Für einen neuen, revolutionären Anti-Faschismus

von Harry Waibel

11/08

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Die Konferenz „Kein Vergeben - kein Vergessen – Perspektiven linksradikaler Erinnerungspolitik“ am Samstag, 8. November in Berlin im Mehringhof, anlässlich des 70. Jahrestages der Reichspogromnacht, offenbarte m. E. fundamentale Schwächen des anti-faschistischen Kampfes.

Die Podiumsdiskussion zum Beginn schaffte es tatsächlich, zu den anti-semitisch begründeten Morden und Brandschatzungen von 1938ff. kein Wort zu verlieren. Auch gab es nichts zu hören zu den gegenwärtigen neo-faschistischen Angriffen auf Juden oder die verheerenden rassistischen Angriffe auf Einwanderer und andere. Doch wer geglaubt hatte, dass sich das alles als Missverstände aufklären ließe, der sah sich im Workshop „Auferstanden aus Ruinen – Anspruch und Wirklichkeit des DDR-Antifaschismus“, eines besseren belehrt. Der Referent brachte es doch tatsächlich fertig, den staatlichen und den gesellschaftlichen Anti-Semitismus in der DDR zu verschweigen.

Erst verschiedene Beiträge aus dem Publikum machten auf diese geschichtsrevisionistische Unterschlagung aufmerksam. Jedoch blieb eine weitere Besprechung dieses Aspekts des ost-deutschen Neo-Faschismus völlig aus. Ein Blick in die einschlägige Fachliteratur hätte den Referenten eines besseren belehren können, er legte jedoch wert darauf, dass er sich als „gelernter DDR-Bürger von West-Deutschen bzw. West-Berlinern“ nicht sagen lassen wollte, wie es in der DDR zugegangen wäre. Wie schon bei der Eingangsdiskussion so wurden auch hier kritische Anmerkungen aus dem Publikum von der Versammlungsleiterin behindert oder gestoppt. Es ist nicht weiter verwunderlich, dass eine demokratische Diskussionskultur, autoritär platt gemacht wird. Es ist nachgerade auch nicht zu fassen, wenn in den schriftlichen Einladungen, besonders von der Antifaschistischen Initiative Moabit (AIM), keine Wort darüber verloren wird, dass sie sich von der von der Parteilinken kontrollierten Rosa-Luxemburg-Stiftung fördern lässt. Erst ein Versprecher der Vertreterin der AIM auf dem Podium machte diese nicht unerhebliche Tatsache öffentlich. Es ist immer noch mehr als schlechter, alter Stil, wenn sich Anti-Faschisten im Westen ihre politische Arbeit von z. B. einer ost-deutschen Stiftung bezahlen lassen.

Hier konnte man sehen und hören, dass die Anti-Faschisten, die diese Veranstaltung geplant und abgehalten haben, ein Ausdruck dafür sind, wie tief der orthodoxe Anti-Faschismus in einer Krise steckt und für niemanden, schon gar nicht für die Neo-Faschisten eine Bedrohung darstellen. Mehr und mehr Neo-Faschisten, mehr und mehr Angriffe auf Juden und Einwanderer und nur wenige Teilnehmer an Veranstaltungen und Demonstrationen anti-faschistischer Gruppen.

An anderer Stelle habe ich bereits dazu aufgerufen sich vom orthodoxen Anti-Faschismus frei zu machen und einen emanzipatorischen Anti-Faschismus zu begründen, der sich ausweisen kann als eine politische Kraft, die aus den Irrtümern ihrer Vorgänger vor und nach 1945 gelernt hat. Der historische Anti-Faschismus, ich betone dass an dieser Stelle gerne noch einmal, war nicht in der Lage den deutschen Faschismus aufzuhalten. Erst der militärische Einsatz ausländischer Truppen hat den Sieg über Hitler und seine Banditen erbringen können. Die Deutschen selbst waren insgesamt dazu nicht in der Lage. Dazu kommt, dass die deutschen Kommunisten und Anti-Faschisten in der DDR keinen Begriff hatten, von dem in ihrem eigenen Land sich entwickelnden anti-semitischen und rassistischen Neo-Faschismus.

Diese historischen Niederlagen machen die Notwendigkeit sichtbar, den Anti-Faschismus aus der instrumentellen Domestizierung, z. B. durch die DKP oder die Parteilinke, zu befreien und ihn auf eine eigene, autonome theoretische und organisatorische Grundlage zu stellen. Dieser Schritt wird dann vollzogen werden können, wenn massenhaft begriffen worden ist, dass der Kampf für einen revolutionären und demokratischen Sozialismus aufgenommen werden muss, auch in dem Verständnis, dass erst in einer von ökonomischer Ausbeutung und politischer Unterdrückung befreiten Gesellschaft, die Grundlagen für Rassismus und Anti-Semitismus nicht mehr vorhanden sein können.

Editorische Anmerkungen

Der Autor stellte uns seinen Artikel für diese Ausgabe zur Verfügung.