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DOKUMENTATION


Betriebsversammlungsrede
15.09. / 16.09.98 Daimler Benz AG, Werk Bremen
von Jürgen Drieling (Betriebsrat)


Kolleginnen und Kollegen...

Das Thema Gruppenarbeit hier im Bremer Werk, löst immer noch heiße
Diskussionen aus. Wer die Rahmenbedingungen der Gruppenarbeit kritisiert,
die mehr als schlecht sind, gilt neuerdings als Scharfmacher.

Als Betriebsräte haben wir stets zusammen mit den Vertrauensleuten dieses
Werkes, die Betriebsvereinbarung zur Gruppenarbeit verteidigt. Während
dieser Verteidigungsaktionen mußten wir leider feststellen, daß wir
ziemlich allein gelassen wurden.

Leitende Führungskräfte sehen in der Gruppenarbeit ein reines
Rationalisierungsinstrument. Sie können es nicht erwarten, endlich mit dem
Kontinuierlichen Verbesserungs Prozeß, genannt KVP, zu beginnen. In
öffentlichen Publikationen wird der Eindruck erweckt, die Bremer
Gruppenarbeit sei unwirtschaftlich.

Hier wird ganz offen Druck auf die Belegschaft ausgeübt. Geredet wird von
einem zusätzlichen Sprung, zur Steigerung der Wirtschaftlichkeit. Eine
Wirtschaftlichkeit die zweifelsfrei vorhanden ist.

Im laufenden Jahr will dieser Konzern erstmals in seiner Geschichte 850.
000 Autos bauen lassen und diese auch mit Profit verkaufen, dies wären ein
Plus von 19 0egenüber dem Vorjahr. Bereits 1997 war der Betriebsgewinn
auf 4,3 Milliarden DM gestiegen. Für 1998 rechnen Experten mit weiteren
Steigerungen.

Chrysler Boß Eaton, prahlt gar in der Bürgerlichen Presse, Jürgen
Schrempp, müsse in Zukunft genauso viel verdienen wie er, nämlich mal eben
satte 20 Millionen DM im Jahr.
Schrempp so war bekannt geworden, begnüge sich dagegen mit "nur" rund 3
Millionen DM im Jahr.

Während sich die Unternehmer selber bedienen, ähnlich wie in Bonn die
Politiker, jammert man uns vor, wir seien zu unwirtschaftlich!

Wir können nicht mehr als arbeiten, und das machen wir bereits rund um die
Uhr!

Wenn wirtschaftlicher gearbeitet werden soll, dann müssen unsere Herren
Manager gefälligst selbst die Ärmel hochkrempeln, und endlich dafür
sorgen, daß wir bessere Rahmenbedingungen für die Gruppenarbeit bekommen!

Wer Gruppenarbeit weiterentwickeln will, der muß seine eigene Fähigkeit
unter Beweis stellen, und Organisatorische Verantwortung für diesen Prozeß
übernehmen.

Was ist zum Beispiel mit der Reorganisation der Zeitwirtschaft in diesem
Konzern?

Die Arbeitszuteilungen die wir hier im Werk erhalten, kommen lückenhaft,
unvollständig und mangelhaft zu den Abteilungen, die damit Autos fertigen
sollen.

Am neuen Motorenband in Halle 34 z.B., gab es helles erstaunen, als
festgestellt wurde, daß die Motoren lediglich mit Öl zu befüllen seien, -
statt Getriebe, Lichtmaschinen, Anlasser und weitere Aggregate -, zu
komplettieren. Die erhaltene Arbeitszuteilung war derartig mangelhaft, daß
sie gut als Beispiel dienen kann, wie es nicht geht!

Offensichtlich weiß in diesem Werk die eine Hand nicht, was die andere
tut; oder aber es wird in den Führungsetagen tief und fest geschlafen!

Als Betriebsräte haben wir mehr als einmal angemahnt, die
Arbeitswirtschaft besser zu organisieren, damit die Gruppenarbeit
weiterentwickelt werden kann. Inzwischen sind selbst einige
Führungskräfte zu dem Ergebnis gekommen, daß die Betriebsräte hier wohl
recht haben.

Das schmeichelt zwar ein bißchen, löst aber noch lange keine Probleme!

Zu dem Anteil der Befristungen haben wir öffentlich Stellung bezogen und
gesagt, daß mit überhöhten Anteilen von Befristungen, eine
Weiterentwicklung der Gruppenarbeit nicht möglich sei.

Statt nun aber Befristete in Festeinstellungen zu wandeln, kommen
Abteilungsleiter und Teamleiter daher, und wollen Stammpersonal versetzen
um im Dezember in Ihren Bereichen einen gleichmäßigen Befristetensockel
von 7,5 0arstellen zu können!

In der Montage im Südwerk sollten ca. 50 Arbeitskräfte vom Stammpersonal
von Halle 3, deswegen nach Halle 2 geschaufelt werden. Im gleichen Atemzug
wurde dann kundgetan, bereits im Januar würden wieder ca. 70 neue
Befristete in Halle 3 benötigt!

Hier hat der Betriebsrat jetzt die Notbremse gezogen, und das verdient
Anerkennung und Beifall!

Die Rationalisierungswut treibt aber auch noch andere Blüten. Ganz neu
ist, daß plötzlich in den Montagebereichen, keine Akkordarbeit mehr
verrichtet werde. Allen Ernstes wird behauptet, der Lohnrahmentarifvertrag
der IG Metall sei nicht mehr bindend.

Stückzahlen und Personalvorgaben bräuchten vor Arbeitsbeginn der
Mannschaft nicht mitgeteilt werden, da bei Daimler ein Prämien bzw.
Standardlohn bezahlt werde, und kein Akkordlohn.

Hier mußten die Bereichsbetriebsräte ohne ABS und ESP eine Vollbremsung
hinlegen, um einen Totalcrash zu umgehen! Während jetzt Stückzahlen und
Personalvorgaben weiter bekannt gegeben werden, soll dieses Problem an die
Personalabteilung zwecks Klärung heran getragen werden.

Für weitere Verwirrung sorgte dann das Anliegen von Führungskräften in der
Montage Südwerk, weil diese in Zukunft eine Arbeitszuteilung über den
gesamten Arbeitstag, sprich über 3 Schichten haben wollen! Dahinter, so
läßt sich vermuten, steckt nichts anderes, als ein weiterer Personalabbau.

Was die eine Schicht nicht schafft, darf die andere dann gefälligst
aufholen!

Elchtesterprobt, konnten die Bereichsbetriebsräte auch dort, dieses
Manöver vorerst parieren. Sie verwiesen in diesem Zusammenhang an den Lohn-
und Akkordausschuß und einer Entscheidung die dann im Betriebsratsgremium
zu treffen sei!

Man muß es an dieser Stelle dem Werkleiter einmal mehr als deutlich sagen:

Nicht die Belegschaft mit den Betriebsräten und Vertrauensleuten, sorgen
hier für Verwirrung und Unsicherheiten, sondern ganz allein Ihre
Führungsriege, Herr Weingarten!

Wer eine Arbeitspolitik entwickeln will, der braucht gleichmäßige Abläufe,
stabile Produktionsbedingungen, verläßliche Betriebsvereinbarungen,
verbindliche Absprachen und qualifizierte Führungskräfte, die z.B. die
Betriebsvereinbarungen zur neuen Arbeitspolitik nicht nur lesen können,
sondern auch inhaltlich begriffen haben.

Davon sind wir allerdings noch weit entfernt.

Nicht wir sind daher die Scharfmacher, sondern diejenigen, die mit
Vorschlaghammer und Brechstange zurück wollen, in den Frühkapitalismus!

Dieser Weg ist mit uns nicht zu machen!

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