Rheinmetall
Die Familie Röchling geht

von Max Brym
11/04

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Die Unternehmensfamilie Röchling zieht sich aus dem Rüstungskonzern Rheinmetall zurück. Sie veräußert ihren Anteil von 42,1 Prozent in kleinen Paketen an institutionelle Anleger. Die Geschäftsleitung spricht von „einer breiten Plazierung der Aktien“. Der Verkauf soll bereits am Freitag den 26. November abgeschlossen sein. Den Einstieg eines größeren Aktionärs wollte die Firmenleitung nicht ausschließen. Die Broker tuscheln über den Einstig der amerikanischen Investorengruppe Carlyle. Carlyle bündelt in einer Beteiligungsgesellschaft „United Defence“ mehrere Spezialisten der Rüstungsbranche. Die Spekulationen über Carlyle werden sich allerdings als Luftblasen erweisen. Natürlich ist die amerikanische Investorengruppe an Rheinmetall interessiert, aber Rheinmetall nicht an den amerikanischen Investoren. Der äußerst profitable Rheinmetallkonzern lobt in seinem Geschäftsbericht die „neue europäische Verteidigungspolitik“ und sich selbst als größten europäischen „Heereslieferanten“. Der Aufbau einer europäischen Armee und die Steigerung des Verteidigungsetats in Deutschland (von derzeit 25 Prozent auf 29 Prozent bis zum Jahr 2008) findet seitens der Rheinmetall- Bosse wärmste Zustimmung. Die „Verteidigungspolitik“ ist national angelegt. Der Zugriff auf ein deutsches Rüstungsunternehmen ist seit August 2004 durch die Änderung des Außenwirtschaftsgesetzes für ausländische Investoren extrem erschwert worden. Jeder ausländische Investor benötigt ab einem Anteil von mehr als 25 Prozent die Zustimmung der Bundesregierung. Die deutsche Bourgeoisie, speziell der militärisch industrielle Komplex, forderte seit Jahren diesen Schutz gegen „feindliche Übernahmen“. Die eigenständige Planung der Militärpolitik ist im Interesse des deutschen Gesamtkapitals. Exportoffensiven und die neue Weltmachtrolle erfordern neben eigenem Kapital und konkurrenzfähiger Waren, Kanonenboote und Panzer. Für Rheinmetall bedeutet der Aufbau einer konkurrenzfähigen europäischen Armee zudem hohe Extraprofite. In den nächsten Wochen wird Rheinmetall einen Großauftrag der Bundeswehr über 410 Exemplare des neuen Schützenpanzers Puma verbuchen. Auftragswert: drei Milliarden Euro. Auf der Firmenhomepage plaziert Rheinmetall den „Wunderpanzer“ Puma ganz vorne. Der Panzer soll dazu beitragen, die „Bundeswehr auf neue Art interventionsfähig zu machen“. In der Tat, die deutsche Armee gilt bis dato als zu schwerfällig um größere „Kriseninterventionen“ schnell und weiträumig durchzuführen. Der neue Panzer soll die Stabilität gegebener Panzer haben, allerdings beweglicher, leichter und schußstärker sein. Der Bereich Defence (Heerestechnik) erwirtschaftet 40 Prozent des Ergebnisses von Rheinmetall. Der Rückzug der Familie Röchling soll durch die Heranziehung anderer, vor allem im Rüstungsgeschäft tätiger Kapitalanleger, kompensiert werden. Die Börse reagiert positiv auf diese Entwicklung und geht von einer weiteren Verschmelzung des europäischen Rüstungskapitals unter deutscher Dominanz aus. Der Familie Röchling ist dieser Brocken zu schwer, die 193 Familienmitglieder konzentrieren sich auf den Ausbau ihres industriellen Kernbereiches die Kunststofftechnik.

„Tiefgreifender Umbau“

Bis vor vier Jahren galt Rheinmetall als Gemischtwarenladen. Der Aktionsradius reichte von Büromöbeln, Panzern, Autoteilen bis zu Verpackungsmaschinen und Sicherheitstechnik für Flughäfen. Im Januar 2000 verordnete Vorstandschef Klaus Eberhard dem Konzern einen „tiefgreifenden Umbau“. Das ehemalige Konglomerat wurde auf die Automobilzulieferung und die Heerestechnik gestutzt. Firmenanteile mit einem Umsatz von 2,5 Milliarden Euro wurden verkauft. Dabei schrumpfte die Zahl der ausgebeuteten Arbeiter von 30.903 auf 18.564. In diesem Jahr erwartet Rheinmetall einen Umsatz von 3,5 Milliarden Euro. Im Geschäftsbericht der Firma vom 30.9.04, wird das Jahr als eines der erfolgreichsten in der „Geschichte des Hauses“ abgefeiert. Die Rendite wird mit 32 Prozent beziffert. Als Gründe für den Geschäftserfolg werden die Konzentration auf das Kerngeschäft und ein besonderes Fitneßprogramm für die Belegschaft genannt. Unter dem Fitneßprogramm ist die gestiegene Produktivität der Arbeitskraft und die sinkende Lohnanteil am Umsatz zu verstehen. Der Umsatz war in früheren Jahren bei Rheinmetall höher, aber die Gewinne und die Dividende für die Aktionäre niedriger. Der Verkauf unrentabler Betriebsteile, die der Konzern mit der gesunkenen Nachfrage (Kaufkraftverlust) begründet sowie der damit einhergehende Personalabbau bei gestiegener Produktivität der Ware Arbeitskraft, trägt wesentlich zu den schwarzen Zahlen in der Bilanz bei. Ein besonderes Lob wird seitens des Vorstandes der Bundesregierung zuteil, die Bosse schreiben von „einer wesentlich reduzierten Steuerbelastung“. Das Reformwerk der Regierung wird begrüßt. Das Aufrüstungsprogramm des Kabinetts kommt dem Konzern zugute und gibt laut Rheinmetall „uns die positivsten Zukunftschancen“.
 
 

Editorische Anmerkungen

Max Brym stellte uns diesen Artikel am 26.11.2004 zur Veröffentlichung zur Verfügung. Er lebt als freier Journalist in München.