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Buchbesprechung
"Biedermänner und Brandstifter"

Polizei und Justiz tun sich schwer im Umgang mit rechtsradikalen Gewalttätern: Spuren, die in dieses Milieu weisen, werden häufig vernachlässigt, wichtige Beweismittel verschlampt, Beschuldigte vorschnell der Öffentlichkeit als Einzeltäter präsentiert. Später vor Gericht werden die Attentäter oft als dumme, alkoholisierte Jungs verharmlost und jegliche politischen Hintergründe ausgeblendet.

Ingrid Müller-Münch beschreibt dies anhand von acht Prozessen, die sie als Gerichtsreporterin begleitete, darunter die stark beachteten Verfahren um die Brandanschläge von Huenxe, Solingen, Hattingen und Lübeck. Detailreich wird belegt, wie unangemessen auf die Gewalt reagiert wird, die aus dem rechten Spektrum kommt

Auch wenn manchen Gegenwind Leser, der Titel vertraut vorkommen mag,(Günter Deckert "Biedermann und Brandstifter", 1994 Herausgeber: Antifaschistisches Aktionsbündnis Weinheim) so befaßt sich das Buch mit acht weiteren Reportagen aus bundesdeutschen Gerichtssälen. Das Antifaschistisches Aktionsbündnis Weinheim war an der Erstellung des Buches diesmal nicht beteiligt.

Huenxe, Wuppertal ...

3. Oktober 1991. In das Schlafzimmer von libanesischen Kindern werden Brandsätze geworfen. Zwei Mädchen erleiden schwere Verbrennungen. Das Duisburger Landgericht verurteilt am 26.5.1992 drei Huenxer Jugendliche wegen gemeinschaftliche begangener schwerer Brandstiftung in Tateinheit mit gemeinschaftlicher schwerer Körperverletzung zu zweimal fünf und einmal dreieinhalb Jahre Haft.

13. November 1992. In Wuppertal wird ein Mann getötet, der sich als Jude ausgegeben hatte. Am 7. Februar 1994 verurteilt eine Jugendstrafkammer des dortigen Landgerichts zwei Skinheads und einen Gastwirt wegen gemeinschaftlich begangenen Mordes und gefährlicher Körperverletzung zu 14, zehn und acht Jahren Haft.

... Neuss, Solingen ...

27. Dezember 1992 Ein 20 jähriger Türke verunglückt tödlich. Im Oktober 1993 verurteilt ein Neusser Amtsrichter einen Hooligan aus Solingen wegen fahrlässiger Tötung und fahrlässiger Strassenverkehrsgefährdung zu 15 Monaten Haft.

29. Mai 1993. Das Haus einer in Solingen lebenden türkischen Familie geht in Flammen auf. Fünf Menschen sterben. Am 13. Oktober 1995 verurteilt ein Strafsenat des Düsseldorfer Oberlandesgerichts vier junge Solinger wegen fünffachen Mordes, 14fachen Mordversuches und besonders schwerer Brandstiftung zu einmal 15 und dreimal zehn Jahren Haft.

Hattingen, Detmold ...

5. Juni 1993. In Hattingen wird das Haus einer türkischen Familie in Brand Gesetzt. Drei Jahre später wir Yasar Uenver der schweren Brandstiftung angeklagt und vom Essener Landgericht freigesprochen. Vor dem Dortmunder Landgericht muss sich der ehemalige Vorsitzende der Nationalistischen Front, Meinolf Schoenborn, mit zwei weiteren Rechtsradikalen wegen Fortführung seiner verbotenen Partei verantworten. Am 8. November 1995 wird er zu zwei Jahren und drei Monaten Haft verurteilt.

Gladbeck und Lübeck

Der Rechtsradikale Thomas Lemke wird Anfang 1997 wegen dreifachen Mordes vom Essener Landgericht zu lebenslanger Haft und anschließender Sicherungsverwahrung verurteilt.18. Januar 1996. Eine Lübecker Flüchtlingsunterkunft geht in Flammen auf. Zehn Menschen sterben, 38 werden schwer verletzt. Angeklagt wird ein libanesischer Hausbewohner. Am 30. Juni 1997spricht ihn eine Jugendstrafkammer vom Vorwurf der schweren Brandstiftung frei.

Wer sind die Täter ?

Im Anschluß wird der Versuch gemacht eine zusammenfassende Beschreibung von rechtsradikalen, gewalttätigen jugendlichen aufzuzeigen.

Einige der beschriebenen Angeklagten waren knallharte Rechtsextremisten, eingebettet in ein dementsprechendes Umfeld. Andere waren keinesfalls die hartgesottenen Kerle, die sie so gerne gewesen wären. Sie hinkten kräftig hinter der Gedankenwelt und den Muskelpaketen ihrer Rädelsführer aus dem Skinhead-Milieu her. Und verhielten sich genauso, wie Verfassungsschützer diese Klientel in ihrem Jahresbericht 1996 beschrieben hatten: Unstet mal dieser, mal jener Gruppierung folgend.

Die in diesem Buch beschriebenen Prozesse geben einen kleinen Einblick in das, was in Köpfen vor sich ging. Wie es zu dem kommen konnte, was andere, die ebenfalls ab dem heißen Herbst 1991 Brandsätze warfen, Ausländer überfielen, Asylbewerber töteten, vor ihren Richtern hin und wieder eine "Schnapsidee" nannten.

Ausblick

Dr. jur. Klaus Riekenbrauk versucht abschließend zu erläutern, was mit Rechtsradikalen Jugendlichen hinter Gittern geschieht. Wie Richterin ihrer Urteilsbegründung zentrale Vorschriften des Jugendgerichtsgesetzes mit aufnehmen und wie die Wirklichkeit hinter den Gefängnismauern aussieht.

Harald Suess

Ingrid Müller-Münch
Biedermänner und Brandstifter Fremdenfeindlichkeit vor Gericht
Dietz Taschenbuch 79 Originalausgabe, 256 Seiten ISBN 3-8012-3079-1 DM 24,80

Dieser Artikel stammt aus der aktuellen Ausgabe der Weinheimer Monatszeitung

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