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SoZ - Sozialistische Zeitung Nr.20 vom 30.09.1999, Seite 11

Grüne wollen Hightechtruppe
Überlegungen von Angelika Beer zur Bundeswehr

von Dirk Eckert

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Mit dem Papier "Weniger ist mehr! Überlegungen zu einer sicherheitspolitisch und technologisch orientierten Modernisierung der Bundeswehr" hat sich die verteidigungspolitische Sprecherin von Bündnis 90/Die Grünen, Angelika Beer, in die Debatte um die Zukunft der Bundeswehr eingeschaltet.

Dabei tritt sie als radikale Modernisiererin auf, die die Truppe in eine "kleine, moderne, ‚intelligente‘ Bundeswehr" umrüsten möchte. Zwar konnte sie sich in der Koalition damit bisher nicht durchsetzen. Aber ihre Überlegungen stellen einen Meilenstein im Verhältnis der Grünen zur Bundeswehr dar: Beer sorgt sich um die "Zukunftsfähigkeit" der Bundeswehr. Im Bundestag machte Beer Union und FDP für die "permanente Unterfinanzierung" der Bundeswehr verantwortlich.

 Mit ihrem Konzept wendet sich Beer gegen die Vorstellung von Verteidigungsminister Rudolf Scharping (SPD), nach der die Fähigkeit der Bundeswehr zur Landesverteidigung beibehalten und gleichzeitig die Kriseninterventionsfähigkeit der Truppe ausgebaut werden könnte. Nach Ansicht von Beer ist "eine deutliche Steigerung des Verteidigungshaushaltes mit dem Ziel technischer Modernisierung bei relativ weitgehender Erhaltung von Struktur und Umfang der Bundeswehr aus haushaltspolitischen Gründen unmöglich".

 Die sich selbst als Antimilitaristin bezeichnende Grüne legt in dem Papier "Weniger ist mehr!" ein eindrucksvolles Bekenntnis zu Bundeswehr und NATO ab. Dabei dürfe "militärisches Krisenmanagement" allerdings nur angewendet werden, "wenn die zivilen Mittel nicht erfolgreich oder erschöpfend angewendet wurden und wenn bestimmte, definierte politische und völkerrechtliche Kriterien erfüllt sind".

 "Um ihrer Zukunftsfähigkeit willen" will Beer der Bundeswehr eine Rosskur verordnen. Elf Brigaden des Heeres, drei Geschwader der Luftwaffe und ein Marinefliegergeschwader sollen abgebaut werden. Herausspringen sollen dabei 11 bis 15 Milliarden Mark. Eine solche Veränderung sei auch aus sicherheitspolitischen Gründen ratsam: "Die Mehrzahl der Risiken für die Sicherheit der Menschen in Deutschland und Europa gehen jedoch nicht mehr von militärisch beeinflussbaren Faktoren aus. Ökonomische und ökologische Krisen, Verknappung der Ressourcen sowie der Zerfall staatlicher Strukturen und ethnopolitisch überformte Konflikte gefährden die Sicherheit der Menschen." Daher sei die "Aufrechterhaltung eines mechanisierten Massenheeres" auch politisch und militärisch unzweckmäßig.

Angelika Beer hat ihr Papier unter das Motto eines Satzes aus dem rot-grünen Koalitionsvertrag gestellt: "Deutsche Außenpolitik ist Friedenspolitik". Aus grüner Sicht fordert sie nun für die Bundesrepublik: "Als ökonomisch stärkster Staat Europas" könne Deutschland einen seiner Bedeutung und seinem Gewicht entsprechenden Beitrag zu Bündnisverteidigung und Krisenmanagement leisten. Eine Politik der Selbsteinbindung und der Beiträge zum nichtmilitärischen wie militärischen Krisenmanagement würden der Bundesrepublik "Mitsprache und Einfluss auf die zu treffenden Entscheidungen" sichern. Dies erfordere eine Armee, "die angemessene, hervorragend ausgebildete und adäquat ausgestattete Kräfte von geringer Mobilisierungsabhängigkeit in Europa, sowie seinen Rand- und Nachbargebieten zum Einsatz bringen kann".

Auch müsste im Rahmen einer Modernisierung der Bundeswehr die "Entwicklung und Ausweitung der politischen, nichtmilitärischen und zivilgesellschaftlichen Handlungsmöglichkeiten präventiver Außen- und Sicherheitspolitik" vollzogen werden. Dafür hat Angelika Beer eine ganze Ansammlung von Begriffen parat: "präventive Sicherheitspolitik", "langfristig orientierte Politik", "internationale Strukturpolitik", "Gewaltprävention", "konstruktive Gewaltbearbeitung". Zwar hätten die letzten Monate gezeigt, "dass die Instrumente für eine effektive Konfliktbearbeitung und Gewaltverhinderung nicht ausreichend" seien. Doch letztlich hält Beer es für nötig, "alle Instrumente, auch die militärischen, die zur Konfliktbearbeitung zur Verfügung stehen, zu reformieren". Auf das Militär mag die Grüne nicht mehr verzichten.

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