von Doris Kleber |
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1. Einleitung: Als „Prager Frühling" bezeichnet man den
tschechoslowakischen Versuch vom Frühjahr 1968, einen "Sozialismus mit
menschlichem Antlitz" durchzusetzen. Es war der Versuch einer umfassenden
friedlichen Systemreform eines kommunistischen Regimes sowjetischen Typs. Ziel
war eine Staats- und Gesellschaftsordnung, die sich vom sowjetischen Modell
des Sozialismus befreit hat und eine Synthese von Sozialismus und Demokratie
herbeiführt. 2. Politische und gesellschaftliche Verhältnisse in der Tschechoslowakei von 1960 - 1967: Die Tschechoslowakei war zu Beginn der 60er Jahre ein Bestandteil des
mitteleuropäischen Blocks des Sowjetimperiums. Die Macht lag in den Händen der
KPC unter der Führung von Antonin Novotny, der mit einigen gesellschaftlichen
und ökonomischen Problemen zu kämpfen hatte. Ständige Schwierigkeiten im
Bereich der Dienstleistungen und teilweise auch in der Versorgung, aufgrund
des hohen Sozialisierungsgrades und den von Moskau befohlenen großen Ausgaben
für Rüstungszwecke, erweckten die Unzufriedenheit der Bevölkerung. Dazu kam,
daß ein erheblicher Teil der Bevölkerung vom Staat abhängig war, ein ständiger
Mangel an bestimmten Waren und chronische Wohnungsnot herrschten. In der
Industrie herrschte eine Überdimensionierung der Schwerindustrie, und die
Volkswirtschaft wurde durch ein rigides Planungssystem gelenkt, das die
Wirtschaft uneffektiv machte. Zur ökonomischen Kritik am Novotny-Regime
kam auch noch eine politische Kritik, da 1963 Verbrechen der KPC in den 50er
Jahren enthüllt wurden. 3. Nationalitätenpolitik - Nationalitätenproblem: Im Jahr 1960 nahm die Tschechoslowakei die sozialistische Verfassung
an. In dieser neuen Verfassung kam es zu einer wesentlichen Einengung der
Kompetenzen der slowakischen nationalen Organe, die Vollmachten des
Slowakischen Nationalrates wurden an die Ministerien in Prag übertragen. In
der Folgezeit erfuhr die Slowakei durch die Integration in die kommunistisch
regierte Tschechoslowakei zwar einen großen Modernisierungsschub, bezahlte
diesen jedoch mit dem Fehlen politischer Partizipation. Beschlüsse der KSS
(Kommunistische Partei der Slowakei) mußten vor der Verabschiedung in Prag
genehmigt werden. 4. Aufbruch in die Reformbewegung: 4.1 Jänner-Plenum: 3.-5.1.1968: Das Zentralkomitee der KPC führte die im Dezember unterbrochene
Beratung fort und erkannte die Notwendigkeit, die führende Rolle der Partei
weiter zu festigen und die brüderliche Verbundenheit der Nationalitäten und
das Bündnis mit der UdSSR und den anderen sozialistischen Ländern
herauszustreichen. Scharfe Kontroversen ergaben sich bei der Frage nach
dem weiteren Weg der Entwicklung des Sozialismus. Der eine Teil des
Zentralkomitees der KPC war für die Beibehaltung der bisherigen Arbeitsformen
und -methoden in der Parteiführung, der größere Teil aber sprach sich für eine
Veränderung aus, um die Entwicklung der sozialistischen Gesellschaft
voranzutreiben. Gefordert wurden die Schaffung einer Atmosphäre des
Demokratismus und der Offenheit, um die gesellschaftliche Aktivität der Massen
anzuregen und die wachsende Gleichgültigkeit zu überwinden. Die Partei sollte
ideologisch gefestigt, ihre führende Rolle in der Gesellschaft gestärkt und
der Leninsche Stil und die Normen im Leben der Partei konsequent erneuert
werden. Die anstehenden ökonomischen und politischen Fragen brauchen Lösungen.
Außerdem wurde die Notwendigkeit der Stärkung der Rechtsbefugnisse des
Slowakischen Nationalrates erkannt und die Lösung der Nationalitätenfrage als
Thema aufgenommen. 4.2 Reaktionen auf das Jänner-Plenum: Eine ungeschickte Verhaltensweise der KPC war, die tschechoslowakische
Öffentlichkeit nicht ausreichend über die Beschlüsse des Januarplenums
informiert zu haben, was einen zu großen Interpretationsspielraum offen
ließ. Breschnew bemühte sich hinsichtlich der Abwahl Novotnys Neutralität
und Nichteinmischung vorzutäuschen. Das Januarplenum brachte die Trennung
von Parteiführung und Staatsmacht. In der Folgezeit wurde die
Uneinheitlichkeit der Parteiführung von den antisozialistischen Kräften
genutzt, um die Partei und das höchste Parteiorgan zu zersetzen. Zu den
aktivsten Vertretern der Rechten gehörten Krieger, Smrkovsky, Spacek. Mit
Hilfe der Massenmedien wurde bereits gegen die „konservativen Elemente" der KP
in den Kampf gezogen. Konservativ hieß, die Prinzipien des
Marxismus-Leninismus zu verteidigen und die Einhaltung der Beschlüsse des
Januarplenums zu fordern. 5. Durchsetzung der konterrevolutionären Kräfte: 5.1 Massenmedien: Die völlige Abschaffung der Zensur, beschlossen am 4. März auf
Veranlassung Dubceks, war die folgenschwerste innenpolitische Entscheidung des
Jahres 1968. Die Zensurbehörde sollte nur mehr im Falle des Geheimnisverrates
aktiv werden, die Verantwortung wurde den Chefredakteuren überlassen. Die
Redaktionen der großen Tageszeitungen und der Verbandszeitungen lösten sich
davon, den Weisungen ihrer politischen Herausgeber zu folgen. In der CSSR gab
es seit März faktisch eine freie Presse. Mit dem Fallen der Zensur ergab
sich erstmals wieder die Möglichkeit von öffentlichen Diskussionen und
Berichterstattungen über die aktuellen politischen, wirtschaftlichen, sozialen
und kulturellen Probleme des Landes und die Verantwortung der KP in den
tschechoslowakischen Medien. Der leninistische Grundsatz über die Aufgabe
der Parteipresse als „kollektiver Organisator" der Massen und eine der
„schärfsten Waffen der Partei" im Kampf für die Durchsetzung der eigenen
„Linie" wurde aufgegeben. 5.2 Formierungen der konterrevolutionären Kräfte: Im Frühjahr entstehen verschiedene Organisationen und „Klubs" wie zum Beispiel der Klub K-231, der Klub des engagierten Parteilosen (KAN) oder der Klub des engagierten Denkens. Diese wurden zum Zentrum der reaktionären konterrevolutionären Kräfte. Die Kirche und der Klerus gehörten auch zu den konterrevolutionären Kräften in der CSSR. Sie vertraten unter anderem Forderungen wie die Wiedereinsetzung der Kirche in frühere Rechte, Erneuerung der Orden und unbeschränkte Tätigkeit der Kirche im Staat. 6. Das erste Tribunal im Warschauer Pakt: Vom Januarplenum bis zum Dresdner Treffen am 23. März kam es zu einem politischen Kurswechsel und Kaderveränderungen in der KPC. Viele „Vertreter des Novotny-Regimes" verloren ihren öffentlichen Einfluß. Es kam zur Ablösung von alten Führungskadern auf allen Parteiebenen. 6.1 Das Dresdner Treffen (23.3.): Das Dresdner Treffen wurde als Treffen der Partei- und Regierungschefs
der Warschauer-Pakt-Staaten zum Meinungsaustausch über Wirtschaftsfragen
bezeichnet, es entpuppte sich jedoch bald als Warnung an die
tschechoslowakischen Reformer. Die Delegation der KPC erhoffte sich vom
Zusammentreffen mehr Verständnis und Unterstützung für die ökonomischen
Reformen und einen erweiterten Spielraum für die außerwirtschaftlichen
Beziehungen in Richtung Weltmarkt, sie stieß jedoch auf massive Kritik und
wurde mit eindeutigen Forderungen konfrontiert. Die KPC sollte die führende
Rolle der KPC in der Gesellschaft behaupten, die Redaktion der Massenmedien
fest in den Händen halten und als Hauptanliegen das geplante Aktionsprogramm
auf den Grundlagen des Marxismus-Leninismus ausarbeiten. 6.2 Reaktionen der KPC auf das Dresdner Treffen: Dubcek und Cernik reagierten eher trotzig und enschieden sich, ihre Politik beizubehalten. Der eher „konservative" Flügel mit Lenart, Bil´ak und Kolder nahmen die sowjetische Kritik ernst. Reformpolitiker wie Smrkovsy, Cisar, Kriegel, Sik gaben sich der Illusion hin, einen relativ breiten politischen Freiraum für die Reformpolitik zur Verfügung zu haben. 7. Das Aktionsprogramm der KPC: 7.1 April-Plenum: 28.3. - 1.4.: Das Zentralkomitee-Plenum traf eine Reihe personalpolitischer
Entscheidungen und beschloß das Aktionsprogramm. 7.2 Das Aktionsprogramm der KPC vom 5. April 1968: Das Aktionsprogramm mit dem Titel „Der Weg der Tschechoslowakei zum Sozialismus" beinhaltete den Entwurf eines komplexen Übergangs vom Sozialismus sowjetischen Typs zum demokratischen Sozialismus und bestätigte die Fortsetzung und Vertiefung des neuen politischen Kurses der KPC. Themen waren, um nur einige wenige zu nennen, die Rolle der Partei, das neue System der politischen Leitung der Gesellschaft, die Gleichberechtigung der Tschechen und Slowaken, Teilung und Kontrolle der Macht, Entwicklung der Wissenschaft, Bildung und Kultur. Die Reaktion der Bruderparteien auf das Aktionsprogramm war vorerst von einer bemerkenswerten Zurückhaltung geprägt. 8. Treffen der Bruderparteien: 8.1 Dubcek, Cernik, Smrkovsy, Bil´ak besuchen Moskau (4.5.): Es kam zu einem Treffen mit Vertretern der KPdSU, die über die Entwicklung in der Tschechoslowakei beunruhigt waren, und daher genaue Informationen forderten, um zu erfahren, wie die KPdSU helfen könnte. Der Vorwurf wurde geäußert, es entfalte sich in der Tschechoslowakei eine Konterrevolution auf „schleichendem" Weg. Dubcek und die Reformer wurden von der heftigen Kritik des Kreml aufgerüttelt, glaubten jedoch, es handle sich lediglich um einen Meinungsaustausch. Breschnew hingegen war der Ansicht, Forderungen an die tschechoslowakische Partei- und Staatsführung gestellt zu haben. 8.2 Moskauer Treffen (8.5.): Dies war ein Zusammentreffen der Bruderparteien (Sowjetunion, DDR, Ungarn, Polen, Bulgarien) in Moskau ohne die Teilnahme der KPC, bei dem eine Interventionskoalition gebildet wurde, um die Entwicklung zur Erneuerung des Sozialismus in der CSSR umzukehren. Die „gesunden Kräfte" in der KPC sollten unterstützt werden. Das Kommunique betrachtete man als eine Warnung an die Tschechoslowakei, der nicht gestattet werden sollte, alleine und unabhängig von den fünf Bruderparteien zu agieren. Weiters wurde im Rahmen dieses Treffens ein Militärmanöver auf tschechoslowakischem Gebiet vereinbart. 8.3 Tschechoslowakische Reaktionen auf das Moskauer Treffen: Unter dem Druck der Fünferkoalition kam es zu einer gewissen Abschwächung des Reformschwungs durch die Führung der KPC, da die Reformen von den konservativen Kräften innerhalb der Partei hart attackiert wurden. Die Gründung einer Prager Plattform und die aktive Unterstützung der Reformen durch die Gesellschaft, es kam zu großen Manifestationen in den Maiwochen, erzeugten jedoch wieder eine gewisse Mobilisierung unter den Reformern der Partei, zudem Dubcek die Reformen verteidigte. 8.4 Maiplenum des Zentralkomitees der KPC (29.5. - 1.6.): Erwartungen der „Fünf" (Sowjetunion, DDR, Ungarn, Polen, Bulgarien), es werde eine Rücknahme der Reformen geben, wurden nicht erfüllt. Da die Vorwärtsbewegung der tschechoslowakischen Gesellschaft nur gebremst und nicht verhindert worden waren, verstärkten die Fünf den politischen Druck auf die KPC. 9. Militärmanöver "Sumava": Am 18. Juni starteten die Sowjetstreitkräfte das Militärmanöver „Sumava" (=Böhmerwald) unter anderem auf tschechoslowakischem Boden. Bei dieser Übung sollte das Abwehrverhalten im Falle einer Aktion der NATO-Streitkräfte eingeübt werden. Ob dies der wirkliche Grund war, oder ob es sich lediglich um eine praktische Einübung der im August folgenden Intervention handelte, ist unklar. Anzunehmen ist wahrscheinlich eher die zweite Version. Die sowjetischen Streitkräfte blieben auf tschechoslowakischem Boden bis zum 3. August. 10. Das Manifest der 2000 Worte (27.6.): Das von Ludvik Vaculik verfaßte und in mehreren Zeitungen veröffentlichte Manifest wurde von siebzig Persönlichkeiten des geistig-kulurellen Lebens der CSSR unterschrieben. Das Manifest warnte davor, die Entwicklung umzukehren und bezeichnete die Rückkehr der „alten konservativen Kräfte" als die größte Gefahr. Die "2000 Worte" bildeten das Aktionsprogramm und die politische Basis der Konterrevolution. Die Partei war zwar gegen dieses Manifest, beließ es aber bei einer bloß verbalen Ablehung dieser konterrevolutionären Plattform. 11. Reaktionen der sozialistischen Staaten: Anfang Juli erhielt der KPC Briefe von den Bruderparteien, die schwere Vorwürfe enthielten. Die KPC schlug die Einladung der KPdSU aus, an einem Tribunal in Moskau teilzunehmen. Einen Gehorsam wie zu Zeiten der kommunistischen Internationale gab es nicht mehr. 11.1 Das Warschauer Tribunal (14.7.): Im Verlauf dieser Warschauer Beratung der „Fünf" wurde die bisher schärfste Kritik an der tschechoslowakischen Reformbewegung bei offizieller Gelegenheit geübt. Breschnew sah die Tschechoslowakei im Stadium der Konterrevolution und befürchtete einen Ausbruch aus dem sozialistischen Lager. Vor der „Anwendung extremer Mittel" durch die Bruderstaaten sollten noch Lösungsversuche durch „politische Mittel" ausgeschöpft werden. Während dieses Tribunals erfolgte die Erstellung eines gemeinsamen Briefes an das Zentralkomitee der KPC, der noch eine rettende Wende in der KPC herbeiführen sollte. 11.2 Der Warschauer Brief (16.7.): Der Inhalt dieses Briefes hatte mehr warnenden als mahnenden Charakter.
Unter der Anrede „Teure Genossen" hieß es darin: Der Brief schloß mit der Erwartung, daß die KPC die erforderlichen
Maßnahmen treffen werde, und dem Angebot der Solidarität und jedweder Hilfe
von den sozialistischen Bruderländern. Dieser Brief bildete die erste
offizielle und öffentliche kollektive Stellungnahme aller Zentralkomitees der
fünf Kommunistischen Parteien der Bruderländer zu den Reformen in der
Tschechoslowakei. Dubcek wies den Drohbrief zurück und lehnte die „Hilfe"
der Warschauer Fünf ab, denn er bevorzugte eine Problemlösung ohne die
Einmischung von außen. Die Antwort der KPC auf den Warschauer Brief wurde
am 19. Juli in den tschechoslowakischen Medien veröffentlicht. 12. Verhandlungen in Cierna nad Tisou (29.7. - 1.8.): Dieses war das letzte bilaterale Treffen der KPC mit der KPdSU und fand auf den Wunsch der KPC auf tschechoslowakischem Boden statt. Es ging als die „Zusammenkunft in Wagons" in die Geschichte ein. Von der sowjetischen Führung wurde gefordert: - Wiederherstellung der Parteimacht über die Massenmedien - Ein Gesetz für das Verbot von „antisozialistischen" Klubs und Organisationen - Führende Rolle der KP uneingeschränkt wiederherstellen in allen Sphären des Staates und der Wirtschaft - Festigung ihrer Führerrolle aufgrund des Leninschen Prinzips des demokratischen Zentralismus - Die Entfernung der radikalen Reformer aus wichtigen politischen Funktionen. Überraschend stark war der Widerstand der Reformkräfte in der tschechoslowakischen Regierung. Auch kaderpolitische Veränderungen wurden gefordert. Das Hauptziel der tschechoslowakischen Delegation betraf die Rettung des Zustandekommens des XIV. Außerordentlichen Parteitages. 13. Konferenz in Bratislava/Preßburg (3.8.) - Treffen der Warschauer Fünf und der KPC.: Den Zweck dieser Zusammenkunft bildete ein gemeinsames Kommunique, das die KPC kollektiv mit den fünf Bruderländern verabschieden sollte, zur Demonstration einer gemeinsamen Position. Trotz stundenlanger Verhandlungen und Änderungsversuchen seitens der KPC wurde die Erklärung von Bratislava auf der Grundlage des sowjetischen Entwurfs verabschiedet. Es war das erste marxistisch-leninistische Dokument, das die tschechoslowakischen Genossen seit Jänner unterschrieben hatten. Dubcek glaubte, daß dieses Übereinkommen eindeutig den „weiteren notwendigen Spielraum" für die Reformen in der CSSR eröffnete. Die Fünf meinten jedoch, die KPC wieder in die Prinzipien des sozialistischen Internationalismus eingebunden zu haben. Das Dokument von Bratislava enthielt die gemeinsame internationale Pflicht aller sozialistischen Länder, die sozialistischen Errungenschaften zu festigen, zu unterstützen und zu verteidigen. 14. Entwicklungen nach der Konferenz von Bratislava: Die KPC richtete am 6. August eine Appell an die Massenmedien, die
Polemik gegen die Bruderländer weitgehendst einzustellen. Vom 9. bis zum
16. August fanden noch bilaterale Treffen zwischen der CSSR, Jugoslawien,
Rumänien und der DDR statt. Für die Reformer und Dubcek bedeuteten die
Treffen von Cierna und Bratislava eine Sicherung der Rahmenbedingungen für
ihre bisherige Politik und sie konzentrierten sich voll auf die Organisation
des Außerordentlichen XIV. Parteitags, der eine Stabilisierung ihrer Politik
in der Partei und in der Gesellschaft bringen sollte. Die sowjetische Seite
und die „gesunden Kräfte" innerhalb der KPC hingegen erwarteten eine baldige
radikale Wendung im Sinne der Forderungen der fünf Bruderländer. 14.1 Vorbereitung der Intervention: Einen weiteren wichtigen Teil der Interventionsvorbereitungen bildete
ein Einladungsbrief zwischen Mitgliedern des Zentralkomitees der KPC und der
Sowjetunion, indem die tschechoslowakischen Brüder um wirksame Unterstützung
und Hilfe mit allen Mitteln baten, um die Konterrevolution zu beenden. Die
Unterzeichner dieses Briefes sollten in der Nacht vom 20. zum 21. August, der
Nacht der Invasion, die Führung der Partei und der Regierung übernehmen. Am
17. August fand eine Tagung des vollzählig versammelten Politbüros der KPdSU
statt. Die Lage in der Tschechoslowakei wurde als aussichtslos eingeschätzt,
es gab keine Garantie mehr für die Rückkehr der KPC zum gemeinsamen
politischen Kurs und Dubcek schien, ihrer Ansicht nach, mit der Führung der
Partei überfordert. Dies war Grund genug, die Invasion der CSSR zu
beschließen. Diese sollte, gemeinsam mit der Übernahme der Regierung durch die
gesunden Kräfte am Außerordentlichen XIV. Parteitag der KPC, in der Nacht vom
20. zum 21. August stattfinden. Im Moskauer Treffen vom 18. August schlossen
sich die sozialistischen Bruderländer bedingungslos den Maßnahmen der
Sowjetunion an. Sie verpflichteten sich mit ihren Staaten und Armeen mit allen
Anforderungen an der militärischen Aktion gegen die CSSR teilzunehmen. 14.2 Die Nacht vom 20. zum 21. August: Die Invasion der Bruderparteien war ein voller militärischer Erfolg,
politisch gesehen aber eine Niederlage. Die "gesunden Kräfte" schafften es
nicht, die Macht in der Partei an sich zu reißen, die Nationalversammlung
verurteilte die Okkupation. Rundfunk, Fernsehen und Presse verbreiteten
am 21. August die noch in der Nacht verfaßte Resolution des Parteipräsidiums,
die die Intervention als Verletzung der Normen des Völkerrechts
anprangerte. 15. Schlußbetrachtungen: Der Prager Frühling bildete den ersten Versuch eines kommunistischen
Regimes, das sowjetische System auf einem friedlichen Weg umzuwandeln. Der
Kurs der Dubcek-Führung war geprägt durch eine nichtkonfrontative Innenpolitik
und einer Strategie der Konfliktvermeidung nach außen. Die Reformer glaubten
bis zur Intervention an die Vereinbarkeit ihrer Ziele mit den sowjetischen
Interessen und sahen in der Modernisierung, Rationalisierung und
Demokratisierung des Systems, einen Entwicklungstrend, der in nächster Zeit
auch die anderen sozialistischen Länder ergreifen werde. Die
Bruderländer, allen voran die Sowjetunion, erkannten hingegen in den
Reformbestrebungen eine Bedrohung der Grundlagen des gesamten Systems und der
elementaren Sicherheitsinteressen des Warschauer Paktes. ANHANG: Übersicht über die Ereignisse in der Tschechoslowakei:
1957-1968: NOVOTNY, Antonin Präsident der CSSR 31.Oktober 1967: Prager Studentendemonstrationen - „Wir wollen mehr Licht!" 19.-21.Dezember 1967: Tagung des Plenums der ZK; scharfer Zweikampf: NOVOTNY vs. DUBCEK Jänner: 5.1.1968: „Januarplenum": NOVOTNY ist gezwungen Funktion als 1. Sekretär aufzugeben; Dubcek wird sein Nachfolger 29./30.1.68: Antrittsbesuch DUBCEKS in Moskau Februar: innerparteiliche Aktivitäten: Grundfragen der Parteiarbeit März: - stufenweise Abschaffung der Zensur - Ablösung von alten Führungskadern auf allen Parteiebenen - noch keine öffentliche Meinungsäußerung zur tschechoslowakischen Entwicklung von sowjetischer Seite 22.3.68: Rücktritt NOVOTNYS vom Amt des Präsidenten 23.3.68: Dresdner Treffen: Treffen der CSSR mit den Saaten des Warschauer Paktes => „Wirtschaftsgipfel" 30.3.68: Amtsgeneral Ludvig SVOBODA wird zum Präsidenten der CSSR gewählt April: 28.3.-1.4.68:Tagung der ZK der KPC (Aprilplenum) 5.4.68: Aktionsprogramm - „Der Weg der Tschechoslowakei zum Sozialismus" Regierungsumbildungen Mai: 4./5.5.68: Delegation des Präsidiums der KPC in Moskau (Anschuldigungen) 8.5.68: Moskauer Beratung: Spitzen der Parteien der Sowjetuntion, DDR, Ungarn, Bulgarien und Polen beraten über tschechoslowakische Entwicklung CSSR sucht trotz aller Warnungen der 5er-Koalition unbeirrt einen Weg zum "menschlichen" Sozialismus 29.5.-1.6.68: Tagung des ZK der KPC - Vorwärtsbewegung, Reformen werden beibehalten Juni: Sowjetunion und ihr Verbündeten verstärken den politischen Druck 18.6.68: Militärmanöver „Sumava" der Sowjetstreitkräfte auf tschechoslowakischem Boden (Abzug dieser: 3.August) 25.6.68: Zensur in der CSSR endgültig abgeschafft Weigerung der KPC an einem Tribunal in Moskau teilzunehmen Juli: 14.7.68: Warschauer Tribunal: bislang schärfste Kritik der 5 „Bruderparteien" an den tschechoslowakischen Reformen 16.7.68: Warschauer Brief: bemüht, Wende in der KPC zu bewirken ==> Hinweis auf das Interventionsrecht des Warschauer Paktes Reaktionen der KPC: Beharren auf eigenen Entscheidungen Ende Juli: Geheimdienstoperationen der Bruderparteien in der Tschechoslowakei 29.7.-1.8.68: Konferenz in Cierna/Schwarzau: Treffen der Parteipräsidien der KPdSU und der KPC auf ts. Boden August: 3.8.68: Konferenz in Bratislava/Preßburg: KPC und die 5 Bruderparteien 17.8.68: vollzählig versammeltes Politbüro der KPdSU entscheidet, definitiv eine militärische Intervention in der CSSR in der Nacht vom 20. zum 21. August durchzuführen 18.8.68: Moskauer Treffen: Koalitionsparteien der KPdSU schließen sich bedingungslos den Maßnahmen der Sowjetunion an 20.-21.8.68: Invasion in den Nachtstunden - Intervention militärisch ein Erfolg, politisch eine Niederlage 21.8.68: Vormittag: Mitglieder der Dubcek Regierung werden verhaftet Bibliographie:
DUBCEK, A.: Leben für die Freiheit.- München 1993. HAEFS, H.: Die Ereignisse in der Tschechoslowakei vom 27.6.1967 bis 18.10.1968. Ein dokumentarischer Bericht.- Bonn, Wien, Zürich 1969. HRIBEK, MEJSNAR, CHUCHMAK: Tschechoslowakei 1968. Prager Frühling?.- Düsseldorf 1988. KAHN, Helmut Wolfgang: Der Kalte Krieg, Bd. 2, Alibi für Rüstungsgeschäfte 1955-1973.- Köln 1987. PAUER, Jan: Prag 1968. Der Einmarsch des Warschauer Paktes.- Bremen 1995. PRIESS L., KURAL V., WILKE M.: Die SED und der „Prager Frühling" 1968. Politik gegen einen "Sozialismus mit menschlichem Antlitz".- Berlin 1996. Lehrveranstaltung: SE: Mythos und Realität der SechzigerjahreLehrveranstaltungsleiter: Reinhold Wagnleitner / Reinhard Krammer Universität: Universität Salzburg, Institut für Geschichte Semester: WS 1996/97
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