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aus aktuellem Anlaß

Meinungsfreiheit - das wichtigste Grundrecht
Straffreiheit auch fuer Nazis im Internet, solange sie gewaltlos Meinungen aeussern

von  Wau Holland

 

"Die Gedanken sind frei - wer kann sie erraten" war ein Lied des Mittelalters gegen Zensur, waehrend der Zensur.

Galileo Galilei war ein Aufklaerer und ein scharfer Denker. Doch die Macht hatten nicht die Denker, sondern die Herren der Denkverbote. Wer vom Baum der Erkenntnis naschte, wurde aus dem Land gewiesen, das zu den biblischen Zeiten Paradies genannt wurde. "Deine Vorfahren waren zu neugierig und deshalb lebst Du heute nicht im Paradies, sondern im Elend. Halt's Maul! Ran an die Arbeit und mir den Speck" war das Herrschaftsprinzip der Roemisch-Katholischen Kirche.

Die Meinungsfreiheit war vereinheitlicht, denn es gab nur eine gueltige Meinung. Sie nannte sich "Unfehlbarkeit" des Papstes. Dumme Sklaven lassen sich eben leichter kommandieren.

Doch die Neugier siegte. Der Weg der Menschheit vom Glauben zum Wissen geschah scheibchenweise. Was Wissen war und was Glaube oder Vermutung, hat sich in allen Zeiten geaendert und entwickelt sich weiter; trotz zeitweilig maechtiger "Paepste" in allen Bereichen.

Die heutige Fuelle an Wissen laesst es leicht vergessen, wieviel Jahrmillionen notwendig waren, um sie zu erlangen. Wir beginnen gerade, den Weg zu verstehen von biologischen Signalen des Einzellers ueber Kommunikation unter Lebewesen hin zur Nutzung von Wissensdatenbanken heute. Es gibt auch Gegenkraefte: einige verbieten die Verbreitung der Evolutionstheorie noch heute.

"Weisst Du, wieviel Sternlein stehen" haben sich seit Jahrtausenden viele Menschen gefragt, die auf dem Boden unter freiem Himmel lagen und nicht einschlafen konnten. So begannen sie zu zaehlen. Das ging nur, indem diese vielen Puenktchen irgendwie strukturiert werden. So entstanden die Sternbilder und die Astronomie.

Aehnlich ging es mit allen anderen Wissenschaften.

Das Wachstum des Wissens geschieht wie ein Stroemen: analog. Die Kommunikation der Fragenden ist dabei wesentlich und die Irrtuemer und Fehlmeinungen sind lehrreich und hilfreich. Und doch gibt es Stufen der Erkenntnis, die erklommen werden koennen. Das erfordert Konzentration, Sammlung: Energie.

Galileo Galilei hat das Bild der Platterde zerstoert und damit das Fundament der Unfehlbarkeit untergraben. Die Kugel bekam er dafuer nicht verpasst und auch nicht den Scheiterhaufen oder die aus christlicher Naechstenliebe paepstlich verordnete Streckbank - er musste nur widerrufen.

So platt und irdisch sah man Meinungsfreiheit im Kirchenstaat.

Die Reformation brachte eine Regionalisierung der Unfehlbarkeit. "Cujus regio - ejus Religio" oder "Du hast das gleiche zu glauben wie dein Fuerst". Die Sprachwendung "der musste dran glauben" mit der Gleichsetzung fuer Tod erinnert daran, wie ernst das war.

Bis zur Press-Freiheit war es noch ein weiter Weg.

Die erste rekursive Sammlung des Wissens war die Enzyklopaedie von Diderot und d'Alembert. Prompt wurde sie vom Papst verboten. Da sie aber ein Rezept zum Nachbau von sich selbst enthielt, also genaue Beschreibungen, wie Kupferstiche gemacht werden, wie eine Setzerei und eine Druckerei aufgebaut sind, wie Erz geschmolzen wird usw., war das Verbot der Enzyklopaedie nur zehn Jahre durchsetzbar. Dann gab der Papst auf. Die normative Kraft des Faktischen hatte wieder einmal gesiegt.

Heinrich Heine sagte einmal an der Grenze, befragt nach verbotenen Buechern, sein Kopf sei ein Vogelnest voller zwitschernder verbotener Buecher. Die Mentalitaet des "Kontrollieren - verhindern - verbieten" hat er den Buetteln der Zensoren mit ein paar hingeworfenen Worten gnadenlos aufgezeigt: entweder Kopf abhacken oder passieren lassen. Sein loses Mundwerk kam mit ueber die Grenze: das Mundgepaeck zum Handgepaeck. Heine hat Meinungsfreiheit auf den Punkt gebracht.

Bert Brecht war ein anderer Vordenker.

Seine Radiotheorie habe ich ueberspitzt auf den Punkt gebracht mit "Jeder Mensch ein Sender".

Der Computer ist die erste Universalmaschine der Menschheitsgeschichte fuer Informationen und von der Bedeutung her mit der Erfindung des Rades vergleichbar. Das Internet ist das erste Universalmedium, das alle anderen nicht koerperlichen Medien vereint. Bei der Nutzung von "full IP" ist eine Trennung in Dienste voellig unmoeglich. Aber schon eine Mail an eine Mailingliste, die im WWW archiviert wird, gehoert "medienrechtlich" in mehrere Schubladen zugleich.

Heute haben wir grenzueberschreitende Satellitenverbreitung. Ein geostationaerer Satellit kann guenstigstenfalls ein Drittel der Erdoberflaeche erreichen. Die Informationsmenge von vielleicht 1700 Megabyte Debatten pro Tag auf der Erde laesst sich nicht mehr sinnvoll kontrollieren, verhindern oder verbieten: raus ist raus.

Die Verbrennung der Bibliothek in Alexandria, die Buecherverbote der Paepste und die Buecherverbrennungen der Nazis stehen in einer Tradition. Die Nazis verbrannten auch Buecher von Heine und Brecht.

Im Parteiprogramm der NSdAP hiess es 1920: "Staatsbuerger kann nur sein, wer Volksgenosse ist. Volksgenosse kann nur sein, wer deutschen Blutes ist. Kein Jude kann daher Volksgenosse sein".

Das muss archiviert bleiben. Die Geschichtsklitterer wie Stalin oder Hitler zensieren, denn sie haben etwas zu verbergen.

Seien es die manipulierten Lexika der Stalinzeit mit den wegretuschierten Personen oder das letzte Dokument [1] vom

16.02.1945: Behandlung von Entjudungsakten:
Ergaenzung zu der Anweisung vom 10.01.1945:
Wenn der Abtransport von Akten, deren Gegenstand anti-juedische
Taetigkeiten sind, nicht moeglich ist, sind sie zu vernichten,
damit sie nicht dem Feind in die Haende fallen.


Genau wie Nazipostings von heute zu archivieren sind fuer die Nachwelt, gilt das fuer die Vergangenheit. Wichtig dabei sind die ganzen Sondergesetze der Nazis fuer Juden.

Beispiele:

19.10.1939: Einziehung von Rundfunkapparaten.
Die beschlagnahmten Rundfunkgeraete der Juden werden zugunsten
des Reichs eingezogen; es wird keine Entschaedigung fuer sie
geleistet.


19.07.1940: Ausschluss der Juden als Fernsprechteilnehmer.
Juden sind als Fernsprechteilnehmer ausgeschlossen.
Ausnahmen fuer Konsulenten, Krankenbehandler und Personen,
die in privilegierten Mischehen leben.


Wer anfaengt, das grundlegenste Menschenrecht, die gewaltlose Meinungsfreiheit zu begrenzen, begibt sich auf einen gefaehrlichen Weg.

Darf ein Nazi Telefon haben?
Oder sind ihm nur Anrufbeantworter verboten; er koennte ja sowas rundfunkaehnliches wie "Nationale Info Telefone" betreiben.
Darf er eMail haben oder auch WWW?
Darf er einen ftp-Server betreiben?

"Hau weg alles Uebel dieser Welt" als Zensurbegruendung ist lieb gemeint, aber mangelhaft. Definiert gefaelligst alle notwendig erscheinenden Gruende, gewaltlose Meinungsaeusserungen zu zensieren: so knapp wie moeglich & so vollstaendig wie noetig.

Es wird nicht funktionieren.

Zum Thema gewaltloser Meinungsfreiheit gibt es mehrere Ansichten.

Ich schliesse mich den Ausfuehrungen von Rolf Weber in einer Debatte in de.soc.politik dazu an:

"Ich bin der Meinung, dass Meinungsfreiheit das wichtigste Menschenrecht ist, ja. Ein Staat, der die Wuerde des Menschen oder die koerperliche Unversehrtheit nicht achtet, macht das nicht lange, wenn es noch Meinungsfreiheit gibt. Umgekehrt zieht die Abschaffung der Meinungsfreiheit aber die Abschaffung anderer Menschenrechte zwangslaeufig nach sich."

Wir muessen die Rechte der Andersdenken selbst dann beachten, wenn sie Idioten oder schaedlich sind. Wir muessen aufpassen.

Wachsamkeit ist der Preis der Freiheit --- Keine Zensur!

Wau Holland

Danksagung: Ich habe meine Zeit gebraucht, um zu dieser Grundhaltung zu kommen. Vieles dazu habe ich gelernt von Menschen im Netz, von Netizens. Beispielhaft erwaehnen moechte ich Generation @, nadeshda.org, fitug.de, ccc.de und apc.org.

[1] J.Walk (Hrsg.): Das Sonderrecht fuer die Juden im NS-Staat. Huethig, C.F.Mueller, ... ISBN 3-8252-1889-9

(c) by Wau Holland

Quelle: http://www.nadeshda.org/medien4.html

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Aus aktuellem Anlaß

"HIER STANDEN am 26.09.1998
DREI WAHLWERBUNGEN FÜR DIE NPD.
Sie wurden vom Admin.PARTISAN.net um 19.44 Uhr MEZ GELÖSCHT.
NAZI´s verpisst EUCH!!!!"

Dieser Text befand sich nur wenige Minuten auf der virtuellen Wandzeitung des Partisan.net. Daraufhin posteten innerhalb weniger Stunden dieselben Leute,  über 1.000 Mal ein und demselben Nazitext. Alle seitens AdminPartisan.net durchgeführten Löschungen wurden sofort überschrieben.

Um 23.37 Uhr MEZ wurde die Seite aufgrund der anhaltenden faschistischen Spamangriffe geschlossen.

AdminPartisan.net konnte feststellen, daß die Angreifer   über den Internetzugang des Rheinischen Post Onlineclubs mit der Kennung  as12-pri18.rp-plus.de kamen. Dem Sysop des Onlineclubs wurde aufgegeben, den User abzumahnen. Durch die Partisan.net-Mailingliste wurden die PartisanInnen über diese Vorgänge informiert. Wau Holland engagierte isch seinerseits in diesem Konflikt auf Seiten der PartisanInnen und mailte seine Position dem  Sysop des RP-Onlineclubs. Ebenfalls engagierten sich für uns in dieser Angelegenheit die free.de-MacherInnen.

In diesem Kontext verwies Wau Holland auf seine Position in Sachen Nazis & Internet, die er  bei http://www.nadeshda.org veröffentlicht hat. Wir übernehmen hier den Text, um ihn für die PartisanInnen u.a. interessierte zur Diskussion zu stellen. Das Ganze ist natürlich verbunden mit der Hofnung, daß die virtuelle Wandzeitung recht bald wieder aufgemacht wird.

KAMUE

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