POLIZEI MACHT GELD
Oder: Wieviel ist POLIZEI noch wert?

von Thomas Brunst, SAFERCITY.DE (Nov. 2004)
11/04

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Der Institutionsname POLIZEI und das dazugehörige Erscheinungsbild werden immer häufiger behördenfremd verwendet – ein Vertrauens- und Qualitätsverlust ist vorprogrammiert. Ordnungsämter spielen bewaffnete SCHUTZPOLIZEI; gleichzeitig übernehmen private Sicherheitsdienste als offizielle POLIZEIPARTNER in Städten/ Kommunen und auf Flughäfen öffentliche Sicherheits- und Ordnungsaufgaben: Sie werden dabei auch hoheitlich tätig,
weil sie Platzverweise aussprechen und Fluggastkontrollen durchführen. Die  Bürgerinnen und Bürger werden im Wust konkurierender Zuständigkeiten unterschiedlicher Uniformträger alleine gelassen.

Der “besondere Vollzugsdienst der Stadt Kassel“ duldet keinen Widerspruch:  Sie, die Bediensteten, seien POLIZEIVOLLZUGSBEAMTE und als solche verbitte man sich eine Diskussion über ihren Amtsstatus - Basta!

Vom Äußeren her sind die gelernten Verwaltungsangestellten auch kaum mehr  von den Landesbeamten zu unterscheiden. Ihre Uniformen sehen denen der Hessischen LANDESPOLIZEI täuschend ähnlich. Dass die Schulterstücke und ein  silbernes bzw. goldenes Schirrmützenband an den Uniformen der Kommunalbediensteten fehlen, dass Kasseler Stadtwappen anstelle des Hessischen Landeswappen im Hoheitsabzeichen zu finden ist, fällt vielen Menschen gar nicht auf. Schlagstock, Handschellen, Pfefferspray und seit Neuestem auch eine 9mm-POLIZEIPISTOLE - alles so wie bei der LANDESPOLIZEI. Und natürlich hat dieser “besondere Vollzugsdienst“, der besoldungstechnisch auf Grundlage von BAT (Bundes-Angestelltentarifvertrag) Vc-/ Vb-Stellen eingerichtet wurde, auch eingeschränkte Befugnisse nach dem Hessischen POLIZEIAUFGABENGESETZ (HSOG). Dies dürfte der Grund dafür sein, weshalb die Kommunalbehörde ganz selbstverständlich im sensiblen Bereich der Drogenkriminalität ermittelt.

Die Sache hat nur einen Haken: Nirgendwo ist auf den Uniformen dieser  Ordnungshüter das Wort POLIZEI zu finden. Im Hoheitsabzeichen taucht lediglich der Begriff “Ordnungsbehörde“ auf und das sollte zu denken geben. Selbst auf den Uniformen der Angestellten der Hessischen “light“-POLIZEI ist nach viermonatiger Ausbildung WACHPOLIZEI im Hoheitsabzeichen zu lesen. Nach  einem “Crash-Kurs“ bei der Hessischen LANDESPOLIZEI dürfen sich freiwillige, ehrenamtliche Bürgerinnen und Bürger POLIZEIHELFER nennen. Auf ihren Uniformen ist deutlich der Schriftzug FREIWILLIGER POLIZEIDIENST zu lesen. Der ehrenamtliche POLIZEIDIENST führt keine Pistolen mit sich und besitzt weitaus weniger Befugnisse als der Vollzugsdienst der Stadt Kassel. n Anbetracht der Tatsache, dass grüne T-Shirts mit dem Aufdruck POLIZEI im Handel frei erhältlich sind und von vielen Personen auch öffentlich getragen werden, wundert es kaum, wenn die Kasseler Ordnungsämtler sehr gereizt auf dieses Thema reagieren. Für ihre Arbeit ist es nämlich nicht förderlich,  wenn ihre Kompetenz - und damit letztendlich ihr Handeln – in Frage gestellt wird.

Vermutlich hat sich das Kasseler Ordnungsamt vom Bundesgrenzschutz (BGS) inspirieren lassen. Die einst paramilitärische Bundesbehörde versucht nun, nach ihrer Ernennung zur BAHNPOLIZEI, durch ein schlichtes POLIZEI auf Dienstfahrzeugen und Uniformen ihren Minderwertigkeitskomplex loszuwerden und drängt dabei mit Macht in die Zuständigkeitsbereiche der LÄNDERPOLIZEIEN  vor. Dazu soll bald das Bundesgrenzschutzgesetz (BGSG) in BUNDESPOLIZEIGESETZ umbenannt werden.

Nach dem Grundgesetz sind POLIZEIANGELEGENHEITEN in unserer föderalistisch strukturierten Bundesrepublik Sache der einzelnen Länder. Von einer Verunsicherung der Bürgerinnen und Bürger durch überschneidende Zuständigkeiten und “Befugniswildwuchs“ wollen die unterschiedlichen (POLIZEI)Behörden dennoch nicht sprechen. Und so bleibt es jedem selbst überlassen sich mit seinen Rechten gegenüber den verschiedenen Uniformträgern, die ihm als HILFS-, WACH- und VOLLZUGSPOIZEI - als  ehrenamtliche Bürgerinnen und Bürger, als private und öffentliche Angestellte sowie als Landes- und Bundesbeamte - gegenübertreten, auszukennen.

Übrigens hat die Wirtschaft die POLIZEI längst auch als Werbepartner für sich entdeckt. Auf den Pkw’s offiziell kooperierender sächsischer Sicherheitsunternehmen ist zu lesen: “Sicherheitspartner der Sächsischen Polizei“ (ähnliches existiert auch in Hamburg). Das nordrhein-westfälische Innenministerium warnte bereits im Januar 2000 die Öffentlichkeit: “Unseriöse Geschäfte mit dem guten Namen der Polizei – Broschüre informiert über dubiose Praktiken“, so die Pressemitteilung des  Innenministeriums. Der Titel der Broschüre macht das Ausmaß deutlich: “Falsche Polizei? Polizei und Polizeistern, ein lukrativer Name und ein
lukratives Symbol für sogenannte Polizei-Verlage, Werbeagenturen, Anzeigenverwaltungen“.

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Editorische Anmerkungen

Der Autor stellte uns diesen Artikel am 18.11.2004 zur Veröffentlichung zur Verfügung. Er betreibt die Website safercity.de.