Das Nobelpreiskomitee ist verrückt geworden
Nachlese zu einer netten journalistischen Männerrunde

von Robert Kurz
11/04

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Der mäßig begabte Feuilletonist ist selten eine Frau. In der Medienkrise kann man mit mäßig begabten Feuilletonisten die Schweine füttern. Ihnen droht die "Hausfrauisierung des Mannes" (Claudia von Werlhof). Und dann kriegt auch noch die Jelinek den Nobelpreis. Da sieht er richtiggehend Pferde kotzen, der mäßig begabte Feuilletonist. Die Frauen haben doch sowieso schon gewonnen und alle Stellungen besetzt, warum jetzt auch das noch? Der Matthias Matussek vom SPIEGEL zum Beispiel, bekennendes Scheidungsopfer und leidender neuer Vater, den diese unsere matriarchalisch strukturierte Welt nicht versteht, er versteht nun seinerseits die Welt nicht mehr nach diesem Ereignis: "Ist das wahr?" (SPIEGEL 42/2004), ja ist es noch zu fassen? Da stimmt doch was nicht: "Diese Stockholmer Preisbegründung hat es verdient, in ihrer ganzen Grauenhaftigkeit genauer unter die Lupe genommen zu werden" (Matussek). Aber man weiß ja eigentlich schon, was los ist: "Zunächst ist die Preisvergabe, keiner bestreitet das, ein Quotenurteil...eine ziemlich abgelatschte Feminismus-Front, die da noch mal abgelaufen wird in diesem Oktober" (Matussek).

Es wäre ja nicht so schlimm, wenn diese preisgekrönte Dingsda nicht so voller Haß wäre. Findet jedenfalls der mäßig begabte Feuilletonist Tilman Krause in der WELT. Was das "auf Wunderkind getrimmte" Weib da abläßt, ist nämlich "ein einziger Haßgesang auf die, es ist ja wahr, gebrechliche Einrichtung der Welt, die freilich, wenn man sie haßt, nicht weniger gebrechlich wird und wahrscheinlich, wenn überhaupt, nur durch Liebe gerettet werden kann. Aber Liebe ist eben anstrengend" (DIE WELT, 12.10.2004). Sie nimmt bedauerlicherweise ihre weibliche Pflicht zur knochenharten Liebesarbeit einfach nicht ernst genug, die Jelinek. Dabei wäre sie als Frau gar nicht so übel, "die sympathische Steiermärkerin, 57, zart, graublond" (Matussek).

Aber ach, dieser Haß gegen die ganz Falschen bei dieser schrecklichen Vereinfacherin: "Das ist das Schwein, der Mann" (Matussek). Auch BILD ist entsetzt, und kann gleich mit Zitaten aufwarten, etwa aus den Romanen "Lust" (1989) und "Gier" (2000). Zum Beispiel: "Der Vater hat einen Haufen Sperma abgeladen, die Frau soll alles ordentlich wegputzen", oder: "Sein Geschlecht ist ihm schon fast zu schwer zum Heben, die Frau soll´s jetzt ein bißchen tragen", oder gar: "Schließlich erhält die Frau einen sie wieder abschließenden Schlag auf den Hintern, grob fährt die Hand ihres Herrn in ihren Ritzen und Sprüngen herum, seine Zunge leckt ihren Nacken ab, ihr Haar wird in die Wanne geworfen, an ihrem Kitzler wird kräftig gezogen, daß ihre Knie vorn zusammenklappen und der Arsch wie ein Faltstuhl herausspringt" (aus: BILD, 8.10.2004). "Damit sind wir bei den Fäkalien, die ja auch ein Herzensanliegen von Elfriede Jelinek sind" (Krause). Da muß es doch einer Sau grausen, da vergeht es den Lustgewinnlern, und kann das der Sinn der Literatur sein?

Dabei hat sie es doch schon mal ein klein bißl besser gewußt, die Jelinek, und sie in Frage gestellt, "die gesicherte feministische Opfer-Täter-Liturgie der achtziger Jahre" (Matussek). Aber jetzt ist all over now, weg ist sie, die Einsicht: "Da sitzt sie der naturgemäß (!) völlig einverständigen Sigrid Löffler gegenüber und dekretiert: >Ich zeige, daß die Sexualität, wie sie sich im konventionellen Rahmen eines ehelichen Besitzverhältnisses abspielt, selbst Gewaltausübung ist, und zwar Gewalt des Mannes gegen die Frau<. So klingt eine Dichterin, die ihre Gewissheiten gefunden hat und aufgehört hat, zu dichten" (Matussek). Nun ja, die Jelinek ist "Tochter eines nervenkranken jüdisch-tschechischen Chemikers...Unglückliche Kindheit, erste Psychiater-Besuche mit 7 Jahren" (BILD, 8.10.2004). Da versteht man so manches, aber muß sich das gleich als Literatur ausgeben, und muß es unbedingt so unbarmherzig gegen die Männer gehen? Die doch selber leiden wie die Tiere? Und die von Hausfrauisierung bedroht sind? Ausgerechnet so was wird dann mit dem Nobelpreis in den Himmel gehoben, also wirklich: "Wer nichts übrigläßt von lieblichen Gefühlen, bis alles, aber auch alles in Scherben fällt, die Liebe, die Freundschaft, Zärtlichkeit, Mitleid, Fürsorge und Anteilnahme, der kann seines Beifalls sicher sein. Wenn alles wieder einmal so richtig demaskiert und entmythologisiert, wenn es entlarvt und zur Kenntlichkeit entstellt ist, dann herrschen eitel Freude und Sonnenschein" (Krause). Wird Zeit, daß die Matusseks und die Krauses mal ein bißchen tabubrecherisch auftreten, wo es doch fast schon wieder revolutionär ist, die unweiblich gewordenen Weiber mal anständig an ihre natürlichen Tugenden zu erinnern.

Mäßig begabte Feuilletonisten, die sich angesichts der dräuenden Hausfrauisierung tapfer dem Jelinek-Schock aussetzen und ihn tabubrecherisch aufarbeiten, kommen auch von ganz linksaußen, wie der Franz Schandl (hoffentlich ein Pseudonym) in der JUNGEN WELT, der sich von mäßig geistreichen Wortspielen ernährt; wenn man eins kennt, kennt man alle. Übrigens ein echter österreichischer Landsmann aus dem Waldviertel, der weiß was über die Jelinek, die ist ja auch links irgendwie, man darf es durchaus sagen, daß sie "benennt, was nicht benannt wird, erkennt, was nicht erkannt wird" (JUNGE WELT, 12.10.2004*). Aber sie leidet halt ein bissel viel, und da wird sie staatsfromm, zwangsweise. Der Preis ist der Beweis, so Schandl: "Die Verleihung des Nobelpreises an Elfriede Jelinek wird dazu führen, daß die große Leiderin auf einmal alle leiden können. In Österreich ist sie nun verurteilt zur Staatsdichterin...Sie ist eine Nestbeschmutzerin, auf jeden Fall. Wenige führen das schmutzige Nest so gekonnt vor wie Jelinek...Nestbeschmutzung ist mitunter geradezu die Voraussetzung, in der Nationalgalerie einen oberen Platz zugewiesen zu bekommen...Ob sie will oder nicht, ist sie nun ein Markenprodukt, ein Standortfaktor, der sich rechnet".

Da kommt doch was rüber, nämlich: Der Schandl steht in seiner linken Integrität als kritischer Mann turmhoch über der Jelinek. Und der Beweis? Er kriegt keinen Preis. Das ist der Beweis. Nicht mal den Förderpreis von Neustadt am Rübengebirge. Da muß er dann auch nicht Staatsdichter werden, und ein Markenprodukt ist er auch nicht, und das ist doch schon mal was. So eine Top-Integrität hat natürlich die Jelinek jetzt leider nicht mehr, na ja, vielleicht kann sie gar nichts dafür, hat halt Pech gehabt, ausgerechnet den Nobelpreis zu kriegen, schon ist sie blamiert. Doch da hebt der Schandl die Lustgewinnlerhand zum Trost, so ist er ja nicht, er ist ja fast schon ein Gönner der Jelinek: "Elfriede Jelinek ist eine große Schriftstellerin, auch wenn sie angestrengt und mühsam wirken mag". Muß die jetzt Danke sagen?

Also eine richtige Schande ist diese Preisverleihung nun auch wieder nicht, aber ein bißl ein Schandl schon (das könnte von ihm sein). Der Matussek, der auch kein Exportschlager ist, kann da nur beipflichten; weg ist es bei der Jelinek, das bißchen weibernde Haß-Integrität: "Mit Jelineks Krönung ist der Skandal ihrer Schriftstellerei abgeschafft, endgültig, falls er je einer war. Er ist in der gemütvollen Mitte angekommen und nun eine Zeit lang alpenländischer Exportschlager". Völlig ins Establishment abgerutscht, die Frau, da kann man nur noch Mitleid haben.

Die Frage wird doch wohl noch gestellt werden dürfen, ob es eigentlich so weit her ist mit der literarischen Qualität ihrer Haßgesänge, meinen die Herren Tabubrecher. Oder ist auch das schon verboten in unseren matriarchalischen Zuständen, wo die Männer hausfrauisiert werden? Sie weiß es doch selbst, die Jelinek, "der letzte deutsche Nobelpreis galt einem Weltroman, der >Blechtrommel<, sie dagegen hat in erster Linie nervöse Aufgeregtheiten zu bieten" (Matussek). Ritterlich erhebt der alpenländische Kollege einverständigen Einspruch: "Ihr Schreiben mag oft scheitern, aber es scheitert auf hohem Niveau" (Schandl). Das ist keineswegs klugscheißerisch, weil Schandl scheitert nie, noch nicht einmal auf hohem Niveau. Die "thematisch ziemlich eingeengte Lieferantin von Theaterskandalen" (Matussek) bleibt aber ungenießbar, da ist man sich einig: "Man könnte auch sagen: Alles verquirlt sich mit allem, Ressentiments, Psychogurren, surreale Arie, hassendes Lodern, Vulgarität" (Matussek). Das muß man sich auf der Zunge zergehen lassen: "Psychogurren", "hassendes Lodern" - warum hat der Stilkünstler Matussek nicht den Nobelpreis bekommen?

Aber der ist bescheiden, denn es wären vor ihm noch andere leidende Männer dran: "Und kommt immer noch keiner auf die Idee, PHILIP ROTH zu brüllen, der erzählen und zaubern kann und in seinem letzten Roman >Der menschliche Makel< nicht nur den amerikanischen Rassismus bloßlegte, sondern gleich auch das politisch korrekte Campus-Milieu und dessen feministische Ausschußtriumphe?" (Matussek). Wirklich ein feministischer Ausschußtriumph, dieser Nobelpreis für die Jelinek. Wenn sie nur nicht so monomanisch auf dem allgemeinen Weiberleiden herumreiten würde. Da kommt es dem Schandl nicht, sondern es kommt ihm hoch (auch das könnte von ihm sein). Und humorlos ist sie auch: "Sie verweigert - anders als andere kritische Autoren - ein befreiendes Lachen" (Schandl). Spaß muß sein, sprach Wallenstein, und ein wenig Schenkelpatschen hält gesund, wenn der hausfrauisierte Mann schon sonst nichts mehr hat vom Leben.

A geh, immer nur schwarz in schwarz, hats die Jelinek nicht eine Nummer kleiner? "Und sie ist nicht immer durchhaltbar, diese Leiderei, etwa im 600-Seiten-Roman >Die Kinder der Toten< (1995), wo die Autorin selbst die willigen Rezipienten durch ihren barock ausufernden Wortspielschwall regelrecht in die Kapitulation treibt" (Schandl). Einen Wortspielschwall kann der Schandl schließlich auch selber machen. Ja, bei einem James Joyce oder einem Robert Musil, da dürfen natürlich noch ein paar hundert Seiten mehr draufgelegt werden; aber mit dem Weiberleiden, geht das nicht ein bissel kürzer? Und sie kanns ja kürzer, die Jelinek: "Freilich ist ihr dann im >Sportstück< (1998) gelungen, was ihr im Roman versagt blieb" (Schandl).

Daß sie nicht alle Tassen im Schrank hat, die Jelinek, darüber braucht man nicht mehr viel Worte verlieren. Sie projiziert ihre Verzweiflung auf die Männer, wo sie doch in Wahrheit "bekanntlich sehr unter ihrer Mutter gelitten hat" (Krause). Das ist heilbar, die Frau müßte nur mehr an sich und an ihrer Natur arbeiten: "Freuds Arbeit am Ich ist schwer, kann aber gelingen. Der Jelinek gelingen die Regression und die Pose" (Krause). Es muß wohl am physiologischen Schwachsinn des Weibes liegen. Darauf kann man ein Wortspiel lassen: "Solche Leute verstören, daher ist es am besten sie für etwas gestört zu erklären. Was der Jelinek sowieso andauernd passiert" (Schandl). Und dabei muß man mitmachen, weil Dabeisein ist alles, wenns um den Tabubruch geht: "In öffentlichen Stellungnahmen wirkt sie verstört, naiv und verkrampft, vor allem aber überfordert" (Schandl). Bei der Frau in der Öffentlichkeit stellt sich eben automatisch eine Art Unzurechnungsfähigkeit ein; sie wirkt naiv und überfordert, wenn sie nicht Kaffee kocht. Kein Klischee auszulassen, das ist auch eine Kunst, und das haben wir lange nicht gehabt.

Überhaupt die politischen Verirrungen der Nobelpreisträgerin, das ist ein Kapitel für sich: "Abschließend bleibt allerdings anzumerken, daß sie als Dichterin mehr erkennt als sie als Mensch begreift. Vor allem das Niveau ihrer politischen Äußerungen ist oft weit unter dem ihres schriftstellerischen Werkes angesiedelt" (Schandl). Ja geht's denn überhaupt noch tiefer? Der Mensch, der begreift, das ist der Herr des Begriffs, und die Frauen sind dafür bekanntlich zu emotional; sie fühlen mehr als sie begreifen, auch wenn das Fühlen dann wiederum literarisch auf hohem Niveau scheitern muß, nicht wahr? Peinlich, so die Tabubrecher, sei es, wenn die Jelinek sich stilisiert als das "von Haiders Kumpanen verspottete >Opfer< des >faschistischen Österreich<..." (Krause). Das ist ganz begriffslos, das ist ja ein völlig lächerlicher "Kaschmirschal-Alpen-Antifaschismus" (Matussek), wo doch alle Welt weiß, daß das weltoffene Österreich ausgesprochen ausländerfreundlich, tierfreundlich, negerfreundlich und judenfreundlich ist, heute mehr denn je. So ists richtig begriffen.

Der erfahrene alte Bock Reich-Ranicki allerdings weiß, daß die Frau andersherum besser in die Weichteile zu treffen ist; er lobt lieber ihr politisches Engagement, damit er sie literarisch umso mehr heruntermachen kann: "Das literarische Talent der Elfriede Jelinek ist, um es vorsichtig auszudrücken, eher bescheiden...Ein guter Roman ist ihr nie gelungen, beinahe alle sind mehr oder weniger banal und oberflächlich...Doch ob Roman oder Drama - Elfriede Jelinek ist stets eine gesellschaftskritische Schriftstellerin, die der, wie viele meinten, längst überlebten oder überwundenen engagierten Literatur zu neuen Ehren verholfen hat...Wie auch immer: Sie ist schon eine dolle Frau, diese Elfriede Jelinek" (SPIEGEL 42/2004). Das ist doch die raffiniertere Hinrichtung; aber der Alte ist ja auch nicht mehr von Hausfrauisierung bedroht, der kann sich Gelassenheit leisten und gerade deshalb noch besser treffen.

Es ist schon zum Grünärgern, der Nobelpreis ausgerechnet für die Jelinek. Das entwertet diesen Preis, "jenen höchsten auf Erden" (Reich-Ranicki), der jetzt herabgewürdigt ist zu einer "schwedischen Sonderausgabe von >Wer wird Millionär<..." (Matussek). Die Jelinek ist "behängt" (Matussek), und "der >Daily Telegraph< zitiert einen führenden britischen Literaturagenten mit den Worten: >Die Schweden sind so pervers, daß ihr Preis nichts mehr wert ist<..." (Matussek). Das Komitee muß verrückt geworden sein, auf nichts ist mehr Verlaß seit dem 11. September. Die Welt dreht durch. Wenn die Weiber und die Wahnsinnigen an die Macht komen, dann muß der Staat zugrunde gehen, hat das nicht Hegel gesagt, irgendwo in der Rechtsphilosophie? Sorgenvoll zullt die Männerrunde am Bierglas, als wärs ein Comic von Wilhelm Busch. Die Welt könnte so schön sein und so friedlich, wenn die Weiber nicht wären und der Wahnsinn. Aber leider braucht man sie noch, die Weiber, für den Lustgewinn und zum Aufputzen der Sauerei. Ist es nicht zum Wahnsinnigwerden? Verdammt nochmal, scheiß drauf, die Jelinek...

Editorische Anmerkungen

Der Text ist eine Spiegelung aus der Zeitschrift EXIT - Kritik und Krise der Warengesellschaft http://www.exit-online.org/html/aktuelles.php

*) Hier irrt Robert Kurz, es handelt sich um den 09.10.2004.