Neues PDS-Programm: 
Offene Abkehr vom Sozialismus als Eintrittskarte für ersehntes "Mitte/Links-Bündnis"

von Peter Weispfenning

11/03
 
 
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Am vergangenen Wochenende beschloss der PDS-Parteitag in Chemnitz mit 77,8 Prozent ein neues Programm. In der fünfjährigen Debatte, den zahllosen Entwürfen und Gegenentwürfen konnte man schon fast den Überblick verlieren, worum es der PDS-Führung dabei eigentlich ging.

Nach der Verabschiedung wurde einer der Programm-Väter in dankenswerter Weise deutlicher. André Brie, Europaabgeordneter der PDS, freute sich: Mit dem neuen Programm sei endlich "der Weg für eine Zusammenarbeit" mit der "SPD-Linken" frei. Die stellvertretende PDS-Vorsitzende Enkelmann war richtig stolz, dass die PDS nun für andere bürgerliche Parteien "berechenbar" geworden sei. "Jetzt lohne sich der Weg, die Zusammenarbeit mit den frustrierten SPD-Linken zu suchen" (ddp, 27.10.2003). Kein Wunder, dass diese angeblichen "Linken" in der SPD "frustriert" sind. Die so genannte SPD-"Abweichler" hatten nach massivem Druck aus der Fraktion bei der Verabschiedung der Hartz-Reform nicht einmal den Mumm, dagegenzustimmen. Ausgerechnet mit ihnen will die PDS künftig den engen "Schulterschluss" (Brie) suchen. So mündet die Suche der PDS nach einem Ausweg aus ihrer bislang tiefsten Krise am linken Rockzipfel der "kritischen Mitgestalter" der Schröder-Politik.

Freimütige Bekenntnisse

Um bei den Monopolen ja keine falschen Ängste aufkommen zu lassen bekennt sich die PDS in ihrem Programm zum Streben der Monopole nach Maximalprofit. Sie preist gar "Unternehmerisches Handeln und Gewinninteresse ... (als) wichtige Voraussetzungen für Innovation und wirtschaftliche Leistungsfähigkeit". "Sozialismus" wird im Programm diffus als "Ziel, Weg und Wertesystem" beschrieben. Dass damit keine reale gesellschaftliche Alternative gemeint ist, machte der Parteitag deutlich. Nur 10 Prozent der Delegierten stimmten für die - selbst vage - Formulierung, Sozialismus sei "vor allem eine künftige Gesellschaftsordnung ohne Dominanz des kapitalistischen Privateigentums". Stattdessen will die PDS die Menschen künftig mit einer ganz neuen Idee ansprechen - mit der Verteidigung der "sozialen Marktwirtschaft"! Kryptisch erklärte der Parteichef Bisky dazu: "Natürlich verstehen wir uns als antikapitalistische Partei. Das heißt ja nicht, dass wir den Markt nicht akzeptieren, das heißt ja nicht, dass wir das Soziale der Marktwirtschaft nicht betonen könnten." Das eröffnet natürlich ganz neue Perspektiven. Selbst CSU-Stoiber betonte zu Wochenanfang, für das "soziale" in der "Marktwirtschaft" zu stehen. Diese "soziale Marktwirtschaft" war nie mehr als eine Lebenslüge dieser Gesellschaft. Was soll "sozial" an einem System sein, in dem die Arbeitslosigkeit weiter wächst, die Sozialversicherungssysteme usw. zusammengestrichen werden? Es wird eben nicht nach den realen gesellschaftlichen Bedürfnissen der Menschen produziert und regiert, sondern einzig und allein zum Zweck der Profitsteigerung der internationalen Monopole.

Künftig erkennt die PDS auch das Recht des UN-Sicherheitsrates an, "auch militärische Mittel" einzusetzen - nur "missbrauchen", sollten die dort bestimmenden führenden imperialistischen Ländern das doch bitte schön nicht. Diese gefährliche Illusionsmacherei in ein imperialistisches Machtorgan feiert das Programm auch noch als Ausdruck der PDS als "konsequenter Antikriegspartei".

"Politikfähigkeit" á la PDS

Während in Berlin kaum ein Tag vergeht, an dem verschiedenste Teile der Bevölkerung gegen die Politik des SPD/PDS-Senats auf die Straße gehen, hebt das Programm die PDS-Regierungsbeteiligungen positiv hervor. Damit habe die PDS "unter schwierigen Bedingungen Politikfähigkeit bewiesen". Angespornt von so viel Lob bekräftigten am Montag dieser Woche SPD und PDS in Berlin die Erhöhung der Beitragssätze für Kindertagesstätten. Sie will künftig ausdrücklich den staatsmonopolistischen Kapitalismus "mitgestalten". Sie will dazu noch mehr "Regierungsbeteiligungen" und dort ein "Mitte/Links-Bündnis" anstreben. Eine Beteiligung an der Geschäftsführung der Monopole kann aber nichts anderes sein als ein Mittragen volksfeindlicher Politik, des drastischen Abbaus sozialer Errungenschaften usw. Mit dem jetzt beschlossenen Programm hat die PDS ihren Übergang zur staatstragenden Monopolpartei auch programmatisch festgeschrieben.

"Konsequente" Anpassung an den Kapitalismus

Während das Programm durch die Bank eine offene Abkehr vom Sozialismus und von den Grundprinzipien des Marxismus-Leninismus bedeutet, wird es nicht müde, all das demagogisch auch noch als "Erbe von Karl und Marx und Friedrich Engels" auszugeben. Für jede der PDS-Strömungen hat das Programm wenigstens seine eigenen Phrasen parat. Weder fehlt der Begriff "sozialistisch", noch das "feministische" usw. Treffend heißt es zur PDS im Programm der MLPD: "Von einem Sammelbecken der kleinbürgerlichen Linken und Kronzeugen des modernen Antikommunismus hat sie sich in den neunziger Jahren in rasantem Tempo zur staatstragenden Monopolpartei entwickelt. Ihr Organisationsprinzip ist ein kleinbürgerlicher ,Pluralismus` verschiedenster opportunistischer Strömungen." (S. 29) Das PDS-Programm ist deshalb auch keine "grundsätzliche Abkehr" von der bisherigen PDS-Politik, wie etliche Kommentatoren meinen. Es ist die logische Konsequenz ihrer Anpassung an den Kapitalismus.

Dass die PDS mit diesem Programm ihre Krise überwindet, ist daher eher nicht zu erwarten. Aufhorchen lässt, dass die PDS die Wahlen in Brandenburg als "Erfolg" des neuen Programms feiern. Dabei verlor sie 39 Prozent ihrer Stimmen im Vergleich zur letzten Kommunalwahl. Die PDS ist längst vom fortschreitenden Loslösungsprozess der Massen von den bürgerlichen Parteien, dem bürgerlichen Parlamentarismus und seinen Institutionen erfasst.

Die MLPD ging von vornherein einen anderen Weg, den Weg der echten sozialistischen Alternative. Sie ist stolz darauf, sich nie mit diesem kapitalistischen System eingelassen zu haben. Sie sucht dazu auch die Auseinandersetzung mit ehrlichen Anhängern der PDS. Viele von ihnen haben heftige Widersprüche zu den Chemnitzer-Beschlüssen. Um so wichtiger, daraus wirklich grundsätzliche Lehren zu ziehen.

(alle Zitate, soweit nicht anders gekennzeichnet, sind aus dem beschlossenen PDS-Programm)

"Der Vorstand sollte von der Basis eine Rüge kriegen für seinen Opportunismus und Antisozialismus"

Der neue Programmentwurf in der abzustimmenden Fassung wurde erst einen Tag vor Beginn des Parteitags den Delegierten vorgelegt. Etliche Delegierte kritisierten dieses undemokratische Vorgehen. Hannes Hellbach (Gast aus Berlin-Mitte, 18 Jahre) erklärte gegenüber der "Roten Fahne":
"Der Vorstand sollte von der Basis eine Rüge kriegen für seinen Opportunismus und Antisozialismus. Wir haben kritisiert, dass die PDS-Führung den permanenten Regierungsanspruch der PDS verficht, was auch im Programmentwurf deutlich artikuliert wurde. Am ersten Tag gab es ziemlich undemokratische Methoden. Zur MLPD habe ich inhaltliche Differenzen. Aber ich arbeite mit ihr zusammen, z.B. bei der LLL-Demo. Wenn ich da mit der MLPD zusammen aufmarschieren kann, ist das eine wunderbare Zusammenarbeit."

Die panische Angst der PDS vor dem "MLPD-Einfluss"

In der Vorbereitung der Demonstration in Berlin am 1.11. gegen die Schröder-Agenda forderten u.a. Vertreter der PDS Anfang Oktober plötzlich, die demokratisch gefassten Beschlüsse zu den Rednern und anderen Punkten wieder aufzuheben. Ansonsten würde sie die bereits zugesagte finanzielle Unterstützung wieder streichen. Ihr antikommunistisches "Argument": Der "MLPD-Einfluss" müsse "zurückgedrängt" werden. Und unter "MLPD-Einfluss" fasst sie gleich mal alle Kräfte zusammen, die für den selbständigen Kampf gegen die volksfeindliche Politik der Schröder/Fischer-Regierung stehen. Jetzt wird auch klarer, warum sie mit allen Mitteln versucht, eine kämpferische Demonstration gegen die Schröder-Agenda zu sabotieren. Mit ihrem neuen Programm will die PDS den Weg für das "Bündnis" mit der "SPD-Linken" frei machen. Weil sie sich so an die SPD anbiedert, versucht sie mit allen Mitteln, jeden konsequenten Protest gegen die SPD-Politik abzuwürgen. Spaltung und Sabotage kämpferischer Richtungen - das bezweckt also die PDS, wenn sie künftig die Arbeit "in demokratischen, sozialen und politischen Bewegungen" "intensivieren" will, wie es in ihrem neuen Programm steht. 

Editorische Anmerkungen:

Wir wurden vom Autor, um Veröffentlichung gebeten. Der Text ist eine Spiegelung aus der ROTEN FAHNE, dem Zentralorgan der MLPD
http://www.mlpd.de/rf0344/rfart15.htm