Es ist nicht verwunderlich, das
im gegenwärtigen Verdummungsprozess der Gesellschaft (auch
Rollback/Backlash), Nazis versuchen in der Arbeitnehmerpolitik
Fuß zu fassen.
Eine Zunahme der Unterwanderung von
Personalpolitik und Betriebsräten hat begonnen - und es bleibt
bei der Basis zu sorgen, dass dies nicht hingenommen wird.
Eine Stimme von vieln:
So würden sie sich gern präsentieren: als die engagierten
„Kameraden“ von nebenan, die sich aufopferungsvoll um die
Belange der Bürger kümmern. Deshalb werden Neonazis Mitglieder
bei der Freiwilligen Feuerwehr, in der Bürgerinitiative, im
Sportverein. Und sie haben auch die Betriebe als Feld für sich
entdeckt. Besonders die Betriebsräte.
Bei UPS in Nürnberg ...
Beim Transportunternehmen UPS in Nürnberg etwa hat es Tobias
Dede bis zum Betriebsratsvorsitzenden geschafft. 2006 erregte er
Aufsehen, als er sich mit einem Flugblatt an die Belegschaft
wandte. Darin hetzte das damalige ver.di-Mitglied gegen einen
Kollegen und unterstellte ihm Linksextremismus. Dedes Quelle war
ein Internet-Text der rechtsextremen „Anti-Antifa Nürnberg“.
ver.di schloss ihn unmittelbar nach dem skandalösen Vorfall aus
und forderte UPS auf, gegen Dede und seine Propaganda
vorzugehen. Die Unternehmensleitung lehnte das ab, weil sich das
um „Einflussnahme auf die Meinungsäußerungen” eines
Betriebsratsmitglieds gehandelt hätte, wie es Jörns Reineke,
Generalbevollmächtigter von UPS Deutschland, ausdrückte.
„Das ist das Problem“, sagt Harry Roggow von ver.di Nürnberg,
der mit dem Fall betraut war. "Wenn der Arbeitgeber nichts
unternehmen will, gibt es kaum eine rechtliche Handhabe.” Dabei
muss es sich um innerbetriebliche Vorgänge handeln, nicht um
politische. Da UPS beispielsweise keine Störung des
Betriebsfriedens feststellen wollte, blieb nur, Dede aus der
Gewerkschaft auszuschließen. „Die meisten ver.di-Kollegen
gingen sowieso davon aus, dass er nur pro forma Mitglied war”,
sagt Harry Roggow.
Dedes Amtsführung zeigte schnell negative Auswirkungen im
Betrieb. So trafen sich die echten ver.di-Mitglieder nur noch im
vertrauten Kreis, weil sie nicht mit den Mitgliedern
zusammenarbeiten wollten, die sie für „U-Boote“ des Arbeitgebers
hielten. Außerdem nahm Dede als Wahlvorstand den
ver.di-Vorschlag zur Betriebsratswahl nicht an – angeblich wegen
eines Formfehlers. „Kurz vor Ablauf der Einreichungsfrist um 24
Uhr teilte er ver.di mit, dass der Listenvorschlag nicht zur
Wahl zugelassen wird”, erzählt Harry Roggow. Die Gewerkschaft
ging vor Gericht und gewann: Die Wahl musste wiederholt werden.
Auch der verunglimpfte Kollege wehrte sich, und Dede wurde
gerichtlich untersagt, seine Behauptungen zu wiederholen.
Betriebsratsvorsitzender aber ist er immer noch. „Die Lage im
Betrieb ist schwierig”, bestätigt die heute für UPS zuständige
ver.di-Sekretärin Bärbel Winkler.
... und bei Daimler in Untertürckheim
Auch die Kollegen von der IG Metall im Daimler-Werk
Untertürckheim hatten ein Problem mit einem Mann von Rechts. Bei
ihnen vertrat 2007 Oliver Hilburger die Christliche Gewerkschaft
Metall. Zudem war er Schöffe beim Arbeitsgericht in Stuttgart,
als bekannt wurde, dass er in seiner Freizeit Gitarrist der
Neonazi-Band „Noie Werte” war, in deren Texten der
Hitler-Stellvertreter Rudolf Heß verehrt wird.
Doch die Mitarbeiter nahmen das nicht hin. „Immer wieder wurden
Artikel über den Fall im Scheibenwischer, der IG
Metall-Betriebszeitung für die Beschäftigten, veröffentlicht”,
erzählt Alexandra Wolf, die Kommunikationsbeauftragte des
Betriebsrats.
Die Mehrheit der Betriebsräte verabschiedete eine Erklärung
gegen Hilburger. Der Druck wirkte. Im Juli 2007 trat der
Rechtsrocker vom Posten des Betriebsrats zurück. Im Januar 2008
beschloss das Arbeitsgericht in Stuttgart dann auch seine
Enthebung vom Schöffenamt. Eine Entscheidung, die bei ver.di mit
Genugtuung aufgenommen wurde. Warnt die Gewerkschaft doch immer
wieder davor, dass Rechtsextreme versuchen, sich unter die
Schöffen zu mischen.
Derzeit lägen noch keine konkreten Hinweise vor, in welchen
Betrieben im Frühjahr Rechtsextreme kandidieren könnten, sagt
Uwe Woetzel aus der ver.di-Bundesverwaltung. Umso wachsamer
sollten Gewerkschafter/innen sein. Rein rechtlich ist gegen die
Kandidatur von Neonazis nichts zu machen, denn jeder, der
volljährig ist und seit mindestens sechs Monaten im Betrieb
arbeitet, kann kandidieren. Aber die Kollegen können aufgeklärt
werden, und Druck lässt sich erzeugen. Auch wenn sich
Rechtsextreme in Betrieben als Vertreter der Beschäftigten
darstellen wollen, klar ist: Sie haben keine Antwort auf
Probleme, sondern propagieren Nationalismus und Hass auf
ausländische Kollegen.