Chronologie des gescheiterten Versuchs, die Demonstration am 1.11. zu verhindern oder zum Anhängsel der Regierung zu machen

von Red. Rote Fahne

11/03
 
 
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6.August 2003/Frankfurt 

150 Vertreterinnen und Vertreter aus Anti-Hartz-Bündnissen, Erwerbsloseninitiativen, Gewerkschaften sowie ATTAC, PDS, MLPD und kleineren politische Organisationen, unter anderem "SAV", "Linksruck" treffen sich zu einer bundesweiten Aktionskonferenz in Frankfurt a.M. Mit großer Mehrheit wird die Vorbereitung und Durchführung einer bundesweiten Demonstration für den 1.November beschlossen. Ein Vorbereitungskreis wird beauftragt, dazu einen Aufruf zu entwerfen. Vertreter der ATTAC-Bundeskoordinierung sprechen sich gegen eine Demonstration aus. 

30. August /Hannover 

Bei der Erstellung des Aufrufs durch den damit beauftragten Vorbereitungskreis fordert der Vertreter des ATTAC-Bundeskoordinierungskreises, "positive Formulierungen zur Änderung der Sozialsysteme aufzunehmen". Ohne dies werde ATTAC den Aufruf nicht unterstützen. Er findet keine Mehrheit. Der Aufruf wird mit eindeutiger Stoßrichtung gegen die Agenda 2010 verabschiedet. ATTAC als bundesweite Organisation unterschreibt den Aufruf nicht und lehnt es ab, von einer "bundesweiten Demonstration" zu sprechen. 

14. September/Hannover 

Als am 14.9.03 im zentralen Vorbereitungskreis in Hannover die Redner für die Abschlusskundgebung festgelegt werden, kommt es zur erneuten Richtungsentscheidung. Trotzkisten von "SAV"/ "Linksruck" und Peter Wahl (ATTAC) fordern, vor allem bekannte Gewerkschaftsfunktionäre als Redner zu gewinnen. Dagegen wird von der Aktionseinheit beschlossen, Redner aus den kämpferischen Bewegungen von der Basis und konsequente Gegner der Agenda 2010 zu bestimmen. Die Vorschlagsliste wird mit großer Mehrheit verabschiedet. Daraufhin boykottieren die Vertreter der Berliner "SAV"/"Linksruck"/ATTAC/Sozialforum alle übernommenen Aufgaben und Vorgaben des zentralen Vorbereitungskreises. Lothar Nätebusch, der Vorsitzende der IGBAU Berlin, weigert sich, das zugesagte Büro zur Verfügung zu stellen. 

4. Oktober/Hannover 

Beim Treffen des zentralen Vorbereitungskreises scheitert der gemeinsame Versuch des Vertreters von ATTAC Johannes Beisiegel, von "SAV"/"Linksruck" sowie dem Ver.di-Geschäftsführer aus Stuttgart Bernd Riexinger, die beschlossene Rednerliste zu kippen. Es wurden drei zusätzliche Redner ergänzt. Der ATTAC-Vertreter Beisiegel schlägt stattdessen Redner von ATTAC, den Kirchen/Wohlfahrtsverbänden, Gewerkschaften vor, also durch die Bank von Organisationen, die die Demonstration bis dahin nicht unterstützten. Der Antrag, die Rednerliste neu aufzustellen, wird mit 25:3 Stimmen abgelehnt1. Drei zusätzliche Redner werden ergänzt. Auf dem Treffen werden auch alle notwendigen Festlegungen für die Gewährleistung der Demonstration getroffen, Finanzrevisoren eingesetzt sowie eine ganz Reihe von Aufgaben den bis dahin untätigen ATTAC- und "SAV"-Leuten aus Berlin aus der Hand genommen (zentrale Pressekonferenz, Betreuung der Homepage). Damit wird die Sabotage der Vorbereitung durchbrochen. Es war jedoch ein Fehler, die Besetzung der Demonstrationsleitung angesichts des offensichtlichen Boykotts nicht neu zu bestimmen. 

12. Oktober/Berlin 

Sechs Einlader berufen ein "Notplenum" am 12.10. in Berlin zur Vorbereitung der Demonstration ein. Die Versammlung wird über die Festlegungen im zentralen Vorbereitungskreis am 4.10. bewusst falsch informiert. Es wird Panik erzeugt, wonach die Vorbereitung der Demonstration gefährdet sei. Vor einer angeblichen "MLPD-Dominanz" wird gewarnt. Auf dieser örtlichen Versammlung wird ein regelrechter Putsch durchgeführt, indem mit 26:18 Stimmen beschlossen wird, keinerlei Beschlüsse der bundesweiten Vorbereitungsgruppe zu akzeptieren und selbst alle Entscheidungen neu festzulegen. Die Versammlung ist inszeniert, eine ganze Reihe von Teilnehmern der Versammlung wurden niemals vorher und nachher bei der Vorbereitung der Demonstration gesehen. Vor allem hat eine Berliner Zusammenkunft niemals das Recht, die Beschlüsse einer bundesweiten Aktionskonferenz zu kippen. Nachdem die bundesweite Demonstration trotz allem nicht aufzuhalten war, wird gestützt auf die bürgerlichen Massenmedien verbreitet, diese sei von ATTAC und der PDS initiiert. Bis zum letzten Tag wird die Demonstration "kleingeredet", man rechne mit maximal 10000 bis 20000 Teilnehmern. 

1. November/Berlin 

Weit über 100000 Demonstranten sind nach Berlin gekommen. Als schließlich auf der Abschlusskundgebung am 1.11. die von der bundesweiten Vorbereitungsgruppe in Hannover festgelegten Rednerinnen Edith Barthelmus Scholich, Annegret Gärtner sowie Gerd Pfisterer das Recht einfordern, dort sprechen zu können, wird ihnen dies von Peter Schrott strikt verweigert. Die Redner seien von der Berliner Demonstrationsleitung festgelegt. 

Anmerkungen

1) Zusammensetzung des bundesweiten Vorbereitungstreffens am 4.10. in Hannover: Agenda 2010 kippen, Hannover (1 Teilnehmer), AK Faxen dicke, Köln (1), Anti-Hartz-Bündnis (1), ATTAC Deutschland - Koordinierungskreis (1), ATTAC Hannover (1), Bündnis für soziale Gerechtigkeit, Berlin (1), Bündnis gegen Sozialabbau ..., Frankfurt (2), DIDF (2), IGM, Göttingen (1), Initiative Vernetzung Gewerkschaftslinke (1), Jugendverband REBELL (1), MLPD (1), Netzwerk kämpferische und demokratische Ver.di (1), Oberhausener Aktionskonferenz (1), PDS-Parteivorstand (1), RSB, München (1), "SAV" (5), Solidarität International (1), Ver.di Arbeitsloseninitiative, Hannover, Göttingen (2), Ver.di-Bezirksvorstand, Hannover (1), Ver.di Stuttgart Bezirksgeschäftsführer 

2) Wie Peter Schrott Redner abservierte - Ein Zeuge berichtet: 
Neben der Bühne steht ein Zelt. Der Zugang wird von kräftigen Ver.di-Ordnern abgesperrt. Gerd Pfisterer geht auf einen zu und sagt: "Ich möchte hier durch." - "Warum?" - "Ich soll hier reden." Der Ordner verweist Gerd an P. Schrott, der daneben steht. Er tippt ihm auf die Schulter und sagt: "Da will jemand was von dir." Schrott dreht sich zu Gerd um und fragt: "Ja, was gibt es?" - "Ich möchte hier durch, weil ich auf der Kundgebung reden soll." Schrott: "Wieso, wie heißt du?" - "Gerd Pfisterer." Schrott winkt sofort ab, dreht sich schroff um und streckt Gerd den Rücken zu. "Kannst du mir bitte mal sagen, was das soll und dich vernünftig mit mir unterhalten?" Schrott zuckt die Schulter und macht keine Anzeichen, mit Gerd zu reden. "Kannst du mir mal sagen, wer du bist und in welchem Auftrag du handelst?" Schrott dreht sich kurz um: "Ich unterhalte mich nicht mit dir, du weißt genau, worum es geht." Dreht ihm wieder den Rücken zu. "Die bundesweite Vorbereitungskonferenz in Hannover hat beschlossen, dass ich reden soll, mit welchem Recht setzt du dich darüber hinweg?" Schrott: "Du weißt genau, dass wir das in Berlin beschlossen haben." Er dreht sich wieder um. "Sag mal, hast du kein Benehmen und kannst dich nicht vernünftig mit mir unterhalten? Gehst du mit deinen Kollegen auch so um, wenn dir was nicht passt? Ich frage dich nochmals: mit welchem Recht setzt du dich über demokratische Beschlüsse der bundesweiten Vorbereitungsgruppe hinweg? Ich fordere dich nochmals auf, die Beschlüsse zu akzeptieren und mich reden zu lassen." Schrott dreht sich nicht mal mehr um und sagt nur noch: "Lass das, das bringt nichts!" 

Editorische Anmerkungen:

Wir wurden um Veröffentlichung gebeten. Der Text ist eine Spiegelung aus der ROTEN FAHNE, dem Zentralorgan der MLPD.
http://www.mlpd.de/rf0345/rfart5.htm