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Zur Diskussion gestellt:

Elemente des emanzipierten Sozialismus 

von Wal Buchenberg 

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Das Versprechen des Sowjetsystems, es würde Ausbeutung und Unterdrückung in der Welt beenden, blieb bloße Propaganda. Positives Ziel dieses Systems war, rückständige Gesellschaften zu modernisieren und zu industrialisieren. Seine historische Aufgabe war also keine andere als die des Kapitalismus, nur sollte Modernisierung und Industrialisierung schneller und mancherorts auch „sozial verträglicher“ erledigt werden. Die kapitalistischen Gesellschaften gewannen den Systemwettbewerb in der Hauptfrage, wer die Produktivkräfte umfassender entwickeln kann, und bestätigten damit die Theorie von Karl Marx, dass der Sozialismus nur eine Weiterentwicklung des Kapitalismus sein kann. Aber im Kapitalismus gelingt Entwicklung nur dadurch, dass politische, militärische und wirtschaftliche Macht und alle gesellschaftlich und wirtschaftlich wichtigen Informationen in wenigen Händen monopolisiert, dafür aber die Pflichten und Risiken der Lohnarbeit und die gewollte Ohnmacht des als „Bürger“ und „Wähler“ gekleideten Untertans an um so mehr Menschen verteilt werden. 

Nach dem Untergang des Sowjetsystem lautet die Alternative nicht mehr: Wofür wird geplant? - (Für eine Volkswirtschaft wie im Sowjetsystem oder nur für einzelne Unternehmen wie im Kapitalismus?) Jetzt spitzt sich alles auf die Frage zu: Wer plant und entscheidet für wen? - Plant und entscheidet eine winzige Minderheit (die Parteiführung und Planerbürokratie im Sowjetsystem - die kapitalistischen Manager, Politiker und die Staatsbürokratie im Kapitalismus) für und über die Mehrheit oder plant und entscheidet die werktätige Mehrheit für sich und damit über die Gesellschaft? Längst haben in Deutschland Gewerkschaften, Bürgerinitiativen und alle oppositionellen Individuen, Gruppen und Gruppierungen das Machtmonopol von Kapitalisten und politischer Klasse untergraben. Sie unterminieren täglich und wöchentlich das Entscheidungsmonopol der Kapitalisten und ihrer Manager im Kampf gegen Lohnsenkungen, Verschlechterungen der Arbeitsbedingungen oder gegen Betriebsschließungen, ja sie mischen sich sogar in innerkapitalistische Fragen wie Unternehmensfusionen ein. 

Die Auseinandersetzungen um die Nutzung von neuer Technik wie Gentechnik, Atomtechnik oder Transrapid sind nichts anderes als immer neue Machtfragen. Auch in allen sozialen Fragen wie bei den Einnahmen und Ausgaben des Staatsapparates wird in jedem einzelnen Konflikt auch immer neu festgelegt, wer über wen bestimmt. Der Kapitalismus hat mit der Maschinerie und Technik auch die Fähigkeiten und Kenntnisse seiner Lohnarbeiter durch Ausbildung und Wechsel der Tätigkeiten auf immer neue Höhen weiterentwickelt und so die Bedingungen dafür geschaffen, dass die notwendig beschränkten Kenntnisse und Fähigkeiten von allen Einzelnen sich verbinden zu staunenswerten kollektiven Leistungen, die alle Heldentaten der antiken Götter und Heroen in den Schatten stellen. 

Die Elemente einer emanzipierten Gesellschaft brauchen nicht erfunden, sondern können in den bestehenden Verhältnissen entdeckt und aus ihnen entwickelt werden. Der gesellschaftliche Wille - wirtschaftlich gesprochen der gesellschaftliche Plan - entwickelt sich nur aus dem freien Willen der Individuen. Damit die Mitglieder der Gesellschaft frei entscheiden können, muß jede Monopolisierung von Kenntnissen und Informationen, von wirtschaftlicher, politischer und militärischer Macht aufgebrochen werden. Nur auf einer freiheitlichen Grundlage kann sich die freiwillige Kooperation in der Gesellschaft entfalten und können sich dadurch die Lösungen für die gemeinschaftlichen Aufgaben entwickeln. Nur auf einer freiheitlichen Grundlage kann die Herausbildung einer neuen Machtelite dauerhaft verhindert werden.

1. Die bisherigen Betriebsräte der Belegschaften treten an die Stelle der Aufsichtsräte des Kapitals und übernehmen deren Rechte. Kleinbetriebe werden in Genossenschaften umgewandelt. 

2. Alle Betriebe führen ihre Kalkulation, Buchführung und Forschung und Entwicklung öffentlich (z.B. im Internet). 

3. Jeder hat Anspruch auf dieselbe Ausbildungszeit. Nach einer theoretischen und praktischen Allgemeinausbildung ist die Verteilung der restlichen Bildungsjahre über ein Lebensalter frei. 

4. Alle Beschäftigungsverhältnisse werden auf Zeit abgeschlossen. Die langjährige Fesselung an einen Betrieb oder eine einzige Tätigkeit stirbt aus. 

5. Auf kommunaler Ebene werden Produkt- und Dienstleistungsbörsen eingerichtet, die landesweit vernetzt sind. An diese Börsen machen die Betriebe ihre Produktions- und Serviceangebote und bestellen dort ihre betriebliche Nachfrage. Die privaten Verbraucher melden ihren privaten Konsum ebenfalls an diese kommunalen Börsen. Hinzu kommt noch die Nachfrage der Kommunen für Gemeinschaftsaufgaben wie Bildung, Kranke, Notzeiten etc., für die die Kommunen besondere Fonds unterhalten. Ein Landesfonds mit Weltgeld wird eingerichtet für den Waren- und Dienstleistungsverkehr mit dem kapitalistischen Ausland. Die kommunalen Börsen verrechnen landesweit Angebot und Nachfrage. Die Kommunen übernehmen die Verteilung und Transport der hergestellten Produkte und bestellten Dienstleistungen. 

6. Betriebe und Kommunen sind in ihren Entscheidungen souverän, die Zentralregierung legt nur Leitlinien fest. 

7. Alle Repräsentanten (Räte) in Betrieb und öffentlicher Verwaltung (Stadträte, Landesräte) werden jährlich in geheimer und direkter Persönlichkeitswahl (keine Listenwahl) gewählt. 

8. Alle Sitzungen von Repräsentanten (Betriebsräte, Stadträte, Landesräte) sind öffentlich für die von ihnen Vertretenen (werden z.B. auch live im kommunalen oder landesweiten Fernsehen übertragen). 

9. Alle Grundsatzentscheidungen werden in Urabstimmungen auf betrieblicher, kommunaler oder landesweiter Ebene getroffen. Jede Entscheidung einer Repräsentationsebene kann durch Urabstimmung der jeweils Vertretenen korrigiert werden. 

10. Gewerkschaften und Parteien gelten wie Kirchen oder Vereine als private Vereinigungen, die sich selbst verwalten. Gewerkschaften werden aus den Betriebsfonds unterhalten, andere Vereinigungen aus den kommunalen Fonds.

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