Kapitalistischer Stadtumbau & Stadtteilkämpfe
Die Wohnung als zinstragendes Kapital

Auszug aus: Ökonomische und politische Determinanten der Wohnungsversorgung

von H. Brede, B. Kohaupt & H.-J. Kujath

11-2012

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In zahlreichen Publikationen wird hervorgehoben, daß es sich bei der Wohnung um eine Ware handele und daß alle Probleme der Wohnungsversorgung im Kapitalismus auf den Waren­charakter der Wohnung zurückzuführen seien.(1) Diese Bestim­mung gibt zwar ein grundlegendes Moment wieder, macht aber vor der Untersuchung der ökonomischen Gesetzmäßigkei­ten halt, die für die Wohnungsversorgung ausschlaggebend sind. - Im Unterschied zu anderen Waren wird die Wohnung in der Regel nicht verkauft, sondern vermietet. Die Vermie­tung wird häufig als ratenweiser (Weiter-)Verkauf angesehen.(2) Das scheint auf den ersten Blick zuzutreffen: Der Mieter nutzt die Wohnung ab und zahlt dafür in monatlichen Abständen einen Preis. Doch erwirbt er nicht das Eigentum an der Woh­nung, sondern nur das Recht, sie zu nutzen. Der Vermieter seinerseits ist kein - wie die häufige Gleichsetzung von Miete mit Profit nahelegt (3) - Händler, der sein Kapital dafür einsetzt, eine Ware - die Wohnung - zu kaufen und sie dann wieder zu verkaufen, um bei diesem Geschäft einen Handelsprofit zu realisieren, und der die gleiche Transaktion mit dem zurückge­flossenen Kapital wieder einleitet. Der Vermieter verkauft sei­ne Ware nicht - auch nicht ratenweise -, sondern er verleiht sie und verlangt dafür einen Zins. Für ihn ist die Wohnung Wa­renkapital, das er verleiht. Zwar stellt er für die Abnutzung der Wohnung eine Abschreibung in Rechnung, aber diese ist kein - entsprechend der Abnutzung ratenweise gezahlter -Kaufpreis, sondern Rückerstattung des entliehenen Kapitals: »[. . .] alles verliehene Kapital, welches immer seine Form und wie die Rückzahlung durch die Natur seines Gebrauchswerts modifiziert sein mag, ist immer nur eine besondre Form des Geldkapitals. Denn was hier verliehen wird, ist immer eine be­stimmte Geldsumme, und auf diese Summe wird denn auch der Zins berechnet. Ist das, was ausgeliehen wird, weder Geld noch zirkulierendes Kapital, so wird es auch zurückgezahlt in der Weise, wie fixes Kapital zurückfließt. Der Verleiher er­hält periodisch Zins und einen Teil des verbrauchten Werts des fixen Kapitals selbst, ein Äquivalent für den periodischen Ver­schleiß. Und am Ende der Frist kehrt der unverbrauchte Teil des verliehenen fixen Kapitals in natura zurück. «(4)

Die Höhe des Mietpreises wird häufig einfach auf das jeweili­ge Verhältnis von Angebot und Nachfrage auf dem Wohnungs­markt zurückgeführt.(5) Da jedoch das Vermieten des Hauses bzw. der Wohnung als Verleihen von Kapital (das Haus bzw. die Wohnung also als zinstragendes Kapital) zu bestimmen ist, zeigt sich, wovon vor allem die Miethöhe abhängt: Der Haus­eigentümer ist an einer möglichst hohen Verzinsung seines lang­fristig angelegten Kapitals interessiert, und er wird nur dann bereit sein, sein Kapital in Form der Wohnung anzulegen, wenn ihm eine im Verhältnis zu anderen Kapitalanlagesphä­ren zumindest durchschnittliche Verwertung gewährleistet er­scheint. Die Miete muß deshalb diese Verwertung garantieren - neben der Abschreibung, den laufenden Kosten für Instand­haltung und Betrieb sowie neben einer Rente für den zur Ver­fügung gestellten Grund und Boden. Der quantitativ wichtig­ste Bestandteil der Miete ist der Zins auf das vorgeschossene Kapital. Die Verzinsung ist es, die sich der Hauseigentümer von der Wohnungsvermietung erhofft und die ihn deshalb zum Bau oder Kauf des Hauses veranlaßt hat. Die Höhe dieses Zin­ses ist von zwei Faktoren abhängig: von der Größe des vor­geschossenen Kapitals und von dem Zinssatz, der auf dem Wohnungsmarkt erzielt werden kann.

Anmerkungen
1) Vgl. Johannes Feig, Nachfrage und Angebot auf dem Wohnungsmarkt, in: Die Wohnungs- und Siedlungsfrage nach dem Kriege, a.a.O., S. 37 f.; Rolf Kornemann, Fehlsubventionierungen . . ., a.a.O., S. 13 ff.
2) Vgl. Helmut W. Jenkis, Die Unternehmensmiete. Die Notwendigkeit und Problematik der Neuorientierung der Mietenpolitik, Münster 1968, S. 9.
3) Vgl. z. B. Rainer Neef, Die Bedeutung des Grundbesitzes in den Städten, in: Kursbuch 27, Mai 1972, S. 32 ff., insbesondere S. 57 ff.
4) Karl Marx, Das Kapital, Dritter Band, a.a.O., S. 356.
5 Vgl. Richard Bräutigam, Mietpreisbildung und Mietpreise, in: Handwörterbuch des Wohnungswesens, Jena 1930, S. 550 f. Siehe auch die Ausführungen auf S. 46 ff.

Editorische Hinweise

Der Text erschien in: H. Brede, B. Kohaupt & H.-J. Kujath, Ökonomische und politische Determinanten der Wohnungsversorgung, Ffm. 1975, S. 24f.