Am 31.Oktober 2007 eröffnete REAL
einen neuen Markt im Lübecker Mönkhof-Karree. Hierbei
handelt es sich um den ersten Supermarkt in
Schleswig-Holstein, der sechs Tage die Woche von 7 bis 24 Uhr
geöffnet hat. In diesem Betrieb werden die MitarbeiterInnen
untertariflich bezahlt und erhalten nur geringe Zuschläge für
Samstags- und Nachtarbeit. (siehe hierzu auch Flugblatt
unten)
Gegen diese Unternehmenspolitik fand am
heutigen Samstag (10.11.07) eine
friedliche, kreative Aktion der Gruppe „Basta! – linke Jugend“
im Mönkhof-Karree statt. Mit Schildern, Flyern und einem
Transpi wurde im und um den REAL-Markt auf die Situation der
ArbeitnehmerInnen aufmerksam gemacht.
Nachdem die TeilnehmerInnen den Markt
verlassen hatten, wurde die Aktion vor dem REAL-Markt
fortgesetzt und es wurden weiterhin Flugis verteilt. Dort
erschien nach kurzer Zeit die Polizei und verwies die
AktivistInnen vor das Einkaufszentrum auf die
gegenüberliegende Straßenseite. Hier wurde eine spontane
Kundgebung angemeldet und ein Redebeitrag gehalten. Nach
Beendigung der Kundgebung erschienen mehrere gepanzerte
Polizisten. Trotz anders lautender Aussage der zuvor
anwesenden Beamten wurden von fast allen Beteiligten die
Personalien aufgenommen. Anschließend wurde bekannt gegeben,
dass gegen die anwesenden Personen Strafanzeige wegen
Hausfriedensbruch gestellt wird.
"Durch einen solchen Umgang mit
ArbeitnehmerInnen hat REAL sich den Protest im wahrsten Sinne
des Wortes ins Haus geholt. Heute hat sich gezeigt, dass das
Unternehmen nicht bereit ist sich mit Kritik an diesem
Vorgehen auseinander zu setzen. Doch von derartigen
Einschüchterungsversuchen lassen wir uns nicht entmutigen. Wir
werden auch weiterhin für die sozialen Rechte Aller und eine
solidarische Gesellschaft eintreten." so eine Aktivistin
Insgesamt waren die Reaktionen auf die Aktion sehr
unterschiedlich: Teilweise wurden AktivistInnen bepöbelt
("geht mal arbeiten" u.ä.) teilweise gab es auch Lob.
Zeitweise gelang es sogar, eine Diskussion zwischen den
Einkaufenden anzuzetteln.
Text des Flugblattes:
Gegen Ausbeutung und Konsumdenken
Am 31. Oktober 2007 eröffnete REAL im Lübecker Mönkhof-Karree
eine neue Filiale mit 137 Beschäftigten - ein Drittel
Vollzeit, zwei Drittel in Teilzeitbeschäftigung. Die Real
SB-Warenhaus GmbH gehört zum Konzern der Metro Group und
betreibt 350 Filialen in Deutschland sowie weitere in anderen
europäischen Ländern.
Testgebiet Lübeck?
Die Eröffnung des „Testmarktes“ in Lübeck ist eine neue
Dimension der Gewinnmaximierung. Erreicht werden soll diese
durch Löhne unterhalb des gängigen Tarifs und längere
Öffnungszeiten. Die neue Filiale ist sechs Tage die Woche von
7 bis 24 Uhr geöffnet. Die Last dieser Neuerung tragen die
Angestellten, welche 41 Stunden in der Woche zu inakzeptablen
Zeiten arbeiten müssen. Dies hat zur Folge, dass den
MitarbeiterInnen kaum Zeit für Familie und Freizeit bleibt.
VerliererInnen dieser Unternehmenspolitik sind eindeutig die
Beschäftigten und ihre Familien. Die geforderte Flexibilität
der ArbeitnehmerInnen kommt nur dem Konzern zu Gute. Bei
anderen Berufsgruppen, wie z.B. im medizinischen Bereich, ist
Nachtarbeit auf Grund ihres Aufgabenfeldes notwendig. Im
Bereich des Einzelhandels dient diese jedoch nur der
Bequemlichkeit der KundInnen sowie denen, die ebenfalls derart
lange arbeiten müssen. Auch in diesen Fällen sollte gegen
lange Arbeitszeiten angegangen werden. Möglich wird dies nur
durch Eigenengagement, Vernetzung und Organisierung.
Lohndumping at its best!
Um nicht die dem Profit im Wege stehenden Löhne bezahlen zu
müssen, hat der Konzern eigens eine GmbH gegründet, die nicht
dem Tarifverbund angehört. Der erste Supermarkt in der neuen
Gesellschaft ist die Lübecker Filiale. Der Bruttolohn für die
41-Stundenwoche liegt bei rund 1500 Euro. Der Tariflohn
beträgt etwa 500 Euro mehr. Außerdem gibt es bei REAL nur
geringe Zuschläge für Samstags- oder Nachtarbeit. Für Arbeit
nach 18.30 Uhr werden laut Tarif 20 Prozent mehr pro Stunde
gezahlt, nach 20 Uhr sogar 50 Prozent. So jedoch nicht bei
Real in Lübeck: Dort werden erst ab 22 Uhr geringe Zuschläge
bezahlt. Darüber hinaus ist eine ausreichende Altersvorsorge
bei derartig niedriger Bezahlung nicht möglich. Gleichzeitig
verdienen Unternehmensführung und AktionärInnen
Millionenbeträge – dies geschieht auf dem Rücken der
ArbeitnehmerInnen.
Vorbildfunktion?
Nun können auch andere Discounter prüfen, ob es sich lohnt,
die Öffnungszeiten bis Mitternacht auszudehnen. Ebenso kann
untersucht werden, wie die dafür entstehenden Kosten durch
Lohnabsenkungen und Kürzungen oder Streichungen von Zuschlägen
wieder hereingeholt werden könnten. Das Argument, andere
Konzerne und Arbeitgeber würden auch unter Tarif be- zahlen
bzw. keine Zuschläge für späte Arbeitszeiten zahlen, ist
hinfällig. Dieser Gedankengang kann nur zu einer generellen
Kritik an den jetzigen Verhältnissen führen. Die Proteste
müssen auch auf andere Betriebe ausgeweitet werden, um deren
unsoziale Politik aufzuzeigen.
Schon zur Eröffnung des Lübecker REAL-Marktes gab es
Gewerkschaftsproteste und in anderen Filialen kam es zuvor
auch schon zu Streiks. Kritisiert werden die schlechte
Bezahlung und die unmenschlichen Arbeitszeiten. Ebenfalls gibt
es nur befristete Arbeitsverträge. Folglich fehlt es den
Angestellten an Sicherheit und das Unternehmen kann sie unter
Druck setzen. Durch diese Maßnahmen werden gleichzeitig
MitarbeiterInnen-Proteste verhindert. Arbeitszwang REALisiert?
Durch die deutsche Sozialgesetzgebung besteht ein genereller
Arbeitszwang: Entweder man nimmt einen derartigen Arbeitsplatz
an oder man muss Hartz IV beziehen. Die Arbeitnehmer werden
außerdem von der Arbeitsagentur und aus der ARGE rekrutiert
und dürfen eine Arbeitsstelle nicht verweigern. Andernfalls
werden ihre Bezüge gekürzt oder gar komplett gestrichen. Und
schon hat Real ihre "freiwilligen" Arbeitskräfte. Dies hat
sich Real zu Nutzen gemacht…
Sozial ist, was Arbeit schafft?
Generell sollte Arbeit nur einen geringen Teil des eigenen
Lebens in Anspruch nehmen und man sollte sich nicht über
Arbeit definieren müssen. Durch den großen Anteil an Arbeit
wird uns die Möglichkeit der politischen Partizipation und der
Selbstverwirklichung genommen. Zu wenige Menschen arbeiten zu
viel und ein Teil der Gesellschaft wird durch seine
Arbeitslosigkeit und der daraus resultierenden Stigmatisierung
ausgegrenzt. In der freien Marktwirtschaft soll jeder seines
eigenen Glückes Schmied sein. So wird jedoch hinderliches
Konkurrenzdenken gefördert und ein solidarisches Miteinander
ausgebremst.
Für Solidarität und soziale Rechte für alle!
Editorische
Anmerkungen
Dieser Artikel erschien
am 10.11.2007 bei Indymedia.
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