Geschäfte im Rahmen der bestehenden Verfassung zu
führen, ruft zur Aufrechterhaltung von „Ruhe und
Ordnung" auf, bittet die kaiserlichen Behörden und
Beamten um die Weiterführung ihrer Tätigkeit,
kündigt die Bildung einer neuen „Volksregierung" an
und versucht so, die Grundlagen des alten Regimes
zu erhalten.
Nachträglich fordert ein vom PV der SPD in Berlin
zusammengestellter sog. ASR zum Generalstreik unter
der Losung der sozialen Republik auf.
K. Liebknecht verkündet vom Balkon des Schlosses
die freie sozialistische Republik, während Ph.
Scheidemann vom Beichslagsgebäude aus die freie
deutsche Bepublik ausruft, weil er „die Parole der
Repu-blik nicht den weiter links stehenden Kreisen"
(F. Stampfer) überlassen will.
Am Nachmittag verhandeln der PV der SPD und das ZK
der USPD über die Bildung einer Regierung. Die
rechten Führer der SPD wollen K. Liebknecht mit der
Absicht in die Regierung aufnehmen, seine große
Autorität bei den Massen für sich auszunutzen, um
die Revolution eindämmen zu können. Liebknecht
stellt für seinen Eintritt in die Regierung
Bedingungen, die eine sozialistische Republik
Deutschland, die sich auf die ASR stützt, fordern.
Diese werden abgelehnt. Daraufhin lehnt Liebknecht
die Mitarbeit ab. Die Leitung der USPD tritt für
eine gemeinsame Regierung mit der SPD ein.
Bildung von ASR u. a. in Breslau, Eisenach, Erfurt,
Görlitz, Königsberg, Plauen, Posen.
Eine erneute bewaffnete Erhebung der Arbeiter und
Soldaten in Stuttgart stürzt die württembergische
Monarchie.
Am Abend des 9. Nov. erscheint in Berlin die erste
Nr. der Zeitung „Die rote Fahne", Organ der
Spartakusgruppe. Nach zweimaligem Erscheinen wird
die Bedaktion auf Anordnung F. Eberts mit
Polizeigewalt aus dem Gebäude des ehem. „Berliner
Lokal-Anzeigers" verdrängt. Erst am 18. Nov.
erscheint die dritte Nr. der „Roten
Fahne". Im Nov./Dez. wird unter der Leitung von H.
Eberlein das Vertriebsnetz
der „Roten Fahne" aufgebaut.
Die in der Zeit vom 3. bis 9. Nov. gebildeten ASR
entstehen als Kampforgane der Arbeiterklasse. Ihre
Bildung zeigt den Einfluß der Großen
Sozialistischen Oktoberrevolution auf Deutsehland.
In vielen Orten und Betrieben besitzen die ASR
anfangs Machtpositionen. In einigen Städten, wo
der Kinlluß der Anhänger der Spartakusgruppe, der
Linksradikalcn und der linken Kräfte der USPD stark
ist, werden revolutionäre Maßnahmen durchgeführt.
So werden u. a. in Bremen, Chemnitz, Gotha,
Hamburg, Leipzig und Stuttgart die allen Behörden
abgesetzt, in Braunschweig die herzoglichen Güter
und Ländereien enteignet und in einigen Städten,
wie z. B. in Düsseldorf, Frankfurt (Main), Halle
(Saale), Hanau, Hildburghausen und Leipzig,
Arbeiterwehren aus revolutionären Arbeitern
gebildet. In vielen Betrieben,
so im Leunawerk, in den Spandauer
Staatswerkstätten, in Kohlengruben des Ruhrgebiets
und Oberschlesiens sowie in chemischen
Betrieben
des Rheinlandes, führen die AR
revolutionär-demokratische Maßnahmen durch und
übernehmen die Kontrolle der Produktion.
10. Nov.
Aufruf der Spartakusgruppe an die „Arbeiter und
Soldaten von Berlin!". Er legt in zehn Punkten die
Aufgaben zur Sicherung und Weiterführung der
Revolution dar: Entwaffnung der Polizei und
Offiziere; Bewaffnung des Volkes; Übernahme aller
Behörden und Kommandostellen durch
Vertrauensmänner der ASR; Beseitigung des
Reichstags und aller Parlamente sowie der
bestehenden Reichsregierung; Abschaffung aller
Dynastien und Einzelstaaten; einheitliche
sozialistische Republik; Übernahme der Regierung
durch den zu wählenden Berliner ASB; Wahl von ASR
in ganz Deutschland; Aufnahme der Beziehungen zu
den sozialistischen Bruderparteien und Rückberufung
der sowjclrussischen Botschaft.
„Die rote Fahne"
empfiehlt allen revolutionären Massenversammlungen
die Annahme einer Besolution mit folgenden
Forderungen: Aufnahme von Verbindungen mit dem
revolutionären Proletariat aller Länder;
Wiederherstellung der Beziehungen zur russischen
Sowjetrepublik; Delegierung Rosa Luxemburgs in den
zentralen ASR Deutschlands. Grußbotschaft der
Zeitung „Die rote Fahne" an die Föderative
Sozialistische Sowjetrepublik. In ihr heißt es,
das Berliner Proletariat habe den ersten Jahrestag
der russischen Revolution durch Vollbringung der
deutschen Revolution gefeiert.
Flugblatt der
Spartakusgruppe an die ASR Berlins mit der
Aufforderung, keine Regierungssozialisten in die
provisorische Regierung zu wählen.
Die
Vollversammlung der Berliner ASR im Zirkus Busch
wählt den Vollzugsrat der Berliner ASB, bestehend
aus 7 Vertretern der USPD, 7 der SPD und 14
Soldaten, die fast alle der SPD angehören, und
bestätigt den Rat der Volksbeauflragten, in den E.
Barth, W. Dittmann, H. Haase (USPD), F. Ebert, 0.
Landsberg, Ph. Scheidemann (SPD) eintreten, als
provisorische Regierung. K. Liebknecht bezeichnet
die Mitarbeit der Vertreter der USPD im Rat der
Volksbeauftragten als Unterstützung für die
konterrevolutionäre Politik der Ebert-Scheidemann.
Die Vollversammlung beschließt einen Aufruf „An das
werktätige Volk!", der die Bildung der
sozialistischen Republik, in der die ASR die
politische Macht besitzen, verkündet und als
nächste Aufgaben der Regierung den Abschluß eines
Friedens, die konsequente Vergesellschaftung der
kapitalistischen Produktionsmittel und die Aufnahme
brüderlicher Beziehungen zu Sowjetrußland fordert.
Dieser Aufruf wie auch das Handeln der Mehrheit der
ASR in allen Teilen Deutschlands beweisen, daß die
Arbeiter zwar den Sozialismus wollen, infolge des
langjährigen Einflusses des Opportunismus und der
dadurch hervorgerufenen
bürgerlich-parlamentarischen Illusionen aber nur
unklare Vorstellungen über den Sozialismus und den
Weg dorthin haben. Die Mehrheit der Arbeiter und
Soldaten glaubt, mit dem Sturz der Monarchie und
der Bildung des Rats der Volksbeauftragten die
politische Macht und den Sozialismus errungen zu
haben.
F. Ebert und der
Erste Generalquartiermeister der OHL,
Generalleutnant Groener, schließen einen Pakt
gegen die Revolution auf folgender Grundlage: Die
Regierung sorgt dafür, daß die Rechte des
Offizierskorps wiederhergestellt werden; die
Transportwege sind intakt zu hallen, um
Truppenverschiebungen zu gewährleisten; die
Regierung verpflichtet sich zur baldigen
Durchführung von Wahlen für eine
Nationalversammlung; die OHL unterstützt den
Reichskanzler Ebert. Die Besetzung Berlins zur
Beseitigung der ASR wird geplant. Dieser Pakt
bereitet den Bürgerkrieg zur blutigen
Niederschlagung der revolutionären Bewegung vor.
P. v. Hindenburg
gibt bekannt, „daß die OHL mit dem Reichskanzler
Ebert. . . zusammengehen will, um die Ausbreitung
des terroristischen liidschewismus in Deutschland
zu verhindern". Da die revolutionäre Bewegung im
Heer nach Ansicht v. Hindenburgs nicht mehr
aufzuhallen ist, empfiehlt er anzustreben, die
Bewegung zur Bildung von SR in die Hände der
Offiziere zu bekommen. Das alle
Vorgesetztenverhältnis ist aufrechtzuerhalten.
Bildung von ASR u.
a. in Beuthen, Bromberg,
Danzig, Frankfurt (Oder), Gleiwitz, Graudenz,
Karlsruhe, Oppeln, Saarbrücken. Braun-schweig wird
zur Republik, Sachsen zur sozialen Republik
erklärt.
Der ehem. deutsche
Kaiser Wilhelm II. flieht nach Holland.
11. Nov.
Unterzeichnung des Waffenslillslandsabkommens durch
Vertreter der deutschen Regierung und der Entente
in Compiegne. Das Abkommen legt u. a. die sofortige
Räumung der besetzten Gebiete, mit Ausnahme der zum
ehem. Rußland gehörenden, fest. Die Ostgebiete
sollen durch deutsche Truppen auch weiterhin
besetzt bleiben, um das Vordringen der
sozialistischen Revolution zu verhindern.
Im ersten
Weltkrieg verloren rd. 10 Mill. Menschen durch
direkte Kriegseinwirkungen ihr Leben, rd. 20 Mill.
wurden verwundet. Die direkten Kriegskosten
betrugen 732 Md., die indirekten 606 Md. M.
Deutschland verlor über 2 Mill. Menschen, über 4
Mill. wurden verwundet; die direkten Kriegskosten
betrugen etwa 161 Md. M.
Telegramm der
russischen Sowjetregierung „An alle Arbeiter-,
Soldaten- und Matrosenräte Deutschlands!". Das
deutsche Proletariat wird aufgefordert, die Lehren
der russischen Revolution zu beachten, und gewarnt,
sich Illusionen über die erreichten Ergebnisse der
Revolution in Deutschland hinzugeben. Die russische
Räteregierung kündigt Getreidelieferungen an und
fordert zum gemeinsamen Handeln zur Befreiung der
Ukraine auf.
Gründung des
Spartakusbundes im Hotel „Exzelsior" in Berlin.
Seiner Zentrale gehören an: W. Budich, Käte und H.
Duncker, H. Eberlein, L. Jogiches, P. Lange. P.
I.evi, K. Liebknecht, Rosa Luxemburg, I''.
Mehring, E. Meyer, W. Pieck, A. Thalheimer.
Aufgabengebiete: Redaktion: Liebknecht, Rosa
Luxemburg; Reichsagitation: Jogiches; Groß-Berliner
Agitation: Pieck; Geschäftsführung: Eberlein;
Soldatenagitation: Budich; Frauen- und Jugendagitation:
Käte und H. Duncker.
Rosa Luxemburg fordert als nächste Aufgaben die
Herausgabe einer Tageszeitung, der Wochenschrift
„Die Internationale" sowie von Zeitungen für die
Jugend, die Frauen und die Soldaten und einer
Zeilungskorrespondenz. Es werden die Einrichtung
eines Zentralbüros mit verschiedenen Sekretariaten
und die Gründung eines „Roten Soldatenbundes"
zur Unterstützung der
Soldatenagitation beschlossen. Eigene
Mitgliedskarten werden ausgegeben. Die Bildung der
Zentrale des Spartakusbundes ist ein bedeutender
Schritt auf dem Wege zu einer selbständigen
revolutionären Partei. Doch ist der Spartakusbund
noch keine Partei, sondern eine geschlossene
Propagandavereinigung, deren Mitgl. der USPD
angeboren.
Bildung der Volksmarinediv. in Berlin aus
vorwiegend der Berliner Arbeiterschaft
entstammenden Malrosen unter Führung von H.
Dorrenbach und P. Wieczorek. Diese revolutionäre
proletarische Truppe unterstellt sich dem am 9.
Nov. von der Revolution eingesetzten
Polizeipräsidenten der Stadt E. Eichhorn, wählt
den Volksmarinerat vot
Groß-Berlin und Vororlen und ihren Kommandanten,
den Marineflieger Wieczorek.
12. Nov.
Aufruf der Sowjetregierung, unterzeichnet vom
Volkskommissar für Auswärtige Angelegenheiten der
Russischen Sozialistischen Republik, G. W.
Tschitscherin, „An die Soldaten der Verbündelen an
der Westfront! An alle, an alle, an alle!", die
Waffen gegen ihre eigenen Herren zu richten.
Das Regierungsprogramm des Rates der
Volksbeauftragten verkündet die Aufhebung des
Belagerungszustandes; die Vereins-, Versammlungs-,
Presse- und Religionsfreiheit; Amnestie für
politische Straftaten; Aufhebung des
Hilfsdienstgesetzes,
der Gesindeordnung und der Ausnahmegesetze gegen
die Landarbeiter; Einführung des achtstündigen
Maximalarbeitstages ab spätestens 1. Jan. 19:19;
Unterstützung der Erwerbslosen auf Kosten von
Reich, Staat und Gemeinde; Wiederinkraft-setzen der
Arbeitsschutzbestimmungen; Wohnungsbereitslellung;
gleiches, geheimes, direktes, allgemeines
Wahlrecht für alle Bürger ab 20 Jahre und Hinarbeit
auf geregelte Volksernährung sowie Wahlen für eine
konstituierende Versammlung. Das als sozialistisch
deklarierte Regierungsprogramm ist ein
bürgerlich-demokratisches Reformprogramm, das von
den Volksmassen schon erkämpfte Rechte verkündet.
Es soll die sozialistischen Bestrebungen der
revolutionären Massen in
bürgerlich-parlamentarische Bahnen lenken und die
Entmachtung des Imperialismus und Militarismus
verhindern.
Um ein Übergreifen der
Revolution auf das Land zu verhindern, ruft der Rat
der Volksbeauftragten zur Bildung von Bauernräten
(BR) auf, in denen sowohl Großgrundbesitzer und
Großbauern als auch Kleinbauern und Landarbeiter
vertreten sein sollen.
In einem Telegramm an die OHL ordnet der Rat der
Volksbeauftragten die Wiederherstellung der allen
Vorgesetztenverhältnisse und die Einschränkung der
Rechte der SR an.
Der Vollzugsrat der Berliner ASR ruft zur Bildung
einer Rolen Garde auf, weicht dann aber vor der
Konterrevolution zurück und gibt am
13. Nov. bekannt, daß die Bildung Roter
Garden einzustellen ist.
Aufruf des Vorstandes der USPD „An die Partei!". Er
verkündet, daß an die Stelle der Monarchie die
sozialistische Republik getreten, der alte
Machlapparat zerschlagen und die ASR Träger der
Gewalt seien. Die Gewähr für die Sicherung und den
Ausbau der Ergebnisse der Revolution gebe die
„sozialistische" Regierung, in der SPD und USPD zu
gleichen Teilen vertreten sind. Damit fördert die
USPD die Illusion, die sozialistische, Revolution
habe gesiegt.
Bildung der preußischen Regierung. Dem engeren
Kabinelt gehören an: O. Braun. E. Ernst und P.
Hirsch (SPD) sowie A. Hoffmann, K. Rosenfeld (ab
14. Nov.) und H. Ströbel (USPD).
Gründung der klerikalen Bayrischen
Volkspartei (BVP) in Regensburg, die mit dem
Zentrum eine Arbeitsgemeinschaft bildet. Am 9. Jan.
1920 löst sich
die BVP vom Zentrum, weil sie die Koalitionspolitik
mit der SPD, das Eintreten für den Einheitsstaat
und gewisse sozialpolitische Maßnahmen des Zentrums
nicht billigt.
Der Hamburger ASR löst die alten Staatsorgane der
Hansestadt, den Senat und die Bürgerschaft, auf.
Ähnliche Maßnahmen führt zwei Tage später der
Bremer ASR durch.
13. Nov.
Die Sowjetregierung annulliert den Brest-Litowsker
Vertrag.
Die Sowjetregierung teilt telegrafisch ihren
Beschluß mit, dem deutschen Volke 50 000 Pud Mehl
zu schicken. Der Bat der Volksbeauftragten lehnt
dieses Angebot der proletarischen Solidarität ab.
Dafür bittet er in diesen Tagen wiederholt den
Präsidenten der USA, W. Wilson, um
Lebensmittellieferungen.
Gründung des militaristischen Bundes der
Frontsoldaten, Stahlhelm, in Magdeburg unter F.
Seldte.
14. Nov.
Erste Massenversammlung des Spartakusbundes in den
Sophiensälen in Berlin.
Jugendversammlung der Freien Jugend Groß-Berlins in
den Pharus-sälen in Berlin-Wedding. Mehr als 3000
Jugendliehe fordern einstimmig: Milbestimmung bei
der Verwaltung des Staates; Wahlrecht ah 18 Jahre
für beide Geschlechter; Lern- und Bildungsfreiheit;
sechsstündigen Maximalarbeitslag für Jugendliche
Iiis 18 Jahre; Abschaffung der bestehenden
Lehrverhältnisse; Reformierung der
Fortbildungsschulen und Verlegung des Unterrichts
in die Arbeitszeit; vollständige Gewissensfreiheit
und damit Trennung der Kirche von Staat und Schule.
Ermordung
des Kommandanten der Volksmarinediv. P. Wieczorek,
durch einen konterrevolutionären Marineoffizier.
Der Versuch, gleichzeitig
den Mitbegründer der Volksmarinediv., H.
Dorrenbacb, zu ermorden und die Truppe
konterrevolutionären Offizieren zu unterstellen,
schlägt fehl. Der Berliner Metallarbeiter und
Matrose O. Tost wird Kommandant der Volksmarinediv.
15. Nov.
Gründung des
Roten Soldatenbundes unter Leitung von W. Budich.
Vereinbarungen der
Unternehmerverbände mit den Gewerkschaften
(Arbeitsgemeinschaftsabkommen). Die Gewerkschaften
werden als Vertretung der Aibeiterschaft
anerkannt. Die Koalitionsfreiheit der Arbeiter und
Arbeiterinnen sowie Kollektivvereinbarungen mit den
Gewerkschaften werden zugestanden.
Arbeiterausschüsse sollen gemeinsam mit den
Unternehmern die Durchführung der
Kollektivvereinbarungen überwachen. Außerdem sind
Schlichtungsausschüsse bzw. Einigungsämter in
paritätischer Zusammensetzung aus Arbeiter- und
Unternehmervertretern vorgesehen. Der achtstündige
Arbeitstag wird anerkannt. Zur Durchführung der
Vereinbarungen und „zur Aufrechterhaltung des
Wirtschaftslebens" wird von den
Unternehmerverbänden und den Gewerkschaften ein
Zentralausschuß auf paritätischer Grundlage
(Zentralarbeitsgemeinschaft) mit beruflich
gegliedertem Unterbau errichtet. Dieses Abkommen
soll die Enteignung und Entmachtung der
monopolkapitalistischen Kriegsverbrecher und die
Vergesellschaftung der wichtigsten
Produktionsmittel verhindern und die Arbeiterklasse
an den Imperialismus binden.
Die erste Nr. des
Organs der USPD, „Die Freiheit", erscheint in
Berlin.
Bekanntmachung der
OHL und des preußischen Kriegsministeriums über die
Bildung eines Armeeoberkommandos (AOK)
„Heimatschutz Ost". Dieses AOK leitet die
Aufstellung und den Einsatz konterrevolutionärer
Freiwilligenverbände, wie der „Eisernen Division"
und der Freikorps Heydebreck
und Boßbach, gegen die baltischen und finnischen
Arbeiter sowie gegen Polen. Die Freikorps werden
zur entscheidenden Bürgerkriegstruppe gegen die
Revolution in Deutschland.
16.
Nov.
Der Vollzugsrat
der Berliner ASR gibt bekannt, daß bis zur
endgültigen Neuwahl der Fabrikarbeiterräte die
bestehenden Arbeiterausschüsse, denen das
Kontroll- und Mitbestimmungsrecht über alle aus dem
Produktionsprozeß entstehenden Fragen zusteht,
bestehenbleiben. In einer weiteren Bekanntmachung
des Vollzugsrates wird die schärfste Kontrolle der
örtlichen ASR über die preußischen Behörden und
Beamten angeordnet. Beamte, die im alten Geiste
arbeilen oder gegenrevolulionäre Bestrebungen
verfolgen oder unterstützen, sollen durch den
zuständigen ASR abgesetzt, offener Widerstand soll
mit Waffengewalt gebrochen werden. Diese Beschlüsse
werden nur vereinzelt durchgeführt, weil dem
Vollzugsrat die Kraft und die Entschlossenheil
fehlen, seine Beschlüsse gegenüber der Regierung
und dem alten Staatsapparat durchzusetzen.
Der Chef des
Generalstabes des Feldheeres, v. Hindenburg, erläßt
Richtlinien, nach denen die in Deutschland
einrückenden Truppen nur mit den alten
Staatsorganen zusammenarbeiten sollen. Wenn durch
revolutionäre ASR die Tätigkeit der örtlichen
Behörden gelähmt ist, sollen die Truppen deren
Aufgaben übernehmen. Zur „Schutzimpfung" gegen
revolutionäre Einflüsse auf die Armee wird die
Zulassung von SR als Vertrauensstelle,
Beschwerdeinstanz und beratendes Organ empfohlen.
Gründung der
Deutschen Demokratischen Partei (DDP) durch
Vertreter der früheren Fortschrittlichen
Volkspartei und des linken Flügels der
Nationalliberalen Partei. Sie stellt sich auf den
Boden der bürgerlich-republikanischen Staatsform
und fordert eine gewählte Nationalversammlung.
Damit beginnt die Neuformierung der
bürgerlich-kapitalistischen Parteien.
17.
Nov.
Der
Vollzugsrat der Berliner ASR nimmt eine
Entschließung über seine Stellung zur Rätemacht und
zur Nationalversammlung an. Die revolutionäre
Organisation der ASR soll gesichert und ausgebaut
werden. Eine Delegiertenversammlung der ASR
Deutschlands soll einen Zentralrat wählen, der eine
neue, den Grundsätzen der proletarischen
Demokratie entsprechende Verfassung zu entwerfen
hat. Diese soll jedoch einer konstituierenden
Nationalversammlung zur Beschlußfassung vorgelegt
werden. Die vorgesehene Verbindung von Räteinacht
und bürgerlicher Nationalversammlung zeigt die
starken bürgerlich-parlamentarischen Illusionen in
großen Teilen der Arbeiterklasse. Der Beschluß
bedeutet eine Absage an die Rätemacht und
vergrößert die Verwirrung in den Reihen der
Arbeiter und Soldaten.
Die Teilnehmer
einer öffentlichen Versammlung der
sozialdemokratischen Arbeiterjugend lehnen eine
von der Leitung der Organisation vorbereitete
Resolution ab und stimmen den Forderungen der
Freien Jugend Groß-Berlins (14. Nov.) mit
überwiegender Mehrheit zu.
Der
Stadtkommandant von Berlin, 0. Wels (SPD), ruft die
Soldaten — zur Aufrechlerhaltung der „Ordnung" und
zur „Verhinderung eines Bruderkrieges" — zur
Aufstellung einer Republikanischen
Soldatenwehr auf, die für den Einsatz gegen die
revolutionären Arbeiter vorgesehen ist.
18.
Nov.
Der Rat der
Volksbeauftragten lehnt das Angebot der
Sowjetregierung ab, den Brest-Litowsker Frieden zu
annullieren und einen neuen Frieden auf
brüderlicher Grundlage zu schließen.
Im Leitartikel
„Der Anfang" in der nach siebentägiger
Unterbrechung wieder erscheinenden „Boten Fahne"
analysiert Bosa Luxemburg die Ergebnisse der
begonnenen Bevolution. Sie weist darauf hin, daß
die Arbeiterklasse beim Sturz der Monarchie nicht
stehenbleiben darf, sondern die imperialistische
Bourgeoisie entmachten und alle Macht in den Händen
der ASR konzentrieren muß. Die lokalen ASR müssen
neu gewählt werden. Zur Konstituierung der
Proletarier als einheitliche Klasse und kompakte
politische Macht soll schleunigst ein
Reichsparlament der ASR einberufen werden. Die
Landarbeiter und Kleinbauern müssen unverzüglich
organisiert werden. Zum Schütze der Revolution ist
eine proletarische Rote Garde zu bilden. Ein
Arbeiterweltkongreß
soll nach Deutschland
einberufen werden, um den sozialistischen und
internationalen Charakter der deutschen Revolution
klar hervorzuheben. Das Ziel des Kampfes müsse die
Verwirklichung des sozialistischen Endzieles sein.
19. Nov. Im
Leitartikel der "Roten Fahne" ..Der neue
Burgfrieden" entlarvt K. Liebknecht die
Einigkeitsparolen der rechten sozialdemokratischen
Führer, die den Einlluß der revolutionären Kräfte
zurückdrängen, die Revolution liquidieren und die
imperialistische Ordnung retten wollen.
Versammlung der
Berliner AB, in der K. Liebknecht und linke
unabhängige Sozialdemokraten die Errichtung der
Rätemacht verlangen. Die rechten Führer der SPD
fordern demgegenüber die Wahl einer
Nationalversammlung. Die zentristischen Führer der
USPD erklären sich grundsätzlich für die
Nationalversammlung, sie wollen ihre Einberufung
lediglich zu einem späteren
Zeitpunkt.
Auf der Tagung der
Marine-SR der Ostsee- und Nordseestationen sowie
der Niederelbe in Wilhelmshaven wählen die
Delegierten den Hauptausschuß der Marine, der mit
Befugnis zu militärischen Anordnungen für die
gesamte Marine ausgestattet wird und seinen Sitz in
Wilhelmshaven hat. Der Hauptausschuß organisiert
die revolutionäre Kontrolle des Reichsmarineamtes
und des Admiralstabes in Berlin durch einen
Kontrollausschuß (53er-Ausschuß der Marine), der
sich aus 24 Vertretern der Nordseestationen, 20
Vertretern der Ostseestationen,
5 Vertretern der Stationen der Niedcrelbe und 4
Berliner Matrosen zusammensetzt.
19.-25.
Nov. Streiks
in den Braunkohlengruben der Reviere von
Halle-Oberröblingen, Zeitz-Weißenfels um
Lohnerhöhung und Arbeitszeitverkürzung.
20.
Nov.
Massenkundgebung
der Berliner Arbeiter auf dem Tempel-hofer Feld und
Massendemonstration nach dem Friedrichshain zur
Beisetzung der Revolutionsopfer. Hierbei ruft K.
Liebknecht die Arbeiter zur Durchführung der
sozialistischen Revolution auf.
Die Konferenz
aller ASR des Bezirks Niederrhein bildet einen
Bezirks-ASR. In einer Entschließung fordert die
Konferenz rücksichtslosen Kampf gegen die
Konterrevolution. Die Wahl einer
Nationalversammlung wird entschieden abgelehnt.
21. Nov.
Im Leitartikel der
"Roten Fahne" „Das, was ist"
analysiert K. Liebknecht «lie bestehenden
Machtverhältnisse. Die ASR sind in
ihrer Mehrheit keine Machtorgane der
Arbeiterklasse, deren politische Positionen
schwächer geworden sind. Der alte Staatsapparat
wird vom Rat der Volksbeauftragten erhalten bzw.
wiederhergestellt. Die wirtschaftliche
Machtstellung der besitzenden Klasse wurde nicht
angetastet. Auf dem Lande und in den Städten
organisiert sich die Gegenrevolution; Die Arbeiter
müssen das Eroberte fest in den Fäusten halten und
weitere Machtpositionen erobern.
In Berlin erklären
sich fünf Massenversammlungen, auf denen P. Levi K.
Liebknecht, Rosa Luxemburg, W. Pieck u. a.
sprechen, mit überwiegender Mehrheit für die Rätemacht
und gegen eine Nationalversammlung.
Der Rat der
Volksbeauftragten ermächtigt den Bundesrat, die ihm
nach den allen Gesetzen und Verordnungen
zustehenden Verwaltungsbefugnisse weiterhin
auszuüben.
Der Oberste SR und
der AR in Kiel fordern die Überführung der Banken
und der Großbetriebe der Industrie sowie des
Großgrundbesitzes in Nationaleigentujn, um eine
sichere Grundlage für den Übergang zur
sozialistischen Republik zu haben und den Krieg ein
für allemal aus der Welt zu schaffen.
Der ASR in
Frankfurt (Main) wendet sich mit einem Aufruf an
die Fronltruppen, in dem er
die Soldaten auffordert, sich für die Republik und
den Sozialismus einzusetzen.
21.—29. Nov.
In Berlin legen rd. 3000 Arbeiter der
Daimler-Werke die Arbeit nieder. Der Streik dehnt
sich u. a. auf die Deutsche
Motorenbau-Gesellschaft und die
Siemens-Schuckert-Werke aus. Die Streikenden
fordern Abschaffung der Akkordarbeit, Erhöhung der
Löhne und Verkürzung der Arbeitszeit. Nach
Erringung von Teilerfolgen wird der Streik
abgebrochen.
21.
Nov.—2. Dez.
In den Gruben
Oberschlesiens protestieren über 30 000 deutsche
und polnische Bergarbeiter mit einem Streik gegen
die „Kattowitzer Vereinbarung", das
Arbeitsgemeinschaftsabkommen für Oberschlesien. Die
Streikenden fordern höhere Löhne, eine einmalige
Teuerungszulage und Verkürzung der Arbeitszeit.
Durch unverbindliche Zusagen erreichen die
Unternehmer mit Unterstützung rechter
Gewerkschaftsführer den Abbruch des Streiks.
22.
Nov.
Clara Zetkin ruft
im Leitartikel der „Roten Fahne" „Der Revolution —
der Frauen Dank" die werktätigen Frauen auf, ihre
durch die Revolution erkämpften Bürgerrechte
richtig zu nützen, für die proletarische Demokratie
zu kämpfen und nicht zuzulassen, daß die
Bourgeoisie auf dem Wege über die
Nationalversammlung ihre Macht zurückerobert.
Die
Deutschkonservative,
Freikonservative, Christlich-soziale und Deutschvölkische
Partei schließen sich zur Deutschnationalen
Volkspartei (DNVP) zusammen. Die neue Partei tritt
für die Wiederherstellung der Monarchie ein und
fordert Wahlen zur Nationalversammlung.
23. Nov.
„Die
Rote Fahne" deckt die
Konzentralion konterrevolutionärer Truppen in
Berlin auf.
K. Liebknecht
spricht auf einer vom Roten
Soldatenbund einberufenen Versammlung der
Frontsoldaten. Die Versammlung fordert die von der
Front nach Berlin heimkehrenden Soldaten auf,
Delegierte für einen
Frontsoldatenral zu wählen, der in den
Groß-Berliner SPD
eingegliedert werden soll. Die Versammelten fordern
die sofortige Entfernung aller Ofliziere und
gegenrevolutionären Elemente aus dem Berliner SB.
Sie wenden sieh gegen eine Nationalversammlung und
verlangen die Einberufung eines Kongresses der ASH
Deutschlands.
Der Vollzugsrat
der Berliner ASR überträgt unter dem Einfluß der
rechten Führer der SPD dem Rat der
Volksbeauflragten die exekutive Gewalt und gibt
Richtlinien heraus, nach denen die ASR nicht in die
Verwaltungsaufgaben der Regierungsslellen
eingreifen dürfen. Damit beschränkt er die
Aufgaben der Räte auf untergeordnete
Kontrollfunktionen gegenüber dem allen
Staatsapparat und erklärt seinen Verzicht auf die
Errichtung der Rätemacht. Der Vollzugsrat beruft
den Reieliskongreß der ASR zum 16. Dez. nach Berlin
ein.
Auf seiner 1.
Tagung im Beichsmarineamt in Berlin beschließt der
53er-Ausschuß der Marine Maßnahmen zur Kontrolle
über das Beichsmarineamt und über den Admiralstab.
Ein aus fünf Mitgl. bestehender Zentralrat der
Marine wird gewählt. Ihm sind alle Anordnungen des
Reichsmarineamtes und Admiralstabs zur Bestätigung
vorzulegen. Das ist während der Novemberrevolution
einer der bedeutendsten Versuche, einen Teil des
alten reaktionären Staatsapparates unter die
Kontrolle der Räte zu bringen.
Die
Linksradikalen Bremens geben sich den Namen
„Internationale Kommunisten Deutschlands",
Gruppe Bremen.
Die
Nationalliberale Partei (ohne linken Flügel)
benennt sich in Deutsche Volkspartei (DVP) um. Sie
fordert Erhaltung des kapitalistischen
Privateigentums und unverzügliche Einberufung einer
Verfassung- und gesetzgebenden Nationalversammlung.
24.
Nov.
K. Liebknecht spricht auf einer Jugendversammlung
in Berlin über die politische Lage und die
Aufgaben der Jugend. Die Jugendlieben verlangen
die Fortführung der Revolution bis zur Errichtung
der sozialistischen Gesellschaft. Sie verwerfen die
Nationalversammlung und fordern: Alle Macht dem
ASR.
Die erste Nr. des
Organs des Roten Soldalenbundes, „Der Rote Soldat",
erscheint.
Berufung einer
sog. Sozialisierungskommission unter dem Vorsitz K.
Kautskys. Die Sozialisierungskommission soll
Gutachten und Vorschläge für
„Sozialisierungsmaßnahmen" einer künftigen
Nationalversammlung vorbereiten.
25.
Nov.
Aufruf des Spartakusbundes „An die Proletarier
aller Länder!", um den Sozialismus zu kämpfen, ASR
zu wählen, die politische Macht zu ergreifen,
zusammen mit den Vertretern der deutschen
Arbeiterklasse einen dauerhaften Frieden
herzustellen und nicht zuzulassen, daß die
herrschenden Klassen die Revolution in Deutschland
und Rußland erwürgen.
Reichskonferenz
der deutschen Bundcsstaalen in Berlin. F. Ebert
verlangt, daß die Regelung des gesamten
gesellschaftlichen Lebens der Nationalversammlung
vorbehalten bleibt und daß bei der Sozialisierung
Experimente vormieden werden. Die Konferenz stimmt
mit Ausnahme der Vertreter Braunschweigs und
Gothas, A. Merges und 0. Geilhner (USPD), für die
Einberufung der Nationalversammlung.
27.
Nov. Im
Leitartikel der „Roten
Fahne" „Der Acheron in Bewegung" charakterisiert
Rosa Luxemburg die Streikbewegung als den Anfang
„einer Generalauseinandersetzung zwischen Kapital
und Arbeit in Deutschland".
Auf einer Sitzung
der Berliner AR wendet sich der Volksbeauftragte E.
Barth gegen Streiks und Sozialisierungsmaßnahmen
der Arbeiter. Die Mehrheit der AR nimmt gegen Barth
Stellung, verurteilt-die streikbrecherische
Tätigkeit der rechten Gewerkschaftsführung und
tritt für die Fortsetzung der Streiks ein. Es wird
beschlossen, der Berliner Gewerkschaftskommission
einen Kontrollausschuß beizuordnen.
Die erste Nr. des
Zentralorgans der FSJ, „Die junge Garde",
erscheint. Sie enthält den Artikel K. Liebknechts
„Die proletarische Jugend in der Revolution".
Der 53er-Ausschuß
der Marine fordert von der Regierung energische
Schritte gegen konterrevolutionäre Machenschaften
von Generälen und, zu deren besserer Kontrolle, die
Verlegung der OHL von Kassel nach Berlin.
27. /28. Nov.
1.860 Arbeiter der Fritz
Werner AG, Berlin-Marienfelde, streiken für
Verkürzung der Arbeitszeit, Abschaffung der
Akkordarbeit und Entlassung eines verhaßten
leitenden Angestellten. Sie erkämpfen die
45-Stunden-Woche.
900 Arbeiter der
Gewerkschaft Westfalens in Ahlen streiken. Sie
erkämpfen 7 1/2stündige
Arbeitszeit und Lohnerhöhung.
28. Nov.
K. Liebknecht charakterisiert in seinen
„Leitsätzen" den bisherigen Verlauf der Revolution
als bürgerlich-politische Reformbewegung, die ein
Werk der Arbeiter und Soldaten ist. Er stellt
folgende Aufgaben zur
Weiterführung der Revolution: Konzentralion der
gesamten gesetzgebenden, vollziehenden und
richterlichen Gewalt in den
Händen der Arbeiter, des kleinen Mittelstandes und
der proletarischen Soldaten
in Gestalt der ASR, zu denen Angehörige der
herrschenden Klassen weder
wahlberechtigt noch wählbar sein dürfen; ständige
Kontrolle der Räte durch die Massen und ihre
Abberufung, wenn sie das
Vertrauen der Massen verloren haben; Durcliführung
einer proletarischen demokratischen Organisation
des Heeres; sofortige Aufhebung
der Befehlsgewaltl
der Offiziere; Schaffung einer Arbeitermiliz und
einer Roten Garde;
Aufklärung und Revolutionierung der von den Fronten
kommenden Armeen, die in den Händen
konterrevolutionärer Offiziere eine ungeheure
Bedrohung der Revolution
bilden; Vergesellschaftung der Großbetriebe;
Entwicklung des
Genossenschaftswesens für den
Mittelstand in Stadt und Land ; Überführung
des Vermögens der Dynastien in den Besitz der
Gesellschaft; grundlegende Umgestaltung des
Wohnungs-, Gesundheits-, Erziehungs- und
Bildungswesens; Vereinigung der revolutionären
Kräfte des Proletariats, aber keine
Scheineinigkeit in Ziel und Weg unterschiedlicher
Elemente, kein Zusammenarbeiten mit den rechten
Führern der SPD; Herstellung brüderlicher
Beziehungen mit dem Proletariat der anderen Länder,
besonders dem der Sowjetrepublik. Die Leitsätze
beantworten die grundlegenden Fragen des Kampfes
um den Sozialismus im wesentlichen richtig, sie
weisen den Weg zur Lösung der nationalen
Lebensfragen des deutschen Volkes — zu Frieden,
Demokratie und Sozialismus. Die Leitsätze sind eine
programmatische Grundlage für die Klärung der
wesentlichen Fragen des Staates und der Revolution
in den Beihen der marxistischen Vorhut der
Arbeiterklasse und für die Abgrenzung von den
kleinbürgerlichen, zentristischen Positionen der
Führung der USPD.
Der PA der SPD spricht sich für die schnelle
Einberufung einer Nationalversammlung aus.
29.
Nov.
Rosa
Luxemburg fordert im Leitartikel der „Roten
Fahne" „Parteitag der Unabhängigen SP" die
sofortige Einberufung eines Parteitages der USPD.
Sie charakterisiert die Rolle der rechten Führung
der USPD, die die verräterische Politik der rechten
Führer der SPD deckt und durch ihren Versuch, die
Räte mit der Nationalversammlung zu vereinigen, die
Massen verwirrt. Rosa Luxemburg zeigt, daß Mitgl.
und Anhänger der USPD in wachsendem Maße in
schärfste Opposition zur führenden zentristischen
Gruppe Haase-Kautsky geraten.
Telegramm des Vors. des Zentralen Exekutivkomitees
der ASR Rußlands, J. M. Swerdlow, an die Berliner
ASB, in dem die Teilnahme einer sowjelrussischen
Delegation am Kongreß der deutschen ASR mitgeteilt
wird. Der Vollzugsrat der Berliner ASR beschließt,
die sowjetrussische Delegation willkommen zu
heißen, und ersucht die Reichsregierung, die
notwendigen Maßnahmen zur Einreise der Delegation
zu treffen.
1200 Arbeiter der Deutschen Waffen- und
Munitionsfabriken, Berlin-Oberspree, wenden sich
gegen eine Nationalversammlung. Sie fordern die
gesamte politische Macht für die ASR.
Demonstrationsstreik
von 20.000 Arbeitern der
Werften und anderer Großbetriebe in Bremen unter
Führung der Internationalen Kommunisten
Deutschlands gegen die Einberufung der
Nationalversammlung, für die proletarische
Diktatur, für die Entwaffnung des Bürgertums und
die Bewaffnung des Proletariats, für die Übernahme
der „Bremer Bürger-Zeitung" durch den AR.
30. Nov.
Veröffentlichung
des Aufrufs zur Gründung einer „Eisernen Division"
in Mitau (Baltikum) als Freiwilligenarmee für den
Kampf gegen die Sowjetmacht. Die Bildung dieser
Division ist vom AOK VIII am
21.
Nov. beschlossen und vom Zentralsoldatenrat des AOK
III unterstützt worden. Die „Rote Fahne" fordert
am 1. Dez. vom Berliner SR und von der Regierung
Maßnahmen, um diesen konterrevolutionären Anschlag
rückgängig zu machen.
Quelle: Institut für Marxismus-Leninismus
(HRG), Geschichte der deutschen Arbeiterbewegung
- Chronik, Band II, 1917-1945, Berlin 1966, S.
20-39
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