Wenn einer eine Reise tut, dann kann er was erzählen ....
Kurt Köpruner im fremden Lande Jugoslawien

Von Gudrun Eussner
11/02
 
 
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Sagt Ihnen der Name Osama bin Laden noch etwas?  Sie erinnern sich noch dunkel an das Monster, das seinen Häschern tot oder lebendig $ 25 Millionen einbringen sollte? Sie haben inzwischen unverrückbare Nachricht, daß dieser Osama seinerzeit, ab 1979, so bis Mitte der 90er Jahre zunächst ein Hätschelkind der USA war in ihrem Stellvertreterkrieg gegen die Sowjetunion und dann in ihrem Bestreben, den Erdölreichtum Zentralasiens zu Schleuderpreisen für sich auszubeuten?

Dann können wir gleich weitermachen mit Slobodan Milosevic, dem nächsten Monster, das Ihnen sicher präsent ist, denn es steht nun vor dem NATO-Tribunal "International Tribunal for the Prosecution of Persons Responsible for Serious Violations of International Humanitarian Law Committed in the Territory of the Former Yugoslavia Since 1 January 1991 (ICTFY)". Der ausführliche Titel dieser Institution zeigt bereits, daß es sich um ein Sondergericht mit Schauprozeß und Sondergesetzgebung handeln muß, einen Ort zur Durchsetzung der "Lex Slobo". Wie könnte es anders sein, war dieser jetzt von den USA und der "internationalen Staatengemeinschaft" Geächtete vor seinem Politaufstieg Bankier mit besten US-Kontakten. Noch bis zum Vertrag von Dayton, November 1995, war Slobodan Milosevic ein angesehener Verhandlungspartner der USA, die in ihm einen Garanten der Ordnung sahen. Wer's nicht glaubt, lese zu diesem Thema den Bericht des US-Staatssekretärs und Chefunterhändlers für Bosnien Richard Holbrooke: "Meine Mission", in Übersetzung erschienen in München 1998, also zu einer Zeit, als die jetzt in der Anklageschrift aufgelisteten Milosevic-Verbrechen an den Albanern in Serbien/Kosovo ebenfalls bereits lange bekannt gewesen sein mußten. In Deutschland und seinen Medien hatte Milosevic allerdings bereits seit Anfang der 90er Jahre einen schlechten Ruf. Das kam wohl daher, daß er den deutschen Interessen entgegenstand, die schon damals völlig andere waren als die der USA.

Diese und andere Informationen über das soziale, politische und militärische Geschehen in Ex-Jugoslawien erhalten wir in dem kompetent und mit sehr viel Liebe für Land und Leute geschriebenen Buch von Kurt Köpruner: "Reisen in das Land der Kriege. Erlebnisse eines Fremden in Jugoslawien", erschienen im Espresso-Verlag Berlin, August 2001. Der Autor fängt, möchte frau sagen, sein Buch ganz harmlos an: mit der Liebe zu einer Kroatin, im damaligen Jugoslawien. Aber, wie das so ist mit der Liebe, sie macht den einen blind, den anderen sehend. Letzteres trifft für Kurt Köpruner zu. Er, bis 1989 Vorarlberger Gewerkschaftsfunktionär, dem Jugoslawien zunächst eher aus seinen Besuchen folkloristischer Veranstaltungen der dort lebenden ca. 20 000 Jugoslawen bekannt war, hatte im Rahmen seiner neuen Maschinenbau-Tätigkeit mit einer Kroatin verhandelt und sich in sie verliebt. So wurde er zunächst in das Kriegsgeschehen in Kroatien verwickelt.

Wie der deutsche Außenminister Hans-Dietrich Genscher vom Befürworter des Erhalts Jugoslawiens zum Anwalt für dessen Zerschlagung wurde, wie die Regierung Kohl/Genscher im Einvernehmen mit der deutschen Industrie die lukrativen Batzen Slowenien und Kroatien an sich brachte, mit dem allen wurde der Autor als Privatmensch hautnah konfrontiert. Da half ihm nur eines, sich sachkundig zu machen über die Zusammenhänge. Das hatte zur Folge, daß er zunehmend große Diskrepanzen zwischen seiner eigenen Anschauung und sowohl der internationalen Politik gegenüber Jugoslawien als auch der deutschen Berichterstattung zum Thema fand.

Davon handelt das Buch, und mit zunehmender Sachkenntnis des Autors werden die Zusammenhänge, die Gründe zur Zerschlagung Jugoslawiens, zur Verteufelung Milosevic' und aller Serben immer klarer. Von Krieg zu Krieg, von Kroatien 1991-1995, über Bosnien 1992-1995, und schließlich Serbien, 1998-1999, erkennt er immer schärfer die hinter den leeren Reden der "internationalen Staatengemeinschaft" verborgenen wahren Interessen. Am Ende weiß frau eines: mit der Erhaltung und Wahrung von Menschenrechten, mit Demokratie und gar mit Fürsorge für die im ehemaligen Jugoslawien lebenden Menschen haben die völkerrechtswidrigen Kriegshandlungen der NATO nichts zu tun. Besonders faszinieren mich die Ausführungen im Kapitel "Ruder Finn - oder: Dementis sind wertlos" (S. 159 ff.) Darin wird der französische Journalist Jacques Merlino zitiert, der auf die in Washington ansässige Firma Ruder Finn stieß. Sie verdient ihr Geld mit der Verbreitung von Nachrichten. Der Firmenchef plauderte aus der Schule, wie er für seine Auftraggeber Nachrichten, ob wahr oder erfunden, schnellstens an ausgewählte Multiplikatoren streut, und daß "nur zählt, was einmal behauptet wurde. Dementis sind dagegen völlig unwirksam."

In Köpruners Buch kann man nachlesen, wie die Balkan-Arbeit dieser Firma gewirkt hat. Besonders stolz sei die Firma gewesen, die Juden der USA auf die Seite der "internationalen Staatengemeinschaft" und deren Absichten zu ziehen. Das muß eine Kunst gewesen sein, denn wie der Antisemitismus in Kroatien und Bosnien Zehntausende von Juden in kroatischen Konzentrationslagern vernichtet hat, konnte dem Gedächtnis der Entkommenen und der Nachkommen nicht entfallen sein. Der Trick war, in der New Yorker Zeitung "Newsday" die Ereignisse in Kroatien, im August 1992, umzuschreiben und über angebliche serbische Konzentrationslager zu berichten. Dieses Reizwort reichte aus, um drei große jüdische Organisationen aufzubringen. Protestkundgebungen wurden organisiert und die Serben wurden "im Handumdrehen" mit den Nazis gleichgesetzt. Dies berichtet der Ruder Finn-Firmenchef voller Stolz. Die Lager wurden allerdings niemals gefunden, da es sie nicht gab. Pikant wird das alles zusätzlich dadurch, daß die amtierende Außenministerin Madeleine Albright und ihr Vater seinerzeit, im Zweiten Weltkrieg, von Serben versteckt und so der Vernichtung durch die Nazis entzogen wurden....

Köpruner berichtet zum Schluß über die Zeit nach Beendigung des 78-Tage-Krieges, über die leeren Versprechungen von Clinton, Schröder, Chirac und Blair, die im Sommer 1999 in Sarajevo eine Wiederaufbauhilfe für das durch den NATO-Krieg zerstörte Jugoslawien versprachen: Paroli, Paroli.

Wir wissen heute, daß abgehalfterte Westpolitiker auf den Balkan abgeschoben werden. Hombach, Westendorp, und wie sie heißen, verwalten auf Steuerzahlerkosten die Trümmer. Der Autor berichtet, wie sich Deutschland unliebsame Konkurrenten aus Bosnien und den anderen Republiken Jugoslawiens vom Hals hält, in dem die Deutschen Botschaften Visagesuche von Geschäftsleuten ablehnen oder den Prozeß schon von Anfang an so schwierig gestalten, daß eine Einreise unmöglich wird. Verdienen tun auf dem Balkan die deutschen Geschäftsleute. Die Währung ist dort schon jahrelang die Deutsche Mark.

In Bosnien blüht auch das Geschäft der US-Amerikaner für die NATO. Der Balkan ist eine lukrative Gegend für die Unternehmen der "internationalen Staatengemeinschaft".

Dem Kosovo und dem 78-Tage-Krieg der NATO gegen Jugoslawien widmet der Autor hundert Seiten. Die zu lesen, ist ein absolutes "Muß". Die Rolle des angeblich gemäßigten "Präsidenten" des Kosovo (die Albaner nennen es "Kosova") Ibrahim Rugova, seit Anfang der 90er Jahre, die der Gangsterbande UCK und ihres seit 1996 wütenden Terrors gegen Serben, sowie auch Slobodan Milosevic' und anderer Größen wird deutlich. Mit fortschreitender Lektüre reist der Leser in das brutale Land der westlichen Interessen, er erkennt die Funktion der Balkankriege zur Rechtfertigung des Weiterbestehens der NATO nach dem Zerfall der Sowjetunion, zur Ausdehnung der US-Hegemonie in einen ideologiefreien Raum und in Richtung auf die Bodenschätze der Kaspischen Region, zur Sicherung der Unternehmergewinne der "internationalen Staatengemeinschaft", und dabei hauptsächlich der deutschen Unternehmen. Dafür wurden Völkerrecht und das Grundgesetz gebrochen sowie die UN-Charta außer Kraft gesetzt.

Über die "hehre" Rolle des Außenministers Joseph Fischer läßt das Buch keinen Zweifel offen. Er wußte schon spätestens im August 1998, welche Pläne die USA hatten. Ausführlich wird auch die Karriere des Chefunterhändlers von Rambouillet, des Oesterreichers Wolfgang Petritsch, des Förderers von Hashim Thaci, dargelegt. Das Buch läßt nichts aus. Zum Schluß erleben wir den abenteuerlustigen Autor Kurt Köpruner noch als Tourist im Kosovo, im Oktober 2000. Von der Vertreibung der Serben, Roma und Juden sowie der Zerstörung der serbischen mittelalterlichen Kirchen berichtet in den westlichen Medien niemand. Auch die fehlenden Massengräber scheinen niemanden zu interessieren. "Where are the Kosovo Killing Fields?" hatte der US Think Tank STRATFOR.com schon am 17. Oktober 1999 gefragt. Die Antwort bleiben die Kriegstreiber bis heute schuldig. Was Ruder Finn einmal ins Bewußtsein der Massen gebracht hat, würde sowieso durch ein noch so lückenloses Dementi nicht vertrieben. Wird uns das eine Lehre sein, wenn wir die Lügen der Medien über den "Antiterrorkrieg" der USA in Afghanistan und in den anderen "Schurkenstaaten" zugemutet bekommen? Ich fürchte, nein!

Zum Buch: Kurt Köpruner
REISEN IN DAS LAND DER KRIEGE
Erlebnisse eine Fremden in Jugoslawien
Vorwort von Peter Glotz
Espresso Verlag, Berlin 2001
EURO 19,90; 352 Seiten, gebunden, ISBN 3-88520-801-6

Editorische Anmerkung

Weitere Informationen über
Kurt Köpruner gibt es auf seiner Homepage.
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