Nachricht zur Information/Dokumentation
An unser Volk und die Öffentlichkeit

"Wir wollen das Problem mit friedlichen Mitteln lösen"

Erklärung des
Präsidiums des Exekutivrats der KCK vom 9.11.2007
11/07

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Die Staaten der Region betreiben gegenüber Kurdistan noch immer eine  starre Politik der Verleugnung. Am weitestgehenden wird diese Politik der Verleugnung und Vernichtung in Nordkurdistan betrieben, das unter türkischer Herrschaft steht. Dort erkennt der türkische Kolonialismus die Existenz und die Identität des kurdischen Volkes nicht an. Der  türkische Staat will in Nordkurdistan durch Massaker und eine forcierte Assimilationspolitik das kurdische Volk zwangstürkisieren und seine Existenz aus der Geschichte tilgen. Im Kampf gegen diese Politik hat unsere Bewegung in dreißig Jahren eine bedeutende nationale und
gesellschaftliche Entwicklung hervorgebracht, dem Willen des kurdischen  Volkes zum Durchbruch verholfen und so die Sinnlosigkeit und Erfolglosigkeit dieser Politik bewiesen.

Unser Kampf hat große Anstrengungen und Opfer gekostet, darunter mehr  als zehntausend Märtyrer, Tausende Kriegsversehrte, Massenverhaftungen und die verbreitete Anwendung der Folter, die Vernichtung von mehr als viertausend Dörfern, mehrere Tausend von „unbekannten Tätern“ Ermordete. Dies war der äußerst hohe Preis dafür, dass die kurdische  Frage heute auf die internationale Tagesordnung gelangt ist und auf eine Lösung drängt. Obwohl unsere Führung durch eine internationale Geheimdienstkooperation gefangen genommen wurde, ist es nicht gelungen, unsere Bewegung zu liquidieren und daran zu hindern, auf ein Lösung hinzuarbeiten. Seit des Amtsantritts der AKP-Regierung hat der türkische Staat erneut auf verschiedene Weise versucht, unsere Bewegung zu liquidieren. Die Regierung der Republik Türkei behauptet uns und internationalen Kräften gegenüber stets, dass sie mittels verschiedener offizieller Institutionen das Problem lösen wolle, aber die Gefechte
ein Hindernis darstellten. Für eine Lösung sei es nötig, dass wir die Waffen niederlegen oder unsere Kräfte aus dem Territorium der Türkei zurückziehen. Der türkische Staat greift zu einem solchen Manöver, weil er verstanden hat, dass er die Verleugnungspolitik mit den alten Methoden nicht länger fortsetzen kann und dass die kurdische Frage mittlerweile auf eine Lösung drängt.

Doch es ist deutlich, dass diese Politik nicht bezweckt, das Problem zu lösen, sondern die kurdische Befreiungsbewegung zu liquidieren um die Vernichtungspolitik auf eine bleibende Grundlage zu stellen. Die aktuellen Entwicklungen zeigen, dass dieses Manöver nicht auf eine Lösung, sondern auf Hinhalten und Liquidierung abzielt und unaufrichtig ist. Die Strategie, die der türkische Staat zu entwickeln versucht, beinhaltet für Nordkurdistan eine nachhaltige Verleugnung und Vernichtung und in einem zweiten Schritt die Liquidierung der
Errungenschaften in Südkurdistan. Die Eingliederung von Kirkuk in das kurdische Föderationsgebiet zu verhindern, bildet den Grundstein dieser Politik gegenüber Südkurdistan. Offensichtlich wird diese Politik von Repressionen des kolonialistischen türkischen Staates gegen die Bevölkerung und intensiven Militäroperationen begleitet.

Angesichts dieser Politik und dieser Angriffe des türkischen Staates hat eine Reihe von nationalen und internationalen Kräften unsere Bewegung aufgerufen, einen Waffenstillstand zu erklären oder die Waffen niederzulegen.

Wir als Bewegung haben eine Strategie akzeptiert, die eine Lösung nicht mit gewalttätigen, sondern mit friedlichen Methoden vorsieht. Nach dem Aufruf Abdullah Öcalans vom 2. August 1999, den bewaffneten Kampf zu beenden, hat der 7. Kongress der PKK im Januar 2000 dies in einem Beschluss bestätigt. Unsere Bewegung begann dann einen Prozess der friedlichen, demokratischen Lösung, durch den die vorhandenen Guerillakräfte auf eine Lösung hin ausgerichtet wurden. Entsprechend unserem Strategieverständnis sollten die Guerillakräfte in einer Position der legitimen Selbstverteidigung verbleiben. Jedoch unternahm die türkische Armee ab 2003 Angriffe auf die sich in der Position der legitimen Selbstverteidigung befindenden Guerillakräfte. Daher begann nach einem Zeitraum von vier Jahren ohne militärische Auseinandersetzungen erneut eine Phase mit Gefechten. Dem Aufruf einer
Reihe nationaler und internationaler Kräfte folgend, erklärte unsere Bewegung dann mit Geltung ab dem 1. Oktober 2006 einen unbefristeten Waffenstillstand. Dieser erklärte Waffenstillstand wurde von unserer Seite noch nicht aufgehoben. Doch wegen der immer intensiveren Angriffe der türkischen Armee besteht keine Waffenstillstandssituation mehr.
Natürlich tritt dieser Waffenstillstand sofort wieder in Kraft, sobald die Angriffe des türkischen Staates aufhören.

Wir als kurdische Seite wollen das Problem mit friedlichen Mitteln lösen. Aber der türkische Staat akzeptiert das nicht und intensiviert ständig seine Angriffe, um alle national-demokratischen Dynamiken unseres Volkes zu liquidieren und dessen Willen zu brechen. Zur Stunde führt eine Militärmacht von 200.000 Soldaten in Nordkurdistan in Gebieten wie Dersim, Bingöl, Amed, Sirnak, Siirt, Van und Hakkari intensive Militäroperationen durch. Unsere Kräfte bemühen sich, Gefechten so gut es geht auszuweichen. Trotzdem kommt es zu Verlusten an Menschenleben. Im Zusammenhang mit diesen Verlusten entstehen durch die Hetze gewisser rassistischer Kreise Spannungen zwischen der kurdischen und der türkischen Gesellschaft.

Offensichtlich reichen einseitige friedliche Bemühungen und Waffenstillstände nicht aus, um die gewünschte gefechtsfreie Atmosphäre herbeizuführen. Um eine solche Atmosphäre zu schaffen, muss vor allem die türkische Armee ihre Angriffe stoppen. Daher müssen alle Kräfte, die unsere Bewegung zum Niederlegen der Waffen auffordern, sich zuerst um die Schaffung eines nötigen Rahmens dafür bemühen. Es trägt nicht zur Lösung eines so gravierenden Problems wie der kurdischen Frage bei, wenn man von einem einseitigen Niederlegen der Waffen redet, ohne irgendeine Anstrengung dafür zu unternehmen und ohne die Grundlagen dafür zu schaffen. Vor allem in einer Situation, in der der türkische Staat gegen die kurdische Freiheitsbewegung einen Vernichtungsfeldzug erklärt hat, bedeutet der Aufruf zum Niederlegen der Waffen einen Aufruf zum Selbstmord, zur Selbstvernichtung. Ein solches Ersuchen an die kurdischen Befreiungskräfte heranzutragen, während diese Angriffe
stattfinden, bedeutet die Liquidierung der kurdischen Dynamiken für Befreiung. Außerdem ist es eine Verdrehung der Tatsachen, zu behaupten, der Widerstand der kurdischen Freiheitskämpfer und Freiheitskämpferinnen gegen die brutalen Angriffe der türkischen Armee sei zum Schaden des kurdischen Volkes. Die Rolle dieses Widerstands für die demokratischen Errungenschaften unseres Volkes im Norden und in Süden ist nicht zu leugnen.

Alle Kräfte, die sich mit der kurdischen Frage befassen, ob national oder international, können ganz offensichtlich keine Rolle für eine Lösung spielen, wenn sie keine Position gegen den Ausspruch des türkischen Generalstabschefs Yasar Büyükanit „wir werden ihnen
unvorstellbare Schmerzen zufügen“ beziehen. Denn die türkische Armee akzeptiert weder den Waffenstillstandes noch den Frieden des kurdischen Volkes. Sie sagt ganz offen, dass sie nichts akzeptieren wird als den nationalen Selbstmord des kurdischen Volkes. Alle Kräfte Kurdistans müssen diese Tatsache ganz deutlich sehen. Wer diese Realität der
türkischen Armee nicht erkennt, wird große Verluste erleiden. Auf Druck der USA erklärt Tayyip Erdogan vielleicht heute, dass er nur die PKK im Visier habe, aber in der Strategie, die die türkische Armee verfolgt, kann dies nur der erste Schritt sein. Im zweiten Schritt werden mit Sicherheit die Errungenschaften in Südkurdistan ins Visier geraten. Insofern ist es absolut notwendig, dass alle Kräfte Kurdistans sich keinen Irrtümern über diese Tatsachen hingeben.

Der Präsident der USA, George W. Bush, hat erklärt, dass die PKK der Feind der USA, des Irak und der Türkei sei. Zunächst einmal ist die PKK nicht der Feind irgendeines Landes. Sie will ein geschwisterliches Zusammenleben aller Völker der Türkei. Die PKK ist eine
Freiheitsbewegung, die lediglich Widerstand gegen die barbarischen Angriffe des kolonialistischen türkischen Staates auf unser Volk leistet. Die PKK ist auch nicht der Feind des irakischen Volkes und Staates, sondern hat als Bewegung seit dem Sturz Saddam Husseins einen Beitrag zum Aufbau eines föderalen, demokratischen Irak geleistet und
bemüht sich immer weiter darum. Die USA soll der Öffentlichkeit erklären, weshalb sie die PKK zum Feind erklärt hat. Die PKK ist eine Bewegung, welche die Rechte des kurdischen Volkes verteidigt, soweit sie sich aus ihrer Existenz als Volk ergeben. Sie ist eine Bewegung mit Prinzipien und einer Linie. Sie kämpft entsprechend dieser Linie einen gerechten, würdevollen Kampf. Daher geben derartige Aussagen nicht die Realität wieder. Wir erwarten von den USA und dem irakischen Staat, dass sie zur Lösung der kurdischen Frage als einer der grundlegenden Fragen der Region einen Beitrag leisten. Derartige Bewertungen sind für eine Lösung nicht hilfreich.

Wir erklären einmal mehr, dass wir als Gemeinschaft der Kommunen Kurdistan (KCK) bereit und entschlossen sind, für eine friedliche, demokratische Lösung der kurdischen Frage in allen Teilen Kurdistans jede Art von Opfer zu bringen und jede Art von Anstrengung zu unternehmen. Wir sind offen für einen Dialog mit dem Ziel einen Prozess zu beginnnen, in dessen Verlauf auf der Basis eines politischen Projektes, die Waffen völlig aus dem Verkehr gezogen werden. Sobald die Angriffe auf unsere Bewegung aufhören und der von uns ausgerufene einseitige Waffenstillstand Erwiderung findet, werden wir als kurdische
Seite ohne jegliches Zögern entschlossen und beharrlich das für die Schaffung einer konfliktfreien Atmosphäre Nötige unternehmen. Doch es muss auch allen klar sein, dass wir uns den Kräften gegenüber, die trotz allem das Problem mit gewalttätigen Methoden lösen wollen, nicht beugen, sondern mit voller Entschlossenheit und ohne Zögern Widerstand
leisten werden. Wer die Dynamik und die Reserven unseres Widerstands ignoriert, wird in der Praxis seinen Irrtum einsehen. Die Rolle unserer Kräfte für die Stabilität in Südkurdistan darf man nicht gering schätzen. Insofern wird der Versuch des türkischen Staates und der
Verteidiger des Status quo, die Stabilität in Südkurdistan zu zerstören, nicht glücken. Da sollten sie sich keine Illusionen hingeben.

Alle kurdischen politischen Kreise, vor allem die Parteien Südkurdistans, durchschauen den hinterhältigen Plan des türkischen Staates, durch grundlose Behauptungen und Repressionen die Kurden einmal mehr gegeneinander aufzubringen. Es ist von großer Bedeutung, dass sie sich in dieser kritischen Phase bemüht haben, die nationale
Einheit weiter voran zu bringen. Wir registrieren den Druck, den der türkische Staat auf die südkurdische Regionalregierungs ausübt. Dies sollte jedoch nicht zu Handlungen führen, die den nationalen Interessen der Kurden entgegen stehen. Insofern rufen wir alle Kräfte Kurdistans und unser Volk zu besonders besonnenem Handeln auf.

Unsere Bevölkerung überall auf der Welt, in allen Teilen Kurdistans und besonders in Nordkurdistan rufen wir dazu auf, in dem jetzt auf internationaler Ebene beginnenden Prozess verantwortungsbewusst zu handeln und sich im Rahmen der von unserer Bewegung begonnenen Kampagne „Êdî bes e“ (Es reicht!) aktiv und entschlossen am Kampf für Freiheit
und Demokratie zu beteiligen. Unser Volk sollte sich die nationale und demokratische Linie unserer Bewegung zu eigen machen, überall auf der Welt deutlich hörbar sein gutes Recht einfordern und Abdullah Öcalan und alles andere, was uns wertvoll ist, verteidigen.

Die kurdische Frage, spielt eine bedeutende Rolle für die Herausbildung von Frieden, Stabilität und Demokratisierung im Mittleren Osten. Wir rufen alle internationalen Kräfte auf, sich darum zu bemühen, dass sie nicht mit Gewalt, sondern mit friedlichen Mitteln gelöst wird.

9. November 2007
Präsidium des Exekutivrats der KCK

Editorische Anmerkungen

Dieser Artikel erschien bei http://www.nadir.org/nadir/initiativ/isku/erklaerungen/2007/11/02.htm

Wir spiegelten von dort.

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