Jetzt ist es amtlich
Bundeskanzlerin bestätigt Auswirkungen der weltweiten Wirtschaftskrise im Jahr 2010!


von
Harry Waibel

11/09

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onlinezeitung

„Die volle Wucht der Auswirkung der Krise wird uns im nächsten Jahr erreichen“, erklärt die Bundeskanzlerin A. Merkel in ihrer Regierungserklärung am Dienstag, 10. November, vor dem Deutschen Bundestag, d. h. wir wissen es jetzt amtlich. Hatte sie vor der Wahl noch ein baldiges Ende der Wirtschafts- und Finanzkrise in Aussicht gestellt, so verkündete sie jetzt: „die Probleme werden erst noch größer, bevor es wieder besser gehen kann“. Die Krise ist noch nicht beendet, sie konnte von der Masse der deutschen Bevölkerung nur deshalb nicht zur Kenntnis genommen werden, weil die hektischen Maßnahmen der politischen Klasse seit dem Herbst 2008 darauf abzielten vor den Bundestagswahlen im September 2009 die ersten Auswirkungen der weltweiten Wirt­schaftskrise „verschwinden“ zu lassen. Die massiven Konjunkturpakete und die extrem Un­terstützung des notleidenden Banken- und Finanzsys­tems (z. B. Landesbanken, Hypo Real Estate, etc.) haben bisher dazu geführt, dass die Krise nicht in eine Depression mutiert ist. Zu diesen enormen Verwerfungen im Finanzsektor „ent­wickelte sich eine Krise der weltweiten Überakkumulation des Kapitals in allen seinen Er­scheinungsformen: Der Industriesektor war durchschnittlich zu 20% (in der Autoindustrie noch wesentlich stärker), die globale Logistik­branche zu 30% und der Banken- und Finanz­sektor zu mindestens 50% überakkumuliert. … Diese Überakkumulationskrise ging aber auch mit einer massiven globalen Unterkonsumtion einher, weil das Kapital im vergangenen Zyk­lus (1966/67 – 2006/7, HW) die Massenein­kommen in den Zentren massiv senkte, in den Schwellenländern die überproportionalen Wachstumsraten auf der Basis von Niedrigstlöhnen erwirtschaftete und die Massenarmut des Südens (Slum Cities, Schattenwirtschaft) im Zu­stand des drohenden Hunger-Genozids belas­sen wurde“.[1] Die gegenwärtigen Umsätze der deut­schen Industrie sind weiter im Fallen, z. B. sinkt die Produktion der strategisch bedeuten­den deutschen Stahlindustrie aktuell um ca. 30%.

Für den Staatshaushalt bedeuten diese ele­mentaren Rückgänge mindere Steuereinnahmen im zweistelligen Milliardenbereich für den Bund, die Länder und die Kommunen, die nur durch erneute, größere Schuldenaufnahmen abgedeckt werden können. Bis zum Ausbruch dieser Krise waren bereits mehrere Millionen Frauen und Männer ohne Beschäftigung, und sie wa­ren und sind ohne jede realistische Per­spektive einer Rückkehr in wie auch immer geartete Arbeitsverhältnisse. Diese Masse an, zu großen Teilen, bereits völlig verarmte Frauen und Männer wurden und werden öffentlich überhaupt nicht mehr wahrgenommen, und wenn über­haupt dann drehten sich öffentlichen Diskus­sionen über diejenigen, die jetzt aktuell die Zeche des kapitalistischen Systems tatsächlich zu bezahlen ha­ben, wie die zuerst ausgemusterten Leiharbeiter und die über 1 Million Arbeiterinnen und Arbei­ter, die in die „Kurzarbeit“ ge­schickt wurden und damit bis zu 30% Einkommensverlust zu verkraften haben. Sie tragen bisher allein die Last der Krise. Die zur Kurzarbeit verdammten Facharbeiter, seit 1945 die Elite der Lohnarbeiter, besonders ausgeprägt sind sie im Süden West-Deutschlands zu finden, sind zum ersten Mal den bru­talen Wechselfällen kapitalistischer Krisen ausgesetzt. Eine wei­tere Auswirkung der Krise ist darin zu sehen, dass die Einkommen insgesamt aus abhängiger Beschäfti­gung gesunken sind und in deren Folge werden die an diese Entwicklung ange­hängten Renten für ca. 20 Millionen Frauen und Männer zumindest in den nächsten zwei Jah­ren nicht erhöht werden. So der Stand im No­vember 2009.

Die Lohnabhängigen werden durch diese volkswirtschaftlichen Erschütterungen, in einer seit 1945 noch nie dage­wesenen Art und Weise, konfrontiert mit Einbußen bei Löhnen und Ge­hälter, durch Erhöhung der Mieten, Abgaben und Gebühren und was dabei von Bedeutung ist, sie stehen diesen Angriffen auf ihren Lebensstandard sozusagen alleine gegenüber. Eine sys­temopposi­tionelle politische Kraft, die ihnen zur Seite stehen könnte, gibt es nicht, denn die Gewerk­schaften haben sich dafür entschieden, an der Seite der deutschen Kapitaleigentü­mer und ihrer Verwalter, als Co-Manager im kapitalistischen und nationalistischen Sinne zu fun­gieren, und Ausbeutung und Unterdrückung zu kultivieren. Die politischen Parteien, die in den Parlamenten die jeweiligen Regierungen oder Oppositionen stellen, bekennen sich uni­sono zur Aufrechterhaltung des kapitalistischen Systems, also zur Aufrechterhaltung der Lohnarbeit. So geschieht es eben auch mit der Partei Die Linke, die im besten Fall ein keyne­sianisches Verständnis der Bewältigung der Krise in die Debatte einführt. Sie hofft auf ein Zusammengehen mit Gewerkschaften, Kirchen usw. um in einer breiten Front, mit eine Poli­tik also, die schon die DKP vor Jahrzehnten erfolglos vorgedacht und vorgeschlagen hatte, die Krise zu meistern. Diese ökonomische und politische Misere trifft auf ein Deutschland, das seit der Vereinigung der beiden deutschen Staaten seinen Weg als dominante Großmacht, auch und vor allem in der Abgrenzung zur USA, sucht und findet.[2] Diese nationale Orientie­rung in der Außenpolitik entspricht eine ungeheuere Entwicklung nationalistischer und ras­sistischer Res­sentiments in der deutschen Bevölkerung, die von entsprechenden Bewusst­seinsinhalten bei Gewerk­schaftsmitgliedern bis hin zur politischen Elite reicht, wie es z. B. der mit Schaum vor dem Mund geifernde Sarrazin, als Mitglied des Vorstands der Deutschen Bundesbank zum Besten gege­ben hat.

Aus der Kritik der realsozialistischen Orthodoxie und der von allen guten Geistern verlassen reformerischen Kräften (SPD, DGB) ist klar und deutlich ersichtlich, dass die traditionelle Arbeiterbewegung die Arbeiterklasse verlassen hat. Unter den Bedingungen der Weltwirt­schaftskrise ergeben sich notwendige Verän­derungen in der Vorstellung von proletarischer Programmatik und Organisierung egalitärer Emanzipationsprozesse und da­bei hat die oberste Priorität die Verhinderung eines Weltwirtschaftskrieges, der in neue Groß­kriege umschlagen kann und die Entwicklung visionärer Vorstellung und Praktiken zu einer sozialistischen Gesellschaft, die unmittelbar mit praktischen Aktionsprogrammen verknüpft ist.[3]

Anmerkungen

[1] Karl Heinz Roth: Die globale Krise, Band 1, Hamburg 2009, S. 60.

[2] Vgl. German-Foreign-Policy.com. Informationen zur deutschen Außenpolitik: Wie in der Zeit nach Bismarck (II), 10.11.2009.

Editorische Anmerkungen

Wir erhielten den Artikel vom Autor zur Veröffentlichung.