Nicht nur Traditionssozialdemokraten kritisieren die aktuell diskutierten Grundeinkommensmodelle

von Peter Nowak
11/06

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Auf einmal scheinen sich alle einig. Seit der Ministerpräsident von Thüringen Althaus das solidarische Bürgergeld für alle als eine der  Antworten auf die Krise der Arbeitsgesellschaft in die Diskussion gebracht hat  gibt es scheinbar nur noch Anhänger dieses Konzeptes So genannte Querdenker im Mittelstand, wie der Drogerist Götz Werner  wird plötzlich vom Außenseiter, den mal gerne mal einer Talkshow einlud, um ihr einen Hauch von Exotik zu geben, zum vielgefragten Gesprächspartner. Intellektuelle Kritiker der Arbeitsgesellschaft wie der Buchautor Wolfgang Engler sehen sich ebenso bestätigt, wie grüne Arbeitsmarktpolitiker, die natürlich darauf hinweisen, dass sie Pioniere dieser Idee waren. Da verschmerzen sie es schon, dass sie in der  aktuellen Diskussion  höchstens in Fußnoten erwähnt werden.

Doch es gibt noch Kritiker. Zu ihnen gehörte der Gewerkschaftler, langjährige Sozialdemokrat und jetzige WASG-Unterstützer Michael Schlecht). Schon vorher hat ein weiteres sozialdemokratisches Urgestein, der Publizist Albrecht Müller in der Wochenzeitung Freitag Befürworter      eines bedingungsloses Grundeinkommens  recht rüde angegriffen. Doch, wenn man  Stellungnahmen führender SPD-Politiker  zur Thematik ließt, könnte man denken, Schlecht und Müller sind weiterhin deren Stichwortgeber. Etwas verworrener ist die Situation bei der Linkspartei. Während die Stellvertretende Vorsitzende Katja Kipping, die auch schon als das moderne Gesicht der Partei angepriesen wird,   zu den entschiedenen Befürwortern dieses Konzepts gehören, ist die Parteibasis davon nicht überzeugt.  Unterstützung bekommen die konservativen PDS-Mitglieder von den Neuzugängen der WASG, deren  stärkste Wurzeln aus der Gewerkschaftslinken kommt.

Man  könnte hier also von Rückzugsgefechten der  traditionssozialdemokratischen Anhänger in Parteien und Gewerkschaften sprechen.  Solche Vorstellungen werden noch dadurch befördert, dass bei vielen Kritikern der Existenzgeldmodell mehr oder offen deutlich gesagt  wird,  dass man sich nicht damit abfinden kann und will, dass soziale Leistungen ohne Lohnarbeit verteilt wird. Da ist es tatsächlich nicht weit zum ressentimentgeladenen Ausspruch, dass wer nicht arbeiten will auch nicht essen soll. Allein dass diese Parole wahlweise der Bibel, Bebel oder Lenin   zugeschrieben wird, zeigt, wie tief das Ressentiment sitzt

Doch so einfach sollte mache es sich machen. Es gibt durchaus Kritik auch aus Kreisen, die sicher nicht die alte Arbeitsgesellschaft retten wollten. Dazu ist zunächst einmal eine Begriffsklärung nötig. Denn hinter den unterschiedlichen Begriffen wie „negative Einkommenssteuer, Bürgergeld und Einkommen stehen durchaus nicht die gleichen Konzepte, wie  eine  Existenzgeldkonferenz im Jahr 1999 schon herausgearbeitet hat.

Der frühere Arbeitsmarktexperte der  Grünen in Nordrhein-Westfalen Daniel Kreutz nennt drei Eckpunkte, die den unterschiedlichen Modellen gemeinsam sind:

  • Es soll vom Staat an sämtliche Bürgerinnen und Bürgern ausgezahlt wird, vom Ärmsten bis zum Reichsten,
  • und zwar ohne Bedürftigkeitsprüfung – also ohne zu fragen, ob es als Schutz vor Armut benötigt wird, oder ob ausreichendes Einkommen oder Vermögen vorhanden ist,
  • und ohne Arbeitszwang – man soll also auch sagen können: ich will keine Lohnarbeit, mir reicht das BGE.

Hartz für Alle?

Kreutz nennt allerdings auch den Unterschied bei den unterschiedlichen Modellen: „Der Punkt, mit dem sich die Linken von den Rechten unterscheiden, wenn es um die Zahlen geht, heißt: das BGE soll hoch genug sein, um Einkommensarmut zu vermeiden – also auf alle Fälle deutlich höher als Hartz IV.“

Zugespitzt formulier läuft es auf die Alternative hinaus, ob das Grundeinkommen „Hartz IV für alle“ ist oder ob die Menschen davon wirklich leben können. Das ist  der Unterschied ums Ganze. Wenn Jobber- und Erwerbslosengruppen) „ein ausreichendes garantiertes Mindesteinkommen für alle Erwerbslosen, ohne Bedürftigkeitsprüfung“ und  die „Bundesarbeitsgemeinschaft der Erwerbslosen- und Sozialhilfeorganisationen   nicht nur konkrete Zahlen nennt sondern auch präzisiert, indem ein  Existenzgeld für alle Menschen gefordert wird,, "den tatsächlichen Grundsicherungs-Bedarf in diesem Land deckt, ohne sie in niedrigst entlohnte Jobs oder „gemeinnützige” Pflichtarbeit zu zwingen“, wird der Pferdefuss bei der aktuellen Existenzgelddebatte erfasst.  

„Was würde nun passieren, wenn der Staat die Garantenpflicht für die armutsfeste Existenzsicherung aller Bürgerinnen und Bürger übernehmen würde? Die Löhne würden entsprechend gekürzt. Sie wären dann ja nur noch „Zuverdienst“ zum BGE, zum bedingungslosen Grundeinkommen. Es gäbe überhaupt keine Begründung mehr dafür, warum Arbeitgeber existenzsichernde Mindestlöhne bezahlen sollen. Dafür ist ja dann der Staat zuständig. Was kommt dann raus? Kombilohn für alle Beschäftigten. Der Arbeitgeber braucht nur noch den Teil des Lohnes zu bezahlen, der über das Existenzminimum hinausgeht. Das kann man wollen oder auch nicht. Aber das bleibt die faktische Wirkung auf das Lohnsystem, wenn die Zuständigkeit für die Existenzsicherung der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer – und damit gleichsam ein Teil der Lohnzahlungspflicht - vom Arbeitgeber auf den Staat übergeht, das heißt auf die Steuerzahler.

Das gleiche passiert bei allen Lohnersatzleistungen der Sozialversicherung , also bei der Rente, beim Arbeitslosengeld I oder beim Krankengeld. Soweit die nicht gleich ganz abgeschafft werden sollen, werden alle Ansprüche unterhalb des Grundeinkommens überflüssig. Die Sozialversicherung schrumpft bei den Lohnersatzleistungen auf eine „aufstockende Zusatzversicherung“.

Nur so ist es zu erklären, dass CDU-nahe Studien zu dem Schluss kommen, dass der Staat erheblich sparen würde, wenn das von Althaus favorisierte Bürgerdgeldmodell verwirklicht und damit sämtliche bisherigen Sozialleistungen  abgeschafft würden. Selbst  der in dieser Frage viel vorsichtiger argumentierende Götz Werner auf die Frage, wie das Ausland auf die Einführung seines Existenzgeldmodells reagieren würde, erklärt:

„Es wäre tendenziell gezwungen, dasselbe zu tun, um attraktiv zu bleiben. Denn mit einem Systemwechsel würde Deutschland zu einem Investitionsparadies. Kein Unternehmen, das heute die Arbeitsplätze ins Ausland verlegt, würde das noch machen, weil man nirgends so produktiv arbeiten kann wie in Deutschland, mit den Menschen, mit dem Know How, mit der Infrastruktur.“ Der Interviewer vergisst zu fragen,  ob das Unternehmerparadies die Folge des flechtendeckenden Billiglohns ist.    

Dass sich die Anhänger eines Existenzgeldes, dass zum Leben reicht, kaum zur Wort melden, ist eher ihre Einsicht, beim gegenwärtigen Diskurs um Standortsicherung sowie keine Chance auf Gehör zu finden.  Die meisten sehen zur Zeit in den neoliberalen Bürgergeldmodellen das kleinere Übel gegenüber den Verteidigern der Arbeitsgesellschaft. Der Praxistext allerdings steht noch aus.   

Editorische Anmerkungen

Der Artikel wurde uns vom Autor zur Veröffentlichung am 11.11.06  überlassen.