Auf einmal scheinen sich alle einig. Seit der Ministerpräsident
von Thüringen Althaus das solidarische Bürgergeld für alle als
eine der Antworten auf die Krise der Arbeitsgesellschaft in die
Diskussion gebracht hat gibt es scheinbar nur noch Anhänger
dieses Konzeptes So genannte Querdenker
im Mittelstand, wie der Drogerist Götz Werner wird plötzlich
vom Außenseiter, den mal gerne mal einer Talkshow einlud, um ihr
einen Hauch von Exotik zu geben, zum vielgefragten
Gesprächspartner. Intellektuelle Kritiker der
Arbeitsgesellschaft wie der Buchautor Wolfgang Engler sehen sich
ebenso bestätigt, wie grüne
Arbeitsmarktpolitiker, die natürlich darauf hinweisen, dass sie
Pioniere dieser Idee waren. Da verschmerzen sie es schon, dass
sie in der aktuellen Diskussion höchstens in Fußnoten erwähnt
werden.
Doch es gibt noch Kritiker. Zu ihnen gehörte der
Gewerkschaftler, langjährige Sozialdemokrat und jetzige
WASG-Unterstützer Michael Schlecht). Schon vorher hat ein
weiteres sozialdemokratisches Urgestein, der Publizist Albrecht
Müller in der Wochenzeitung Freitag Befürworter eines
bedingungsloses Grundeinkommens recht rüde angegriffen. Doch,
wenn man Stellungnahmen führender SPD-Politiker zur Thematik
ließt, könnte man denken, Schlecht und Müller sind weiterhin
deren Stichwortgeber. Etwas verworrener ist die Situation bei
der Linkspartei. Während die Stellvertretende Vorsitzende Katja
Kipping, die auch schon als das moderne Gesicht der Partei
angepriesen wird, zu den entschiedenen Befürwortern dieses
Konzepts gehören, ist die Parteibasis davon nicht überzeugt.
Unterstützung bekommen die konservativen PDS-Mitglieder von den
Neuzugängen der WASG, deren stärkste Wurzeln aus der
Gewerkschaftslinken kommt.
Man könnte hier also von Rückzugsgefechten der
traditionssozialdemokratischen Anhänger in Parteien und
Gewerkschaften sprechen. Solche Vorstellungen werden noch
dadurch befördert, dass bei vielen Kritikern der
Existenzgeldmodell mehr oder offen deutlich gesagt wird, dass
man sich nicht damit abfinden kann und will, dass soziale
Leistungen ohne Lohnarbeit verteilt wird. Da ist es tatsächlich
nicht weit zum ressentimentgeladenen Ausspruch, dass wer nicht
arbeiten will auch nicht essen soll. Allein dass diese Parole
wahlweise der Bibel, Bebel oder Lenin zugeschrieben wird,
zeigt, wie tief das Ressentiment sitzt
Doch so einfach sollte mache es sich machen. Es gibt durchaus
Kritik auch aus Kreisen, die sicher nicht die alte
Arbeitsgesellschaft retten wollten. Dazu ist zunächst einmal
eine Begriffsklärung nötig. Denn hinter den unterschiedlichen
Begriffen wie „negative Einkommenssteuer, Bürgergeld und
Einkommen stehen durchaus nicht die gleichen Konzepte, wie
eine Existenzgeldkonferenz im Jahr 1999 schon herausgearbeitet
hat.
Der frühere Arbeitsmarktexperte der Grünen in
Nordrhein-Westfalen Daniel Kreutz nennt drei Eckpunkte, die den
unterschiedlichen Modellen gemeinsam sind:
- Es soll vom Staat an sämtliche
Bürgerinnen und Bürgern ausgezahlt wird, vom Ärmsten bis zum
Reichsten,
- und zwar ohne Bedürftigkeitsprüfung –
also ohne zu fragen, ob es als Schutz vor Armut benötigt wird,
oder ob ausreichendes Einkommen oder Vermögen vorhanden ist,
- und ohne Arbeitszwang – man soll also
auch sagen können: ich will keine Lohnarbeit, mir reicht das
BGE.
Hartz für Alle?
Kreutz nennt allerdings auch den Unterschied bei den
unterschiedlichen Modellen: „Der Punkt, mit dem sich die Linken
von den Rechten unterscheiden, wenn es um die Zahlen geht,
heißt: das BGE soll hoch genug sein, um Einkommensarmut zu
vermeiden – also auf alle Fälle deutlich höher als Hartz IV.“
Zugespitzt formulier läuft es auf die Alternative hinaus, ob
das Grundeinkommen „Hartz IV für alle“ ist oder ob die Menschen
davon wirklich leben können. Das ist der Unterschied ums Ganze.
Wenn Jobber- und Erwerbslosengruppen) „ein ausreichendes
garantiertes Mindesteinkommen für alle Erwerbslosen, ohne
Bedürftigkeitsprüfung“ und die „Bundesarbeitsgemeinschaft der
Erwerbslosen- und Sozialhilfeorganisationen nicht nur konkrete
Zahlen nennt sondern auch präzisiert, indem ein
Existenzgeld für alle
Menschen gefordert wird,, "den tatsächlichen
Grundsicherungs-Bedarf in diesem Land deckt, ohne sie in
niedrigst entlohnte Jobs oder „gemeinnützige” Pflichtarbeit zu
zwingen“, wird der Pferdefuss bei der aktuellen
Existenzgelddebatte erfasst.
„Was würde nun passieren, wenn der Staat die Garantenpflicht
für die armutsfeste Existenzsicherung aller Bürgerinnen und
Bürger übernehmen würde? Die Löhne würden entsprechend gekürzt.
Sie wären dann ja nur noch „Zuverdienst“ zum BGE, zum
bedingungslosen Grundeinkommen. Es gäbe überhaupt keine
Begründung mehr dafür, warum Arbeitgeber existenzsichernde
Mindestlöhne bezahlen sollen. Dafür ist ja dann der Staat
zuständig. Was kommt dann raus? Kombilohn für alle
Beschäftigten. Der Arbeitgeber braucht nur noch den Teil des
Lohnes zu bezahlen, der über das Existenzminimum hinausgeht. Das
kann man wollen oder auch nicht. Aber das bleibt die faktische
Wirkung auf das Lohnsystem, wenn die Zuständigkeit für die
Existenzsicherung der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer – und
damit gleichsam ein Teil der Lohnzahlungspflicht - vom
Arbeitgeber auf den Staat übergeht, das heißt auf die
Steuerzahler.
Das gleiche passiert bei allen Lohnersatzleistungen der
Sozialversicherung , also bei der Rente, beim
Arbeitslosengeld I oder beim Krankengeld. Soweit die nicht
gleich ganz abgeschafft werden sollen, werden alle Ansprüche
unterhalb des Grundeinkommens überflüssig. Die
Sozialversicherung schrumpft bei den Lohnersatzleistungen auf
eine „aufstockende Zusatzversicherung“.
Nur so ist es zu erklären, dass CDU-nahe Studien zu dem
Schluss kommen, dass der Staat erheblich sparen würde, wenn das
von Althaus favorisierte Bürgerdgeldmodell verwirklicht und
damit sämtliche bisherigen Sozialleistungen abgeschafft würden.
Selbst der in dieser Frage viel vorsichtiger argumentierende
Götz Werner auf die Frage, wie das Ausland auf die Einführung
seines Existenzgeldmodells reagieren würde, erklärt:
„Es wäre tendenziell gezwungen, dasselbe zu tun, um attraktiv
zu bleiben. Denn mit einem Systemwechsel würde Deutschland zu
einem Investitionsparadies. Kein Unternehmen, das heute die
Arbeitsplätze ins Ausland verlegt, würde das noch machen, weil
man nirgends so produktiv arbeiten kann wie in Deutschland, mit
den Menschen, mit dem Know How, mit der Infrastruktur.“ Der
Interviewer vergisst zu fragen, ob das Unternehmerparadies die
Folge des flechtendeckenden Billiglohns ist.
Dass sich die Anhänger eines Existenzgeldes, dass zum Leben
reicht, kaum zur Wort melden, ist eher ihre Einsicht, beim
gegenwärtigen Diskurs um Standortsicherung sowie keine Chance
auf Gehör zu finden. Die meisten sehen zur Zeit in den
neoliberalen Bürgergeldmodellen das kleinere Übel gegenüber den
Verteidigern der Arbeitsgesellschaft. Der Praxistext allerdings
steht noch aus.
Editorische Anmerkungen
Der Artikel wurde uns vom Autor zur
Veröffentlichung am 11.11.06 überlassen.