Europäische Union
Neuer Zusammenschluss rechtsextremer Parteien

von
Bernard Schmid

11/09

trend
onlinezeitung

Am Samstag, den 25. Oktober 2009 wurde in Budapest ein neuer Zusammenschluss rechtsextremer Parteien auf EU-Ebene der Öffentlichkeit vorgestellt. Er hört im Französischen – zwei der derzeit fünf beteiligten Parteien sind französischsprachig - auf den Namen Alliance des mouvements nationaux européens. Dies ergibt im Deutschen „Verband“ oder „Bündnis der europäischen nationalen Bewegungen“.In der Zwischenzeit hat die neue rassistische Allianz bereits zwei neue Treffen anberaumt: Sie trifft sich, laut Angaben von Brun Gollnisch (Vize-Vorsitzender des französischen Front National) auf einer FN-nahen Homepage, erneut am 10. November in Paris und am 12. November dieses Jahres in Brüssel. (Vgl. http://leblogdemayafn.canalblog.com)

Die neue Allianz, so erklärte der stellvertretende Vorsitzende der ungarischen rechtsextremen Partei Jobbik („Die Bessere“) und Europaparlamentarier Zoltan Balczo gegenüber der Presse, solle alsbald in Brüssel oder Strasbourg ordnungsgemäb als neue EU-weite Partei registriert werden. Ihr Gegenstand sei es u.a., „Europa gegen den religiösen, politischen, wirtschaftlichen und finanziellen Imperialismus zu schützen“ - wie es in einer Neun-Punkte-Erklärung heibt, die von den in Budapest versammelten Parteien angenommen wurde. Die supranationalen Strukturen der EU in ihrer heutigen Form werden abgelehnt, ebenso der „Globalismus“.

Auswahl von Ort und Datum blieben mitnichten dem Zufall überlassen. Eine der Hauptkräfte in der neuen Allianz ist die ungarische nationalistisch-antisemitische Partei „Jobbik“, weshalb die Wahl leicht auf Budapest fiel. Und das Datum Ende Oktober fällt in die Periode, in der alljährlich das Gedanken an den Aufstand von Ende Oktober 1956 gegen die damalige sowjetische Besatzungsmacht gefeiert wird. Der französische rechtsextreme Politiker Jean-Marie Le Pen hatte sich vor diesem Hintergrund schon am 26./27. Oktober 1996 in Budapest aufgehalten und auf einer Grobkundgebung gesprochen. Am 23. Oktober 2003 trat er nochmals dort auf (vgl. http://reflexes.samizdat.net/spip.php?article180). Einlader war damals allerdings jeweils die ungarische „Partei der Wahrheit und des Lebens“ (MIEP) des antisemitischen Schriftstellers Istvan Csurka. Letztere ist inzwischen in der Bedeutungslosigkeit versunken, während die - 2003/04 zum Teil aus einer Abspaltung von der MIEP entstandene - Bewegung „Jobbik“ in den Mittelpunkt rückte.

Letztere, die bei den Europaparlamentswahlen im Juni 2009 in Ungarn 14,77 % der Stimmen und drei Sitze erhielt, zählt derzeit zu den mit Abstand dynamischsten rechtsextremen Parteien in Europa. Ihre paramilitärische „Ungarische Garde“ wurde hingegen offiziell verboten. Besonderen Auftrieb erhält die naziähnliche „Bewegung“ dadurch, dass die soziale Frage in Ungarn weitestgehend rechts bis rechtsradikal besetzt und nationalistisch-rassistisch-antisemitisch aufgeladen werden konnte. Einer der Gründe dafür besteht darin, dass die (regierende) ungarische Sozialdemokratie einerseits realsozialistisch-stalinistischer Herkunft ist - sie ging nach der „Wende“ 1989 aus der früheren stalinistischen Staatspartei hervor -, also ihre Wurzeln im „alten Regime“ hat. Und dass sie andererseits, vor allem, eine neoliberale Gegenwart als Regierungspartei hat. Aus beiden Gründen gleichermaßen erscheint diese Partei als Trägerin sozialer Gerechtigkeits- und Veränderungswünsche oder Hoffnungen kaum tauglich. Die politische Rechte aller Schattierungen - bis hinein in ihre extremen, faschistischen Varianten hinein - hat es in Ungarn großenteils geschafft, solcherlei soziale Veränderungs- oder, in diesem Fall, eher Abrechnungs-Wünsche auf ihre Mühlen zu lenken.

Jobbik und Front National

Neben dem französischen Front National (FN), für den der Europaparlaments-Abgeordnete und Vizepräsident Bruno Gollnisch nach Budapest anreiste, ist „Jobbik“ die tragende Hauptkraft der neuen Allianz. Beide Parteien nähern sich auch dadurch einander an, dass sie in aubenpolitischen Fragen heute eine eher antiwestlich-antisemitisch geprägte Linie vertreten. Dies unterscheidet sie von eher proamerikanisch und pro-israelisch orientierten Rechtsparteien, wie der erfolgreichen niederländischen „Freiheitspartei“ (PVV) des Moslemshassers Geert Wilders. In Deutschland entspräche erstere Position eher vergröbert jener der NPD, letztere jener der auf regionaler Ebene erfolgreichen Rechtspopulisten von „Pro Köln“, die vorwiegend die Agitation gegen „den Islam“ in den Vordergrund rückt. In konservativ-liberalen bis in rechtskonservative Kreise hinein ist die erstgenannte Position weitaus weniger „bündnisfähig“.

Allerdings gibt es im Milieu des französischen Front National derzeit noch Streit um seine Teilnahme an der neuen europäischen Allianz. Zumindest eine Satellitenstruktur des FN, die vorwiegen sozialdemagogisch und zu fragen der Wirtschafts- und Sozialpolitik auftretende Vereinigung ‚Populisme et perspectives françaises’ (PPF, „Populismus u. französische Perspektiven“), hat auf ihrer Homepage und in einem Pressekommuniqué eine harsche Kritik daran formuliert. Sie forderte „Nein zu einer europäischen Nationalistenpartei!“ Und verlangte Aufklärung darüber, „wer Bruno Gollnisch (Anm.: den Vizepräsidenten der Partei mit Zuständigkeit für internationale Fragen) ein Mandat gegeben hat“, um in Budapest aufzutreten und an dem Gründungskongress vom 25. 10. teilzunehmen. Dem Projekt einer transnationalen, West- und Osteropa übergreifenden Rechtsbewegung erteilt PPF in ihrem Text, der am o6. November o9 publiziert wurde, eine harsche Absage & Abfuhr: „Rumänien, Bulgarien, Polen und Ungarn“ (und nicht nur Indien und China) seien doch Billiglohnländer, zu deren Gunsten gute „französische Arbeit“ verloren gehe und Firmen abwanderten. Und nicht allein die aubereuropäische Immigration/Einwanderung stelle eine Belastung dar: „Sind die rumänischen Roma in Marseille etwa kein Problem?“ Deswegen seien nur nationale Lösungen, des „Französisch-Produzierens mit französischen Arbeitskräften“, anstrebenswert...

Die übrigen drei Parteien, die der frisch gegründeten Allianz derzeit angehören, sind eher schwächere Parteien und kleinere Abspaltungen von einflussreicheren Rechtskräften. Dies gilt für die italienische Partei Fiamma tricolore (benannt nach der dreifarbigen italienischen Nationalflagge): Bei ihr handelt es sich um einen „traditionell“ orientierten Überrest des früheren neofaschistischen MSI („Italienische Sozialbewegung“), der die 1995 durch die Hauptpartei unter Gianfranco Fini vollzogene Umwandlung in eine rechtskonservative und „regierungsfähige“ Partei unter dem Namen Allenza Nazionale nicht mit vollzog.

Schweden, Briten, Österreicher

Auch die ebenfalls beteiligten schwedischen „Nationaldemokraten“ (Nationaldemokraterna) sind von diesem Kaliber. Es handelt sich bei ihnen um eine extreme Abspaltung der „Schwedendemokraten“ (SD, Sverigedemokraterna). Letztgenannte Rechtspopulisten sind derzeit recht erfolgreich, und es wird vermutet, dass sie bei den schwedischen Parlamentsjahren in knapp einem Jahr die dort geltende Vier-Prozent-Hürde überwinden dürften. Bei den Wahlen 2006 waren sie noch mit 2,93 % an ihr gescheitert. Die extremen „Nationaldemokraten“ ihrerseits wurden bislang von 0,1 % gewählt. Hingegen sind die SD in jüngster Zeit auf dem Weg, ihren Einfluss zu steigern: Vor wenigen Tagen veröffentlichte die auflagenstarke Tageszeitung Aftonbladet (Abendblatt) einen Gastbeitrag ihres Vorsitzenden Jimmie Akesson, in dem dieser offen gegen Moslems – „die gröbte ausländische Bedrohung Schwedens seit Ende des Zweiten Weltkriegs“ – hetzen konnte. (FUSSNOTE: Anm. 1) - Seitdem tobt die Debatte darüber, ob es besser sei, die Rechten nicht zur Kenntnis zu nehmen, oder aber ob Ausgrenzung sie nur stärke und man sie deswegen zu Wort kommen lassen müsse.

Die fünfte Partei im Bunde, der belgische Front National (FN) – der vor allem in der Wallonei, dem französischsprachigen südlichen Landesteil, verankert ist und dort Wahlergebnisse zwischen 4 und 8 Prozent erhielt – wurde 1985 nach dem Vorbild der gleichnamigen französischen Partei gegründet. In den letzten Jahren stellte der FN belge allerdings eher ein Sorgenkind für die Franzosen dar. Abspaltungen und Skandale etwa um Holocaustleugner erschütterten die Reputation der Partei. Noch im Vorfeld der diesjährigen Europaparlamentswahl stritten sich zwei Hälften gerichtlich um das Recht, den Parteinamen führen zu dürfen.

Wie Jobbik-Vertreter an jenem 25. Oktober – dem Gründungstag -  in Budapest vor der Presse erklärten, seien „Verhandlungen im Gange“, um auch den Beitritt anderer Rechtskräfte zu der neuen rechtsextremen Allianz zu erzielen. Als Ansprechpartner nannten sie dabei besonders die British National Party (BNP), die österreichische FPÖ sowie „Parteien in Spanien und Portugal“.

Die FPÖ unter Heinz-Christian Strache unterhält offiziell keinerlei Kontakte zur rechtsextremen Jobbik in ihrem Nachbarland Ungarn. Mutmablich geht man bislang davon aus, es würde die FPÖ, die selbst wiederholt zu Vorwürfen aufgrund von Antisemitismus Anlass gegeben hat, zu stark belasten.

Hingegen unterhält die britische BNP unter Nick Griffin im Europaparlament, wohin sie im Juni 2009 zum ersten Mal (mit 6,2 % der Stimmen) einzog, erklärtermaben Kontakte auch zu Jobbik. Ihr Vorsitzender, Griffin, wurde am vergangenen Donnerstag, den 22. Oktober erstmals in eine Absendsendung der BBC eingeladen. Die Sendung sorgte für einen veritablen Eklat, und antifaschistische Demonstrant/inn/en (ihrer kamen 500 bis 1.000 vor der BBC zusammen) drangen bis ins Foyer der Fernsehanstalt in London vor. Sie wurde jedoch auch zum bombastischen Publikumserfolg mit über acht Millionen Zuschauer/innen/n. Infolge dieses Auftritts ihres Vorsitzenden im BBC-Fernsehen schossen die Umfragewerte der rechtsextremen Partei in den folgenden Tagen nach oben: 22 % „prüfen“ demnach „ernsthaft“, ob sie künftig für die Partei stimmen wollen.  (Vgl. http://www.telegraph.co.uk) Allerdings schlüsselt sich diese Zahl näher auf in 4 %, die ihrer künftigen Wahlentscheidung (zu ihren Gunsten) „sicher“ seien, weitere 3 %, die dies als „wahrscheinlich“ betrachteten, und weitere 15 %, dies „möglicherweise“ in Erwägung zögen. Deswegen, und in Anbetracht der manifesten Unsicherheit und des Eierns bei manchen Fragen – denen er nur ausweichend antworten mochte – anlässlich des TV-Auftritts Nick Griffs, relativeren manche Beobachter den Erfolg des BNP-Chefs doch erheblich. (Vgl. http://jungle-world.com/artikel/2009/44/39655.html )

Die 1982 gegründete BNP hat erst vor kurzem eine Bestimmung ihrer Statuten, wonach Nichtweiben der Zutritt ausdrücklich verboten war, aufgehoben. 

FUSSNOTEN:

ANMERKUNG 1:
Vgl. im Original: http://www.aftonbladet.se .ab, oder deutsch dazu: http://www.eurorex.info

Editorische Anmerkungen

Wir erhielten den Artikel vom Autor zur Veröffentlichung.