Eine Erfolgsgeschichte wird gefeiert
Der Ostausschuss der Deutschen Wirtschaft
wird 50 Jahre alt


Von
Max Brym
11/02
 
 
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Am 2. Dezember 02 wird der Ostausschuss der Deutschen Wirtschaft 50 Jahre alt. Zum Jubiläum in Berlin wird der letzte Staatschef der Sowjetunion Michail Gorbatschow anwesend sein. Die Feierlichkeiten werden in Berlin begangen. Zwecks Vorbereitung des Festaktes geistert der Ostausschuss der Deutschen Wirtschaft durch den bundesdeutschen Blätterwald. Die Geschichte dieser Vereinigung wird zurecht als Erfolgsstory dargestellt. Vor 50 Jahren regte der damalige Bundeswirtschaftsminister Ludwig Erhard die Gründung des Ausschusses an, um der deutschen Wirtschaft Spielraum im "kommunistischen Ostblock" zu ermöglichen. Die Spitzenvertreter der deutschen Industrie und Bankenwelt begriffen sehr wohl, die Notwendigkeit eine Spezialorganisation zu unterhalten. Bereits 1955 übernahm der legendäre Otto Wolf von Amerongen die Leitung des Ostausschusses. Seine in den fünfziger und sechziger Jahren aufgebauten Kontakte, erleichterten die sogenannte Entspannungspolitik. Bahnbrechend war das deutsch-sowjetische Erdgas- Röhren- Geschäft, das in den Jahren 1960 bis 1970 ausgehandelt wurde. Die Sowjetunion lieferte Erdgas in die Bundesrepublik und bekam die Röhren dafür aus dem Westen. Das was damals als vernünftiges Geschäft für beide Seiten galt, nützte bei näherem hinsehen nur den Strategen und Profiteuren aus dem Westen. Denn das Gas hatte als Energiequelle noch nicht seine heutige Bedeutung und die Industrie konnte auf mehrere Anbieter zurückgreifen. Zudem verpflichtete sich die Sowjetunion dazu, teuere Industrieprodukte aus Deutschland zu kaufen. Demzufolge bezahlte die Sowjetunion mehr für die Röhren als sie für das Gas bekam. Der Weg in die Schuldenfalle war beschritten. Im Jahr 2001 hatte Russland 150 Milliarden Dollar Auslandsschulden mit steigender Tendenz. Hauptgläubiger ist Deutschland mit 48%. Der im Jahr 2000 von seinem Posten zurückgetretene Wolf von Amerongen betrachtete den heutigen daströsen Zustand der Ökonomie und den Zusammenbruch des "Kommunismus" in mehreren Interviews als persönliche Lebensleistung. Hier übertreibt er etwas, aber klappern gehört bekanntlich zum Handwerk. Der Nachfolger des Herrn von Amerongen, Klaus Mangold seineszeichens Vorstandsvorsitzender von Daimler-Chrysler Services (debis) handelt ganz im Geiste seines Vorgängers. Die SZ zitierte Mangold am 16.11 o2 folgendermaßen:" Der Handel mit Osteuropa wird in den nächsten Jahren für Deutschland strategische Bedeutung haben". Mangold sieht die deutsche Wirtschaft in einer günstigen Wettbewerbssituation. Schnell kommt Mangold in der SZ auf , den Kern der Sache:"Mit 400 Millionen Verbrauchern, guten Verkehrsanbindungen, niedrigen Arbeitskosten und einer gut ausgebildeten Bevölkerung könnten die Märkte im Osten den Deutschen erhebliche wirtschaftliche Vorteile bringen". Er hat nur vergessen zu erwähnen, dass es nicht die Deutschen sind, denen das Ganze Vorteile bringt sondern nur den deutschen Unternehmern. Sind doch in den letzten Jahren ziemlich unbemerkt, hunderttausende von Arbeitsplätzen in der deutschen Textilindustrie verschwunden. Dafür wurde im Billiglohnland Tschechien die Textilindustrie im Rahmen der Privatisierung übernommen, verbunden mit dem Wegfall dortiger Arbeitsplätze.

Die Interessen der deutschen Industrie !

Der Anteil Osteuropas am deutschen Außenhandel liegt momentan bei 12%. Damit ist er bedeutsamer und dynamischer geworden, als der Außenhandel mit den USA. Die Direktinvestitionen deutscher Unternehmen in Osteuropa sind in den vergangenen fünf Jahren um 112% auf 25. Milliarden Euro gewachsen.. Das Handelsvolumen um 130% auf 60 Millionen Euro. Besonders dynamisch haben sich die deutsch russischen Wirtschaftsbeziehungen entwickelt. Im vergangenen Jahr stiegen die deutschen Exporte nach Russland um 50%. Im ersten Halbjahr 2002 stiegen die Exporte noch einmal um 25%. Insgesamt gibt es 1700 deutsche Firmenniederlassungen in Russland. Dabei geht es den Investoren nicht um die Bedürfnisse der russischen Bevölkerung, sondern um mit den Worten von Mangold zu sprechen, um billige und qualifizierte Arbeitskräfte. Sowie um den enormen Rohstoffreichtum Russlands. Bereits jetzt ist für Deutschland Russland der wichtigste Öl und Gaslieferant. Die deutschen Exporteure liefern nur Marginal Konsumgüter nach Russland, da er dafür keine Kaufkraft gibt. In der Tat leben 39,2 Mio. Menschen in Russland unter dem Existenzminimum. Zusätzlich leben nach amtlichen russischen Zahlen 2,5 Mio. Kinder auf der Straße und es gibt offiziell 4 Mio. Obdachlose. Das Gesundheitswesen in Russland wurde, im World Health Report aus dem Jahr 2000 auf Platz 130, gerade noch vor dem Sudan eingestuft. Für all das hat der Ostausschuss der Deutschen Industrie vor seinem Jubiläum nur kaltes Schulterzucken übrig. Die Herren sind damit beschäftigt, ihre Bilanzzahlen zu bewerten und ihre Beziehungen zur russischen Oligarchie zu pflegen. Die soziale Katastrophe ergibt die Möglichkeit, Arbeitskräfte auszunehmen, Rohstoffe billig zu erwerben und über die hohen Schuldentitel Russland ökonomische Grausamkeiten zu diktieren.

Probleme

Seit dem Krieg in Afghanistan beobachtet Herr Mangold ein wachsendes wirtschaftliches Interesse der Vereinigten Staaten , an den Staaten der ehemaligen Sowjetunion. Voll Besorgnis blickt der Ostausschuss auf die Energieinteressen der USA. Die deutsche Industrie muß feststellen, dass bei Investitionen in Kasachstan und in Aserbaidschan, die US- Multis mehr ökonomische Potenz haben als deutsche Konzerne. Wenn es um ÖL geht, haben die deutschen Konzerne noch keine Chance finanziell mit den Ölmultis mitzuhalten. Demzufolge wird Russland unterstützt, dass wieder verstärkt Interessen gegenüber ehemaligen sowjetischen Unionsmitgliedern artikuliert. Solche scheinbaren Kleinigkeiten wie die Wiedereinführung der ehem. sowjetischen Nationalhymne belegen dies durchaus. Deutsche Unternehmen sehen aber auch in Staaten wie Kasachstan keinen Grund sich zurückzuhalten, es werden dort "Ergänzungsinvestitionen" vor allem im Bereich Straßenbau und Kommunikation durchgeführt.

Fazit

Der Ostausschuss der Deutschen Industrie der im Dezember sein fünzigjähriges Jubiläum begeht, hat durchaus Grund zu feiern. Die Industrie profitiert von der eigenen Einrichtung. Dennoch haben die Herrschaften auch Probleme. Ihre Konkurrenzfähigkeit gegenüber den USA, läßt durchaus noch zu wünschen übrig. Außerdem hat sich in Russland , trotz der bestehenden Abhängigkeit eine Maffiastruktur entwickelt, die eigene Interessen verfolgt. So sind die Ambitionen von BASF größere Anteile am größten Gasproduzenten der Welt Gazprom zu erwerben vorerst gescheitert. Russische Nationalisten schoben sich auf eigene Rechnung die Anteile von Gazprom gegenseitig zu. Auch ist das freundliche Verhältnis zwischen Schröder und Putin und die Hinahme der russischen Politik in Tschetschenien durch Berlin ein Beleg für eine kommende Achse Berlin-_Moskau. Dies ergibt sich aus dem gegebenen weltwirtschaftlichen Krisenszenario. Ein neuer Machtfaktor der den USA Konkurrenz machen könnte ist ein hochtechnologisiertes deutschdominiertes Europa mit einem russischem Rohstoffrumpf.
 

Editorische Anmerkungen

Max Brym lebt als freier Journalist in München. Im Partisan.net hat er seine Homepage. Den Artikel schickte er uns im November zur Veröffentlichung.