Sozioökonomische Interessen, Kräfte und Mechanismen in Deutschland bis zur Gründung der BRD

von Wilma Ruth Albrecht

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1. Wirtschaftliche Ausgangslage nach dem Zweiten Weltkrieg.
2. Personelle Veränderungen des US–Regierungs- und militärischen Besatzungsapparates im Zusammenhang mit der Umorientierung der US-Politik.
3. Interessen in der Auseinandersetzung um Reparationen und deutsches Industrieniveau.
4. Das Problem der Nahrungsmittelproduktion in Deutschland.
5. Die Auflösung der „Anti–Hitler–Koalition“ und die Integration Westdeutschlands in die Strategie der Rekonstruktion Europas in das kapitalistische Welthandelssystem.
6. Zusammenfassung und Ausblick.
7. Anmerkungen.

1. Wirtschaftliche Ausgangslage nach dem Zweiten Weltkrieg

Der Zweite Weltkrieg führte zu einer völligen Umstrukturierung der Weltwirtschaft. Diese Umstrukturierung zeigte sich auf verschiedenen Ebenen: 1) Machtpolitisch-regional bildeten sich im Laufe der ersten Nachkriegsjahre zwei ihrer sozio–ökonomischen Orientierung nach unterschiedliche Systeme heraus, das sozialistische und das kapitalistische-weltwirtschaftliche. 2) Innerhalb des kapitalistisch-weltwirtschaftlichen Systems erfolgte eine Machtverschiebung vom britisch–imperial-kolonistischen zum us-amerikanisch dominierten kapitalistisch-weltwirtschaftlichen. 3) Die während des Krieges erfolgte Umstellung der Volkswirtschaften auf Kriegsproduktion und die damit einhergehenden Folgen für die materiellen Produktivkräfte gewannen bestimmenden Einfluss auf das wirtschaftliche und soziale Leben.

In den entwickelten kapitalistischen Volkswirtschaften führte die Umstrukturierung auf Kriegsproduktion zu einer allgemeinen Erhöhung der industriellen Produktion, des industriellen Produktionsapparates und des Produktionsvolumens, des weiteren zu einer Steigerung der Arbeitsproduktivität, zu stärkeren staatlichen Vorgaben und Eingriffen in die Wirtschaft, zur erhöhten Förderung wissenschaftlich-technologischer Entwicklung sowie damit einhergehend zu Veränderungen der Zusammensetzung des fixen Kapitals.

Angesichts des Tatbestandes, dass die USA die größte industrielle Macht auf der Welt darstellten, profitierten sie auch am stärksten von dieser Entwicklung: So erhöhte sich ihr Bruttosozialprodukt (BSP) von 88,6 Mrd. Dollar im Jahre 1939 auf 135 Mrd. Dollar im Jahre 1943. Die Industrieproduktion wurde beträchtlich gesteigert und erreichte während des Krieges bis zum Höchststand 1944 215% des Standes von 1929. 1944 produzierten die USA 40 % der Rüstungsgüter der Welt, die Kriegsproduktion betrug 1943 40% der nationalen Gesamtproduktion und in Industrie, Bergbau und Bauwesen arbeiteten 1944 44% der Beschäftigten für das Militär.(1)

Ähnliche kriegswirtschaftliche Umstrukturierungen der nationalen Volkswirtschaften hatten auch die anderen industriellen Kriegsteilnehmer zu verzeichnen, wenn auch auf niedrigerem Niveau und unter anderer Schwerpunktsetzung, so auch insbesondere Großbritannien und Deutschland.

Allein die UdSSR profitierte nicht von diesem Wachstumsboom, da die Hälfte ihrer Produktionsstätten „vom Feind“ erobert war. Stattdessen musste sie bei abnehmender industrieller Gesamtproduktion ihre Kriegsproduktion ständig steigern. Dies war nur möglich aufgrund extensiver Ausbeutung von menschlicher Arbeitskraft. Insgesamt wurde die UdSSR durch den Krieg in ihrer sozioökonomischen Entwicklung erheblich zurückgeworfen und geschwächt:

„Es gab keinen wichtigen Industriezweig, dessen Produktionsniveau 1945 ebenso hoch gewesen wäre wie vor der deutschen Invasion.“(2)

Auch der Lebensstandard der Bevölkerung sank drastisch, so dass 1945 die Reallöhne nur 40% des Standes von 1940 erreichten.(3)

Den kompletten Aufsatz als PdF-Datei lesen.

 

Editorische Hinweise

Wir erhielten den Aufsatz von der Autorin.

Der Aufsatz entspricht dem gleichnamigen Kapitel in meinem Buch Nachkriegsgeschichte/n. Sozialwissenschaftliche Beiträge zur Zeit(geschichte). Aachen: Shaker, 2007, 266 p. [ =
Geschichtswissenschaft], hier 99-134. Auch wenn das Buch inzwischen über den „zentralversand antiquarischer Bücher“ (zvab) angeboten wird – es ist keineswegs vergriffen. Sondern
sowohl über Buchhandel als auch Verlag erhältlich.

Wilma Ruth Albrecht (*1947 in Ludwigshafen/Rhein) ist eine deutsche Sozial- und Sprachwissenschaftlerin (Lic; Dr.rer.soc.) mit den Arbeitsschwerpunkten Literatur-, Politik- und Architekturgeschichte des 19. und 20.Jahrhunderts. Sie lebt in Bad Münstereifel (NRW). Letzte Buchveröffentlichungen: Bildungsgeschichte/n (Aachen 2006); Harry Heine (Aachen 2007); Nachkriegsgeschichte/n (Aachen 2008). Die Autorin veröffentlichte 2007 das wiesenhausblatt e-Blätter für Schöne Literatur (-> http://www.wiesenhausblatt.de) und arbeitet seit Herbst 2008 an ihrer Romantrilogie des letzten Jahrhunderts: EINFACH LEBEN. – Aktuell publizierte Wilma Ruth Albrecht literarisch in der Zeitschrift Chaussee 26/2010 die historische Erzählung: Briefe an Jenny [Auswahl]  und im Sammelband FLASCHEN POST (Hg. Richard Albrecht, VerkaaT 2011) die Dokumentarerzählung SPARTAKISTEN. Hochschulsommer neunzehnhundertsiebzig (-> http://gegen-den-strom.org) sowie wissenschaftlich in Aufklärung und Kritik I/2008 Rechtsstaat als Ideologie, in II/2009 Psychologie ohne Logos, in III/2011 zur Vergangenheit von Diplomaten, in IV/2011 Feuerbachs Religionskritik und der historischdialektische Materialismus, in soziologie heute 14/2010: Wer von den Produktionsverhältnissen nicht reden will, sollte vom malerischen Schaffen schweigen … Illustrierte These zur Malerei als Prolegomena einer speziellen Soziologie der Künste und im Jahrbuch für Forschungen zur Geschichte der Arbeiterbewegung II/2010 Arbeiterbewegung und literarische Familienchronik sowie in I/2011 zur „Sickingen-Debatte“ (Marx – Engels – Lassalle).