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Erobert den Film! 
Winke aus der Praxis für die Praxis proletarischer Filmpropaganda

von Willi Münzenberg

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Das Kino, im Besitze der Bourgeoisie, ist das stärkste Mittel, um die Volksmassen zu betrügen und zu narren. In unseren Händen kann und muß das Kino zur mächtigen Waffe der kommunistischen Propaganda und der Aufklärung der breitesten Arbeitermassen werden. 
Sinowjew

 

Erstes Kapitel
Erobert den Film.  

Ferdinand Lasalle hat die Presse als eine neue Großmacht bezeichnet. Das Gleiche kann heute vom Film gesagt werden. Ja, vielleicht hat es der Film in einigen Ländern heute bereits zu einer größeren Bedeutung gebracht als die Presse. Die Besucher der amerikanischen, englischen und französischen Kinotheater dürften zum Teil heute schon zahlreicher sein als die Zahl der Zeitungsleser in diesen Ländern. Die Besucherzahl der amerikanischen Kinotheater im Jahre 1924 wird auf 16 Millionen geschätzt. Selbst wenn zahlenmäßig die Presse heute noch von einer größeren Personenzahl gelesen wird, als die der Filmbesucher ist, so darf nicht vergessen werden, daß der Film durch das gesehene Bild in viel stärkerer und eindringlicherer Weise auf die Zuschauer wirkt, als das geschriebene Wort auf den Zeitungsleser. Die Zweifel, die noch in den ersten Jahren in weiten Kreisen der Wissenschaft und Intelligenz gegen die Benutzung des Films erhoben wurden, sind heute vollständig verschwunden. Die ständig fortschreitende technische Verbesserung hat auch den letzten Gegner des Films von der Möglichkeit seiner Ausnutzung überzeugt. Der Film dient nicht nur — wenn auch in der Hauptsache — Unterhaltungszwecken, sondern in steigendem Maße Lehrzwecken. In fast allen Ländern wird der Film heute auf Universitäten, Hochschulen, in Mittelschulen und selbst in Volksschulen in ausgedehntem Maße zur Belebung des Unterrichts benutzt. Die verschiedenen Lehr- und Lernfilme, die gerade in den letzten Jahren und speziell in Deutschland in größerem Umfange produziert wurden, beweisen überzeugend die Brauchbarkeit des Films für Lehr- und Studienzwecke. Die verschiedenen grandiosen Naturaufnahmen, wie die der Filme der Südpolar-Expedition und des englischen Films von der Besteigung des Mount Everest, der Film über die Wunder des Meeres und andere zeigen, daß kein anderes Mittel so geeignet ist, in naturgetreuer und plastischer Weise Naturvorgänge wiederzugeben als der Film. Die Verbesserungen bei der Aufnahme, denken wir dabei nur an die im Mount Everest-Film benutzte Fern-photographie, die Verbesserungen bei der Vorführung, bei der Photo-graphie, bei der Entwicklung und allen anderen technischen Vorgängen der Filmproduktion lassen mit Bestimmtheit in den nächsten Jahren eine noch größere Entwicklung des Films voraussagen. Aber schon allein ein Blick auf die Entwicklung des Films seit seinem ersten Erscheinen auf den Jahrmärkten in den 90er Jahren bis heute, bis zu den mit allem Raffinement ausgestatteten Luxus-Theatern läßt ahnen, in welchem Ausmaß in kommenden Jahrzehnten der Film die Welt beherrschen wird. Die revolutionäre Arbeiterbewegung hat deshalb das allergrößte Interesse, diesem überaus wichtigen Problem ihre größte Aufmerksamkeit zu schenken und Mittel und Wege zu suchen, um dieses wirkungsvolle, lebendige Mittel der Propaganda und Agitation in ihren Dienst zu stellen.

"Wir müssen", sagt Clara Zetkin, "die im Lichtbild ruhenden großen kulturellen Möglichkeiten in revolutionärem Sinne entwickeln. Im revolu­tionären Sinne, das bedeutet freilich nicht, daß wir einfach den bürgerlichen Film mit umgekehrten Vorzeichen spielen, den Bourgeois als Teufel, den Proletarier als Engel zeigen. Der Film soll die soziale Wirklichkeit widerspiegeln, statt der Lügen und Märchen darüber, mit denen das bürgerliche Massenkino die Werktätigen betört und betrügt. Die soziale Wirklichkeit aber wird gestaltet durch den Klassengegensatz zwischen Proletariat und Bourgeoisie und durch die Auswirkungen dieses Klassengegensatzes.

Der Film revolutionären Inhaltes muß daher Erkenntnis der proletari­schen Klassenlage vermitteln, das proletarische Klassenbewußtsein ent­wickeln, die Entschlossenheit und Opferfreudigkeit für den revolutionären Kampf wecken und stärken. Er soll den Ausgebeuteten das umwälzende, aufbauende, schöpferische Leben vorführen, das dort sich zu regen und aufzublühen beginnt, wo das Proletariat, wie in Sowjetrußland, die Macht der Besitzenden im Staate niedergeworfen hat."

Wie so oft, sind es die Arbeiterorganisationen, die zuletzt und am zaghaftesten den Versuch wagen, diese technisch wichtige Neuerung in ihren Dienst zu stellen. Ja, die Zeit liegt noch nicht so fern, da von sozialistischen Führern, wie übrigens auch von Ideologen der bürgerlichen Gesellschaft, in allem Ernst der Vorschlag gemacht wurde, den Film grundsätzlich zu verwerfen und zu bekämpfen, weil man in den anfangs ja oft noch unzulänglichen Verfilmungen literarischer Erzeugnisse eine Gefahr der Verkitschung der künstlerischen Darbietung, eine Verflachung des Geschmacks sah, sowie im Film eine Konkurrenz für das Theater fürchtete. Wir erinnern uns, daß noch im Jahre 1912 bei einer in Zürich in der Arbeiterbewegung eröffneten Diskussion über die Verwendungs­möglichkeit der Kinematographie von namhaften Führern der Vorschlag gemacht wurde, den Film zu boykottieren und zu verhindern, daß Arbeiter und Arbeiterfamilien irgendeine Filmvorstellung, selbst zu Bil­dungszwecken, besuchten. Erst nach dem Kriege zeigen sich innerhalb der Arbeiterbewegung schüchterne Anfänge, die darauf abzielen, den Film in den Dienst der Arbeiterpropaganda zu stellen. In verschiedenen Ländern gingen die Arbeiterorganisationen dazu über, Reform-Lichtspiel­abende zu veranstalten, in denen dem Besucher neben Lehr- und Kulturfilmen ein einigermaßen der Kritik standhaltender Unterhaltungsfilm gezeigt wurde. In Deutschland wurde im Jahre 1922 mit Unterstützung des A.D.G.B. durch die Gründung der Volks-Lichtbühne der Versuch gemacht, sozialistisch-proletarische Filme selbst zu produzieren und zur Aufführung zu bringen. Ein Versuch, der scheiterte und der später vom A.D.G.B. wiederholt wurde in der Herstellung und dem Vertrieb des Films "Die Schmiede", der aber ebenfalls keine Massenwirkung auslösen konnte. Aber im großen und ganzen haben die Arbeiterorgani­sationen und selbst die kommunistischen Parteien und Gruppen dieses wirkungsvollste Mittel der Agitation und Propaganda fast restlos dem Gegner zur Ausnutzung überlassen.

Die bürgerlichen und unter ihnen vor allen Dingen die extrem-nationa­listischen und militaristischen Kreise haben sehr frühzeitig die Bedeutung des Films als Propagandamittel erkannt und sich seiner stets in ausgiebigster Weise bedient. Eine besonders starke Ausnutzung des Films geschah während des Weltkrieges, wo speziell England und Frankreich sowohl in ihren Ländern wie in den neutralen Ländern unter großem Kosten­aufwand Propagandafüme gegen die mit ihnen im Kriege liegenden Mittelmächte zur Aufführung brachten. Deutschland versuchte vergebens den Gegner auf diesem Gebiete zu schlagen und schuf zu diesem Zweck sogar eine besondere Filmzentrale mit der Aufgabe, nationale Filme, die weiter die Kriegsbegeisterung schüren sollteil, auf den Markt zu bringen. Außerhalb Deutschlands und Österreichs haben von diesen Filmen nur wenige eine Aufführung erlebt. Aber es ist ganz außer Zweifel, daß die Kriegsfilme und Hetzfilme viel zu der zügellosen Entfesselung des chauvinistischen Wahnsinns im Weltkriege beigetragen haben. Die Nach­kriegsjahre haben eine weitere Ausnutzung der Filmindustrie zum Zwecke der nationalen und chauvinistischen Hetze gebracht. Während in England und Frankreich eine ganze Anzahl Filme zur Aufführung gelangten, die den Triumph des militärischen Sieges zum Ausdruck brachten, war die deutsche Filmindustrie mehr darauf eingestellt, durch Erinnerung an die alten "glanzvollen" Zeiten den Glauben an eine nationale Wiedergeburt Deutschlands zu erwecken. Ein typisches Beispiel dieser Filmserie ist der Film "Friedericus Rex", der gerade in dieser Hinsicht in breiten kiembürgerlichen und spießbürgerlichen Kreisen mächtig wirkte. Es ist interessant, bei der Betrachtung der deutschen Filmproduktion der letzten Jahre in ihr die Widerspiegelung der jeweils in Deutschland vorherrschenden Richtung zu beobachten. Mit der zunehmenden monarchistischen Bewegung, die in der Wahl von Hindenburg den offensicht­lichsten Ausdruck fand, nahm die Produktion und die Herstellung von ausgesprochenen Militär- und monarchistischen Filmen zu. Die Filme "Des Königs Grenadiere", "Aschermittwoch", "Reveille", "Die Tragödie des Obersten Redl" u.a. sind typische Beispiele für diese Behauptung, und es wäre interessant, statistisch festzustellen, in wie vielen Theatern wenige Wochen vor der Stichwahl zur Reichspräsidentenschaft diese und ähnliche Filme durch den bürgerlichen Verleih vor dem Publikum demonstriert wurden.

Wie weit die Ausnutzung des Films zu bestimmten politischen Zwecken geschieht, beweisen u.a. die zahlreichen, im Laufe der letzten Jahre in Europa und Amerika produzierten und zur Aufführung gelangten Hetzfilme gegen Sowjet-Rußland, wie der Film "Todesreigen", eine Berliner Produktion, die in unerhörter, gewissenloser Weise erdichtete und erfundene Schreckens- und Terrorakte der Sowjet-Regierung gegen russische Arbeiter und Bauern auf die Leinwand zauberte und monatelang in fast allen deutschen Städten vorgeführt wurde. In einigen Industrie­bezirken empörten sich die Arbeiter gegen diese Verleumdung und schlugen kurzerhand - wie in Leipzig - die Vorführungsapparate in Trümmer und verbrannten das Schundwerk. Die Empörung der Arbeiter war gerecht und verständlich, aber doch erinnert der Vorgang an die Frühzeit des Kapitalismus, als die von den Maschinen sich bedroht fühlenden Arbeiter im ersten Abwehrinstinkt die Maschinen zerschlugen und den Fabrikanten den roten Hahn auf das Dach setzten, weil sie ihre Handarbeit verdrängten. Erst später lernten die Proletarier, daß es nicht gilt, die Maschinen zu zerstören, sondern daß es vielmehr darauf ankommt, die Maschinen zu erobern und in einer den Arbeitern nützenden Weise anzuwenden. Das gleiche trifft heute auf den Film zu. So verständlich auch die elementare Handlung der Leipziger Arbeiter war, so zeigt sie doch keinen Weg, um dem Übel wirksam zu begegnen. Hier heißt es nicht Zerstörung der Werkzeuge und technischen Mittel, sondern ihre Eroberung und ihre Verwendung für die Arbeiterbewegung, für die Ideenwelt des Kommunismus. Eine der dringendsten Aufgaben auf dem Gebiete der Agitation und Propaganda für die kommunistischen Parteien muß es sein, ein so überaus wichtiges Propagandamittel, das bis heute ausschließlich Monopolbesitz der herrschenden Klasse ist, dem Gegner zu entreißen und gegen ihn zu gebrauchen.  

Zweites Kapitel
Das Bild und der Film in der revolutionären Propaganda.

Zur Agitation und zur Propagierung der kommunistischen Ideen stehen den kommunistischen Parteien und Organisationen zahlreiche Werbemittel zur Verfügung: das gesprochene Wort in Versammlungen, Betriebs­sitzungen, Kundgebungen usw. Das geschriebene Wort durch Flugblätter, Zeitungen, Aufrufe, Zeitschriften, Broschüren und Bücher. Mittel, die seit den ersten Tagen der Arbeiterbewegung benutzt wurden. Neben diesen seit Jahrzehnten in ausgiebigem Maße angewandten Mitteln gelangt mehr und mehr, wenn auch nur langsam und mit Widerstreben, in den letzten Jahren das Bild zur Verwendung in der kommunistischen Agitation und Propaganda. Bis vor ungefähr zwei Jahren wurde das Bild von den Kommunisten fast gar nicht propagandistisch ausgewertet. Selten, daß in einem Buch oder irgendeiner Broschüre ein Bild zur wirksamen Unterstützung und Unterstreichung des Textes verwendet wurde. In keiner Tageszeitung, in keiner Jugendzeitung, in keiner Frauenzeitung wurde es benutzt. Das hat sich erfreulicherweise seit ungefähr zwei Jahren gebessert, und mehr und mehr dient das Bild heute in der kommunistischen Tageszeitung, in Zeitschriften, Frauenbei­lagen usw. zur Belebung des Textes, leider immer noch in einem viel zu geringen Umfang. Der Gegner verfügt allein in Deutschland über Hunderte von verschiedenen illustrierten Zeitungen, und in Berlin allein erscheinen täglich mehrere Zeitungen mit besonderer Bildbeilage. Es ist unbedingt notwendig und erforderlich, daß das Bild in einem noch reicheren Maße als bisher auch von den kommunistischen Tageszeitungen und Jugendzeitungen, Frauen- und Bauernzeitungen benutzt wird. Das Bild wirkt vor allem auf die Kinder, Jugendlichen, auf die primitiv denkende und empfindende, noch nicht organisierte indifferente Masse der Arbeiter, Landarbeiter, Kleinbauern und ähnliche Schichten. Neben den Illustrationen in den Tageszeitungen, Jugend- und Kinderzeitungen, Frauen- und Bauernzeitungen muß unbedingt an die Schaffung und an den Ausbau der illustrierten Arbeiter-Zeitungen gegangen werden. Schon bei dem Vertrieb läßt sich eine illustrierte Zeitschrift leichter an einen indifferenten Arbeiter verkaufen als eine theoretische Broschüre. Es muß möglich werden, der Verdummung durch die bürgerlichen illustrierten Zeitschriften, die heute in Deutschland Millionen-Auflagen haben, durch eine illustrierte Arbeiter-Zeitung erfolgreich entgegenzu­wirken.  

Neben der Schaffung und dem Ausbau der illustrierten Arbeiterzeitung muß durch Photos, Karten, Bildersammlungen und ähnliches das Bild in stärkster Weise für unsere Propaganda benutzt werden, besonders zur Popularisierung der Führer der kommunistischen Internationale, zur Zerstörung des Helden-Nimbus der bürgerlichen Führer und militärischer Generäle und vor allen Dingen bei der Aufklärung und Agitation über Sowjet-Rußland kann und wird das Bild unschätzbare Dienste leisten.

Eine weitere Ausnutzung des Bildes ist möglich durch Lichtbilder-vorträge, die in den ländlichen Teilen Deutschlands und in der Tschecho­slowakei, wo sie bisher am meisten benutzt wurden, die besten Erfolge erzielt haben. Gerade Lichtbilder ermöglichen es, gewisse Themen, wie die Entwicklung des wirtschaftlichen Lebens in Sowjet-Rußland, die Rote Armee usw. überzeugend und in plastischer Weise dem Zuschauer vorzutragen.

Auf allen diesen Gebieten sind bereits Anfänge, wenn auch nur gelinge, vorhanden. Aber so gut wie nichts ist geschehen, um den Film in das Arsenal der Agitations- und Propagandamittel der kommunistischen Parteien aufzunehmen. Mit Recht wurde in der Resolution über die kommunistische Agitation auf der Sitzung der Erweiterten Exekutive der Komintern im März 1925 auf diesen Mangel hingewiesen und gefordert, daß die kommunistischen Parteien sich mehr als bisher des Films anzunehmen und sich ihn dienstbar zu machen haben. Führende Genossen der kommunistischen Internationale haben wiederholt und mit allem Nachdruck auf die große Bedeutung der Filmpropaganda für die kommunistische Bewegung hingewiesen.

Wladimir Iljitsch Lenin äußerte in einem Gespräch zu Gen. Lunartscharski darüber:  "Sie werden die Filmproduktion stark entwickeln, insbesondere das proletarische Kino an die städtischen Massen und in noch viel größerem Maße an das Dorf heranbringen müssen. Sie müssen immer eingedenk sein, daß von allen Künsten das Kino für uns die wichtigste ist."  

Einige Ausführungen des Gen. Sinowjew über das Kino: "Das Kino im Besitze der Bourgeoisie ist das stärkste Mittel, um die Volksmassen zu betrügen und zu narren. In unserer Hand kann und muß das Kino zur mächtigen Waffe der kommunistischen Propaganda und der Aufklärung der breitesten Arbeitermassen werden."

N. A. Semaschko (Volkskommissar für das Gesundheitswesen): "... das Kino gibt ein lebensvolles, lebenswahres Bild, es kann durch die Fabel, durch die Verbildlichung agitieren. Und diese Umstände machen diese Form der Propaganda wertvoll auch auf dem Gebiete des Schutzes der Volksgesundheit; denn heutzutage, bei dem gesteigerten Interesse der Bevölkerung an den wichtigsten Weltfragen, bei der allgemeinen Nervenspannung, dringen trockene Vorträge und Abhandlungen, wenn auch sehr gelehrte, auf dem Gebiete der gesundheitlichen Aurklärung nicht immer zum Herzen des Zuhörers."

A. B. Lunartscharski (Volkskommissar für Volksaufklärung): "... Das Kino erweist sich als sehr lebensfähig. Wir besitzen meistenteils eine sehr beschäftigte und vielversprechende Produktion, doch obwohl wir uns zu der rettungbringenden Vereinigung der Kinotätigkeit in der S.S.S.R. und insbesondere in der R.S.F.S.R. entschlossen haben, tun wir Schritte zur Durchführung dieser Vereinigung nur zögernd und schwankend."

K. Woroschilow (Kommandeur der Truppen des Moskauer Militärbezirks):  "Die Kinematographie, als einer der Hebel der Kultur, hat sich in der S.S.S.R. einen Ehrenplatz errungen. Das Kino ist in der Roten Armee nicht minder populär als in den Arbeiter- und Bauernmassen. Doch auch hier klaffen noch gähnende Lücken."

Clara Zetkin schreibt über die Bedeutung des Films für die kommunistische Propaganda: "Auf keinen Fall kann die kommunistische Bewegung auf die propa­gandistische Kraft des Lichtbildes verzichten. Denn sie sucht ihre Träger in erster Linie in den von den Bildungsmöglichkeiten und den Büchern femgehaltenen Schichten, sie muß die fremdsprachigen Kolonialvölker wider ihre Unterdrücker aufrufen, und sie will die Proletarier aller Länder vereinigen. Von besonderer Bedeutung ist der Film für die Sowjetunion. Der Zarismus hat ihr Analphabetentum und feudale Barbarei hinterlassen. Sowjetrußland umschließt große primitive, aber bildungs­hungrige Massen, die in Hunderten fremder Zungen reden. Hier ist der Film ein Volksbildungsmittel von ungeheurer Wichtigkeit, ein Werkzeug zur Hebung der Produktion, eine Waffe im Kampf gegen gesundheitswidrige Lebensgewohnheiten und Seuchen, ein Vermittler von Wissen, ein Erzieher, ein Bringer der Kultur und der Freude.  Werten wir den Film nach den großen propagandistischen, kulturellen Möglichkeiten, die er in sich trägt.  Verwandeln wir ihn aus einem Mittel zur Bereicherung der Bourgeoisie und zur Festigung ihrer Klassenherrschaft in eine Waffe, die dem Befreiungskampf der Ausgebeuteten dient, in ein Werkzeug, das den Aufbau der höheren kommunistischen Kultur fördert."  

Wenn man an die Massen denkt, die täglich in den Städten und in den kleinsten Orten die Filmtheater füllen und von denen fast 80 bis 90 Prozent Arbeiter sind oder doch der Arbeiterklasse nahestehen, und wenn man weiter die Wirkung des Films auf diese Massen und die von ihm ausgehende Massensuggestion kennt, so wird man die Stellungnahme und die Ver­pflichtung der kommunistischen Partei zur Ausnutzung des Films nur begrüßen. Die Dienstbarmachung und Ausnutzung des Films als Werbemit­tel und zur Unterstützung der Aufklärungsarbeit in den proletarischen Massen ist die dringendste und unmittelbare Aufgabe der kommunistischen Agitation und Propaganda. Der Film kann z.B. zur Enthüllung und zur Geißelung des Gegners benutzt werden, indem er die Entwicklung der sozialistischen Partei von den ersten Anfängen unter Karl Marx und Friedrich Engels bis zur Sozialdemokratie der Barmat-Zirkel im Hotel Bristol zeigt. Die Wirkung eines solchen Films kann man abschätzen, wenn man sich an die Wirkung erinnert, die allein eine Reihe von Lichtbildern, die den gleichen Gegenstand behandelten, im Reichstags­wahlkampfe hatte. Das gleiche trifft zu für einen Film, der gegenüber den militaristischen und monarchistischen Hetzfilmen das wahre Gesicht des alten preußischen Militarismus, die Tortur in den Kasernen, die Menschenquälerei, das Viehische in der Behandlung der Soldaten und die Schrecken und Greuel des Krieges zeigen würde. In Gegenden, wo das Zentrum, die katholische Kirche besonders stark ist, dürfte ein Film, der alle Schrecken der mittelalterlichen Inquisition drastisch zum Ausdruck bringt, sicher die Wirkung auf die bisher treuesten Anhänger des Zentrums nicht verfehlen.

Aber nicht nur gegen den Gegner und zur Geißelung des Gegners läßt sich der Film gebrauchen, sondern der Film gibt auch die Möglichkeit, positiv die Ziele und Kämpfe der kommunistischen Bewegung und der revolutionären Arbeiterorganisationen wiederzugeben. Es unterliegt keinem Zweifel, daß ein Film, der das Leben eines Jugendlichen, der in der Schule geprügelt, vom Lehrmeister mißhandelt wird, leidet, darbt, hungert und dann in Berührung mit der Kommunistischen Jugendbewegung kommt, dort Verteidigung, Schutz, Wahrung seiner Interessen findet, in die Massenbewegung hineingezogen wird, das Versammlungsleben kennenlernt, an Demonstrationen teilnimmt usw., sicher auf Tausende von Jugendlichen eine Suggestionskraft ausüben und große Scharen der Kommunistischen Jugendbewegung näherbringen würde. Das gleiche trifft zu für Filme, die die Geschichte eines Arbeiters zeigen, der, aus dem Kriege zurückgekehrt, in den Strudel der Novemberereignisse gerät, auf den Berliner Barrikaden seine Familie und seine Klasse verteidigt und dort mitkämpft. Oder ein großangelegter Film, der, ähnlich wie der große amerikanische Film "Intoleranz", geschichtliche Perioden widerspiegelt, und zwar die der revolutionären Erhebungen, begonnen mit Spartakus, die Aufstände der Bauernkriege, Thomas Münzers, der großen französischen Revolution, um mit dem großen triumphierenden Sieg der Arbeiter und Bauern in Rußland abzuschließen. Bei einer Ausgestaltung der Filmpropaganda könnte man für die gewerkschaftliche Propaganda versuchen. Filme in den Betrieben oder nach Betriebsschluß in den Dienst der Agitation zu stellen und dort durch entsprechende Trick-Filme den Arbeitern das Sinken der Lebenshaltung, das Sinken ihres Lohnes im Verhältnis zu den steigenden Preisen, die Wirkung der bürgerlichen Führung in der Politik und Wirtschaft zu demonstrieren.

Es gibt Hunderte von Motiven und Objekten, die im Film verwendet und der Propaganda nutzbar gemacht werden könnten. Wir verhehlen uns nicht, daß kolossale Zensurschwierigkeiten, technisch-organisatorische Hindernisse, über die wir in den weiteren Kapiteln reden werden, allen diesen Plänen gegenüberstehen. Viel wäre schon gewonnen, wenn es möglich wäre, die einzelnen kommunistischen Parteien und Gruppen in die Lage zu setzen, wenigstens alle Monate einmal in Form von Filmchroniken die wichtigsten Ereignisse Sowjet-Rußlands zu zeigen, um so die Entwicklung der stärksten Stütze der proletarischen und revolutionä­ren Bewegung den Massen in anschauliche Nähe zu rücken. So gut und wertvoll die bisherigen Agitations- und Propagandamittel, das gesprochene und gedruckte Wort sind, so wird ihr Erfolg doch wesentlich gesteigert durch die Verbindung und mit dem neuzeitlichen Mittel, dem Film. Es darf kein Land mehr geben, in dem die kommunistische Partei und ihre Gruppen den Film nicht in großzügigster Weise bei ihrer Propaganda verwenden.  

Drittes Kapitel
Die Produktion revolutionärer Filme.

Eine der Hauptschwierigkeiten bei den Bestrebungen, sozialistische und revolutionäre Filme zur Aufführung zu bringen, war in früheren Jahren die Tatsache, daß keine vorhanden waren. Die europäische und amerikanische Filmindustrie ist fest in den Händen kleimer, festgeschlossener Filmkonzerne, die meist unmittelbar abhängig von großen Bankinstitutio­nen sind und entweder direkt für nationalistische bürgerliche Propaganda­zwecke produzieren oder aber unter Ausnutzung des Sensationsbedürfnis­ses der breiten kleinbürgerlichen Schichten wertlose, kitschige Sensationsfilme stellen. Man darf ohne Übertreibung behaupten, daß heute die gesamte amerikanische und westeuropäische Filmproduktion unter diesen beiden Gesichtspunkten produziert. Eine Änderung und eine Besserung in dieser Beziehung ist nicht zu erwarten. Wie die kapitalistische Presse, so wird auch der Film vom Großkapital ganz bewußt zur Werbung und Verdummung der breiten Massen benutzt. In der Bekämpfung der bürgerlichen durch ihre eigene Presse hatte es die Arbeiterklasse leichter, weil die Herstellung einer Zeitung verhältnismäßig einfacher und mit geringeren Kosten verbunden ist. Schwerer und fast unmöglich ist aber die Produktion und Herstellung von antikapitalistischen und antibürgerlichen Filmen in kapitalistischen Ländern, weil für einen guten Film, und nur solche kommen in Betracht, um wirkliche Massen­wirkungen zu erzielen, die dazu notwendigen Summen so groß sind, daß keine Arbeiterorganisation in der Lage ist, derartige Mittel aufzubringen. Ein guter Film mit Massenszenen und mit allem technisch notwendigen Raffinement kostet heute mehrere Hunderttausend, größere Filme sogar 1/2 bis zu l Million Goldmark. Die Bekämpfung des antiproletarischen und des bürgerlichen Kitschfilms durch proletarische Filme wäre überhaupt unmöglich, wenn nicht durch den Sieg der proletarischen Revolution in Sowjetrußland sich mit einem Schlage wenigstens die Frage der Filmproduktion geändert und mit der Entstehung des Sowjetstaats die Möglichkeit der Produktion von revolutionären proletarischen Filmen möglich wurde. In Sowjetrußland ist die Filmindustrie bis auf geringe, 'verschwindende Reste verstaatlicht und der kommunistischen Aufklärung und Propagandaarbeit dienstbar gemacht worden. Die russische Kino­industrie hat u.a. aber auch den Vorteil, für ein Land und eine Bevölkerung zu produzieren, die fast schon allein ausreichend ist, um ihre Produktion aufzunehmen und bezahlt zu machen. Die Einflußsphäre des russischen Staates umfaßt heute 1/7 der bewohnbaren Erdoberfläche und 120 Millionen Menschen. Begreiflicherweise hat die russische Filmindustrie durch den Krieg und später durch den Bürgerkrieg und durch die Zeit des Kriegskommunismus am schwersten gelitten und die schwersten Rückschläge erlebt. Es ist verständlich, daß im Kriege und während des völligen Zerfalls der Wirtschaft der Staat in erster Linie für Getreide, Kohle, für Nahrung usw. sorgen und daß der Film und ähnliches in weite Feme gerückt werden mußte. Aber mit dem allgemeinen Erstarken der russischen Wirtschaft in den letzten Jahren zeigt sich auch eine stetige Erholung der Filmindustrie und ihr ständiger weiterer Ausbau. Seit 1923 beginnt die russische Filmindustrie wieder eigene Filme zu produzieren und auf den Markt zu bringen. Die wichtigsten russischen Filmproduktionsstellen sind das Kino-Bureau in Kiew für die Ukraine, das Nordwest-Kino-Bureau in Leningrad und die Filmstelle Meschrabpom-Russ und Prolet-Kino in Moskau. Neben einer Anzahl von Filmen, die unmittelbar Bildungs- und Schulzwecken dienen, beschäftigen sich fast alle in Rußland in den letzten Jahren produzierten Filme mit den Problemen der Arbeiterbewegung, der proletarischen Revolution und dem Schicksal des einzelnen Arbeiters in der Bewegung und in der Revolution. Nur ganz wenige Filme dienen dem allgemeinen Unterhaltungs­zweck und behandeln Fragen, wie sie im Westen die Mehrzahl der Filme charakterisieren: Liebe, Ehe, Komödie. Einzelne der hergestellten Filme, wir denken dabei nur an "Die drei roten Teufelchen", "Palast und Festung" und "Sein Mahnruf", sind Muster proletarischer Filme. Der Film "Die drei roten Teufelchen" wurde aufgenommen von dem Filmbureau in Tiflis und zeigt die Teilnahme von drei jugendlichen Arbeitern an dem Kampf der russischen Sowjetarmee gegen den Bandenführer Machnow, der bekanntlich mit der völligen Niederwerfung seiner Banden endete. Der Film hat spannende Momente der lebendigen Schilderung des Kampfes der Roten Armee gegen die mit Unterstützung österreichischer und deutscher Soldaten operierenden Banden Machnows. - Der Film "Schloß und Festung" veranschaulicht die unerhörten Festungs- und Zuchthaus­qualen der zaristischen Gefangenen in zaristischen Festungen und gewinnt dadurch besondere Bedeutung, daß die Aufnahmen an den historischen Stätten, der Peter-Pauls-Festung, der Schlüsselburg usw. gemacht wurden. - Der Film "Sein Mahnruf", hergestellt von der Produktionsstelle der I.A.H. in Moskau, die dort unter dem Namen Meschrabpom-Russ tätig ist, zeigt in der Schilderung des Lebens eines jugendlichen Arbeitermäd­chens in Leningrad in wunderbaren Kontrasten den völligen Niedergang der weißgardistischen Emigration im Auslande und den langsamen, aber sicheren Aufstieg Sowjetrußlands unter Führung Lenins. Dieser Film ist sowohl in der streng ideologischen Durchführung wie durch seine lebendige und spannende Handlung, als auch durch die Feinheit der Photographie und Technik der bisher bestgelungene proletarische Film. Es ist wahr, daß infolge der jahrelangen dauernden Abschnürung und Blockade Rußlands vom allgemeinen Weltmarkt die russische Filmproduk­tion bis 1914 technisch und photographisch hinter der amerikanischen und schwedischen Produktion zurückgeblieben war. Das aber sind Mängel, die sich rasch beseitigen lassen, und bereits die letztjährige Produktion zeigt bedeutende Fortschritte in der technischen Ausgestaltung. Aber das wichtigste und entscheidendste ist eben die Tatsache, daß in Sowjetrußland heute tatsächlich die Möglichkeit besteht, und zwar zum ersten Male in der Geschichte der Kinoindustrie, unbeeinflußt und unabhängig von den bürgerlichen Kapital- und Bankkreisen aufklärende Filme herzustellen und zu produzieren.

Für die Entwicklung des proletarischen Films ist damit jede Garantie gegeben. Einmal, wie schon betont, die finanziell-kommerzielle Möglich­keit dadurch, daß eben ein Gebiet mit einer Bevölkerung von 120 Millionen groß genug ist, um die in Rußland produzierten Filme allein durch die dort wohnenden 120 Millionen Menschen bezahlt zu machen, und andererseits durch die Unerschöpflichkeit der im proletarischen Film zu behandelnden Motive. Wir haben darauf bereits in Kapitel 2 hinge­wiesen und unterstreichen nur, daß bei einer solchen Vielgestaltigkeit keine Gefahr mehr besteht, daß nach 10 oder 15 Filmen durch die ständige Wiederkehr der gleichen Motive das Interesse der Zuschauer aulhören oder erlahmen könnte. Der revolutionäre Film hat die Möglich­keit, zahllose historische Vorgänge in einzelnen Filmwerken zu behandeln. Er kann revolutionäre Bewegungen verschiedener Zeiten, den revolutionä­ren Hintergrund der einzelnen geschichtlichen Begebenheit widerspiegeln, und unendlich wandelbar ist endlich das Thema der politischen und wirtschaftlichen Kämpfe der Arbeiter gegen die Unternehmer, und den kapitalistischen Staat. Sowjetrußland mit seinem neuen proletarisch­sozialistischen Leben bietet allein eine unendliche Fülle von interessanten Erscheinungen, die, im Film behandelt, auf das größte Interesse der gesamten Arbeiterklasse rechnen können. Die Entwicklung und die Kämpfe der Roten Armee, die Entwicklung der Wirtschaft, das Leben der Ostrepubliken usw. bieten eine Fülle von Stoff. Sehr wertvoll wäre die Herstellung von internationalen Filmen, zum Beispiel der Kampf der französischen Bergarbeiter und die dabei von russischen Bergarbeitern geleistete Hilfe, oder ein Film, der das Schicksal und Erleben eines jungen, durch die Welt wandernden Arbeiters behandelt und durch Beleuchtung der gleichen Ausbeutung in den kapitalistischen Ländern die internationale Notwendigkeit des proletarischen Klassenkampfes nach­weist. Die von uns angeführten Filme: "Die drei roten Teufelchen", "Schloß und Festung", "Sein Mahnruf" beweisen, daß der proletarische Film den ideologischen Stoff in einwandfreier und klarer Weise wiederge­ben kann, in Form einer spannenden, konfliktreichen Handlung, die den Zuschauer dauernd fesselt.

Wir fassen zusammen: Die Möglichkeit der Herstellung revolutionärer proletarischer Massenfilme ist heute durch die russische Filmindustrie gegeben. Damit ist die erste Voraussetzung für die Durchführung und Entwicklung einer großzügigen proletarischen Filmpropaganda geschaffen; ebenfalls eine wertvolle Frucht der siegreichen Revolution der Arbeiter und Bauern Sowjetrußlands.

Viertes Kapitel
Die Aufführung proletarischer Filme.

Mit der Herstellung und mit der Produktion sind noch nicht alle Schwierigkeiten, die sich der Benutzung eines proletarischen Films durch die Arbeiterorganisationen entgegenstellen, überwunden. Eine gleich große Schwierigkeit wie die Frage der Produktion revolutionärer Filme ist die Frage ihrer Aufführungsmöglichkeit, ist die Frage: Wie bringen wir die proletarischen Filme vor die breiten Massen? Diese Aufgabe ist leider fast ebenso schwer und in einzelnen Ländern noch schwerer zu lösen als die Frage der Herstellung revolutionärer Filme. Der bürgerliche Staat mit seinen bürgerlichen Regierungen hat auch auf diesem Gebiet sich mit einem ganzen Netz von Stacheldrahtverhauen umgeben, um sein Monopol von keiner Seite durchbrechen und angreifen zu lassen. Das wichtigste und bedeutendste Mittel in den Händen der bürgerlichen Regierungen gegen die Aufführung revolutionärer Füme ist die Zensur. Alle kapitalistischen Länder haben eine äußerst strenge und scharfe Filmzensur, die viel strenger ist als die in einzelnen Ländern bestehende Presse- oder Theaterzensur. Die Zensurmaßnahmen werden begründet mit dem Scheinvorwand, den guten Geschmack schützen, die Jugend vor dem Verderben durch schlechte Filme bewahren zu müssen und ähnlichen jesuitischen Begründungen, In Wirklichkeit, und das beweist die Handhabung der Filmzensur, dient die Zensur in erster Linie zu einer politischen Kontrolle aller Filme. Bezeichnend dafür ist das Verhalten der deutschen Filmstellen, deren es mehrere, u.a. in Berlin und München gibt. Während die Filmzensur alle Filme mit ausgesprochener, unge­schminkter monarchistischer Propaganda erlaubt, werden Filme mit proletarischer Tendenz ohne weiteres zurückgestellt und verboten. Es ist vorgekommen, daß in einem Film über Rußland verlangt wurde, den Fahneneid der Rotarmisten zu streichen, weil dort der Satz vorkommt, in dem der Rotarmist schwört, den Sozialismus mit seinem Leben zu verteidigen. Die Filmzensur ist heute eine der größten Erschwerungen der Aufführung proletarischer revolutionärer Filme.

Eine Änderung der Handhabe der Filmzensur ist nur durch einen erhöhten politischen Druck auf die Regierungen der einzelnen Länder durch die Arbeitermassen und ihre Parteien zu erreichen. Nur auf diesem Wege wird es möglich sein, die allergröbsten Verstöße und Ungerechtig­keiten zu beseitigen. Eine völlige Befreiung des Films von dieser drückenden Fessel wird natürlich, wie in Sowjetrußland, erst mit dem Sturz der bürgerlichen Regierung und des bürgerlichen Staates überhaupt möglich werden. Bis zu diesem Zeitpunkt aber müssen die kommunistischen Parteien im Parlament und mit außerparlamentarischen Mitteln ständig bemüht sein, die schreiendste Ungerechtigkeit der Filmzensur zu beseitigen.

Aber selbst wenn diese Schwierigkeiten der politischen und Polizeizensur beim revolutionären Film glücklich beseitigt sind, taucht sofort eine neue auf, nämlich die wirtschaftliche Einfuhrschwierigkeit. Fast alle Länder sind, um die Filmproduktion ihres Landes zu schützen, dazu übergegangen, scharfe Kontingentsbestimmungen zu erlassen über die Einführung ausländischer Filme. So z.B. hat Deutschland 1924 bestimmt, daß nur diejenigen Firmen ausländische Filme einführen dürfen, die selbst Filme produzieren. Da natürlich keine Arbeiterorganisation eigene Filmateliers unterhält, so scheiden die Arbeiterorganisationen von vorn­herein als Käufer russischer proletarischer Filme aus, wenn es ihnen nicht möglich wird, auf Umwegen und durch die Benutzung einer bürgerlichen Filmproduktionsstelle sich in den Besitz eines russischen proletarischen Films zu setzen. Ähnliche Bestimmungen bestehen in fast allen Ländern.

Aber selbst den außergewöhnlichen Glücksfall vorausgesetzt, daß es gelingt, mit Hilfe einer bürgerlichen Produktionsstelle den Film in das Land zu bekommen, und daß er obendrein noch von der politischen Zensurstelle freigegeben wird, so taucht die neue Frage auf: Was soll mit dem endlich freigegebenen und endlich verwendbaren Film geschehen? Auf welchem Wege soll er jetzt an das Publikum, an die breiten Massen der Arbeiter und Bauern herangebracht werden?

Der Normalweg, den die bürgerlichen Filmgesellschaften und Film­vertriebsstellen wählen, ist der Weg über die großen Verleihbüros. In allen Ländern der Erde bestehen große Filmverleihbüros, die den Markt mit den notwendigen Filmen versehen. Aber dieser Weg ist für revolutionäre proletarische Filme so gut wie verrammelt. Alle große Filmverleihinstitute sind auf das engste verknüpft mit den Filmproduktionskonzemen und von ihnen mehr oder weniger abhängig. Dazu kommt, daß begreiflicherweise die Filmverleihbüros die gesamte Frage des Filmverleihs lediglich unter dem Gesichtswinkel des Profits und der finanziellen Überschüsse betrachten und bei der Auswahl und Weiterverleihung irgendwelcher Filmwerke sich lediglich und einzig von diesem Gesichtspunkt leiten lassen. In den letzten Jahren sind die wirklich führenden Filmkonzerne, in Deutschland u.a. die Ufa, dazu übergegangen, in der Hauptstadt wie in den Städten und Orten der Provinz eigene Verleihtheater zu erwerben oder in ihre Abhängigkeit zu bringen. Die Ufa zwingt die Zuschauer, in den von ihr abhängigen Filmtheatern ihre eigene Produktion und die Produktion der mit ihr verwandten Konzerne anzuschauen. Allein in Berlin besitzt die Ufa heute fast 20 Theater, im Verhältnis so viel wie Aschinger Bierquellen.

Andere Schwierigkeiten kommen dazu bezüglich des bürgerlichen Filmverleihs, die im Detail zu schildern hier unzweckmäßig erscheint. Es genügt die Feststellung, daß es nur in sehr seltenen Fällen, die als Ausnahme zu werten sind, gelingen wird. Filme mit revolutionärer oder proletarischer Tendenz durch bürgerliche Filmverleihinstitute unterzu­bringen.

Es muß deshalb ein anderer Weg gesucht und gefunden werden, um die in Rußland oder an anderer Stelle produzierten proletarischen Filme nicht nur in die Lagerkammer, sondern tatsächlich vor die breiten Massen zu bringen. Die Mittel, die es gibt, um dieses Ziel zu erreichen, sind mannigfach. Wir wollen einige davon kurz schildern.

1. Es ist möglich, daß Arbeiterorganisationen, in deren Besitz- und Verfügungsrecht sich proletarische Filme befinden, versuchen, direkt mit den kleinen Filmtheatern in den einzelnen Städten Fühlung zu nehmen und dort den Film zur Aufführung zu bringen. Noch sind nicht alle kleinen Filmtheaterbesitzer enteignet und zu Filialleitern der Ufa oder anderer großer Filmgesellschaften geworden. Besonders in der Provinz gibt es eine ganze Anzahl kleinerer und verhältnismäßig noch unabhängiger Filmtheaterbesitzer. Es besteht die Möglichkeit, mit diesen in Verbindung zu treten, um einen proletarischen Film auf einige Abende unterzubringen. Das hat die I.A.H. in Deutschland mit Erfolg im rheinischen Gebiet und Gebieten Mitteldeutschlands getan. Diesen Weg zu gehen, wird sich besonders aussichtsreich zeigen in ausgesprochenen Arbeitergebieten, Industriegebieten oder auch in Städten und Orten, wo, wie in der Tschechoslowakei und Frankreich, die Kommunistische Partei einen entscheidenden Einfluß oder gar die Mehrheit in den Gemeindebehörden und Gemeindeparlamenten hat. In verschiedenen Fällen ist es mit Erfolg gelungen. Man darf sich natürlich keine übertriebenen Hoffnungen machen, man wird auf diese Weise, wenn es sehr hoch kommt, höchstens 8 Prozent der Filmtheater erfassen können. Alle übrigen Filmbühnen werden nur durch die großen Filmbüros beliefert, die jahrelange Verträge mit den Theaterbesitzem abgeschlossen haben.

2. Es müssen also andere Mittel gefunden werden, um tatsächlich den Film vor die breiten Massen zu bringen, und zwar ist trotz aller Schwierig­keiten und organisatorisch-administrativer Erschwerungen der Weg der eigenen Veranstaltung doch noch der aussichtsreichste. Diesen Weg ist die I.A.H. in Amerika gegangen. Sie hat in New York, Chicago und anderen großen Städten Amerikas für einige Tage in der Woche Filmtheater gemietet und mit echt amerikanischer Reklame ihre proletarischen russischen Filme gezeigt. Die ersten Filme, darunter der Film "Im Schatten Rußlands", waren eine Sensation für Amerika und erzielten einen ungeheuren agitatorischen Erfolg. Hunderttausende von Arbeitern haben die Filme gesehen, und auch der finanzielle Überschuß von 25.000 Dollar kann als ein günstiges Resultat bezeichnet werden. Aber nach den ersten zwei russischen Filmen war die Sensation vorüber, das Interesse abgeflaut, und alle weiteren Aufführungen von russischen Filmen auf demselben Wege endeten mit einem Mißerfolg in agitatorischer und finanzieller Beziehung.

Ähnlich ist die I.A.H. in England vorgegangen, wo sie während des letztjährigen Kongresses der Labour-Party in London mehrere russische Filme in einem eigens dazu gemieteten Filmtheater laufen ließ. Agitato­risch war der Versuch ein guter Erfolg, finanziell weniger befriedigend.

Bei dieser Methode, die politischen Filme in gemieteten Filmtheatern zur Aufführung zu bringen, bestehen immer noch eine große Menge von Konfliktsmöglichkeiten mit den Kinobesitzern, die meistens versuchen, persönliche Zensurvorschriften auszuüben: die teure Theatermiete, die Abhängigkeit von bestimmten Tagen, die allein der Theaterbesitzer bestimmt, usw. usw. Der in Deutschland, Frankreich und in der Tschechoslowakei von der I.A.H. eingeschlagene Weg erscheint uns der zweckmäßigste und beste.

3. In Deutschland und in Frankreich stand die I.A.H. von vornherein auf dem Standpunkt, unabhängig von bürgerlichen Filmverleihinstituten, unabhängig von bürgerlichen Filmtheatern ihre Filmtätigkeit zu organi­sieren. In beiden Ländern ging die I.A.H.-Zentrale sofort dazu über, sich mehrere eigene Filmvorführungsapparate zu kaufen. Eine Maßnahme, zu der wir allen Arbeiterorganisationen nur dringend raten können. Der eigene Apparat macht unabhängig vom bürgerlichen Filmtheater und unabhängig von der Raumfrage. In den letzten Jahren wurden die Filmvorführungsapparate derartig technisch verbessert, daß es heute Modelle gibt, mit denen in jedem x-beliebigen Raum, unabhängig von elektrischen Anschlüssen oder Kraftquellen, mit sehr geringem Aufwande und ohne große Umstände einwandfreie Bilder gezeigt werden können. Was für die Kommunistische Partei den eigenen Apparat besonders wertvoll macht, ist, daß ein derartiger Apparat auch Vorführungen im Freien ermöglicht, was besonders in Zeiten des Wahlkampfes oder großer Aktionen von kolossaler Wichtigkeit ist, wenn z.B. bei einem abendlichen Meeting auf dem freien Marktplatze die Ansprachen der Redner zum Schluß durch das lebendige Bild wirksam unterstützt und ergänzt werden.

Nach allen Erfahrungen, die wir durch mehrjährige Tätigkeit gerade in der Filmpropaganda gesammelt haben, müssen wir die Anschaffung eines Filmapparats als die Voraussetzung einer wirklich erfolgreichen Filmpropaganda bezeichnen und unbedingt dazu raten. Wichtig ist, daß zu einem gut funktionierenden, technisch vollkommenen Apparat ein zuverlässiger Vorführer und Operateur gefunden wird, der die von ihm geleistete Arbeit mit Lust und Liebe, als Genösse, der eine besondere Parteipropagandaarbeit leistet, erfüllt.

Falsch wäre es anzunehmen, daß nun allein der Besitz des Apparats jeden angesetzten Filmabend als erfolgreich garantiert. Dazu sind eine ganze Reihe weiterer Vorbedingungen unerläßlich. Solange es sich um Filmvorführungen in der Hauptstadt handelt, wo die Zentrale ihren Sitz hat, ist die Organisierung von Filmabenden noch verhältnismäßig leicht und auch mit geringen Unkosten verknüpft. Schwerer wird es schon, wenn die Filmabende in der Provinz stattlinden sollen, und gerade das ist notwendig, weil in der Provinz der erwähnte Film viel mehr wirkt als in der Hauptstadt, deren Arbeiterschaft durch die zahlreichen und erstklassigen Filmtheater verwöhnt ist. Die Filmabende und Filmtournees müssen mit der größten Sorgfalt frühzeitig vorbereitet und organisiert werden. Die Praxis hat ergeben, daß Filmtournees in einzelnen Bezirken sehr oft Mißerfolge aufweisen, daß, wenn z.B. von der Zentrale Berlin angeordnet wird, vom l.-15. finden Filmabende im Rheingebiet statt, der gesamte Erfolg der Tournee ein unbefriedigender ist. Bei solchen Tournees ist damit zu rechnen, daß fast die Hälfte der Abende ausfällt, einmal, weil man keine Propaganda macht, einmal, weil kein Saal frei ist u.a.m.

Trotz der Mehrkosten, die damit verknüpft sind, ist die I.A.H. in Deutschland dazu übergegangen, direkt von Berlin aus die einzelnen Filmabende zu organisieren und es nicht allein den Bezirken zu überlassen. Sie war dabei natürlich immer bemüht, einige Film-Abende hintereinander in einem kleineren Umkreis durchzuführen, um die Kosten des mit dem Apparat nach dem betr. Ort fahrenden Vorführers auf mehrere Orte zu verteilen. Aber die bisherige völlige Unerfahrenheit der Genossen bei der Benutzung der Filmpropaganda machte es notwendig, daß wenigstens die ersten Vorführungen direkt von der Zentrale aus und unter ihrer Kontrolle organisiert wurden. - Eine weitere Schwierigkeit war, daß die Genossen in den einzelnen, vor allem kleineren Orten bei der Organisierung der Filmabende nicht den Mut hatten, eine auffällige, wirklich anziehende Reklame für ihren Filmabend zu veranstalten. Sie hatten nicht den Mut, in der Reklame zu rufen, sogar zu schreien, was unerläßlich ist, wenn breitere Massen für die Vorführung eines proletari­schen Films gewonnen werden sollen. In den Bezirksblättern stand groß und fett auf der halben Seite ein Inserat über Harry Piel und Henny Porten, und unten, aufgemacht wie eine Todesanzeige oder Annonce von irgendeinem kleinen Gemüsehändler, die Einladung einer Arbeiter­gruppe zum Besuch eines proletarischen Filmabends. Es ist deshalb notwendig, daß wirkungsvolle, farbenreiche Plakate für jede einzelne Filmvorführung in die einzelnen Orte geschickt werden, daß die Inserate und das ganze Reklamewesen von der Zentrale mit Vorentwürfen und den Gruppen zur Verwendung mit genauer Terminangabe: Voranzeige am 11., größere Anzeige am 13., Plakate, Handzettel, Hauptinserat am 14. zur Vorführung am 15. — übermittelt werden. Nur so wird es möglich sein zu vermeiden, daß von 8 in Aussicht genommenen Film­abenden nur 3 stattfinden können. Wenn aber diese notwendigen Voraussetzungen berücksichtigt und gut eingehalten werden, ist in 90 von 100 Fällen mit einem guten Erfolg zu rechnen, was die Praxis der Filmtätigkeit der I.A.H. in Deutschland bewiesen hat. Hunderte von Filmabenden, veranstaltet von der I.A.H., haben stattgefunden, von denen der weitaus größte Teil Tausende von Besuchern und die Mehrzahl aller Veranstaltungen übervolle Säle zeigten. Eine wirksame Ergänzung des vorgeführten Filmes kann stattfinden durch Musikvorträge, durch Arbeiter­gesangvereine oder durch Massensprechchöre, wie sie wirkungsvoll gerade bei dem Film "Lenins Begräbnis" in einzelnen Städten verwendet wurden. Eine Kombination der seit einem halben Jahr in Deutschland spielenden Roten Revue mit einem handlungsreichen Film wird einen ungeheuren Erfolg bei den Besuchern haben.

In Frankreich hat die I.A.H. mit Rücksicht auf die Eisenbahnverhält­nisse und andere Umstände einen besonderen Filmwagen gekauft und ausgerüstet, der mit Filmvorführungsapparat und allem notwendigen Zubehör von Dorf zu Dorf fährt und dort Vorstellungen gibt.

Noch ein Wort über die finanzielle Frage proletarischer Filmabende. Die meisten Mißerfolge für die Filmabende kamen auch daher, daß die Genossen zurückschreckten, größere Ausgaben für die Reklame zu machen. Das ist absolut falsch. Nur jene Filmabende werden mit Gewinn abschließen, die einen Massenbesuch aufweisen. Für einen proletarischen Filmabend muß notwendigerweise das Eintrittsgeld etwas niedriger ange­setzt werden als die Eintrittspreise in den üblichen Kinos. Der dadurch entstehende Ausfall muß wett gemacht werden durch den erhöhten Besuch. Und ein Massenbesuch ist nur durch eine breite, auffällige, schreiende Reklame zu erreichen. Deshalb ist bei der Veranstaltung eines Filmabends nicht zu sparen, sondern lieber etwas mehr auszugeben, dafür aber eine gute, die Belegschaften aller im Orte befindlichen Betriebe und das Straßenpublikum erfassende Reklame durchführen. Die dafür ausgeworfenen Summen kommen unbedingt durch den vermehrten Besuch wieder herein.

Bisher haben nur die I.A.H.-Organisationen in Amerika, Tschecho­slowakei, Frankreich und Deutschland die Filmpropaganda in reichem Maße durchgeführt. In anderen Ländern, Holland, Schweden, Norwegen, Dänemark, Schweiz, Österreich und in verschiedenen Überseeländern wurden nur einzelne Filme aufgeführt. Es ist Aufgabe aller kommunisti­schen Parteien und Organisationen, diese Propagandamöglichkeit für sich zu erschließen und in ihrem Lande die beste technische und organisatori­sche Möglichkeit zur Durchführung der Filmpropaganda zu finden. Unser heutiger Bericht kann und soll nur Beispiele aus den bisherigen Erfahrungen geben.  

Fünftes Kapitel
Von der Filmtätigkeit der I.A.H.

Die I.A.H. hat auf dem Gebiete der Filmpropaganda geradezu bahn­brechend gewirkt, und zwar versuchte sie einerseits durch spezielle I.A.H.-Filme, die ihre eigene Tätigkeit, ihr Werk, ihre Unternehmungen wiedergeben, unmittelbar für ihre eigene Organisation zu wirken, und andererseits durch allgemein-proletarische Filme für die Ideen der revolu­tionären internationalen Arbeiterbewegung und besonders für Sowjet­rußland zu werben. Die ersten Filme, die die I.A.H. zur Aufführung brachte, waren die zwei Filme: "Die Wolga hinunter" und "Hunger in Sowjet-Rußland", die im Herbst 1921 in Rußland aufgenommen und im Jahre 1922 in fast allen europäischen Ländern wie auch in Nordamerika und Argentinien vor vielen Millionen Arbeitern aufgeführt wurden. Die Filme zeigten die durch die große Dürre 1921 verursachte, entsetzliche Emtekatastrophe und die damit verbundene Hungersnot an der Wolga und in weiteren russischen Gebieten und was von Seiten der russischen Regierung und ausländischer Hilfsorganisationen gegen diese Not getan wurde. Die bei den Aufführungen gemachten Erfahrungen und die dadurch erzielten Erfolge bestimmten die I.A.H., auf diesem Gebiete weiterzuarbeiten. In den Jahren 1922, 1923 und 1924 hat dann die I.A.H. eine große Reihe weiterer Filme mit proletarisch-revolutionärem Inhalt in den einzelnen Ländern zur Aufführung gebracht. Seit 1923 ist die I.A.H. dazu übergegangen, selbst Filme zu produzieren, und hat sich zu diesem Zwecke mit der künstlerisch hochstehenden Filmproduktions­stelle "Ruß" in Moskau verbunden, aus deren Atelier der weltbekannte Film "Polikuschka" mit Moskwin in der Hauptrolle stammt. Außer der Filmproduktionsstelle der I.A.H. ist es hauptsächlich das "Prolet-Kino" in Rußland, das versucht, proletarische Filme zu erzeugen. Aber leider haben seine Filmwerke bisher noch nicht den Weg nach dem Auslande gefunden. Seit 1922 hat das Zentralkomitee der I.A.H. durch die Einrichtung einer besonderen Filmabteilung in Berlin versucht, planmäßig die gesamte Welt mit proletarischen Filmen zu versorgen, um proletarische Filme in allen Ländern zur Aufführung zu bringen. Zum Teil mit Erfolg. Den Anstrengungen der I.A.H. ist es gelungen, proletarische Filme aufzuführen in Deutschland, Holland, Belgien, Frankreich, Tschechoslo­wakei, Spanien, Österreich, Italien, Schweiz, Schweden, Norwegen, Däne­mark, Bulgarien, Nordamerika, Kanada, Argentinien, Australien, Südafrika, Japan und Rußland. Von den durch die I.A.H. zur Aufführung gebrachten Filmen seien nur folgende erwähnt:

1. "Hunger in Sowjet-Rußland", der, wie wir kurz berichteten, im Jahre 1921 aufgenommen wurde und vor allem die Werbung zur Unterstützung der I.A.H.-Hilfsaktion für die Hungernden in Rußland zum Ziel hatte.

2. "Die Wolga hinunter", ein Film, der zu dem gleichen Zwecke aufgenommen wurde, aber schon die Milderung der Not zeigt, die Erfolge der Hilfsaktion und den Wiederbeginn der wirtschaftlichen Tätigkeit bei den Bauern und Industriearbeitern.

3. "Der Kongreß der Völker des Ostens in Baku", ein kurzer Film, der in packenden Bildern die erste große Kundgebung der Ostvölker in Baku im Jahre 1921 demonstriert.

4. "Der III. Kongreß der kommunistischen Internationale" mit der besten Aufnahme Lenins als Kongreß, dner.

5. "Fünf Jahre Sowjet-Rußland", ein Querschnitt des politischen, wirt­schaftlichen, militärischen, kulturellen Lebens Sowjet-Rußlands im Jahre 1922.

6. "Im Schatten Rußlands", ein großer Film über das Leben in Rußland im Jahre 1923, der besonders in den Vereinigten Staaten ein riesiges Aufsehen machte und begeisterte Sympathie für Rußland erweckte.

7. "Mutter und Kind in Sowjet-Rußland", ein Film, der in einer spannenden Handlung die Fürsorge zeigt, die Sowjet-Rußland der werden­den und stillenden Mutter angedeihen läßt.

8. "Die Rote Armee", Bilder des Werdens und der Entwicklung der Roten Armee in Sowjet-Rußland und ihrer einzelnen Abteilungen, Kavallerie, Artillerie, Infanterie; über die politische Schulung in ihren Klubs; Kampf gegen das Analphabetentum in der Armee.

9. "Kinderheime und Kindererziehung in Sowjet-Rußland", ein Film, der die Fürsorge des russischen Sowjet-Staates für die durch Krieg, Bürgerkrieg und Hungersnot verwaisten russischen Arbeiter- und Bauernkinder zeigt.

10. "Der l. Mai 1922 in Moskau" mit prächtigen Aufnahmen von diesem Volks-Feiertage, der von einer halben Million Moskauer Arbeiter und Bauern begangen wird.

11. "Eines russischen Diplomaten letzte Fahrt". Der Film zeigt die Überführung des ermordeten Vertreters der Sowjet-Regierung von Lausanne über Berlin nach Moskau. Vor der Leiche des gemeuchelten Kommunisten defilieren in Berlin Zehntausende von Arbeitern, die ihren Kameraden mit brennenden Fackeln in der Nacht zum Bahnhof nach dem Osten begleiten. Die Ankunft in Rußland später in Moskau und die Bestattung unter Teilnahme von unzähligen Tausenden vor der historischen Kremlmauer.

12. "Lenins Tod", der Film, der von allen zeitgenössischen Filmen die gewaltigsten Szenen wiedergibt, die Überführung der Leiche Lenins nach Moskau, wie seine alten Kameraden Kalinin, Kameneff, Sinowjew den Sarg nach dem Gewerkschaftshause tragen, wie eine Million russischer Arbeiter und Bauern zwei Tage lang vor der aufgebahrten Leiche des größten Führers der internationalen Arbeiterbewegung vorüberziehen. Es ist der Film, der bisher den gewaltigsten Eindruck und die größten Erfolge bei breiten Massen der Arbeiter erzielt hat.

13. "Im Herzen des Roten Rußland", ein Film, der das Leben und die Entwicklung Sowjet-Rußlands vom Jahre 1924 wiederspiegelt und jetzt auch in England und Deutschland durch bürgerlichen Verleih zur Aufführung kommen soll.

14. "Der V. Kongreß der Komintern".

15. "Das Wunder des Soldaten Iwan". Dieser Film, von einer Genossen­schaft junger russischer Künstler in eigener Regie hergestellt, ist eine leichte Komödie, die den religiösen Aberglauben verspotten soll. Die Handlung spielt in der Zeit der russischen Despotie in der ersten Hälfte des neunzehnten Jahrhunderts. Der Inhalt ist folgender: Iwan, ein junger Bauembursche, wird von seiner Gutsherrschaft zum Militärdienst gezwungen und rackert seine Jahre in einer Petrograder Kaserne ab. Die Plage des Dienstes würde ihn nicht mehr quälen als jeden anderen, kämen nicht aus der Heimat trübe Nachrichten: Der geringe Besitz der Eltern verfällt infolge einer Mißernte, und Iwans Mädchen, das auf ihn wartet, wird von dem Gutsverwalter, der Kreatur der Herrschaft, bedrängt. Iwan sieht um sich die Schätze und die Verschwendung des Hofes und weiß, daß es nur eines geringen Bruchteiles davon bedürfte, um sein Glück, das Glück seiner Familie und seines Mädchens wiederherzustellen. — Das Regiment Iwans bekommt ein edelsteinbesetztes Heiligenbild gespendet, das auf offenem Platze hinter Glas aufbewahrt und ständig von einem Soldaten bewacht wird. Als die Reihe an Iwan gekommen ist, schlägt er nach kurzem Besinnen das Glas ein, bricht einen Edelstein heraus und steckt ihn zu sich. Der Ablösung meldet er: "Alles in Ordnung, nur ein Stein ist weg, die heilige Jungfrau hat ihn mir geschenkt." – Der Hauptmann lacht über die Naivität des Diebes und sperrt ihn ins Gefängnis. Doch die Nachricht von dem Wunder hat sich durch die Stadt verbreitet. Namentlich die Frauen zweifeln nicht an seiner Wahrheit. Die Töchter und Gattinnen der Offiziere und der höheren Beamten fordern, daß man den Wundertäter Iwan aus dem Gefängnis entlasse. Die Männer glauben an keine Mysterien. Da mischt sich die Kirche ein. Auch die Popen glauben nicht daran, doch muß man dem Volke seine Dummheit bewahren. Was bleibt anderes übrig, als den guten Iwan aus dem Arrest zu entlassen und ihn, den Wundertäter, noch obendrein zu beschenken, so daß er in sein Heimatdorf zurückkehren und sein Mädchen heiraten kann.

16. "Völkermai". Der Film zeigt die Maidemonstration des internatio­nalen Proletariats in den Weltstädten beider Kontinente vom Jahre 1923, die gewaltigen Arbeiterkundgebungen in Berlin, New York, London, Paris, Stockholm, Zürich, Christiania, Prag, Leningrad und Moskau.

17. "Hunger in Deutschland". Der Film behandelt die Folgen der Inflation in Deutschland und die dadurch hervorgerufenen Abwehrkämpfe der deutschen Arbeiterschaft, den Betriebsrätekongreß in Chemnitz im Herbst 1923 usw.

18. "Die I.A.H. und ihre Tätigkeit in Rußland". Ein Film, der die Tätigkeit im Auslande, die Hungerhilfe in Deutschland, aber auch ihre wirtschaftliche Tätigkeit in Rußland wiedergibt. Der Film bringt Bilder über die Fischerei in Astrachan, die Güter im Ural bei Kasan, die als mustergültig bewirtschaftete Farmen gelten; der Film zeigt auch Bilder, aus denen gleichzeitig die fortschreitende Verbesserung in den Bebauungs­methoden der russischen Landwirtschaft ersichtlich wird.

19. "Werbefilm der I.A.H.". Ein Film von 120 m Länge, der in direkt agitatorischer Weise für die I.A.H. wirbt.

20. Eine ganze Reihe kleinerer Filme mit kurzen Chroniken aus der russischen und internationalen Arbeiterbewegung.

Alle diese Filme wurden, von wenigen Ausnahmen abgesehen, durch die Filmabteilung der I.A.H.-Organisationen in den von uns aufgeführten Ländern in Form besonderer Film-Abende und Film-Veranstaltungen der I.A.H. zur Aufführung gebracht. Insgesamt dürften weit über 25 Millio­nen Menschen diese Filme angeschaut haben. Es unterliegt keinem Zweifel, daß gerade diese Filmtätigkeit in starker Weise geholfen hat, die I.A.H. in den breiten Massen der Arbeiter und Bauern so populär zu machen, wie es heute der Fall ist. Das bisher Geleistete betrachtet die I.A.H. aber nur als einen Anfang ihrer Filmtätigkeit. Die internationale Leitung der I.A.H. hat beschlossen, speziell der Filmabteilung und der Filmproduktionsstelle in Rußland die größte Aufmerksamkeit zu schenken und gerade diesen Zweig ihrer Tätigkeit besonders stark auszubauen. Nach jahrelangen Anstrengungen ist es der I.A.H. gelungen, zuerst zusammen mit einer Filmgesellschaft, jetzt aber vollständig in einer eigenen Filmproduktionsstelle neue und sowohl künstlerisch wie ideologisch einwandfreie Propagandafilme zu produzieren und sie den Arbeiter-Organisationen zugänglich zu machen. Als die charakteristischste Schöpfung aus der neuen Periode der Filmtätigkeit in dem eigenen Atelier der I.A.H. ist der Film "Sein Mahnruf" anzusprechen.

Inhaltlich zeigt der Film in der Schilderung der Erlebnisse eines jungen Arbeitermädchens in Leningrad die Kämpfe, die Entwicklung der russi­schen Sowjetrepublik und den Niedergang ihrer Feinde, der weißen Emigranten im Auslande, vor allen Dingen in Paris. Der Film schildert in überaus packender Weise die Bürgerkriegskämpfe in Leningrad im Herbst 1917, die das junge Mädchen Katja als 13jähriges Kind erlebt und in denen sie ihren Vater, der als revolutionärer Arbeiter die Barrikaden verteidigt, verliert. Das Mädchen kommt zu ihrer Großmutter aufs Land und dort in eine große Textilfabrik. Das ermöglicht dem Regisseur, die Fabrik unter dem alten Regime der kapitalistischen Inhaber während des größten Niederganges der russischen Wirtschaft und die ständig steigende Verbesserung mit der von Jahr zu Jahr fortschreitenden Entwicklung der russischen Verhältnisse zu zeigen. Während in den ersten Teilen der Wahrheit gemäß die furchtbaren Folgen des Bürgerkrieges in Rußland, die ausbrechende Hungersnot usw. gezeigt werden, erlebt der Zuschauer die Orgien mit, die die nach Paris geflüchteten weißgardistischen Emigranten veranstalten. Aber nach einigen Jahren hat sich das Bild geändert; die russische Wirtschaft beginnt zu erstarken, das Los der Arbeiter wird besser. Unter dem Sowjet-Regime werden gemeinsame Kantinen eingerichtet, Leseklubs, Bildungszirkel usw. in den Fabriken errichtet, eine stabile Währung geschaffen, während im Auslande die Emigranten ihre geschmuggelten Juwelen und letzten Schmuckstücke versetzen und verprassen und dem Nichts gegenüberstehen.

Was den Film besonders wertvoll macht, ist die exakte Durchführung einer geschlossenen Handlung mit packenden, tragischen Momenten und ein vollendetes künstlerisches Spiel der im Film mitwirkenden Kräfte. Besonders fällt das wunderbare Einfühlen der beim Film beschäftigten Kinder auf. So sieht man ein Bild, in Paris: die weißgardistischen Emigranten haben die Landkarte vor sich und studieren den Vormarsch nach Rußland und die Wiedereroberung ihres verlorenen Paradieses. Durch eine Überblendung ändert sich das Bild, die Landkarte: auf der anderen Seite sind fünf russische Kinder, die die Verteidigung Rußlands gegen die einbrechenden Polen verfolgen und strategische Studien treiben. Oder ein anderes Bild: Ein Fabriksaal der Textilfabrik, wo Katja arbeitet. Ein Arbeiter zeigt die erste Sowjet-Silbermünze. Alles drängt sich um ihn mit erfreutem Gesicht. Das Bild wechselt, die Hand verwandelt sich in eine schmale Aristokratenhand und die russische Sowjetmünze in den letzten Zarenrubel, den der geflüchtete weiße Emigrant in Paris noch zum Leben hat.

Der Film bekommt besonderen Wert dadurch, daß in äußerst geschickter Weise der Einfluß Lenins auf die Entwicklung Sowjet-Rußlands sichtbar gemacht wurde, so in den schwersten Jahren 1920 bis 1922, wo Lenin als Redner auf dem 2. Kongreß der Kommunistischen Internationale und dann symbolisch dargestellt als Steuermann auf einem in schwerstem Sturmgang kämpfenden Schiff unter der Sowjet-Fahne erscheint. Die Höhe des Filmschauspiels wird erreicht im Schlußakt, als einer Arbeiter­versammlung, die zusammengetreten ist, um den Gedenktag der ersten russischen Revolution im Jahre 1905 zu feiern, die Nachricht wird, daß Lenin gestorben sei. Im Schneesturm ist die Telephonleitung zerrissen. Niemand glaubt an die Nachricht. Ein junger Genösse wirft sich aufs Pferd, um in der nächstgelegenen Poststation sichere Nachricht einzuholen. Die Versammlung wartet eine Stunde, zwei Stunden, drei Stunden. Die Zuschauer erleben den Ritt durch die stürmische Nacht, das Pferd wird zuschanden geritten, die Nachricht bestätigt sich. Erjagt zurück, von einer Bauernfamilie leiht er sich ein Ersatzpferd. "Was ist los, welches Unglück jagt Euch? " Welcher Schmerz malt sich auf den Gesichtern der Bauernfamilie bis zum kleinsten Kind, als der Reiter mitteilt: "Lenin ist tot", und welcher Ausbruch, als er die gleiche Nachricht der immer noch wartenden Menge überbringen muß. Und dann das Große, Erhebende, Bejahende, Hoffnungsfreudige: nach dem Begräbnis die Riesenkundgebung der Arbeiter, "sein Mahnruf" aus dem Grabe, das Lenin-Aufgebot, der Appell an alle Arbeiter und Bauern, Lenins Stelle auszufüllen und in die Partei einzutreten. Wie sich alte Bauern melden, die kaum schreiben können, Frauen, und Katja, die unter dem Jubel der Versammlung in die Partei aufgenommen wird. Als Endbild symbolisch Lenin mit weisender Hand und diesem Bilde entgegenziehend Hunderte und Tausende von Arbeitern mit roten Bannern. Kurz, sowohl in der Handlung wie in der Ideologie strengste Einheit, lebendige Bilder, raschfolgende Szenen, die den Zuschauer in ständig wachsender Spannung erhalten, um durch die Schlußbilder die Spannung auszulösen in das bejahende Wollen, mitzuhelfen und mitzuwirken an den großen Zielen, die sich die proletarische Bewegung gesteckt hat.

Der Film wird, wenn er gezeigt werden kann, Millionen Arbeitern helfen, den Weg zur Arbeiterbewegung zu finden.

Der Film ist bereits in Rußland mit außerordentlichem Erfolg aufgeführt worden, und die gesamte Presse hat sich sehr lobend und anerkennend über ihn ausgesprochen. So schreibt die "Prawda" vom 17. Februar:

"Den Film 'Sein Mahnruf können wir ruhig den ausländischen Arbeitern zum Geschenk machen. In technischer Hinsicht steht der Film ausländischen Filmen nicht nach. Wenn die Berliner Riesenkino­theater, Ufa-Palast oder das Londoner Tivoli' aus Klassenmotiven ver­weigern werden, den Film vorzuführen, so wird er in den Arbeitervierteln des Berliner Nordens in den kleinen Kino-Theatern bei überfülltem Saal gezeigt werden."

Und die "Iswestija" vom 29. Februar: "Sein Mahnruf. Dieser Film stellt einen entscheidenden Erfolg und Umschwung in der Produktion der Meschrabpom-Ruß dar. Vor allen Dingen die Wahl des Motivs: Der Oktober, Jahre des Kampfes, der Tod Lenins, die Trauer der Arbeiter usw. Ähnlich diesem Film sieht das Produktionsprogramm der I.A.H.-Produktionsstelle in Moskau für das Jahr 1925 weitere zahlreiche Propagandafilme vor. Das Produktions­programm der Produktionsstelle der I.A.H. umfaßt für das Jahr 1925 folgende Filmwerke:

A. Soziale Filme aus Leben und Arbeit.

1. "Sein Mahnruf"
2. "Haus der Familie Golubiny" (Tuberkulose als Sozialerscheinung).  
3. "Das schwarze Gold" (aus dem Leben der Bergarbeiter und dem Kampf um Donbaß-Bergwerke am Donez).  
4. "Das rote Stadion" (Aufgaben und Tätigkeit des roten Stadion).  
5. "Der Ring" (Wiedererwachen des Lebens an der Wolga nach der Hungerzeit).  
6. "Der Schatz" (Aberglauben im Dorf)
7. “Johannisfest“ (Aberglauben im Dorf).  
8. Kurze Filme mit dem Thema der Kooperation im Dorfe.  

B. Soziale Filme aus dem Leben des Orients.

1. "Stern und Halbmond" (Kampf um die Befreiung der Frauen des Orients).  
2. "Der schwarze Turban" (aus dem Kampf mit Räuberbanden).  
3. "Tamilla" (Inszenierung des Romans von Duchesne).  

C. Künstlerische Filme aus dem russischen Leben. (klassischer Typus)  

1. "Der Stationsaufseher" (Inszenierung der Erzählung von Puschkin).  
2. "Ewiger Gemahl" (Tragikomödie, Interpretation des Romans von Dostojewski).

D. Filme aus dem russischen Leben.

1. "Die Dekabristen".  
2. "Stenka Rasin".

E. Sowjet-Abenteuer-Filme.

1. "Meß-Mend", nach dem Roman von Jim Dollar.  
2. "Puppe mit Millionen" (Komödie von Ozep).  
3. "Ibikus" (Inszenierung eines Romans von Tolstoi).

F. Populär-wissenschaftliche Filme.  

1. "Ein Viertel des Erdmeridians" (Projekt nach Manuskript von Prof. Lifschitz).  
a) Propaganda des metrischen Systems.  
b) Die ökonomischen Reichtümer der SSR.  
c) Etnographische und geographische Mannigfaltigkeit der SSR.  
d) Natur und Leben Rußlands.

2. Hebung der Produktionskräfte.  
a) Die Produktion und ihre Erzeugnisse.  
b) Wesen und Bedingung des Lebens der Arbeiter.  
c) Kulturerzeugnisse und der Kampf um das neue Leben.  
d) Das Verhältnis der Bauern als Konsumenten zur Produktion.  
e) Das Bündnis der Arbeiter und Bauern (Massengang der Arbeiter in die Dörfer).

3. Film der Werkschaftsverband-Propaganda.  
"Was gibt der Werkschaftsverband seinen Mitgliedern? "

4. Zwei Filme über das Thema: "Kampf gegen Alkoholismus und Prosti­tution".

5. 15 kurze Filme, die die Textil-, Metall- und andere Produktionszweige behandeln. 3 Filme, die der Liquidation des Analphabetismus gewidmet sind.

Außerdem sind Verhandlungen mit einer großen Anzahl prominenter Dichter und Künstler im Gange, um besonders große Leistungen der Filmproduktion entweder in diesem Jahre herauszubringen oder für das nächste Jahr vorzubereiten. U.a. sind Verhandlungen mit Henry Barbusse aufgenommen, um seinen großen Roman "Das Feuer" zu verfilmen.

Die Herstellung und Erhaltung des Ateliers und allein die Produktion der für das Jahr 1925 vorgesehenen Filmwerke erfordert die Gesamtsumme von einer Million Rubel oder ca. 2 Millionen Goldmark. Während ein Teil der Mittel durch die Unternehmungen der I.A.H. in Rußland aufgebracht werden kann, wurde ein anderer Teil auf dem Wege des Kredits beschafft. Der Absatz der zu produzierenden Filme ist zum größten Teil durch den russischen Markt gesichert, und ebenfalls ist der finanzielle Erfolg sichergestellt. Aber die Filme verdienen es, daß sie über Rußland hinaus den vielen Millionen Arbeitern und Arbeiterinnen in Europa und Amerika zugängig gemacht werden. Gerade durch die Filmtätigkeit der I.A.H., durch die bereits vorhandene große Anzahl von sofort aufführungsfertigen proletarischen Filmen und weiter durch die Tatsache einer weiteren technisch verbesserten und künstlerisch hochstehenden Filmproduktion durch die I.A.H.-Stelle sind genügend Filme proletarischen und werbenden Inhalts vorhanden. Aufgabe der Arbeiter-Organisationen, der Kommunistischen Parteien und aller gegen den Kitsch, gegen die Verrohung und gegen die nationalistisch-militaristi­sche Hetze im bürgerlichen Film kämpfenden Gruppen ist es, daß nicht nur die russischen Arbeiter und Bauern, sondern daß die Arbeiterschaft der ganzen Welt von diesen vorhandenen und noch zu produzierenden Filmen profitiert. Es muß ein regelrechter Kampf eröffnet und geführt werden, wie der, den die Arbeiterbewegung geführt hat gegen die bürgerlichen Pressereptilien, so heute gegen den bürgerlichen Lügenfilm. Es muß ein Kampf geführt werden, um den Film in den Dienst der Arbeiterbewegung zu stellen, um mit Hilfe des Films den Gedanken des Klassenkampfes in die breitesten Massen des Weltproletariats zu tragen. Der Film, richtig benutzt, kann neben der Presse eines der wichtigsten und erfolgreichsten Aufklärungsmittel für die kommunistische Bewegung, für die revolutionäre Arbeiterbewegung werden.

Quelle: Münzenberg, Willi, Erobert den Film, Berlin 1925, nachgedruckt in: Lüdecke Willi, Der Film in Agitation und Propaganda der revolutionären deutschen Arbeiterbewegung, Westberlin 1973, S.75ff

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