Deutsche Karrieren
Ein historisches Buch zeigt die Kontinuität bei der Verfolgung von Linken

von Peter Nowak

11/08

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Wer es schon immer geahnt hat, dass der Verfolgungsapparat gegen Linke in Deutschland viele Regime überdauerte, kann sich jetzt auf Quellen stützen. Der Historiker Siegfried Grundmann wollte mit seinem Buch "Der Geheimapparat der KPD im Visier der Gestapo“ vor allem erforschen, warum innerhalb kürzester Zeit einer der eigentlich bestgeschützten Teile der KPD von der Gestapo ausgehoben werden konnte.

Der Geheimapparat sollte die KP vor Agenten schützen und sammelte Dokumente und Informationen über Rüstungsprogramme und andere Maßnahmen, die sich potentiell gegen die Sowjetunion richten konnten. Dafür nutzte man Kontakte mit Menschen, die gerade nicht als Kommunisten bekannt waren. KP-Mitglieder im Geheimapparat mussten sogar ihr Parteibuch abgeben, um möglichst unauffällig zu sein.   

 Grundmann sieht für die Zerschlagung dieser Struktur durch die Gestapo vielfältige Gründe.  Nicht zuletzt, sei eine falsche Politik der KPD und Verletzung der Konspirationsregeln dafür verantwortlich. Es ist natürlich zu begrüßen, dass der Autor die GenossInnen im Widerstand nicht als Heilige ohne Fehl und Tadel sondern als   Menschen, die auch schwerwiegende Fehler machen darstellt. Damit stehen sie wieder auf  gleicher  Augenhöhe mit den heutigen ZeitgenossInnen, was eine Voraussetzung ist, um von ihnen zu lernen.  Zumal Grundmann gerade im Nachwort noch einmal deutlich macht, dass er den Widerstand, einschließlich der Tätigkeiten,  die gern als Spionage ausgegrenzt werden, für absolut legitim hält.

Absolut gerechtfertigt

„Es in Deutschland, und zwar nicht erst fünf Minuten vor dem Ende sondern schon in der Blütezeit des Dritten Reiches, nicht zu viele sondern zu wenig Hochverräter. Das Deutsche Reich schwächen und die Gegner stärken war .... eine gute Tat“.

Wichtig ist auch, dass Grundmann den Blick auf die Verfolger lenkt und ihre Biographie genau untersucht. Die Beamten des Kommunismusdezernats   hatten zum großen Teil die Verfolgung von Linken schon in der Weimarer Zeit begonnen. Mehrere von ihnen haben in den Anfangsjahren der Weimarer Republik in den Freikorps gegen Linke gekämpft.  Das waren extralegale Truppen, die gegen die ArbeiterInnenaufstände der Jahre 1918/19 ebenso brutal vorgingen, wie gegen die Bayerische und Bremer Räterepublik. Dort übten die Freikorps schon jenen Terror gegen tatsächliche oder vermeintliche Aufständische aus, der dann nach 1933  zum Alltag der Bekämpfung gegen Linke gehörte. 

Nachdem die bürgerliche Ordnung wieder hergestellt wurde, arbeitete ein großer Teil dieser Männer auch in der Weimarer Zeit ganz legal bei der Verfolgung von Linken als Teil der politischen Polizei. Die wenigsten waren damals Mitglieder oder offene Sympathisanten der NSDAP. Aber alle wurden sie nach 1933 übernommen und hatten sich        dort schnell bewährt.

„Das wichtigste gemeinsame politische Merkmal der Beamten aus dem Kommunismus-Referat scheint nur zu sein, dass sie von Anfang an bis zum Schluss erbitterte Gegner der Linken bzw. der Kommunisten gewesen sind“, schreibt  Grundmann. Wo es ihnen möglich war, setzten sie ihre Karriere auch nach 1945 fort.  Nur wenige wurden angeklagt, wie der Kriminalsekretär Walter Habecker, der 1949 im Untersuchungsgefängnis Paderborn Selbstmord verübte.

Und sie fanden Fürsprecher, die ihre jahrelange Tätigkeit gegen Linke würdigten. So schrieb der Verteidiger von Wilhelm Berg, einer der berüchtigten Linkenjägers, der auch selber bei der Folter mit Hand angelegt hat: „Nicht als vergehen, sondern als Verdienst des Angeklagten wird bewertet, das dieser    seit 1921 bis 1945 immer in der Bekämpfung der kommunistisch-bolschewistischen Spionageorganisationen tätig gewesen ist“. Er hätte den Zeitraum seiner Aktivitäten sogar noch ausweiten können. 

Berg sagte aus, dass er von britischen Dienststellen nach dem Krieg in vier deutschen Großstädten eingesetzt wurde, um kommunistische Spionageorganisationen aufzuspüren.

Er war nicht der Einzige, dessen Dienste auch nach 1945 gefragt waren.

Auch Adolf Sauter, der als V-Mann zahlreiche Kommunisten der Gestapo auslieferte, heuerte wie sein Freund und Kumpan Rudolf Schüllenbach nach 1945 bei der Organisation Gehlen und dem CIA an.

 Das Buch liefert hier gute Detailstudien über ein bisher vernachlässigtes Kapitel des Widerstands gegen das NS-System in Deutschland, Nur zwei Kritikpunkte seien genannt. .Der Herausgeber beschränkt sich leider nicht, seine Position zum Widerstand und zum Kommunismus am Beginn und am Ende des Buches darzulegen. Oft genug hat in dem Text  eigene Bemerkungen   eingeschmuggelt. Doch hier sind sie überflüssig und auch störend. Auch bei dem Dokumentaren scheint Grundmann gelegentlich nach dem Prinzip „Doppelt hält besser“ vorgegangen zu sein. So kann man mehrmals den Ausschnitt eines Dokuments in der Fußnote  und den gleichen Text dann noch einmal im Text lesen. Bei einer Neuauflage konnte man hier noch einmal korrigieren. 

Grundmann Siegfried
Der Geheimapparat der KPD im Visier der Gestapo,
Das BB-Ressort, Funktionäre, Beamte, Spitzel & Spione
496 S., 52 Abb., Hardcover,
29,90 Euro
ISBN 978-3-320-02113-9
Dietzverlag