Ein Veranstaltungsmanuskript
Der wirkliche Sozialdemokrat

von Karl-Heinz Schubert

11/08

trend
onlinezeitung

Am Sonntag den 2.11.2008 befasste sich Dr. Seltsams Wochenschau unter Leitung von DetlevK. mit dem Thema "Für jede Krise gut! Vom großen zum kleinen Verrat: der Sozialdemokrat als Diener des Staates". Dazu gab es ein Eingangsstatement von mir, dem das nachfolgende Manuskript zugrunde lag. Nach der Veranstaltung wurde ich von einigen TeilnehmerInnen gebeten, dieses im TREND zu veröffentlichen.  Es folgt die unveränderter Fassung vom 2.11.:

Im Alltag sind wirkliche Sozialdemokraten selten geworden. Meistens treten Sozialdemokraten nur noch virtuell in Erscheinung und dort gelten sie als „links“ – ganz gleich ob sie in der gleichnamigen Partei sind oder in der SPD. Hier soll es heute dagegen um den wirklichen Sozialdemokraten gehen, den Mann der Tat, den Mann zum Anfassen.

Die typischen Eigenschaften des wirklichen Sozialdemokraten sind:

Heimat verbunden, volksnah, sozial, staatstragend, pflichtbewusst, ordnungsliebend, traditionsbewusst, handfest & gestanden

Seine Leitsprüche:

Wo gehobelt wird, da fallen Späne. Nicht Kleckern sondern Klotzen.

Der wirkliche Sozialdemokrat lebt von und durch den Staat, indem er ihm dient – ohne Ansehen der Person, nur um der Sache willen.

Leitsprüche:

Dienst ist Dienst und Schnaps ist Schnaps. Um der Sache willen - hart aber gerecht.

Anmerkung:
Warum befassen wir uns nicht mit der Sozialdemokratin?
Weil es die gar nicht gibt. Und das ist gut so.

Das Verhältnis des wirklichen Sozialdemokraten zum Staat ist identisch mit seinem Verhältnis zur Heimat.

Der wirkliche Sozialdemokrat ist für sozialen Ausgleich. Denn vor dem Staat sind alle gleich. Ist es mal nicht so, dann kümmert er sich darum. Deshalb gilt er den Leuten als Menschenfreund.

Bauen & Wohnen, Jugend & Sport, Soziales & Schule und nicht zuletzt die innere Sicherheit, das sind seine Felder. Dort sorgt unser Menschenfreund am liebsten für Ordnung und Recht.

Und weil der wirkliche Sozialdemokrat ein Mann der Praxis ist, weil sein Praxisfeld die Politik ist, finden wir ihn meistens in Rathäusern. Auch dann, wenn er keiner der beiden sozialdemokratischen Parteien angehört, begegnet er uns in jeder Amtsstube. Sei er noch jung an Jahren als Verwaltungslehrling oder im fortgeschrittenen Stadium als Bürgermeister.

Die Amtstube - das ist seine Welt. Die Welt draußen, das ist für ihn seine Parallelwelt - auf die wirkt er ein und formt sie nach seinem Bilde.

Doch genug der Theorie – nicht weit von hier residiert ein wirklicher Sozialdemokrat – Heinz Buschkowsky – seines Zeichnens Bezirksbürgermeister von Neukölln.

„Buschkowsky ist ein Sozialdemokrat vom alten Schlag,
wie man ihn nur noch selten findet.“
Der Tagesspiegel vom13.7.2008

Heinz Buschkowsky, geboren am 31.7.1948 in Neukölln als Sohn eines Schlossers und einer Sekretärin, die aus Schlesien kam. Er wuchs in Rudow zu viert in einer Einzimmerwohnung im Keller auf. Der Vater erbaute eigenhändig ein kleines Haus auf dem Gebiet der heutigen Gropiusstadt und büßte dadurch seine Gesundheit ein.

Er machte eine Ausbildung zum Diplom-Verwaltungswirt und arbeitete ab 1973 in mehreren Senatsbehörden. Für die SPD war er ehrenamtlich in der Neuköllner Bezirksverordnetenversammlung tätig. 1985 wurde er dort zum BVV-Fraktionsvorsitzenden der SPD gewählt. 1989 wurde er Finanzstadtrat, uns seitdem in wechselnden Ressorts (Jugend, Sport, Finanzen, Personal, Gesundheit, Umwelt, Wirtschaft) als Stadtrat oder als Bürgermeister tätig.

Versuchen wir einmal die Welt aus seiner Amtsstuben-Perspektive zu verstehen. Blicken wir nach Neukölln und lernen wir den wirklichen Sozialdemokraten ein wenig besser kennen. Exemplarisch beschränken wir uns auf ein Gebiet, wo Heinz Buschkowsky ein echter Experte ist: Die Ordnung. Das Beispiel heißt: Schülerknast für Migrantenkinder.

Doch greifen wir nicht vor. Hören wir, wie Heinz Buschkowky bisher in seiner Neuköllner Heimat für Ordnung sorgte.

Heinz fackelt nicht lange!

Im Sommer 2002 meldete die Berliner Presse:

NEUKÖLLN. Der Bezirk richtet Ende Juli einen Ordnungsdienst vor dem Rathaus ein. Mitarbeiter des Bezirksamtes sorgen dann von 10 bis 22 Uhr dafür, dass auf dem Rathausvorplatz, mit Ausnahme im Platzcafé, niemand mehr Alkohol trinkt. Vermehrt hatten sich in der Vergangenheit Rathausmitarbeiter und -besucher über etwa 20 Trinker beschwert, die jeden Tag auf dem Platz sitzen, Alkohol trinken, an Bäume und Wände urinieren und Krach machen. “Der Ordnungsdienst soll diese Leute nicht vertreiben, sondern die Exzesse auf dem Platz verhindern”, sagt Bürgermeister Heinz Buschkowsky (SPD). Er will Hinweisschilder anbringen lassen, die Alkoholverzehr außerhalb des Platzcafés untersagen. Im Verwaltungsausschuss hat den geplanten Maßnahmen keine Partei widersprochen. “Der Rathausvorplatz ist das Aushängeschild Neuköllns”, sagt der Ausschussvorsitzende Michael Anker (PDS). Zwar würden die Trinker jetzt sicherlich an einen anderen Ort verdrängt, aber eine bessere Lösung wisse er auch nicht. Zurückhaltend reagiert auch Nils Busch-Petersen vom Gesamtverband des Berliner Einzelhandels: “Grundsätzlich begrüßen wir jeden Versuch, die Innenstädte attraktiver zu machen. Aber Schilder werden nur dazu führen, dass man die Getränke in Tüten versteckt oder andere Umgehungstatbestände schafft.” Schon lange ist Alkoholverzehr auf Öffentlichem Straßenland nach Berliner Straßengesetz eine Ordnungswidrigkeit, die mit einem Verwarnungsgeld von fünf Euro geahndet werden kann. In Neukölln haben strenge Kontrollen auf dem Rathausvorplatz für Ordnung gesorgt. Bürgermeister Heinz Buschkowsky (SPD) räumt aber ein, dass die “Brigade Fröhlich” in die Nebenstraßen verdrängt wurde.

Heute wissen wir, solche Erfahrungen zahlen sich aus. So schreibt die Berliner Morgenpost am 14.8.2008:

Der bundesweit einmalige private Wachschutz vor Neuköllner Schulen wird zu Beginn des neuen Schuljahres erweitert. Vom 1. September an werden in dem sozialen Brennpunktgebiet 16 statt bisher 13 Schulen beschützt. Das sagte der Leiter des Amts für Bildung, Schule und Sport, Jürgen Behrendt. Das Bielefelder Unternehmen Germania hat wie bisher den Zuschlag in der europaweiten Ausschreibung erhalten. Der politisch zum Teil heftig umstrittene Wachschutz war im Dezember 2007 nach schwerwiegenden Gewaltvorfällen an Neuköllner Schulen gestartet worden.

In Sachen Ordnung hat Heinz nicht nur volksnahe, heimattreue Lösungen sondern auch Losungen anzubieten:

Hier einige seiner Highlight seinem Interview für die Junge Freiheit, dem berüchtigten Sammelbecken der Neuen Rechten vom 11.3.2005.:

„Gehen Sie doch einmal bei uns in Neukölln durch die Sonnenallee - dann wissen Sie, was ich meine! Menschen, die seit Generationen hier wohnen, können mittlerweile nicht einmal mehr die Schilder in den Auslagen der Geschäfte lesen, weil sie des Arabischen oder Türkischen nicht mächtig sind. Die Leute sagen sich: "Das ist Beirut oder Bagdad, aber nicht mehr meine Sonnenallee!" ...

„Die Parallelgesellschaften müssen ausgetrocknet, die Menschen wieder in in die Gemeinschaft aller "hereingeholt" werden. Dazu müssen Schulen wieder Orte der Integration werden statt Ursache der Vertreibung - die Leute ziehen nämlich spätestens dann weg, wenn ihre Kinder in eine Schule gehen sollen, die über sechzig Prozent und mehr Ausländeranteil verfügt. Wir brauchen ein aktives Quartiersmanagement, das Nachbarschaften schafft, damit die Menschen nicht nur beziehungslos nebeneinander leben. Wir müssen der Verwahrlosung des öffentlichen Raums die Stirn bieten…Deshalb dürfen auch Kindertagesstätten in Segregationsgebieten nicht länger als Spielschulen und Lernort des Sozialverhaltens verstanden werden, sondern sie sind dort eine schulvoraussetzende Bildungsinstanz zur Vermittlung elementarster Kulturtechniken. Das setzt voraus, daß die Kinder überhaupt dort hingeschickt werden. Das tun aber viele Eltern nicht, wenn es Geld kostet und die Oma es umsonst macht. Das heißt konkret Kindergartenpflicht in diesen Gebieten.“

Das führt uns nun direkt zu dem eingangs erwähnten Schülerknast für Migrantenkinder.

Im Januar 2008 hatte der rechte Rotterdamer Bürgermeister, Ivo Opstelten, Berlin besucht, um das sozialdemokratische politische Personal von Berlin über sein "Integrationskonzept, das alle Einwohner in die Pflicht nimmt und sie zugleich anregt, aktiv am Stadtleben zu partizipieren" zu unterrichten, nämlich: Razzien ohne Vorankündigung, No-Go-Areas, gläserne BürgerInnen, "keine Prävention ohne Repression" gegen "Parallelgesellschaften" und und und....

Heinz Buschkowsky, erstattete im Juni einen Gegenbesuch und kehrte begeistert zurück. Sofort ließ er die Presse wissen, dass ihm Rotterdam ein Vorbild sei und dass auch er repressive Maßnahmen gegen "'Unruhestifter" ergreifen werde.

Seine rechte Hand der Neuköllner SPD-Kreisvorsitzende, Freund der Bundwehr. Dr. Felgentreu, Alt-Philologe und Spezialist für Sicherheit, Ordnung und Verfassungsschutz im Berliner Abgeordnetenhaus legte zeitgleich ganz in diesem Sinne die so genannte Groß-Pinnower Erklärung vor. Dieses Papier für den bildungspolitischen Landesparteitag der Berliner SPD im Oktober 2008 mit dem bezeichnenden Titel, Schule und Schulpflicht ― Grundstein der gesellschaftlichen Integration, schlägt vieles vor, was Rotterdam vorexerziert:

So genannte Schulschwänzer - besonders jene mit "Migrationshintergrund" - sollen vom regulären Schulbesuch ausgeschlossen und in einer Art Heimschule weggeschlossen werden, von wo aus sie dann schulentlassen werden. Die evangelische Kirche wird Betreiber sein.

Den Eltern wird gedroht: „Kommt das Kind nicht in die Schule, dann kommt das Kindergeld nicht aufs Konto. In diesem Zusammenhang muss über weitere Sanktionsmodelle (z.B. Führerscheinentzug) nachgedacht werden."

Die Berliner Presse honorierte die sozialdemokratische Entschlossenheit und berichtete, dass die CDU durch ihren bildungspolitischen Sprecher Sascha Steuer habe verlauten lassen, dass sie auch eigene Vorschläge habe:

„Gegen Eltern, deren Kinder mehr als zehn Tage unentschuldigt fehlen, soll sofort ein Ordnungswidrigkeitsverfahren wegen Verletzung der Erziehungspflichten eingeleitet werden. Sollten die Eltern das Bußgeld nicht zahlen können oder wollen, fordert Steuer einen gemeinnützigen Arbeitseinsatz an der Schule.“ (Berl. Morgenpost vom 23.8.2008)

Ins gleiche Horn stieß die Berliner Jugendrichterin Kisten Heisig:

„Wir müssen daher auch verstärkt erwägen, ob geschlossene Erziehungseinrichtungen mit Internatscharakter eingerichtet werden können, in welchen die Kinder im Sinne einer am Grundgesetz ausgerichteten Werteorientierung zu beschulen und zu erziehen sind.“... „Das Berliner Schulgesetz sieht gegen die Eltern Bußgelder bis zu 2500 Euro, ersatzweise bis zu sechs Wochen Erzwingungshaft vor. Auch ein ALG-II-Empfänger kann ein Bußgeld von etwa 200 Euro in Raten leisten und muss bei Nichtzahlung mit Haft belegt werden, die dann bei etwa einer Woche angesiedelt werden könnte.“ (Berl. Morgenpost vom 18. September 2008)

Im Hinblick auf diese breite mediale Zustimmung schien SPD-Landesparteitag gut vorbereit, doch hieß es am 9.10.08 kurz davor:

„Die Linken in der SPD, die über eine breite Mehrheit auf dem Parteitag verfügen, sind dem Blatt zufolge uneins, bis zu welchem Punkt sie den Sanktionsforderungen folgen. Der Chef der SPD-Landesgruppe im Bundestag, Swen Schulz sagte dem Blatt, er stehe der Diskussion offen gegenüber.“

Und so kam es dann auch: Der Antrag wurde insgesamt angenommen. Die explizit repressiven Maßnahmen wurden zur weiteren Bearbeitung in Fachausschüsse überwiesen, denn es gab einige Bedenkenträger. Die eine oder andere Maßnahme könnte gegen die Verfassung verstoßen, meinten diese. Da müsse noch nachgebessert werden.

Schließlich war noch zu erfahren:

Ein solches Internat für hartnäckige Schulschwänzer wollte Neukölln zum ersten Januar zusammen mit dem evangelischen Jugendwerk EJF Lazarus einrichten. Allerdings stehe die Finanzierung noch nicht, sagte der Neuköllner SPD-Schulstadtrat Schimmang gestern. Zum ersten Januar wird es mit der Eröffnung wohl nicht klappen.
(Der Tagesspiegel vom 16.9.2008)

Editorische Anmerkungen

Der Autor stellte uns seinen Text für diese Ausgabe zur Verfügung.