"Kalter
Krieg" und
die Gründung der DDR
Mit dem
Amtsantritt des neuen USA-Präsidenten Harry S.
Truman wurde der Kampf gegen das sozialistische
Weltlager und die progressiven Bewegungen in
der nichtsozialistischen Welt zum zentralen
Element der amerikanischen Aufjenpolitik.(3)
1946 setzte
Winston Churchill mit den bekannten Reden in
den USA und Europa deutliche Akzente in der
Richtung eines antisowjetischen Blocks in
Westeuropa. Am 17. Januar 1947 machte sich John
Foster Dulles, der spätere Außenminister
der USA unter dem Präsidenten Dwight D.
Eisenhower, ebenfalls zum Fürsprecher eines
antisowjetischen Blocks. Die am 12. März
verkündete Truman-Doktrin signalisierte
endgültig den Übergang der Westmächte zu einer
Politik, die auf den Bruch der völkerrechtlich
verbindlichen Abmachungen der
Anti-Hitler-Koalition gerichtet war und eine
weltweite Einmischung der USA in die
Angelegenheiten anderer Staaten und die
Unterstützung für reaktionäre,
antikommunistische Regimes initiierte. Auch der
am 5. Juni offiziell angekündigte Marshall-Plan
kennzeichnete die antisowjetische Wende: Den
Wiederaufbau Europas proklamierend, schloß
er durch politisch unannehmbare Bedingungen die
sozialistischen Staaten und vor allem die UdSSR
als das vom Krieg am schwersten betroffene Land
aus dem Kreis der hilfsbedürftigen Länder aus
und bestätigte damit die von den USA praktisch
längst eingeleitete antikommunistische
Embargopolitik.(4)
Was die Grundzüge
der Strategie dieses antikommunistischen
Feldzuges anbetraf, der nun von den
Westmächten ins Werk gesetzt und bald als
„kalter Krieg" bezeichnet wurde, so waren diese
schon 1944/45 von George F. Kennan, dem
späteren Chef des Planungsstabes im US-State
Departement, formuliert worden.
Kennan hatte
seine Auffassungen in mehreren Memoranden und
Denkschriften dargelegt.(5)
In Kennans Bild von der Sowjetunion
konkurrierten scharfe antisowjetische Ausfälle
mit völliger Ver-ständnislosigkeit und
gleichzeitiger Furcht gegenüber den Potenzen
der sozialistischen Gesellschaftsordnung. In
der Denkschrift „Die Vereinigten Staaten und
Rußland" vom Winter 1946, vor allem aber in der
von ihm verfaßten und mit „Mr. X"
unterzeichneten Arbeit, die am 8. Juli 1947 in
den USA veröffentlicht wurde, stellte der Autor
einen förmlichen Katalog für außenpolitische
Maßnahmen der USA gegenüber der Sowjetunion
auf, der wesentliche Elemente der Strategie und
des methodischen Arsenals des kalten Krieges
gegen den Sozialismus enthielt. Nach einem sich
in den Schriften Kennans ständig wiederholenden
Gedanken sollten die USA unablässig einen
wachsenden Druck auf die UdSSR ausüben, um sie
dem Willen des USA-Imperialismus gefügig zu
machen. Der Autor gab klar zu verstehen, daß
das Ziel der Politik der USA vor allem darin
bestehen müsse, die Volksmacht in den neuen
sozialistischen Staaten Europas zu stürzen und
diese Länder in den Machtbereich des
Imperialismus zurückzuführen. Kennan forderte
dazu auf, die Politik des Bündnisses mit der
Sowjetunion zu beenden und gegen die
kommunistischen Parteien Westeuropas einen
unerbittlichen Kampf zu führen.(6)
Das antisowjetische strategische Konzept
erhielt von ihm im Juli 1947 auch die
Bezeichnung, die es in aller Welt bekannt
machte: „Containment" - „Eindämmung" - ein
Begriff, der durch seinen defensiven Anstrich
den in Wahrheit äußerst aggressiven Charakter
dieser Politik tarnen sollte. Die Pläne sahen
diplomatische, wirtschaftliche und
militärische Maßnahmen vor, mit denen die UdSSR
und ihr internationaler politischer Einfluß
zurückgedrängt, wenn möglich sogar
ausgeschaltet werden sollten. Dabei dachte man
keineswegs daran, etwa abzuwarten, „bis es zur
Aufweichung oder zum inneren Zusammenbruch des
Sowjetsystems kommen würde"(7).
Wie der offene Aggressionskrieg gegen die
Koreanische Volksdemokratische Republik im
Juli 1950 demonstrierte, schloß die Strategie
des „Containment" auch solche Maßnahmen des
kalten Krieges ein.
Am 4. April 1949
war schließlich im Ergebnis von mehr als
einjährigen Geheimverhandlungen das Instrument
geschaffen worden, mit dem die auch als
„Politik der Stärke" bezeichnete Konzeption
realisiert werden sollte - der
Nordatlantikpakt. Mit der NATO entstand ein
imperialistischer Militärpakt, der den Kern des
sich auch auf politischer und wirtschaftlicher
Ebene formierenden antisowjetischen
Bündnissystems in Europa bildete. Durch die
Gründung der NATO, der später weitere regionale
Pakte folgten, sollte den revolutionären
Hauptkräften in der Welt von imperialistischer
Seite auf der supranationalen Ebene begegnet
werden.(8)
Am 20. September
1949 folgte ein weiteres politisches Ereignis,
das mit der antisowjetischen Blockbildung in
Westeuropa in unmittelbarem Zusammenhang stand:
die Gründung der „Bundesrepublik Deutschland".
In den
Europa-Plänen der USA nahm diese Staatsgründung
einen besonderen Platz ein. Das Territorium der
BRD wurde als ein Gebiet von außerordentlicher
strategischer Bedeutung betrachtet, seine
künftige Mitgliedschaft im westeuropäischen
Paktsystem als unerläßlich angesehen. Die
Bundesrepublik sollte nach diesen Plänen dem
Nordatlantikpakt den entscheidenden
militärstrategischen Rückhalt in Westeuropa
geben, sie sollte den Prozeß der „Eindämmung"
des Sozialismus in Europa erfolgreich in Gang
bringen helfen. 1950 sprach John Foster Dulles
offen von solchen Erwartungen. Seiner
Auffassung nach sollte die BRD durch die
Einverleibung der Deutschen Demokratischen
Republik eine „vorgeschobene strategische
Position in Mitteleuropa" einnehmen, von der
aus sie den Sozialismus in Polen, in der
Tschechoslowakei, in Ungarn und in anderen
Staaten unterwühlen würde.(9)
Damit formulierte Dulles die strategische und
politische Aufgabe, die von den aggressiven
imperialistischen Kräften der Bundesrepublik
zugewiesen wurde: die Einverleibung der DDR als
notwendige Voraussetzung für die Liquidierung
des Lagers der sozialistischen Staaten in
Europa.
Anmerkungen
3) Siehe: Väyrynen, Raimo: Militarization,
Conflict Behavior and Inter-action. Three Ways
of Analyzing the Cold War. Tampere, Peace
Research Institute, Research Reports, No.
3/1973, S. 154 f.
4) Am Beginn der amerikanischen Embargopolitik
nach dem zweiten Weltkrieg stand der Abbruch
der „lend-lease"-Lieferungen, mit denen die USA
ihrem sowjetischen Partner in der
Anti-Hitler-Koalition Unterstützung im Kampf
gegen den Faschismus erwiesen hatten. Vgl.
dazu: Väyrynen, ebenda sowie Link, Werner: Das
Konzept der friedlichen Kooperation und der
Beginn des Kalten Krieges. Düsseldorf (1971).
5) Siehe: Kennan, George Frost: Memoiren eines
Diplomaten 1925-1950. Stuttgart 1968. Siehe
hier vor allem die im Anhang des Buches
abgedruckten Auszüge aus den Memoranden auf S.
523 f.
6) Ebenda. Seit Ende der sechziger Jahre
bemühte sich Kennan um eine schrittweise
Distanzierung von der gescheiterten
„containment-policy", suchte diese Politik zu
verharmlosen und von ihr abzurücken. So
erklärte er, daß diese Politik nur eine
„Ermutigung" für andere Völker mit einem
ausschließlich defensiven Charakter gewesen
sei. Entscheidende Stimuli für diese Politik
seien das „Wohlwollen des Kongresses" und die
„amerikanische Meinung" gewesen. Die
Truman-Doktrin habe lediglich einer „nationalen
Selbstverherrlichung" Vorschub geleistet.
(Ebenda, S. 364.) 1973 konstatierte Kennan, der
ständig von der „sowjetischen Expansion" als
Ursache des kalten Krieges geredet hatte, eine
„relative Schuld beider Seiten am Ursprung und
an der Verschärfung des kalten Krieges" und
suchte damit die einst von ihm selbst
initiierte Politik des kalten Krieges im
nachhinein zu rechtfertigen. (Kennan, George
Frost: Memoiren 1950-1963. Frankfurt a. M.
1973, S. 150.)
7) Schwarz, Hans-Peter: Die Ost-West-Spannungen
als Orientierungsrahmen westdeutscher
Außenpolitik. In: Handbuch der deutschen
Außenpolitik. München/Zürich 1975, S. 466.
8) Vgl.: NATO. Strategie und Streitkräfte. Die
Rolle der Militärorganisation des
Nordatlantikpaktes in der aggressiven Politik
des Imperialismus 1949-1975.
Militärhistorischer Abriß. Berlin 1976, S. 14.
9) Vgl.: Dulles, John Foster: Krieg oder
Frieden. Wien/Stuttgart 1950, S. 163.
Aus: Hans Teller, Der Kalte
Krieg gegen die DDR, Berlin 1979,
S.3-6
|