Der Rollenfetisch als Psychopathologie der bürgerlichen Persönlichkeit und seine Überwindung

initiative menschliche emanzipation
11/02
 
 
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Vorbemerkung: Dieser Beitrag ist noch ein Entwurf und wird später überarbeitet. Er wird insbesondere noch durch Aspekte der Rolle der "Persönlichkeit" in der historischen Domestizierung des Menschen er-sie-gänzt. Ferner wird die Theorie und Praxis der "Schenkökonomie" noch konkreter dargestellt werden.

Die abstrakten (bürgerlichen) Persönlichkeitsstrukturen, die in unserem gesellschaftlich geprägten Ego inkarniert sind , bestehen u.a. aus folgenden Rollen: diejenigen, welche wir in familiären Beziehungen spielen (Vater-, Mutter-, Kindrolle), die Mieterrolle, die StraßenverkehrsteilInnennehmerrolle, die StaatsbürgerInnenrolle, die Konsumtenenrolle/KäuferInnenrolle, die Männer und Frauenrolle, die Student/innen- und Dozentenrolle etc. pp. Die bürgerliche Gesellschaft bringt es eben so mit sich, daß wir ständig "auf die Rolle geschickt" werden, wobei sich jedoch durchaus manche Rollen widersprüchlich zueinander verhalten, woraus dann der sogenannte Rollenkonflikt entsteht. Dies insbesondere deshalb, weil jede spezifische Rolle wiederum besondere Verhaltensnormen, Kenntnisse, Aufgaben mit sich bringt, die obendrein nochmal doppelt abstrakt sind, weil sie uns zusätzlich zur sozialen Rollenkonditionierung auch noch die Rechtsnorm aufdrücken. Als Mieter/innen unterliegen wir dem Mietergesetz (und BGB), als Autofahrer/innen der Straßenverkehrsordnung, (und der Versicherungspflicht), als Elternteil dem Familien- und Sorgerecht [als Sonderabteilung des BGB], als Käufer und als Konsument dem Handelsgesetz etc. Ferner existieren außdem dazu noch dazu ungeschriebene Verhaltensmaßregeln ("Etikette" und damit Spießbürgervorschriften), Kleiderordnungen, das Tragen von Markenprodukten, sprachliche politcal and social correctness, Imagegehabe etc.

Aber alle diese Rollen können eh nur "wahr-genommen" werden, wenn wir "flüssig" sind, da sie allesamt auf der Ware-Geld-Beziehung beruhen. Wer also z.B. seine Miete nicht mehr zahlen kann, verliert seine/ihre Mieter/innenrolle und wird in die Obdachlosenrolle gezwängt. Daß die Sachzwänge der kapitalistischen Verwertung mit uns als Menschen, Menschenrechtswürdenträger/innen (rechtsidealistisch betrachtet) und Gattungswesen in Widerspruch geraten, können wir jeden Tag in der Zeitung lesen, sofern wir es vermögen, zwischen den Zeilen zu reflektieren. Allein die ökologischen Probleme unserer Zeit zeigen dies auf. D.h.: es entsteht z.B. ein Widerspruch in der Art und Weise wie wir uns gesellschaftlich reproduzieren mit unserer ersten Natur. Es gibt zahlreiche Individuen, die - um der Lohnarbeit nachgehen zu können - auf ein Auto angewiesen sind, damit aber den FCKW- Ausstoß mit forcieren und damit Ozonloch, Klimakatastrophe mit verursachen, was in Widerspruch zu ihnen als konkrete Lebewesen und auch in Widerspruch mit der Elternrolle (sofern sie ihren Kindern wirklich menschlich zugewandt und deshalb um ihre Zukunft besorgt sind) gerät. Dies betrifft "natürlich" auch die Zeit, die Eltern ihren Kindern zuwenden müßten, aber aufgrund der Verhältnisse nicht haben. Sie müssen der Lohnarbeit nachgehen oder sind anderweitig beschäftigt, um den Lebensunterhalt hereinzubekommen. Insgesamt ist es also die Ökonomie (in erster Instanz also die Art und Weise, was wir wie und wozu produzieren), was Bestandteil einer immer stärkeren Destruktivität des Menschen zu sich selbst und zur ersten Natur geworden ist. Längst ahnen fast alle, daß es eigentlich nicht mehr so weiter gehen kann, doch die Ökonomie scheint zu einem destruktiven Selbstlauf geworden zu sein.... Aber auch die Art und Weise, wie die Menschen in der bürgerlichen Gesellschaft miteinander "umgehen" (und dieser Begriff zeigt auch wiederum auf, daß die Menschen sich umgehen statt konkret und direkt miteinander zu kommunizieren) , wie funktional und gegeneinander konkurrierend sie sich gegenseitig behandeln, schafft Aggressionen und Spannungen. Dies insbesondere deshalb - und das ist die Ursache der Entfremdung - , da sie sich nicht wirklich gegenseitig als Menschen in ihrer Besonderheit und Einzigartigkeit anerkennen. Diese Nichtanerkennung des Menschen als Mensch ist die Grundstruktur der verallgemeinerten Gleichgültigkeit, die die bürgerliche Gesellschaft durchzieht und damit der Nährboden für menschenverachtende Demagogien und Faschismus. Der Faschismus und Nationalsozialismus ist aber nur das sichtbar werdende Resultat dieser Struktur. Am prägnantesten hat dies wohl Moishe Postone in Anlehnung an die "Kritische Theorie" und unter kritischer Würdigung von G.L. Mosse analysiert: die massenhafte fabrikmäße Menschenvernichtung unter der Ideologie von "Arbeit macht frei" in Auschwitz ist das Zusichselbstkommen der bürgerlichen Gesellschaft bzw. ihr Kulminationspunkt. Kanzler Gerhard Schröer hat sich ja im Frühjahr 2001 ganz offenherzig zur Ideologie der Arbeit bekannt und damit Inhalt und Formprinzip des Wertes unterstrichen. Aber kann "man" von einem postfaschistischen deutschen Kanzler anderes er-sie-warten?

Der Mensch als Natur- und Gattungswesen wird durch die abstrakte Persönlickeit des homo oekonomicus auf gesellschaftlicher Ebene und durch die des Staatsbürgers als caput mortum des ideellen Gesamtkapitals ERschlagen und tagtäglich seiner Menschlichkeit beraubt.

Es wird Zeit, daß die Abstraktheit und Konkurrenz der Individuen gegeneinander aufgehoben wird, damit der Mensch konkretes Natur- und Gattungswesen in einer konkreten Gesellschaft wird!

Das spezifische der Reproduktion als Natur- und Gattungswesen ist die Konstitution unseres Wohlbefindens, allgemein ausgedrückt "Gesundheit", körperliche Unversehrtheit und der Versuch, möglichst nach dem Lustprinzip zu leben. Das konkret Individuelle darin sind aber wiederum besondere Vorlieben und das individuelle Vermögen der Aneignung und Entäßerung des eigenen Wohlbefindens. Dies hat wiederum seine Grenze darin, daß wir uns eben nicht für uns selbst als Gattungswesen Mensch reproduzieren, sondern "für ein anderes". Dieses Andere ist, wie schon gesagt, das Kapital. In seinem Sinn wird auch "Gesundheit" definiert (also als "verwertungs-" d.h. "arbeitstauglich"), selbst dann, wenn wir eine Tätigkeit ausüben müssen, die krank macht (also nachweislich gesundheitsschädigend ist). Und im Grunde ist der gesamte Arbeitsprozeß und auch Reproduktionsprozeß,. dem Menschen unterworfen sind, gesundheitsschädlich. Dies eben deshalb, weil wir mittels der abstrakten Arbeit (auch Arbeit sans phrase genannt) eine uns gehörende Kraft, ein Arbeitsvermögen für einen äußerst destruktiven Verwertungsprozeß verausgaben. Sinnbildlich gesprochen heißt dies nichts anderes, als daß uns unsere Lust- und Lebensenergie für eine dem Menschen feindliche Macht geraubt und letztendlich gegen uns gerichtet wird. Denn: der Gattungsprozeß und unser "selbst" ist dieser abstrakten und lebensfeindlichen Reproduktion untergeordnet.

Krankheit ist somit immer auch ein Ausdruck und Symptom gegen entfremdete Lebens- und Arbeitsbedingungen. Das konkrete Gattungs-Individuum rebelliert gegen Tätigkeiten und Lebensmilieus, die sein Wohlergehen beeinträchtigen.
Wie schon angedeutet, liegt auch in der gesellschaftlichen Grundstruktur der Konkurrenz, in der sich nur die stärkeren, karrieristisch und leistungsbewußt "ver-anlagten" Persönlichkeiten durchsetzen können, der durch und durch pathologische Krisenherd im Focus und Sog des analsadistischen Dominanztriebes und der narzisstischen Charakterstruktur. Ohne die Konkurrenz aufzuheben und in solidarisch-kollektives Handeln zu transformieren, kann dieser Charakter nicht überwunden werden. In jedem Konkurrenzsubjekt steckt aber auch der konkrete Mensch mit seinen Hoffnungen und dem Begehren auf ein gutes Leben, Glück, Liebe, Freundschaft und kollektive, soziale Emanzipation. Und dies sollte uns hoffnungsvoll stimmen lassen.

Diese Konkretion des Selbst als selbstbestimmendes soziales Gattungswesen jenseits des gegeneinander konkurrierenden Geldmonadentums gilt es einzufordern und sich/uns zurückzuer-sie-obern. Wollen wir den konkreten Menschen entdecken, so müssen hinter die abstrakten Rollen und Notwendigkeit sowie durch die Persönlichkeit hindurch gucken. Dies bedeutet Wege zu finden, die Ware-Geld-Beziehung und die gegenseitige Funktionalität zu überwinden und obendrein dabei Feindbilder zu zertrümmern. Da die Ware-Geld-Beziehung und der Rollenzwang eine gesellschaftliche Totalität sind, können wir ihr nicht entfliehen und innerhalb des Bestehenden von der "bösen Wirklichkeit" entfernte, kleine heile Welten aufbauen. Allerdings jedoch können wir versuchen, neue soziale und solidarische Beziehungen unter uns aufzubauen. Diese sollten die Praxis der Schenkökonomie in sich tragen. Und wenn wir dies in unserem Alltag integrieren und damit die Ware-Geld-Beziehung in frage stellen und peu a peu aufheben, dann ist das bereits ein wichtiger Schritt hin zur sozialen und menschlichen Emanzipation.

Die Schenkökonomie läßt sich bei Kindern lernen: sie praktizieren sie täglich. Die Schenkökonomie basiert auf der Freude am Leben und entzieht sich dem Tausch. Damit ist das Schenken, die Gabe bereits der erste und wichtigste Schritt zur Aufhebung der Ökonomie: eine Hingabe, die keine Gegenleistung verlangt, sondern darauf abzielt, den Menschen die Freude am Leben und die Schönheit des Lebens spüren zu lassen und sich dadurch qualifiziert vermehrt. Sie ist das direkte Gegenteil der abstrakten Gesellschaft der Wertvergesellschaftung: das Privateigentum; das mit dem Patriarchat (und damit der Versklavung der Frau) entstand und seine Quantifizierung basiert auf Raub und bedeutet weitere stetige Beraubung (privare [lat.] = berauben, absondern), die Schenk"ökonomie" jedoch auf der qualitativen Gabe. Sie beruht ferner nicht auf Konkurrenz, die die Menschen zu Feinden macht, sondern auf Freundschaft.

Wir können nicht sagen, wann, wie und ob sich daraus eine neue soziale Bewegung entwickeln wird, die die Kraft hat, eine (R)Evolution ins Werk zu setzen, die all die gattungsbedrohenden Ausbeutungs- Konkurrenz- und Fremdbestimmungsfaktoren schnell beseitigen kann. Alle wissen jedoch, daß sie notwendig ist. Wenn sie sich "un-aller-dings" entfaltet, wird sie eine der Zivilcourage und des zivilen Ungehorsams sein, die vielfältige Ausdrucksformen haben wird. Denn erst jetzt ist das menschliche Individuum reif genug dafür, Geschichte zu machen und alle lebensfeindlichen Mechanismen und Produktionsfaktoren zu überwinden.

Warum? Weil das Individuum erst jetzt zur vollen Reife seiner Produktivkraft als Individuum gelangt ist. Es muß sie nur in sich entdecken. Wir gehen damit den entgegengesetzten Weg der 68er-Generation: wir reißen der bürgerlichen Persönlichkeit (selbst wenn sie in GER-money/.DEutschland lebt) nicht die demokratische Maske=Personae ab, um dahinter die "faschistische Fratze" zu ent-decken, was sowohl Ziel wie auch Untergang der RAF war (bzw. sie wurde letztendlich Opfer ihrer eigenen Herangehensweise und Horst Mahler arbeitet immer noch akribisch-fleiSSig daran weiter) sondern wir wollen es den Individuen er-sie-möglichen, die abstrakte Maske der Demokratur, die aus dem Menschen eine Demo-Kreatur macht, selbst abzulegen, um dahinter ihren menschlichen (humanen) Charakter aufzuspüren und dann voller Freude und mit menschlichem Antlitz in die Gesellschaft des menschlichen Gemeinwesens einzutreten.

Editorische Anmerkungen

Der vorliegende Artikel ist eine Spiegelung von
http://www.members.partisan.net/gratis/rolle.htm
Er kann dort auch diskutiert werden.
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