Gemeinsamer Kampf statt Scheinbeteiligung bei der Elendsverwaltung
Gegen die Stellenkürzung am Institut für Politikwissenschaft –
für kritische Wissenschaft in der Tradition Wolfgang Abendroths!

11/07

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Offener Brief der Linken Fachschaft am Fachbereich Gesellschaftswissenschaften und Philosophie (LiFa 03) an den Geschäftsführenden Direktor des Instituts für Politikwissenschaft der Philipps-Universität Marburg.

Sehr geehrter Herr Prof. Dr. Henkenborg,

unter dem Protest von hundert anwesenden Studierenden beschloss das Direktorium des Instituts für Politikwissenschaft am Mittwoch, den 17.10.2007, die vom Präsidium der Universität angeordnete Kürzung einer Professur zu akzeptieren. Statt wie bisher neun Professuren und einer Juniorprofessur wird es nach dem Beschluss des Direktori-ums künftig nur noch acht Professuren und eine Juniorprofessur geben.

Bei diesem Vorgang handelt es sich um eine politisch motivierte Stellenstreichung und nicht um eine „Stellenumwandlung“, auch wenn einige Professor_innen diesen Euphe-mismus weiterhin benutzen. Es geht auch um mehr als „nur vier Semesterwochenstun-den“ Lehre. Die geplante Streichung der Professur „Internationale Politische Ökonomie mit Schwerpunkt Europäische Integration" (IPÖ/EI; Nachfolge Frank Deppe) würde das Ende von Lehre und Forschung in der Tradition Wolfgang Abendroths bedeuten.

Im Senat der Universität wurde der mit der Stellenkürzung verbundene Eingriff in das Berufungsverfahren der Stelle IPÖ/EI scharf kritisiert. Auch der Fachbereichsrat Gesell-schaftswissenschaften und Philosophie missbilligte in einer Resolution die „ungerecht-fertigte Verzögerung“ des Verfahrens. Die aus Protest gegen die Stellenkürzung ge-gründete „Initiative zur Rettung kritischer Wissenschaft in Marburg“ sammelte über 1.000 Unterschriften von Wissenschaftler_innen, Gewerkschafter_innen und Studierenden ge-gen die Stellenkürzung.

Ungeachtet des universitätsinternen und öffentlichen Druckes gegen die Stellenstrei-chung und die Verzögerung der Berufung Dieter Plehwes auf die IPÖ/EI-Stelle weicht die Mehrheit der Professor_innen am Institut nicht von ihrem Entschluss ab. Die Profes-sor_innen des Instituts nutzen den Druck nicht, um gegen die Kürzungsabsicht des Prä-sidiums zu protestieren. Stattdessen entwickelten sie in einem informellen Gespräch die künftige Struktur des Instituts - mit einer Professur weniger als zuvor. Gekürzt werden soll nach dem Plan der Mehrheit der Professor_innen ausgerechnet die letzte Professur in der Tradition Wolfgang Abendroths. Studierende und wissenschaftliche Mitarbei-ter_innen wurden vom Gespräch ausgeschlossen. Dass sich die Professor_innen alleine beraten, wäre nur zu akzeptieren, wenn diese nicht die absolute Stimmenmehrheit im Direktorium hätten.
Aus Protest blockierten Studierende am 31.10.2007 die Sitzung des Direktoriums. Nach einer längeren Diskussion wurde ein Vorschlag der Vertreterin des Mittelbaus ange-nommen, die Strukturkommission des Instituts wieder zu beleben. Diese soll als Forum dienen, in dem Professor_innen, Studierende und Vertreter_innen des Mittelbaus über die zukünftige Struktur des Instituts diskutieren und eine gemeinsame Beschlussvorlage für das Direktorium erarbeiten.

Die LiFa 03 wird sich nicht an dieser Kommission beteiligen.

Wir haben stets das Ziel verfolgt, jedwede Stellenstreichung zu verhindern und For-schung und Lehre in der Tradition Wolfgang Abendroths zu erhalten. Der Abschluss des Berufungsverfahrens „Nachfolge Deppe“ mit der Berufung Dieter Plehwes ist hierfür der notwendige erste Schritt. Im Folgenden müssten alle weiteren momentan vakanten, bzw. in der nächsten Zeit freiwerdenden Stellen so schnell wie möglich besetzt werden (Nachfolge Schiller; Bieling; Bredow; Berg-Schlosser). Dies würde eine öffentliche Aus-einandersetzung mit dem Präsidium bedeuten.

Durch den aufgebauten Druck sieht sich die Geschäftsführung des Instituts genötigt, an-stelle der bisher durchgeführten Form der Elendsverwaltung nun auch Mittelbau und Studierende an ihren Planungen teilhaben zu lassen. Da jedoch die Strukturkommission unter der Prämisse arbeiten wird, dass die Mehrheit der Professor_innen die Stellen-streichung akzeptiert hat, würden wir von unserem Ziel durch eine Beteiligung in der Kommission abrücken.

Ein Forum, in dem drei der vier Statusgruppen in einen Austausch treten können, in dem aber die Forderung, jegliche Stellenkürzungen zurückzuweisen von vornherein nicht mehr mitdiskutiert werden soll, halten wir für sinnlos.

Wir würden uns in der Strukturkommission einbringen, wenn diese nicht die Akzeptanz der Stellenstreichung zur Grundlage ihrer Arbeit machen würde. Stattdessen müsste in der Kommission die Struktur des Instituts und eine gemeinsame Strategie aller Status-gruppen gegen Kürzungspläne des Präsidiums diskutiert werden. In der Kommission müsste ein gleichberechtigter Umgang aller Statusgruppen (d.h. auch der technisch-administrativen Mitarbeiter_innen) stattfinden. Dies beinhaltet neben eigentlich selbst-verständlichen Umgangsformen wie z.B. quotierten Redelisten insbesondere eine vier-telparitätische Besetzung der Kommission.

Die LiFa 03 verweigert sich einem folgenlosen Austausch über die Form der Elendsver-waltung am Institut für Politikwissenschaft. Kürzen können die Professor_innen das Insti-tut selbst, dazu brauchen sie nicht unsere Mitarbeit. Falls sich die Mehrheit der Profes-sor_innen weiterhin aktiv an der Kürzungspolitik des Präsidiums beteiligt, werden wir dem wie bisher Widerstand entgegensetzen. Ein arbeitsfähiges Institut für Politikwissen-schaft in Marburg braucht mindestens die Ausstattung mit neun Professuren plus einer Juniorprofessur.

Für eine gemeinsame Kampagne, die sich gegen die Stellenkürzung oder sogar für eine verbesserte Ausstattung des Instituts ausspricht, stehen wir jederzeit gerne zur Verfü-gung.

Mit freundlichen Grüßen
Ihre Linke Fachschaft 03

 

Editorische Anmerkungen

Dieser Aufruf  wurde uns von den AutorInnen zur Veröffentlichung am 6.11.07  gegeben.

Weitere Infos unter: www.linke-fachschaft.de