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Gründung der DDR
 
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10/2019

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"Kalter Krieg" und die Gründung der DDR

Mit dem Amtsantritt des neuen USA-Präsidenten Harry S. Truman wurde der Kampf gegen das sozialistische Weltlager und die progressiven Be­wegungen in der nichtsozialistischen Welt zum zentralen Element der amerikanischen Aufjenpolitik.(3)

1946 setzte Winston Churchill mit den bekannten Reden in den USA und Europa deutliche Akzente in der Richtung eines antisowjetischen Blocks in Westeuropa. Am 17. Januar 1947 machte sich John Foster Dulles, der spätere Außenminister der USA unter dem Präsidenten Dwight D. Eisenhower, ebenfalls zum Fürsprecher eines antisowjetischen Blocks. Die am 12. März verkündete Truman-Doktrin signalisierte endgültig den Übergang der Westmächte zu einer Politik, die auf den Bruch der völkerrechtlich verbindlichen Abmachungen der Anti-Hitler-Koalition gerichtet war und eine weltweite Einmischung der USA in die Angelegenheiten anderer Staaten und die Unterstützung für reaktionäre, antikommunistische Regimes initiierte. Auch der am 5. Juni offiziell angekündigte Marshall-Plan kennzeichnete die antisowjetische Wende: Den Wiederaufbau Europas proklamierend, schloß er durch politisch unannehmbare Bedingungen die sozialistischen Staaten und vor allem die UdSSR als das vom Krieg am schwersten betroffene Land aus dem Kreis der hilfsbedürftigen Länder aus und bestätigte damit die von den USA praktisch längst eingeleitete antikommunistische Embargopolitik.(4)

Was die Grundzüge der Strategie dieses antikommunistischen Feld­zuges anbetraf, der nun von den Westmächten ins Werk gesetzt und bald als „kalter Krieg" bezeichnet wurde, so waren diese schon 1944/45 von George F. Kennan, dem späteren Chef des Planungsstabes im US-State Departement, formuliert worden.

Kennan hatte seine Auffassungen in mehreren Memoranden und Denkschriften dargelegt.(5) In Kennans Bild von der Sowjetunion konkurrierten scharfe antisowjetische Ausfälle mit völliger Ver-ständnislosigkeit und gleichzeitiger Furcht gegenüber den Potenzen der sozialistischen Gesellschaftsordnung. In der Denkschrift „Die Vereinigten Staaten und Rußland" vom Winter 1946, vor allem aber in der von ihm verfaßten und mit „Mr. X" unterzeichneten Arbeit, die am 8. Juli 1947 in den USA veröffentlicht wurde, stellte der Autor einen förmlichen Katalog für außenpolitische Maßnahmen der USA gegenüber der Sowjetunion auf, der wesentliche Elemente der Strategie und des methodischen Arsenals des kalten Krieges gegen den Sozialismus enthielt. Nach einem sich in den Schriften Kennans ständig wiederholenden Gedanken sollten die USA unablässig einen wachsenden Druck auf die UdSSR ausüben, um sie dem Willen des USA-Imperialismus gefügig zu machen. Der Autor gab klar zu verstehen, daß das Ziel der Politik der USA vor allem darin bestehen müsse, die Volksmacht in den neuen sozialistischen Staaten Europas zu stürzen und diese Länder in den Machtbereich des Imperialismus zurückzuführen. Kennan forderte dazu auf, die Politik des Bündnisses mit der Sowjetunion zu beenden und gegen die kommunistischen Parteien Westeuropas einen unerbittlichen Kampf zu führen.(6) Das antisowjetische strategische Konzept erhielt von ihm im Juli 1947 auch die Bezeichnung, die es in aller Welt bekannt machte: „Containment" - „Eindämmung" - ein Begriff, der durch seinen defensiven Anstrich den in Wahrheit äußerst aggres­siven Charakter dieser Politik tarnen sollte. Die Pläne sahen diplo­matische, wirtschaftliche und militärische Maßnahmen vor, mit denen die UdSSR und ihr internationaler politischer Einfluß zurück­gedrängt, wenn möglich sogar ausgeschaltet werden sollten. Dabei dachte man keineswegs daran, etwa abzuwarten, „bis es zur Auf­weichung oder zum inneren Zusammenbruch des Sowjetsystems kom­men würde"(7). Wie der offene Aggressionskrieg gegen die Koreani­sche Volksdemokratische Republik im Juli 1950 demonstrierte, schloß die Strategie des „Containment" auch solche Maßnahmen des kalten Krieges ein.

Am 4. April 1949 war schließlich im Ergebnis von mehr als einjährigen Geheimverhandlungen das Instrument geschaffen worden, mit dem die auch als „Politik der Stärke" bezeichnete Konzeption realisiert werden sollte - der Nordatlantikpakt. Mit der NATO entstand ein imperialistischer Militärpakt, der den Kern des sich auch auf politischer und wirtschaftlicher Ebene formierenden antisowjetischen Bündnissystems in Europa bildete. Durch die Gründung der NATO, der später weitere regionale Pakte folgten, sollte den revo­lutionären Hauptkräften in der Welt von imperialistischer Seite auf der supranationalen Ebene begegnet werden.(8)

Am 20. September 1949 folgte ein weiteres politisches Ereignis, das mit der antisowjetischen Blockbildung in Westeuropa in unmittelbarem Zusammenhang stand: die Gründung der „Bundesrepublik Deutschland".

In den Europa-Plänen der USA nahm diese Staatsgründung einen besonderen Platz ein. Das Territorium der BRD wurde als ein Gebiet von außerordentlicher strategischer Bedeutung betrachtet, seine künftige Mitgliedschaft im westeuropäischen Paktsystem als uner­läßlich angesehen. Die Bundesrepublik sollte nach diesen Plänen dem Nordatlantikpakt den entscheidenden militärstrategischen Rückhalt in Westeuropa geben, sie sollte den Prozeß der „Eindämmung" des Sozialismus in Europa erfolgreich in Gang bringen helfen. 1950 sprach John Foster Dulles offen von solchen Erwartungen. Seiner Auffassung nach sollte die BRD durch die Einverleibung der Deutschen Demokratischen Republik eine „vorgeschobene strategische Position in Mitteleuropa" einnehmen, von der aus sie den Sozialismus in Polen, in der Tschechoslowakei, in Ungarn und in anderen Staaten unterwühlen würde.(9) Damit formulierte Dulles die strategische und politische Aufgabe, die von den aggressiven impe­rialistischen Kräften der Bundesrepublik zugewiesen wurde: die Einverleibung der DDR als notwendige Voraussetzung für die Liquidierung des Lagers der sozialistischen Staaten in Europa.

Anmerkungen


3) Siehe: Väyrynen, Raimo: Militarization, Conflict Behavior and Inter-action. Three Ways of Analyzing the Cold War. Tampere, Peace Research Institute, Research Reports, No. 3/1973, S. 154 f.
4) Am Beginn der amerikanischen Embargopolitik nach dem zweiten Weltkrieg stand der Abbruch der „lend-lease"-Lieferungen, mit denen die USA ihrem sowjetischen Partner in der Anti-Hitler-Koalition Unterstützung im Kampf gegen den Faschismus erwiesen hatten. Vgl. dazu: Väyrynen, ebenda sowie Link, Werner: Das Konzept der friedlichen Ko­operation und der Beginn des Kalten Krieges. Düsseldorf (1971).
5) Siehe: Kennan, George Frost: Memoiren eines Diplomaten 1925-1950. Stuttgart 1968. Siehe hier vor allem die im Anhang des Buches abge­druckten Auszüge aus den Memoranden auf S. 523 f.
6) Ebenda. Seit Ende der sechziger Jahre bemühte sich Kennan um eine schrittweise Distanzierung von der gescheiterten „containment-policy", suchte diese Politik zu verharmlosen und von ihr abzurücken. So erklärte er, daß diese Politik nur eine „Ermutigung" für andere Völker mit einem ausschließlich defensiven Charakter gewesen sei. Entscheidende Stimuli für diese Politik seien das „Wohlwollen des Kongresses" und die „ame­rikanische Meinung" gewesen. Die Truman-Doktrin habe lediglich einer „nationalen Selbstverherrlichung" Vorschub geleistet. (Ebenda, S. 364.) 1973 konstatierte Kennan, der ständig von der „sowjetischen Expan­sion" als Ursache des kalten Krieges geredet hatte, eine „relative Schuld beider Seiten am Ursprung und an der Verschärfung des kalten Krie­ges" und suchte damit die einst von ihm selbst initiierte Politik des kal­ten Krieges im nachhinein zu rechtfertigen. (Kennan, George Frost: Memoiren 1950-1963. Frankfurt a. M. 1973, S. 150.)
7) Schwarz, Hans-Peter: Die Ost-West-Spannungen als Orientierungsrah­men westdeutscher Außenpolitik. In: Handbuch der deutschen Außen­politik. München/Zürich 1975, S. 466.
8) Vgl.: NATO. Strategie und Streitkräfte. Die Rolle der Militärorganisa­tion des Nordatlantikpaktes in der aggressiven Politik des Imperialismus 1949-1975. Militärhistorischer Abriß. Berlin 1976, S. 14.
9) Vgl.: Dulles, John Foster: Krieg oder Frieden. Wien/Stuttgart 1950, S. 163.

Aus: Hans Teller, Der Kalte Krieg gegen die DDR, Berlin 1979, S.3-6