Editorial
Das Feld der Selbstkritik 

Von Karl Müller

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Die Linke tut sich bekanntlich schwer, die Ereignisse des 11. September und des 7. Oktober 2001 so einzuschätzen, dass daraus realpolitisches Handeln erwächst, welches den Kampf gegen Krieg, Unterdrückung und Ausbeutung so focussiert, dass darin der Entwurf einer menschenwürdigen Gesellschaft jenseits des Kapitalismus seine Konturen zu zeigen vermag.

Die Bahamas-Erklärung vom 31.10.2001, die wir in der Novemberausgabe dokumentieren, ist ein abschreckendes Beispiel nicht nur dafür, wie das eigene Ziel verfehlt wird, sondern wie statt dessen theoretisches Bemühen zu Denunziation und Haßtiraden verkommt. 

Nun ja - schon als die Bahamas vor nicht allzu langer Zeit sich mit Freud gegen die Linke munitionierten, um ihr "Schmuddelkinder"-Image zu pflegen, lag der Verdacht nahe, dass jene Gruppe nicht das Ringen um historische Wahrheit und gesellschaftliche Analyse umtreibt, sondern der Drang nach narzistischer Selbstinszenierung. Aber die Zeiten der Späße am Lichtkasten sind vorbei. Das neueste Bahamas Pamphlet ist Ausdruck einer vollkommenen Ausdünnung Marxscher Kategorien vor einer unbegriffenen Wirklichkeit. Nur unschwer kann es die eliminatorischen Leidenschaften ihrer SchreiberInnen verhüllen.

Wir dokumentieren diese Erklärung auch um zu zeigen, wohin sich in Deutschland die radikale Linke nach 1989 entwickelt hat. Denn der Niedergang der Bahamas und ihre Transformation in eine verbal-eleminatorische Sekte sind ein Vorgang, für den alle linksradikalen Kräfte ein Stückweit politische Verantwortung zu tragen haben. Und genau dieses selbstkritische Herangehen vermissen wird bei den Autonomen aus dem Ruhrgebiet/Bergisch Land, die zwar über weite Strecken mit ihrer Kritik an den antideutschen Positionen Recht haben, aber deren Kritik letztlich stumpf bleibt, weil ohne Selbstkritik der linksradikale Autismus nicht zu überwinden ist.

Dagegen ist Günter Jacobs Artikel, worin er dem Begriff des Antiimperialismus ideengeschichtlich nachsteigt, insofern als gelungen zu bezeichnen, weil darin die LeserInnen  animiert werden, das Feld der Selbstkritik zu betreten.

Schließlich sind Meinhard Creydts Thesen, mit denen er "The American Way of Life" als eine negative Utopie dekonstruiert, wie die Jacobschen Ausführungen geeignet,  den Widerstreit der Meinungen sinnvoll zu entfachen.

Bekanntlich gelingen der Widerstreit der Meinungen und die Selbstkritik im nichtvirtuellen Raum eher. Daher unterstützt die trend-Redaktion die neueste Initiative des Partisan.net namens "Nachtgespräche".

Los geht´s nächste Woche am 9.11.2001 in Berlin im Mehringhof mit Peter Nowak zur Lage in den türkischen Knästen und den Chancen und Grenzen von Soliarbeit. Im Dezember kommen die Berliner Antideutschen KommunistInnen zu Wort... Es wird spannend werden.

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