Betrieb & Gewerkschaft
Seifenoper Babylon
Kabale und Spekulationen

von
Pascal LeFurieux

11/09

trend
onlinezeitung

Während die halbe Linke darauf wartet, dass die Wirtschaftskrise endlich auch mal die bundesdeutschen Lohnabhängigen zu Taten reizt, kämpfen seit Monaten Beschäftigte des Kinos Babylon Mitte in Berlin nicht nur für höhere Löhne und sichere Arbeitsverhältnisse, sondern auch für Würde, Mitbestimmung, ja sogar für Gewerkschaftsfreiheiten, die in Deutschland ganz offensichtlich rar sind. Hartnäckig bestehen Sie auf ihren Forderungen und darauf, nicht entmündigt zu werden, so dass sie mittlerweile nicht nur im Konflikt mit der Geschäftsführung, sondern auch mit ver.di stehen, die sich unter dubiosen Umständen eingeklinkt hat. Selten hat ein so kleiner Betriebskonflikt solche Wellen geschlagen, selten solche eine Hartnäckigkeit gezeigt. Um die endlich in den Griff zu bekommen, greifen die Opponenten zu allen Mitteln. Nun wird gar ein Gewerkschaftsverbot bemüht. Spätestens jetzt sollte klar sein: Babylon geht alle an!

In dieser Woche sollte eigentlich die zweite Verhandlungsrunde zwischen ver.di und der Geschäftsführung des Babylon Mitte um einen Tarifvertrag stattfinden. Wie das „Neue Deutschland“ am 20.11. berichtete, wurde diese nun aber vertagt ( http://www.neues-deutschland.de/artikel/159531.verhandlungen-ohne-beschaeftigte.html). Warum und auf welchen Zeitpunkt, erfährt mal wieder niemand, auch nicht diejenigen, um die es geht: die Beschäftigten. Die Desinformationspolitik von ver.di ist man mittlerweile ja gewohnt, hat doch der selbsternannte ver.di-Verhandlungsführer Köhn niemals Zweifel daran gelassen, dass er auf einen wirklichen Einbezug der Betroffenen keinen Wert legt.

Vielleicht geschieht das deswegen, dass man alles möglichst spät erst preisgeben möchte (der Tarifvertrag soll zum 1. Januar gelten), um möglichst wenig Raum für Einsprüche zu bieten. Nach der ersten Verhandlungsrunde zumindest musste sich Herr Köhn einiges anhören, wurde doch deutlich, dass sich ein niedriges Ergebnis abzeichnet und die vielen zentralen Forderungen der Belegschaft (siehe http://prekba.blogsport.de/2009/10/21/die-belegschaft-fordert/) unberücksichtigt bleiben.

Vielleicht möchte man das Ergebnis auch deswegen soweit hinauszögern, um Zeit zu gewinnen, z.B. weil man einem Wiedererstarken der Aktivitäten von FAU und aktiven Beschäftigten wenig Vorschub leisten möchte. Denn womöglich gibt es Grund zum Fürchten, dass diese das Ergebnis nicht hinnehmen und wieder in die Offensive gehen könnten.

Aber vielleicht auch steht das damit im Zusammenhang, dass der Betriebsrat mit seinem Drängen auf Betriebsvereinbarungen und die Betriebsgruppe der FAU nach wie vor unbequem sind und auch der FAU Berlin nach dem Anti-Boykott-Urteil nach wie vor zahlreiche Möglichkeiten zur Verfügung stehen (vom weiteren Kampf für einen eigenen Vertrag bis zu hin zur Einforderung nichttariflicher Regelungen mit der Gewerkschaft), die man erst mal noch weiter ausschalten möchte. Denn – Überraschung, Überraschung! – jetzt droht die Geschäftsführung gar mit einer Einstweiligen Verfügung, dass die FAU Berlin nicht mehr als Gewerkschaft auftreten dürfe. Das würde faktisch einem Gewerkschaftsverbot gleichkommen. Mal sehen, ob die Geschäftsführung wirklich diesen Schritt hin zu türkischen Verhältnissen wagt und damit endgültig zeigt, was sie von ArbeiterInnenrechten und Gewerkschaftsfreiheit hält. Ob dann die massiven Subventionen für das angeblich „linke“ Kino für die „linke“ Linkspartei noch tragbar sind? Und wie steht wohl ver.di zu dem Versuch eines Gewerkschaftsverbots? Ob Köhn munter weiter mit der Geschäftsführung schnackt, statt sich endlich mal an die Seite der KollegInnen zu stellen? Klar dürfte sein: die Sache ist explosiv.

Und vielleicht auch liegt es daran, dass Herr Köhn sich nicht sicher ist, wie er das Ergebnis legitimieren soll. Zuletzt war die Kritik gegen ihn auch ver.di-intern gewachsen, weil das Untragbare in seinem Vorgehen immer offensichtlicher wurde. Lehnte er es zwischenzeitlich ab, dass das Ergebnis überhaupt abgestimmt werden sollte, musste er nun einräumen, dass die ver.di-Mitglieder es abstimmen dürfen sollen. Da darf man gespannt sein. Denn mittlerweile ist bekannt, dass eines der ominösen Vier schon länger nicht mehr im Babylon beschäftigt ist. Ein anderes hat seine Mitgliedschaft zum nächst möglichen Zeitpunkt gekündigt. Von Nummer drei munkelt man, dass es eher in der Chefetage angesiedelt sei. Und der Letzte, nun, der protestiert schon länger vehement gehen Köhns Vorgehen. Wer da wohl Köhn herbeigerufen hat und ihm ein „Mandat“ für Verhandlungen gab?

Oder vielleicht macht der unberechenbare Geschäftsführer Grossman das Spielchen gar nicht mehr so mit und denkt sich, dass Herr Köhn doch gar nichts in der Hand habe, um wirklich etwas durchzusetzen. Oder es ist etwa schon alles unter Dach und Fach und man versucht ein Bild von Unstimmigkeiten und Problemen zu erzeugen, um bloß nicht die Vorwürfe aus der Belegschaft und von FAU zu nähren, dass Machenschaften im Spiel sind. Oder, oder, oder…

Man weiß es nicht. Im Dunkeln ist gut Munkeln, wie man so schön sagt. Wo jegliche Transparenz vermieden wird, bleiben halt nur noch die Mutmaßungen. Sowohl Köhn als auch Geschäftsführung scheinen das so zu wollen.

Mit dem jetzigen, irrsinnigen Ansinnen eines Quasi-Gewerkschaftsverbots sollte wohl endlich allen klar sein, um was es alles im Babylon geht. Das Babylon ist zu einem Miniaturabbild der bundesdeutschen Arbeitsbeziehungen geworden. Es liefert einen deutlichen Vorgeschmack, was andere ArbeiterInnen zu erwarten haben, wenn sie es wagen, ihre Kämpfe selbst in die Hand zu nehmen und mehr als nur die typischen Krümel zu fordern. Alle Register werden hier gezogen, um eine aufmüpfige Belegschaft und eine kleine, aufstrebende Gewerkschaft niederzuhalten. Die FAU darf sich geehrt fühlen. Wie einst Bebel sagte, „Lobt dich der Gegner, dann ist das bedenklich, schimpft er, dann bist du in der Regel auf dem richtigen Weg.“ Da hier nicht nur geschimpft, sondern an allen Fronten getobt und gewütet wird, dürfte die Berliner FAU wohl (fast) alles richtig gemacht haben.

Und sie macht es weiter, wenn auch für viele Außenstehende unbemerkt. Wer die Beschäftigten und die FAU dabei unterstützen möchte, sollte sich direkt an sie wenden. Sie informiert erfahrungsgemäß auch gerne aus erster Hand und hat das eine oder andere Informationsbonbon zu bieten.

Editorische Anmerkungen

Wir spiegeln den Artikel zu Dokumentationszwecken von Indymedia, wo er am 22.11.2009 erschien.