Die Öl-Magnaten im Weißen Haus

Die Bush-Administration bedient sich keiner Mittelsmänner mehr. Sie holt sich die Top-Geschäftsleute selbst in die Regierung.

von Wayne Madsen

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George W. Bush war erst wenige Monate im Amt, da überraschte er den zu Besuch in den USA befindlichen Außenminister Indiens, Jaswant Singh, mit einer Einladung ins Weiße Haus zu einem unerwarteten Plausch. Die Chancen stehen gut, dass sie dabei nicht über das feuchte Klima in Neu-Delhi gesprochen haben. Denn einer der wichtigsten Geldgeber in Bushs Wahlkampf, der Ölkonzern Enron, wünscht, seine Geschäfte auf den indischen Subkontinent auszudehnen und hat bereits ein privatisiertes Energieversorgungsunternehmen in Bombay übernommen.

Und Cairn Energy, eine der beiden Ölfirmen mit den langjährigsten Beziehungen zur Dynastie Bush, hatte 1999 vor der westindischen Küste im Golf von Cambay Öl gefunden. Cairn Energy besitzt ausgedehnte Erdgasfelder in Bangladesh und Ölquellen auf dem indischen Subkontinent. Der Präsident von Cairn Energy, Bill Gammell, ist ein alter Freund der Familie. Sein Vater steckte 50.000 US-Dollar in das Privatunternehmen des jungen Bush-Vaters, Zapata Petroleum, das die verdeckten Operationen der CIA zum Sturz Fidel Castros finanzierte. Zapata Oil stellte 1961 der CIA zwei Öl-Explorationsschiffe für die dann gescheiterte Invasion in der Schweinebucht zur Verfügung.

Bush-Sohns Stellvertreter im Amt, Dick Cheney, zeigt ein unerwartetes Interesse an Bangladesh, einem der ärmsten Länder der Welt. Hinter Cheney steht der Konzern Halliburton, das ist der weltweit größte Materialzuleferer der Ölindustrie; Cheney war dort Vorstandschef, bevor er ins Weiße Haus wechselte. Halliburton und Cairn Energy sind Partner bei der Erschließung der Erdgasvorkommen Bangladeshs im Golf von Bengalen. Cheney unterhält enge Beziehungen mit Scheich Hasina Wazed, dem Premierminister des Landes, aber auch mit dem Oppositionsführer (und früheren Premierminister) Begum Khaleda Zia. 1998 besuchte er die Offshore-Felder von Sangu, ein Joint-Venture, an dem neben Halliburton und Cairn auch Shell und die staatliche Ölgesellschaft Bangladeshs, Petrobangla, beteiligt sind.

Bushs und Cheneys Interessen in Indien und Bangladesh sahen sich vor wenigen Monaten mit einer maolistischen Rebellion im nahen Nepal konfrontiert. Die US Army drängte auf militärische Unterstützung für die nepalesische Armee, die Rebellion militärisch niederzuschlagen. Im Mai konnte die Army dem Repräsentantenhaus berichten, die USA unterhalte jetzt Truppen in Nepal. Nepals König Birendra hatte jedoch andere Pläne als seine Offiziere; er wollte mit den Rebellen verhandeln und eine militärische Konfrontation verhindern. Im vergangenen Juni wurde er zusammen mit seiner Frau und einer Reihe hochrangiger Berater in einem Blutbad vom Kronprinzen erschossen, der sich daraufhin selbst umbrachte. Dass die CIA ihre Finger im Spiel hatte, bestätigen auch ehemalige Geheimdienstoffiziere aus den USA und Kanada. Der neue König, Gyanendra, kann auf langjährige gute Beziehungen mit der CIA zurückblicken.

Die US-amerikanische Militärintervention in Nepal ist Teil des Projekts "Tempest Express", das anstrebt, US-Truppen mit "friedenserhaltenden Maßnahmen" und "Krisenmanagement" in Asien zu beauftragen und die militärischen Beziehungen zwischen Nepal und Bangladesh zu intensivieren. Maoistische Umtriebe stören die USA nicht nur in Nepal, sondern ebensosehr in Indien. Die Gruppe Naxal operiert in sechs benachbarten indischen Bundesländern; weitere linke Guerillagruppen sind in Bangladesh und Burma aktiv — ein Alptraum für die Ölkonzerne.

Die andere Firma, die dem Bush-Cheney-Clan seit langem sehr nahesteht, ist Ramco Energy. Ramco hat große Ölvorkommen in Aserbaidschan entdeckt. Bevor er ins Weiße Haus ging, fädelte Cheney als Vorstandschef von Halliburton mit der Firma einen Großdeal am Kaspischen Meer ein, der im vergangenen Mai besiegelt wurde. Ramco und Halliburton arbeiten nun eng zusammen, um das Öl aus dem Kaspischen Meer zu pumpen.

1994 ging Ramco in Aserbaidschan auch eine Partnerschaft mit Pennzoil ein; die Firma ging aus dem Kauf der South Penn Oil Company durch Bushs Zapata Petroleum hervor. 1999 wurde sie ihrerseits von Devon Energy aufgekauft. Brent Scowcroft, ehemaliges Vorstandsmitglied von Devon, war nationaler Sicherheitsberater unter Bush I. Ramco Energy wiederum hat seine Konzessionen in Aserbaidschan an Amerada Hess verkauft, unter deren Vorständlern sich auch Nicholas Brady befindet, Finanzminister unter Bush I.

Die Interessen der Devon Co. und anderer US-Ölfirmen in Aserbaidschan werden von der US-Aserbaidschanischen Handelskammer vertreten. Deren Vizepräsident war früher Richard Armitage, eine Figur in der Iran-Contra-Affäre; heute ist er stellvertretender Außenminister und enger Berater von Colin Powell. Letzterer hat im vergangenen April, zehn Wochen nach der Amtseinführung von Bush, einen "Friedensgipfel" zwischen den ehemals kriegführenden Staatschefs von Aserbaidschan und Armenien arrangiert. Nagorny-Karabach steht auf der außenpolitischen Agenda der USA ganz oben. Der alte Zankapfel, um den zwischen 1992 und 1994 ein blutiger Krieg geführt wurde, muss beseitigt werden, wenn eine sichere Ölpipeline vom Kaspischen Meer durch den Kaukasus geführt werden soll.

Um Öl geht es auch auf dem Balkan. Die Ramco Energy hat an der Adriaküste vor Montenegro Öl gefunden; die Vorkommen sollen in der Größenordnung an die im Kaspischen Meer heranreichen. Seitdem hat sich die US-Außenpolitik um 180 Grad gewendet: Befürwortete sie bislang die Abspaltung Montenegros von Serbien, ist Washingtons Darling, der prowestlich eingestellte Präsident Milo Djukanovic, seit dem Sturz Milosevics in Ungnade gefallen. Nunmehr gilt die Losung: Für ein demokratisches Montenegro in einem demokratischen Jugoslawien. Wer bietet den Ölgesellschaften am meisten? Djukanovic in Montenegro oder Kostunica in Belgrad? Davon scheint das Schicksal Montenegros heute abzuhängen.

Enge Beziehungen gibt es ebenso zur Firma Enron Corp. Deren Chef Kenneth Lay ist ein alter Familienfreund und einer der spendabelsten Mäzene Bushs. Auch Lay betreibt im zentralasiatischen Raum mehrere Geschäftsprojekte; Bushs Top-Berater Karl Rove und Larry Lindsey waren vor ihrem Wechsel nach Washington Großaktionäre von Enron; Lindsey war überdies als Consultant bei Enron beschäftigt. Die US-Sicherheitsberaterin Condoleezza Rice wiederum saß zehn Jahre lang im Aufsichtsrat des Chevron-Konzerns.

So ist die US-Regierung dichter mit den Ölmultis verflochten als irgendeine US-Regierung vor ihr. Big Oil bestimmt in Washington immer offener die politische Linie. Big Oil hat nicht nur Ölbohrungen im Nationalen Naturreservat von Alaska, den Rückzug der USA vom Kyoto-Protokoll und die Beibehaltung hoher Energiepreise in Kalifornien durchgesetzt. Die Ölkonzerne entscheiden auch darüber, wo Grenzen verlaufen, welche Staatschefs im Amt sind und welche Länder Mitglieder der Vereinten Nationen sein können. Im Mittelpunkt der neuen "Weltgeografie des Konflikts", so Michael Klare von der renommierten Zeitschrift für Außenpolitik Foreign Affairs, stehen nicht mehr politisch-ideologische Verwerfungen, sondern "der ungehinderte Fluss von Bodenschätzen".

Editoriale Anmerkung:
Der Artikel wurde erstveröffentlicht in These Times, August 2001. Dann in Sozialistische Zeitung Nr.22 vom 25.10.2001, Seite 8. Er ist eine Spiegelung von
http://members.aol.com/sozlmn/0122081.htm