MODELLE DER
MATERIALISTISCHEN DIALEKTIK

BEITRÄGE DER BOCHUMER DIALEKTIK-ARBEITSGEMEINSCHAFT

herausgegeben von
HEINZ KIMMERLE
11/07

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onlinezeitung
NACHWORT: RÜCKBLICK UND AUSBLICK
von Heinz Kimmerle

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Wenn man die Beitrage dieses Bandes rückblickend überschaut, bemerkt man leicht - wegen des Umfangs und wegen des Schwierigkeitsgrades der Beiträge -, daß die didaktische Absicht auf Schwierigkeiten gestoßen ist. Es ist zu fragen, welches die Gründe hierfür sind. Dabei sieht man sich auf die Eigenart des Gegenstandes verwiesen. Die verschiedene Ausrichtung der Beitrage ist nicht einer beliebigen Auswahl oder heterogener Behandlungsart geschuldet. Sie spiegelt den Entwicklungsstand des Problems, denn die Linien der Erforschung und Darstellung der Dialektik sind bislang noch nicht gebündelt. Im Vielerlei der Ansätze, die hier zur Darstellung gebracht werden, stecken Differenzen in der grundsätzlichen Frage, worum es bei diesem Thema überhaupt geht. So ist es angebracht, am Ende dieses Bandes, nach mehr als drei Jahren gemeinsamer Arbeit am Dialektik-Problem einen Ausblick zu versuchen, einige Bedingungen zur Grundlegung einer Wissenschaft der Dialektik, zur Konstituierung ihres Gegenstandes zu umreißen.

A. DIE DIDAKTISCHE ABSICHT UND DIE SCHWIERIGKEITEN IHRER VERWIRKLICHUNG

Einführungen in die Philosophie, wenn sie ernstgenommen werden sollen, haben mit der Schwierigkeit zu kämpfen, daß sie selbst bereits philosophisch sein müssen. Man kann nicht von außen, vom Alltagsdenken aus in die Philosophie einführen. Wenn man beginnt, in sie einzuführen, ist man bereits darin. Man kann den Einzuführenden eigentlich nur einführend in der Philosophie herumführen. Ob er und wie er dadurch in die Philosophie hineinfindet, bleibt ein Problem. Wenn es darum geht, in die Dialektik einzuführen, die einen Teil der gerade einfacher. Dennoch verbindet sich mit der Dialektik ein besonderer Anspruch auf allgemeine Verständlichkeit, allgemeine Zugünglichkeit. Sie tritt im Alltagsdenken bereits auf als das Zusammensehen komplexer Verhältnisse, als der dynamische Effekt der Urteilskraft, durch den schwierige bis dahin unlösbar erscheinende Probleme plötzlich lösbar werden. Ferner erklärt die Dialektik den Zusammenhang von Alltagsdenken und Philosophie selber dialektisch. Sie beansprucht zwischen der Praxis des Lebens und der philosophischen Theorie /.u vermitteln.

Die erneute intensive Beschäftigung mit der Dialektik, die seit einigen Jahren eingesetzt hat,(1) geht in ihrer Motivation, wie auch der vorliegende Versuch, auf die Studentenbewegung zurück, die zumindest für diesen Teil der Bevölkerung die politische Bestimmtheit des Alltagsdenkens bewußt gemacht hat. Über die politische Bedeutsamkeit erwies sich das Alltagsdenken als mit einem Gesamtzusammenhang vermittelt. Die Frage nach der Klärung dieser Vermittlung, nach ihrer Benutzbarkeit im Sinne ihres funktionellen Einsatzes für die Veränderung des Ganzen rief die Dialektik auf den Plan.

Wenn diese Motivation heute weitgehend wieder geschwunden ist, nur noch in kleineren Gruppen als Engagement lebendig blieb, stößt der Versuch der Aufklärung ihrer Hintergründe und Zusammenhänge zunehmend auf Schwierigkeiten. Es muß zunächst einmal deutlich gemacht werden, daß das Interesse an der Dialektik keine Sache von mehr oder weniger kurzlebigen politischen Konstellationen und den daraus erfolgenden Impulsen ist. Die Studentenbewegung hat, wie alle früheren revolutionären Bewegungen, eine grundlegende Struktur des gesellschaftlich-geschichtlichen Lebens für das Alltagsdenken bewußt gemacht. Die Einbeziehung des individuellen Handelns in ein Gruppenhandeln, das auf staatliche und überstaatliche politische Zusammenhänge bezogen ist, gilt es zu jeder Zeit für die Handelnden erfaßbar zu machen. Sie bezeichnet die Nahtstelle zwischen Alltagsdenken und Philosophie bzw. Wissenschaft. Über sie wird alle philosophische und wissenschaftliche Theorie auf die Lebenspraxis zurückorientiert.

Aber es ist nicht nur das allgemeine Problem einer Einführung in die Philosophie und nicht nur das der besonderen theoretischen Konjunktur zwischen Utopie und „neuer Sachlichkeit,"(2) welche die didaktische Absicht dieses Bandes auf Schwierigkeiten stoßen ließ. Mit der verschiedenen politischen Orientierung der Mitarbeiter an diesem Band wie auch der dargestellten wissenschaftlich-philosophischen Autoren verbanden sich verschiedene Konzeptionen von Dialektik, die die Identität des Gegenstandes fraglich machten. Deshalb war ein intensiveres Nachfragen nötig; das einfache Weitervermitteln bekannter Modelle befriedigte nicht, als der Zusammen-

hang der Modelle nicht mehr recht sichtbar war. Dies führte in die Forschungsdiskussion über jeden der behandelten Gegenstände hinein. Die Einführungen gerieten fast in jedem Fall zu eigenen Forschungsbeiträgen, ohne daß die didaktische Absicht dabei aufgegeben wurde. Aber nun potenzierte sich die Schwierigkeit, dialektisch-philosophisch in die dialektische Philosophie einführen zu müssen. Da die Philosophie wie jede Wissenschaft ihre eigentliche Erscheinungsform in den weiterdrängenden forscherischen Beiträgen hat, wächst mit der Schwierigkeit der mögliche Gewinn: nicht nur in die Philosophie oder die dialektische Philosophie im allgemeinen eingeführt zu sein, sondern in ihren eigentlichen Vollzug als Forschung.

B. DIE VERSCHIEDENARTIGKEIT DER BEITRAGE ALS SPIEGEL FÜR DEN ENTWICKLUNGSSTAND DES PROBLEMS

Die vertiefende Ausarbeitung der verschiedenen Modelle führte wohl zu einer Anordnung, wie sie im Vorwort begründet wird, nicht aber zu einer Zusammenschau, zum Aufweis allgemeiner, für alle gültiger Strukturen. In aller Vorsicht und in aller Vorläufigkeit

können in einer Rückanknüpfung an das im 1. Kapitel über die „Voraussetzungen" in einer schematischen Zusammenfassung Gesagte folgende Verbindungslinien zwischen den einzelnen Modellen gezeichnet werden, indem eine durchgehende Linie die für die eigene Konzeption konstitutivere Bezugnahme, eine unterbrochene Linie die weniger konstitutive angeben soll.

Die Anordnung der Modelle von „links" nach „rechts" ist als besonders provisorisch aufzufassen, soferen sich unter anderen Aspekten als denen der direkten Bezugnahme auf Marx oder Hegel andere Zuordnungen ergeben . können. Kosik ist mit Gramsci nur unter dem oberflächlichen Kriterium regional bedingter Modelle zusammengefaßt. Sie unterscheiden sich in vielfacher Hinsicht stark voneinander, etwa in Hinsicht auf ihr praktisches Engagement in der Parteiarbeit. So erklärt es sich auch, daß Althusser sich wohl auf Gramsci konstitutiv-kritisch, nicht aber auf Kosik bezieht. Und Bloch spielt innerhalb der Gruppe, die er zusammen mit Lukacs und Korsch bildet, eine Sonderrolle, weil er - als einziger unter den „westlichen" Marxisten, die im übrigen stark auf dem Lukacsschen Modell fußen - eine wichtige positive Beziehung zu Engels entwickelt hat.

Mit diesen Verbindungslinien soll indessen keine Systematik angedeutet sein. Unterschiede und Gemeinsamkeiten lassen sich ganz anders voneinander abgrenzen, indem das Neue oder doch Spezifische der einzelnen Modelle herausgehoben wird. Das ursprüngliche Bemühen, auf die einzelnen Bewegungsformen des dialektischen Denkens abzuheben, die in Hegels „Wissenschaft der Logik" vorgeführt werden und mit denen in Marx' Untersuchungen des „Kapital" gearbeitet wird, ließ sich nur bei der kleineren Zahl der Modelle zur Geltung bringen. Engels macht den Anfang mit einer Wissenschaft der Dialektik, wird aber damit von den meisten späteren marxistischen Dialektikern eher desavouiert. Lenin und Mao zeigen, daß das revolutionäre politische Handeln eine systematische Ausarbeitung der dialektischen Denkweise erfordern würde bzw. legen sie in Ansätzen, für partielle Bereiche (universelle Wendigkeit des Denkens, Widerspruchslehre) selbst vor. Im übrigen wird immer wieder erneut zu begründen versucht, daß Dialektik notwendig ist und worin ihre grundsätzliche Leistung besteht (Totalitätsdenken, Prozeßkategoricn, Negativität). Der Primat der Praxis wird dabei häufig eher postuliert als befolgt. Allenthalben (mit der Ausnahme Maos) wird das Verhältnis zu Hegel aufs Neue bedacht, überprüft, anders bestimmt. Die neueste Entwicklung in der UdSSR und DDR greift schließlich das Programm einer Wissenschaft der Dialektik wieder auf, steht aber ihrer prinzipiellen Erweiterung und Neubestimmung (Mao, Althusser) kritisch gegenüber.

Diesen Entwicklungsstand des Problems konnte die kritische Vertiefung in die Dialektik-Modelle nicht grundsätzlich überwinden. So reproduziert der Band das buntscheckige Bild der verschiedenen Konzeptionen. Als Forschungsertrag des Gesamtunternehmens kommt also schießlich die Frage heraus, was auf dem Boden des gemeinsam vertretenen Begriffs von Dialektik über diesen Gegenstand gesagt werden kann. Oder ist der Zusammenhang eher verbal? Steht womöglich der praktisch-politischen Engführung der Linie von Marx über Engels zu Lenin und Mao Tsetung, die aber immerhin einen neuen Theorietyp konstituiert, auf der Seite der „westlichen" Modelle ein Unterschuß an praktischer Politik gegenüber, der ein Ausweichen und Zurückweichen in traditionelle Denkweisen mit sich bringt? Wird diese doppelte Kalamität vielleicht bei einem der regional sich unterscheidenden Modelle aufgelöst? Diese Fragen lassen sich vom gegenwärtigen Entwicklungsstand der dialektischen Wissenschaft aus nicht befriedigend beantworten.

Eins gilt es freilich festzuhalten: Die Begrenzung auf die materialistischen Dialektik-Modelle ist nicht zufällig. Dieser gemeinsame Boden wurde zu keiner Zeit als schwankend empfunden. Der Ausgangspunkt der gegebenen Wirklichkeit, die indessen in ihrem Gegebensein mit größter Umsicht und äußerster Kritik zu erfassen ist, könnte nur um den Preis einer Regression an Wissenschaftlichkeit der dialektischen Philosophie wieder verlassen werden. Der Weg geht sicher nicht hinter Marx zurück, aber vielleicht auf der „betretenen Bahn" (Bloch) einen grundsätzlichen Schritt weiter. Dieser Schritt würde ins Neuland einer Methodologie führen, die auf dem heutigen Stand der positiven Wissenschaften deren Bezug auf den Zusammenhang der gesellschaftlich-politischen Praxis und die Bedingungen seiner Veränderbarkeit zu klären sucht.

Gegenüber einem solchen Schritt ist der Einwand zu bedenken, daß die „Modelle" gerade von ihrer Standpunktgebundenheit aus ihr Profil und ihre Dynamik gewinnen, daß es nicht zu verwundern ist, wenn die Dialektik in ihrem eigenen Wesen eine streitbare Wissenschaft ist. Dies würde bedeuten, daß ein integrativer Versuch diese Vorteile verliert, daß sich dabei - wie es Albrecht Wellmer für die Diskussion der „Frankfurter Schule" diagnostiziert - „die Auseinandersetzung ... in das Schattenreich methodologischer Abstraktionen verlagert."(3) Man wird zugeben müssen, daß diese Gefahr besteht. Ihr kann im Grunde nur begegnet werden, indem die Bündelung und Systematisierung der Dialektik-Konzeptionen zu einer Wissenschaft der Dialektik die praktische Ausrichtung und die damit gegebene Dynamik der Modelle vielleicht nicht zu akkumulieren, aber doch zusammenzufassen sucht. Das Vielversprechende des Projekts, von Marx aus - in genauer Vergewisserung, was das heißt - ins Neuland einer prinzipiell weiter zu bildenden Dialektik-Theorie vorzustoßen, kann zum Risiko dieses Unternehmens den dazu notwendigen Mut machen.

C. ZUR VORBEREITUNG EINER WISSENSCHAFT DER DIALEKTIK.

Die Bestimmung der allgemeinen Forschungsrichtungen einer Wissenschaft der Dialektik kann bei der traditionellen Unterscheidung von historischer und systematischer Forschung in der Philosophie anknüpfen, wenn man diese sowohl als wechselseitig aufeinander bezogen als auch als in sich dialektisch bestimmt betrachtet. Hierüber werden in der heutigen sozial- und geisteswissenschaftlichen Methodologie ausgebreitete Debatten geführt. Der wechselseitige Bezug von historischen Voraussetzungen für das systematische Denken und von systematischen Implikationen für die historischen Fragestellungen ist zunächst von der hermeneutischen Methode ausgearbeitet worden. Diese Methodik wird durch die Einbeziehung der psychoanalytischen Gesetzmäßigkeiten in die Klärung der dabei ablaufenden Bewußtseinsprozesse erweitert und vertieft. Das führt schließlich zum Einschluß der konkreten gesellschaftlich-politischen Dimensionen der Bewußtseinsabläufe durch die Ideologickritik, deren grundlegende Bedingungen bereits von Marx und Engels entwickelt worden sind. Der dialektische Zusammenhang, der Einheit und Unterschiedenheit von „Erkenntnis und Interesse" (Habermas) geltend macht, zeigt auf, in welcher Weise historische Voraussetzungen und systematische Implikationen im Wissenschaftsprozeß notwendig mitspielen, wie sie als mitspielend begriffen und bewußt in Ansatz gebracht werden können.

Aber beide Forschungsrichtungen gilt es nicht nur in ihrem wechselseitigen Bezug, sondern auch als in sich dialektisch strukturiert zu begreifen, wenn man den heutigen Entwicklungsstand der wissenschaftlichen Methoden berücksichtigen will. Daß die „Umkehrung" der Hegeischen Begründung der Dialektik durch Marx besagt, daß das empirische Material Ausgangspunkt, ständiger Bezugspunkt, Falsifikations- und Modifikationsinstanz für die wissenschaftliche Theorie sein muß, ist ohne weiteres ersichtlich, wenn man dessen politische und ökonomische Schriften betrachtet. Dabei werden die Fakten nicht beliebig, d.h. ohne kritische Kontrolle der Voraussetzungen und Implikationen ihrer Auswahl und ihres Verständnisses aufgenommen, sondern unter der strengen Perspektive einer ideologiekritischen Überprüfung der herrschenden Verfahren bei der Faktensammlung und Faktenüberlieferung. Die Geschichte der Philosophie und die Entfaltung ihres aktuellen systematischen Zusammenhanges hat von hier aus die politischen, sozialen und ökonomischen Verhältnisse mit zu erfassen, mit denen sie jeweils eine Einheit bildet. Sofern es dabei insbesondere um dialektische Philosophie geht, die sich selbst im Ganzen der politisch-gesellschaftlich bestimmten Lebensverhäknisse der Menschen situiert, kann und muß ihre historische und systematische Erforschung den Widerspruch, der im vermeintlich reinen Faktenwissen steckt, daß es die Fakten aus der herrschenden Sicht auswählt und interpretiert, in vollem Umfang geltend machen und die notwendigen methodischen Gegenmaßnahmen organisieren.

Auch die analytische Methode ist in einem anderen als dem bei Hegel angegebenen Sinn in eine dialektische Wissenschaft der Dialektik einzusetzen. Hierfür gibt das Marxsche Modell maßgebende Grundlinien an. Die stets wiederkehrenden gesetzmäßigen Gegebenheiten der Wirklichkeit sind in größtmöglicher Allgemeinheit und formeller Eindeutigkeit zu erfassen. Sie bilden ein Gerüst von abstrakten Bestimmungen, das in den verschiedenen konkreten Gestaltungen der gesellschaftlich-geschichtlichen Verhältnisse immer aufs Neue aufgesucht und überprüft werden muß, das aber zu keiner Zeit diese Verhältnisse als ein konkretes Ganzes begreifbar macht, da diese jeweils auch von kontingenten besonderen Bedingungen abhängig sind. Die Geschichte und die systematische Erforschung der Dialektik haben von daher die analytischen Erkenntnismethoden in ihrem Recht und ihrer Grenze zu bestimmen und zur Geltung zu bringen.

Das Neuland beginnt schließlich mit den modernen strukturalistischen und .systemtheoretischen Methoden. Sie machen es notwendig, den Kontinuitätsbegriff für die geschichtliche Abfolge ausdrücklicher und radikaler in Frage zu stellen, als dies bei Marx und der daran anschließenden philosophischen Theorie geschieht. Diesen Punkt hat Althusser deutlich markiert. Die Möglichkeit einer dialektisch konzipierten Geschichte der Dialektik hängt davon ab, ob das Verhältnis von Kontinuität und Bruch als eine Einheit bestimmt werden kann, wie es Rossana Rossanda in ihrer kritischen Untersuchung „revolutionärer Erfahrungen" in Italien, Frankreich, der Sowjetunion, Polen, China und Chile versucht.(4) Der Gedanke dieser Einheit ist indessen nicht so einfach zu vollziehen. Wenn die „Strukturalität der Struktur" (Derrida) ernstgenommen wird, verlangt sie eine Dekonstruktion von Einheiten wie derjenigen eines geschichtlich bestimmten Kontinuums, das sich auf das Handeln eines göttlichen Subjekts oder der menschlichen Subjekte zurückleitet. Dabei wäre es ebenso falsch, nunmehr den Strukturbegriff als die Selbigkeit der zugrundeliegenden Substanz zu betrachten, der den geschichtlichen Wandel und die Bedingungen, unter denen er abläuft, zum Akzidentellen herabsetzt.

Ähnliches gilt für den Systembegriff. Die Systematik des dialektischen Denkens kann nicht aus einem einfachen Prinzip abgeleitet werden. Das würde auf ein idealistisches Erklärungsmodell hinauslaufen. Der materialistische Charakter der Dialektik schließt ein, auch wenn dies von den bisherigen Vertretern, in dieser Zuspitzung auch von Marx, nicht als notwendige Konsequenz des materialistischen Standpunkts gesehen worden ist, daß die Wirklichkeit zu ihrer angemessenen Erfassung ein mehrschichtiges, in sich gestuftes und variicrbares System von Systemen verlangt. Dabei ist die equi-libristischc Tendenz des systemtheoretischen Denkens kritisch daraufhin zu befragen, ob sie zu Recht bestehende Systeme stabilisiert oder ob ein neues, anders zusammengesetztes Systemgleichgewicht gesucht und angestrebt werden muß.

1. Die Geschichte der Dialektik in der Einheit von Kontinuität und Bruch

Das dialektische Denken hat bis zu Hegel und Marx keinen Traditionszusammenhang begründen können, für den man den Anspruch einer durchgehenden kontinuierlichen Entwicklung hatte erheben können. Und auch für die materialistische Dialektik nach Marx gilt, daß ihre Modelle neben der Linie über Engels und Lenin zu Mao bzw. zur heutigen UdSSR-Philosophie, die ihre eigenen Probleme hat, keine in sich zusammenhängende Tradition aufweisen.

Es lassen sich lediglich, von der Begründung der Systematik des dialektischen Denkens durch Hegel aus gesehen, in der Geschichte der Philosophie einzelne Elemente und Vorformen der Dialektik ausmachen. Dazu gehören: Heraklits „alles fließt," Zenons Paradoxien des Unendlichen, Platons dialogisches Prinzip und seine Lehre vom Geflecht der fünf obersten Gattungen, Aristoteles' Theorien der Möglichkeit und des Werdens, die neuplatonische Konzeption des Einen, aus dem das Viele hervorgeht und zu dem es zurückkehrt, Cusanus' Gedanke der coincidentia oppositorum und dann seit Descartes in den großen Systemen der neuzeitlichen Philosophie bei aller Unterschiedenheit die durchgehende These, „daß Begriffe endlicher Seiender durch einschränkende Determination der Idee des Absoluten gebildet" werden.(5) Kant gibt der Dialektik einen neuen, eher negativen Sinn, daß sich das Denken des Absoluten notwendig in eine unauflösbare Antithetik verstrickt, die zu keiner objektiv gültigen Erkenntnis führt. Dies wird indessen schon bei Fichte wieder ins Positive gewendet, sofern aus der inneren Antithetik des absoluten Ich die Bestimmungen der Wirklichkeit entspringen. Wenn Schelling in diesem Rahmen die objektive Seite des Denkens und der Wirklichkeit anmahnt, die aber nach seiner Auffassung ebenfalls im Bewußtsein ihren Grund hat, erweist er sich als unmittelbarer Vorgänger Hegels, während Schleiermacher in einem tiefergellenden Gegensatz zu Fichte, indem er das Wissen auf einer Doppelheit von Prinzipien aufbaut, die wegen der sprachlichen Verfaßtheit des Wissens nicht hintergehbar ist, ein eigenes, an Platons Dialogik orientiertes Dialektik-Modell entwickelt.

Diese idealistische Vorgeschichte der Dialektik ist freilich durch eine umfassende Gegenrechnung auszugleichen, die nicht so sehr von Hegels Systematik des dialektischen Denkens als von Marx' Benutzung und Veränderung dieser Systematik ausgeht. Der antike Materialismus Demokrits und Epikurs ist, wie schon Marx' Dissertation zeigt,(6) ebenso wichtig wie die „Aristotelische Linke," auf deren Bestehen Bloch aufmerksam gemacht hat.(7) Die politische Relevanz des Materialismus wird zuerst in der französischen und englischen Aufklärung artikuliert. Dies ist für sich schon ein zentrales Thema dialektischer Theorie; es ruft aber auch noch andere wichtige Elemente des dialektischen Denkens hervor. Ferner werden von Lenin her eigene Voraussetzungen der russischen Geschichte, von Mao her solche der chinesischen Geschichte wichtig, für die aufgrund des nachmarxschen Materialismusverständnisses die Trennung in idealistische und materialistische Traditionszusammenhänge von vornherein zu vermeiden ist.

Für den weiteren Verlauf der Geschichte nach Hegel und Marx ist dann die Einheit und Vielgestaltigkeit der daran anschließenden Dialektik-Auffassungen zu thematisieren, von denen in diesem Nachwort schon die Rede war. Daneben ist das Weiterbestehen eines idealistisch begründeten dialektischen Denkens in der Existenzphilosophie zu beachten, das von Kierkegaard ausgeht, über Jaspers und Heidegger zu Sartre führt und das bei dem letzteren folgerichtig in eine von Marx her weitergedachte materialistische Konzeption einbezogen wird, die den Gegensatz von Idealismus und Materialismus als seiner prinzipiellen Gegenseite überwunden hat.

Da die Dialektik als systematische Aufgabe den Zusammenhang der Philosophie und der Wissenschaften mit dem Leben und Denken des Alltags in seinen politisch-gesellschaftlichen Dimensionen zu klären sucht, kann sie bei der Aufarbeitung ihrer eigenen Geschichte die theoretischen Elemente nicht losgelöst von der jeweils gegebenen politisch-gesellschaftlichen Wirklichkeit betrachten. Sie hat für das Auftreten der Elemente und Vorformen des dialektischen Denkens und den Theoriezusammenhang, in dem dies geschieht, die politischen und gesellschaftlichen Voraussetzungen aufzuweisen. Ebenso bedarf das Entstehen und die Ausbildung der Systematik des dialektischen Denkens bei Hegel und Marx einer solchen realgeschichtlich, vor allem sozial- und ökonomiegeschichtlich ausgreifenden Erklärung. Die Entwicklungen der Dialektik nach Marx stehen dann selbst vor der Aufgabe, ihren Zusammenhang mit der politischen und gesellschaftlichen Situation deutlich zu machen, und sind daran /u messen, inwieweit sie sich dieser Aufgabe gestellt und zu ihrer Lösung beigetragen haben.

Bei der Interpretation der Elemente und Vorformen des dialektischen Denkens vor Hegel und Marx, für die selbst kein Anspruch kontinuierlicher Entwicklung erhoben wird, stellt sich die Frage, ob sie gewissermaßen in einem kontinuierlichen Strom philosophischer Überlieferungen mitgeführt werden oder ob es voneinander völlig abgetrennte, in sich abgeschlossene Systeme des Wissens sind, in denen sie auftreten. Ebenso ergibt sich für die weiterwirkende Geschichte der Dialektik nach Hegel und Marx, vor allem für die Linie über Engels und Lenin zu Mao bzw. zur heutigen UdSSR-Philosophie das Problem, daß hier durchgehende Linien und Brüche, die aus der vorhergehenden Geschichte nicht erklärt werden können, vorhanden sind und in welchem Verhältnis sie zueinander stehen.

Die Annahme eines Kontinuums von Entwicklungen, die auf Hegel und Marx zulaufen, dort zusammengefaßt und dann als gemeinsame Geschichte der Dialektik weitergeführt werden, verbietet sich schon deshalb, weil ein solches Kontinuum lediglich für die idealistische Vorgeschichte der Dialektik konstruiert werden kann, die materialistische Philosophie ihr gegenüber allenfalls als Unterströmung, als gelegentlich hervortretende Alternative aufgeführt werden kann. Dieses Schema verrät allzu deutlich, daß die herrschenden Ideologien, die vom Idealismus Unterstützung erwarten können, jedenfalls nichts zu befürchten haben, da er seine praktisch-politische Relevanz negiert oder in der Schwebe rein theoretischer Erörterung hält, für die Entstehungsbedingungen des Kontinuitätstheorems verantwortlich zeichnen. Umgekehrt führt die Überakzentuierung der Brüche, bei der die philosophischen Theoreme auf verschiedene Systeme des Wissens zurückgerechnet werden, die untereinander keinen Zusammenhang aufweiscn, zu agnostizistischen Konsequenzen. Wenn das Hervortreten bestimmter Verhältnisse, Sichtweisen oder Wertungen auf keine Weise aus der vorausgehenden Geschichte erklärt werden kann, sind auch die Bedingungen für die Mitwirkung am darauf beruhenden Geschichtsprozeß nicht rational ableitbar oder begründbar.

Für den Geschichtsraum der europäisch-abendländischen Philosophie, in dem Entstehung und Wirkung der Dialektik bis heute primär erforscht werden müssen, läßt sich die Einheit von Kontinuitäten und Brüchen im „verstandenen Arbeitsprozeß" (Bloch) festmachen. Die systematische Bearbeitung der Natur durch den Menschen, die auf der Grundlage der prinzipiellen Trennung von materieller und geistiger Arbeit geschieht, bildet den allgemeinen Rahmen im Sinne eines Spielraums von Möglichkeiten, innerhalb dessen verschiedene ökonomische und soziale Grundverhältnisse konstituiert und jeweils zum Ausgangspunkt bestimmter Entwicklungen gemacht werden. In diesen Verhältnissen entstehen wiederum verschiedene theoretische Formationen, die für deren Entfaltung und Erhaltung bestimmte Funktionen bekommen. Die feudale Gesellschaftsordnung mit dem theologisch-philosophischen System des Wissens, das ihr zugehört, muß z.B. von völlig anderen Bedingungen aus erklärt werden als die bürgerliche Produktions- und Lebensweise samt ihren wissenschaftlich-theoretischen Entwicklungen. Aber für beide Gesellschaftsformen gilt, daß sie eine Grundmöglichkeit der Naturbearbeitung durch den Menschen auf der Grundlage der Arbeitsteilung zur Entfaltung bringen.

Die innere Dialektik des allgemeinen Arbeitsprozesses bildet die Strukturierung des Rahmens eines Möglichkeitsspielraums, in dem unterschiedliche, voneinander unabhängige gesellschaftlich-politische und theoretische Systeme als konkrete Ausfüllung des Spielraums entstehen. Von daher spricht Lukacs von der Arbeit als dem „Modell der gesellschaftlichen Praxis" und macht sie zur systematischen Grundlage seiner „Ontotogie des gesellschaftlichen Seins."(8) Ontologie ist dabei freilich ein problematischer Begriff, weil das gesellschaftliche Sein, das auf der beschriebenen Naturbearbeitung durch den Menschen beruht, eine geschichtliche Größe ist, die zwar einen sehr hohen Allgemeinheitsgrad besitzt, aber doch an das in sich dialektisch strukturierte Einheitsprinzip der Grundmöglichkeiten arbeitsteilig organisierter Arbeitsprozesse gebunden ist.

Für eine dialektische Erforschung der Geschichte der Dialektik ergibt sich daraus folgendes Schema:

I. Elemente des dialektischen Denkens .

II. Gesellschaftlicher Lebenszusammenhang III. System des Wissens '' jeweils für die verschiedenen Epochen

1. in der idealistischen Vorgeschichte der Dialektik

2. in der materialistischen Vorgeschichte der Dialektik

3. in der systematischen Grundlegung der Dialektik '

4. in der Wirkungsgeschichte der systematisierten Dialektik.

2. Das System des dialektischen Denkens als Konstituierung eines dynamischen mehrschichtigen Systembegriffs

Den Ausgangspunkt für die Systematisierungsversuche der Dialektik bildet auch heute noch Hegels „Wissenschaft der Logik" im Zusammenhang mit seiner Ausarbeitung realphilosophischer Teile des Systems der Philosophie. Aber man muß diese Texte freilich "gegen den Strich lesen". Die Bestimmungen des reinen Denkenr, ihr Ineinanderübergehen (Logik des Seins), ihre Verhältnismäßigkeit (Logik des Wesens) und ihre Selbstdurchsichtigkeit (Logik des Begriffs) sind daraufhin zu befragen, welcher Realitätsgehalt ihnen zugrundeliegt, in ihnen aufgearbeitet ist. Von daher ist die Argumentation in den Abschnitten F.2 und 3 des I. Kapitels dieses Buches, die primär kritisch gerichtet ist, in eine konstruktive Übernahme und Modifikation des Hegelschen dialektischen Systems umzudenken: Die konkreten Analysen gesellschaftlich-geschichtlicher Verhältnisse in Hegels „Rechtsphilosophie" und in seinen „Vorlesungen zur Philosophie der Weltgeschichte," sowie Kritik der darin enthaltenen Motive der Vergottung des Staats und des Mythos des Weltgeists; Die Bewegungsformen des dialektischen Denkens in Hegels „Wissenschaft der Logik" und Kritik ihrer mystifzierten Gestalt. Das bedeutet, in paralleler, aber umgekehrter (und damit unmythologischer) Richtung zu Hegel ist mit den realen Wissenschaften zu beginnen und von ihnen aus zu den allgemeinen Kategorien und Bewegungsformen des dialektischen Denkens vorzustoßen. Die Wissenschaften sind dabei nicht als solche, wie sie von sich aus sind, zu nehmen, sondern als Teil der gesellschaftlich-politischen Gesamtwirklichkeit; und sie müssen zu einer Reflexion ihrer Situierung in dieser Wirklichkeit gebracht werden.

Marx hat diesen Prozeß beispielhaft an der Kritik der politischen Ökonomie(9) vorgeführt. Die Analysen der positiven Wissenschaft führen zurück auf allgemeine abstrakte Bestimmungen, die sich für sich genommen zu „immer dünneren Abstrakta," schließlich zum leeren Formalismus verflüchtigen. Es kommt darauf an, innerhalb der einfachen Bestimmungen dieser Wissenschaft die einfachste Bestimmung auszumachen, die als solche den Weg zu sich hin als zunehmende Vereinfachung strukturiert. Sie kann zugleich den Ausgangspunkt für die Wiederzusammensetzung der einfachen Bestimmungen bilden. Die Konkretion, die durch eine solche Synthese erreicht wird, ist . die theoretische Reproduktion des Konkreten der gegebenen Verhältnisse.

Nun hat Althusser mit Recht darauf aufmerksam gemacht, daß der Ausgangspunkt der materialistischen Dialektik „ein .schon gegebenes' komplexes, strukturiertes Ganzes" ist.(10) Dieser Sachvcrhalt ergibt sich auch aus dem Marxschen Ansatz, wenn man bedenkt, daß es gegebene konkrete Verhältnisse sind, die die dialektische Methode geistig reproduziert. Die einfachste Bestimmung, auf die sich die Bestimmungen der wissenschaftlichen Analyse zurückbringen lassen, ist demgemäß eine Verhältnisbestimmung. Sofern sie widersprüchlichen gegebenen Verhältnissen zugrundeliegt, ist sie auf der Stufe größtmöglicher Einfachheit noch immer ein als widersprüchliches Verhältnisstrukturiertes Ganzes. Die Wicderzusammensetzung der einfachen Bestimmungen bedingt eine fortschreitende Komplexion dieses einfachsten Komplexes (Verhältnisses) zu einem Verhältnis von Verhältnissen. Dies bildet den in der Sache gelegenen Grund für die Konzeption eines Systems von Systemen zur Erfassung gesellschaftlich bestimmter Zusammenhänge.

Die „theoretische Praxis," die von einer ersten über eine zweite zu einer dritten Allgemeinheit führt, bestimmt sich nach Marx - im Unterschied zu den bei Althusser konzipierten Stufen(11) - als der Weg von der chaotischkonkreten Allgemeinheit der gegebenen Verhältnisse zur einfachsten abstrakten Allgemeinheit des denkenden Erfassens dieser Gegebenheit, die in sich als widersprüchliches Verhältnis strukturiert ist, und von dort zur geordnet-konkreten Allgemeinheit der als Verhältnis von Verhältnissen begriffenen Wirklichkeit. Damit ist das Prinzip angegeben, nach dem die Systematik des dialektischen Denkens in Hegels „Wissenschaft der Logik" umgebaut werden muß. Die Bestimmungen der Verhältnisse (die Kategorien der Relation und der Modalität) stehen am Anfang. Die Seinsbestimmungen der einzelnen Dinge (die Kategorien der Qualität, Quantität und des Maßes) sind innerhalb der Verhältnisbestimmungen der Wirklichkeit zu isolieren, ohne daß der Bezug auf die Verhältnisse, in denen sie existieren, dabei verlorengeht. Die Selbstdurchsichtigkeit des theoretischen Prozesses (die Rückkehr des Denkens zu sich), die auf diese Weise erreicht wird, ist keine absolute, sondern eine auf das Umfeld des Handelns bezogene, innerhalb dessen der Theorieprozeß zur praktischen Orientierung verhilft.

Auf der Grundlage des Marxschen Beispiels kann man allgemein festhalten: Von den positiven Wissenschaften aus wird der in ihnen praktizierte Analyse-Prozeß als dialektisch-analytisch strukturiert, indem die gefundenen einfachen Bestimmungen des jeweiligen Sachgebiets in ihrem Gefalle auf die einfachste Bestimmung hin angeordnet werden. Von dieser geht dann ein dialektisch-synthetischer Prozeß aus, der die Ergebnisse der betreffenden Wissenschaft als eine in sich gestufte Systematik darstellt, durch die ihre handlungsorientieende Relevanz einsichtig werden soll. Die Dialektik vollzieht in dieser Funktion eine metawissenschaftlich geleitete Reflexion, die aber auch die Wissenschaften durchdringt. Sie vermag die Wissenschaften, von denen aus und in denen sie diese Reflexion ausführt, auf ein gemeinsames Projekt hin zu orientieren, das man als „Theorie der Gegenwart" fassen kann.

Schematisch dargestellt, verläuft die dialektische Denkbewegung im Anschluß an die Wissenschaften und in ihnen folgendermaßen: siehe Seite 304.

Von der modernen Systemtheorie kann die dialektische Wissenschaft Formulierungshilfe für den angemessenen Ausdruck ihrer in sich gestuften Systematik erwarten.

Aber sie kann die Formalisierung und Schematisierung ihrer Ergebnisse nicht als Selbstzweck betrachten. Sie bleibt auf ihren Sachgegenstand bezogen: die Verknüpfung der wissenschaftlichen Probleme mit denen des alltäglichen Lebens in seinen politischen und gesellschaftlichen Dimensionen. Deshalb wird sie die Formalisierungen und Schematisierungen in die politisch-praktischen Zielvorstellungen einbeziehen, zu deren Klärung sie beiträgt.

Die „Theorie der Gegenwart," zu deren Konstitution die Wissenschaften unter dialektischer Perspektive kooperieren, zielt auf die Veränderbarkeit der Gegenwart. Der Aufweis der natürlichen und technischen Bedingungen, die notwendig sind, um im Blick auf die Erhaltung des natürlichen Gleichgewichts, die Sicherung der Energie- und Rohstoffversorgung u. dgl. drohende Katastrophen zu vermeiden, bezeichnet nur die negative Seite der Veränderungsproblematik. Ihre positive Perspektive läßt sich durch die Hilfe der historischen Wissenschaften klären, die mit dem Aufweis der Begrenzung des MöelichkeiKsnielraums der bisherigen Geschichte, der Naturbearbeitung auf der Grundlage der prinzipiellen Teilung von materieller und geistiger Arbeit, die Voraussetzungen für die Überschreitung dieser Grenze sichtbar machen. Hier verflechten sich auch für die Dialektik als Wissenschaft die systematischen und die historischen Forschungsrichtungen. Die Erforschung der Geschichte verdeutlicht für die Gegenwart die Möglichkeiten und Tendenzen ihrer Veränderbarkeit.

ANMERKUNGEN

1) Hier sind nicht nur die historischen Arbeiten zur dialektischen Philosophie zu nennen, sondern auch die systematischen Bemühungen, die indessen bisher divergente Ansätze nebeneinanderstellen oder der Sache mehr oder weniger äußerlich bleiben. Vgl. Goldmann/ Harmsen/van Santen/Schweppenhäuser, Diulekliek en maatschappijkritiek (1970); Diemer, Elementarkurs Philosophie. Dialektik (1976); Van Dooren, Duilekliek. Een historische en systematische inleiding (1977).

2) In seinem Beitrag „Tussen Utopie en werkelijkheid" stellt Sperna Weiland einen interessanten Vergleich an zwischen 1918 ff. und der veränderten Situation seit 1923 auf der einen Seite, 1968 (f. und der veränderten Situation in den 7oer Jahren auf der anderen Seite.

3) Wellmer, Kritische Gexellschaftslheorit und Positivismus, S. 8.

4) Rossanda, Über die Dialektik von Kontinuität und Bruch.

5) Röd, Dialektische Philosophie der Neuzeit, vol. i,S. 15.

6)Marx, „Oilfcrcn/der demokritischcn und epikureischen Naturphilosophie," in MEW, vol. i.

7) Bloch, „Avicenna und die Aristotelische Linke," in Das Materialismusproblem, S. 479-546.

8) Lukacs, Zur Ontolonie des gesellschaftlichen Seins. Die Arbeit.

9) Marx, Grundrisse der Kritik der politischen Ökonomie, S. 21-25; vgl. in diesem Band Kapittel II, Abschnitt C.

10) Althusser, Für Marx, S. 137.

11) a.a.O., S. 124-135.

 

Editorische Anmerkungen

Der Aufsatz ist das Nachwort des Buches: Modelle der materialistischen Dialektik - Beiträge der Bochumer Dialektikarbeitsgemeinschaft, hrg. von Heinz Kimmerle, Den Haag 1978, S. 291-305

 

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