Bernard Schmid berichtet aus Frankreich

Rechtsextrem regierte Rathäuser
In Bälde eines, vielleicht zwei weniger? In Le Pontet und in Hayange wackeln die Amtssessel. Und eine vorläufige Bilanz ihrer Amtsführung
 

11-2014

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Die Kette könnte an zwei ihrer schwächsten Glieder reißen, doch vorläufig hält sie noch. Elf Bürgermeister waren im Frühjahr dieses Jahres auf Listen des rechtsextremen Front National (FN) in französische Rathäuser gewählt worden. Hinzu kommen noch eine Reihe weiterer Amtsträger in kleinen Kommunen, in denen prinzipiell nur parteifreie oder –übergreifende Listen zu den Rathauswahlen kandidieren. In ihrer Ausgabe vom 15. Oktober 14 publizierte die französische Wochenzeitung Le Canard enchaîné die Namen von einem halben Dutzend Bürgermeistern, die auf Listen ohne Parteizugehörigkeit in die Rathäuser gewählt wurden, aber selbst einen Mitgliedsausweis der rechtsextremen Partei besitzen1. Und es dürfte ihrer noch mehr geben. Ferner stellt eine andere, kleinere rechtsextreme Formation, die Regionalpartei Ligue du Sud, ihrerseits vier Bürgermeister in Südostfrankreich2. Insgesamt leben knapp eine halbe Million Menschen unter rechtsextremer Verwaltung, davon gut 400.000 in den elf offiziell FN-geführten Städten3.

Gerichtliche Aufhebung...

Doch nun fiel am Donnerstag, den 16 Oktober 14 ein Gerichtsurteil, das bei einem der elf „offiziellen“ FN-Bürgermeister zur Amtsenthebung führen könnte. An diesem Tag annullierte ein Verwaltungsgericht in Nîmes die Wahl von Joris Hébrard vom Front National zum Bürgermeister von Le Pontet, einer Stadt mit 17.000 Einwohner/inne/n in der Nähe von Avignon und Partnerstadt des deutschen Hochheim am Rhein4. Ende März dieses Jahres hatte er mit nur sieben Stimmen Vorsprung vor dem konservativen Gegenkandidaten Claude Toutain abgeschnitten. Da siebzehn Unterschriften auf den Wahlunterlagen unleserlich waren, bestehen hinreichend Zweifel an der Regelmäßigkeit des Urnengangs. Die Kläger und die Justiz mutmaßten, die fraglichen Unterschriften seien möglicherweise nachträglich eingefügt worden, da sie anscheinend bzw. möglicherweise nicht durch dieselbe Hand (des oder der Vorsitzenden des Wahlbüros) angebracht wurden, die die übrigen Stimmabgaben bestätigt hatte. Auf diese Weise hätte man möglicherweise Stimmen mitzählen können, die im Namen von Nichtwähler/inne/n abgegeben wurden5.

Da Hébrard allerdings ankündigte, vor den Conseil d’Etat zu ziehen, das oberste Verwaltungsgericht, dürfte sich die Prozedur noch einige Monate hinziehen6.

...und Trouble um die Wahlkampffinanzierung

Am Freitag, den 24. Oktober 14 kam nun noch die Entscheidung einer offiziellen Kommission hinzu, die einen zweiten FN-Bürgermeister in erhebliche Schwierigkeiten bringt. An jenem Freitag verkündete die „Nationale Kommission für Wahlkampfkosten und Parteienfinanzierung“ (CNCCFP) offiziell, dass sie das Wahlkampfkostenbudget der Liste von Fabien Engelmann vom FN im lothringischen Hayange beanstandet. Dessen Wahlkampfbudget für die Rathauswahl vom 23. und 30. März dieses Jahres wird durch diese Entscheidung zurückgewiesen7.

Jede Liste in Frankreich darf nur bis zu einer gesetzlich gezogenen Obergrenze hin Gelder für ihren Wahlkampf ausgeben, um Bedingungen für einen halbwegs fairen Wettbewerb zu gewährleisten; werden die Regeln eingehalten und wird eine bestimmter Mindest-Stimmenanzahl erreicht, erhält die entsprechende Liste dann einen Anspruch auf Rückerstattung ihrer Wahlkampfkosten8. Um über die Einhaltung der Regeln wachen und die Ausgaben kontrollieren zu können, muss jede Kandidatenliste eine(n) Wahlkampfkosten-Beauftragte(n) ernennen. Nur diese Person - und ausschließlich sie - ist dann dazu befugt, Ausgaben während der Wahlperiode im Namen ihrer Liste zu tätigen.

Fabien Engelmann (35) regiert die ostfranzösische Kommune mit knapp 16.000 Einwohner/inne/n seit dem Frühjahr. Er steht doch seit mehreren Wochen im heftigen Streit mit seiner vormaligen Ersten Beisitzerin, der Lokaljournalistin Marie Da Silva; Hintergrund dafür ist die oft eigenwillige bzw. eigenmächtige Amtsführung des „Tyrannen aus Lothringen“9, wie die Pariser Abendzeitung Le Monde ihn nannte, in „seinem“ Rathaus. Diese Dame legte daraufhin in der Öffentlichkeit Dokumente vor, die darauf hinweisen, dass bei den Wahlkampfkosten geschummelt worden sein dürfte: Aus ihnen soll hervorgehen, dass Marie Da Silva selbst (an der Person des oder der allein zuständigen Wahlkampfkosten-Beauftragten vorbei) rund 3.000 Euro für den Wahlkampf zugeschossen hatte, als Darlehen respektive als Bürgschaft in Höhe von 1.575 Euro. Unbefugt, ungültig, ungesetzlich!

Ihr wurde daraufhin am 03. September 14 im Kommunalparlament der bisherigen Posten entzogen; dabei scheint jedoch bei der Abstimmung nicht Alles mit rechten demokratischen Dingen zugegangen zu sein. Zwei weitere Beisitzer(/in) im Rathaus, die ebenfalls zu Da Silva halten und ihren bisherigen Chef – Bürgermeister Engelmann – kritisierten, sollten daraufhin auch noch abgesetzt werden. Es handelte sich um Patrice Hainy und um Emmanuelle Springmann, bis zu ihrer Absetzung respektive zuständig für Sport und für den Handel. Eine Abstimmung dazu wurde auf diesen Montag, den 27. Oktober 14 angesetzt. Dort wurde sie die Sanktion dann tatsächlich bestätigt10. Aus diesem Anlass zerrissen, bzw. zerschnitten (mit Hilfe einer Schere), jedoch Patrice Hainy und Marie Da Silva in der Öffentlichkeit ihre Mitgliedsausweise vom Front National, und demonstrierten dadurch ostentativ ihren Austritt aus ihrer früheren Partei11. Dies war natürlich ein gefundenes Fressen für die Medien.

Aufgrund der öffentlichen Ausführungen seiner vorherigen Ersten Beisitzerin geriet Fabien Engelmann nun jedoch in erhebliche Erklärungsnöte, und sein Wahlkampfkosten-Haushalt wurde in der Konsequenz nun durch die zuständige Kommission zensiert. In der weiteren Folge könnte nun ein Verwaltungsgericht seine Wahl nachträglich annullieren, falls er zu der Auffassung kommt, dass der Verstoß dafür gravierend genug sei12. Auch der Amtssessel des jungen antimoslemischen Fanatikers Fabien Engelmann hat also inzwischen zu wackeln begonnen. Jener selbst beruft sich allerdings darauf, es liege (ihm zufolge) kein bewusstes Fehlverhalten vor, sondern lediglich Inkompetenz und ein „Irrtum technischer Natur“.

Erhöhung in eigener Sache und „Sparzwang“

Sollte es allerdings zur Neuwahl gerade in diesen beiden Kommunen kommen, dann dürfte es für den FN möglicherweise schwierig werden. Denn von allen Amtsträgern der rechtsextremen Partei war Hébrard (in Le Pontet) vielleicht derjenige, der am wenigsten auf taktische Rücksichtnahmen achtete, die dadurch erforderlich werden, dass der FN im Licht der Scheinwerfer steht - und stärker als andere Parteien für seine kommunalpolitische Bilanz haftbar gemacht wird.

Der 31jährige hatte seine eigenen Bezüge als Bürgermeister durch die Kommunalverordneten seiner Partei um 44 Prozent erhöhen lassen13, was zu einer heftigen Kontroverse auf der Stadtratssitzung vom 21. Mai geführt hatte. Der Beschluss wurde dann allerdings im August d.J. durch den Präfekten, der im Namen des Zentralstaats eine Rechtsaufsicht über die Kommunen ausübt, annulliert14. Sein Amtskollege im südostfranzösischen Département Var, Philippe de la Grange, Bürgermeister der Kleinstadt Le Luc (10.000 Einwohner/innen), hatte sich seinerseits 15 Prozent Erhöhung gegönnt. Und hatte Kritik zurückgewiesen, indem er darauf verwies, dass angeblich „Ausländer, die nie in Frankreich gearbeitet“ haben, unverdient fette Renten ausbezahlt bekämen15 – was selbstverständlich nicht zutrifft, sondern eine glatte Lüge darstellt16.

Derselbe Joris Hébrard, der junge Herr mit der 44prozentigen Erhöhung, hatte zugleich Ende Juni dieses Jahres den kostenlose Schulspeisungen für die Kinder der ärmsten Familien in „seiner“ Stadt ein Ende gesetzt – unter Verweis auf finanzielle Schwierigkeiten und Sparzwänge17. Und als er ein sozialpolitisches Stadtteilzentrum unter dem Vorwand finanzieller Probleme dichtmachen wollte, musste er sich entgegen halten lassen, dass es schwarze Zahlen schreibe. Worauf er nur zu entgegen wusste, ausgeglichene Konten bzw. ein Wirtschaften mit Gewinn bedeuteten ja nicht, „dass es kein finanzielles Problem gibt“.18 Hébrard bleibt also erst einmal als ein Stadtoberhaupt mit umstrittenen Beschlüssen und Streitigkeiten zu Beginn seiner Amtsführung im Gedächtnis19. Zu seinen sonstigsten „dringlichsten“ Beschlüssen, seit seinem Amtsantritt im Rathaus, zählen das Verbot (besonders ausländischer) Fahnen bei Hochzeiten – seit nunmehr drei Jahren erregten sich rechtsextremen Politiker wie Jacques Bompard und die rechtsextreme Wochenzeitung ,Minute‘ wiederholt über marokkanische oder algerische Flaggen bei Hochzeitsfeiern vor Rathäusern – und die ostentative Verstärkung der Kommunalpolizei20.

Fabien Engelmann seinerseits ist in seiner Amtsführung in Hayange aufgrund diverser Eskapaden, und noch auch noch zusätzlich durch den heftigen Streit mit seiner ehemaligen Ersten Beisitzerin und anderen vormaligen Wegbegleitern, ziemlich geschwächt. Politisch könnte es also für den örtlichen FN möglicherweise ein Desaster hervorrufen, falls in naher Zukunft „ausgerechnet“ im lothringischen Hayange neu gewählt werden müsste. Noch ist dies, also eine vorgezogene Neuwahl im Fall Hayange, allerdings nicht garantiert.

Erziehung“ und Sozialabbau

Andernorts nimmt der FN etwas stärkere Rücksichten auf taktische Erfordernisse und achtet manchmal darauf, was bei der Bevölkerung ankommt oder, im Gegenteil, Anstoß erregt. Auch wenn er in der Mehrzahl der Fälle auch dort auf Sparpolitik setzt, sozialpolitischen Einrichtungen ihre Mittel sperrt oder reduziert - und sie mitunter zum Dichtmachen zwingt wie in Villeneuve, einem Stadtteil von Fréjus an der Côte d’Azur, sofern sie auf missliebige Weise Stellung bezogen hatten21.

In Béziers westlich von Montpellier, dessen Bürgermeister Robert Ménard – früher einmal ein Linker sowie Chef von „Reporter ohne Grenzen“, aber längst scharf nach rechts gerückt – parteilos ist aber für den FN kandidiert hatte, versucht die Rathausführung die Sparmaßnahmen gezielt zur „Erziehung“ der ärmeren Teile der Bevölkerung einzusetzen. Die Stadtregierung von Béziers, 71.000 Einwohner und derzeit die größte rechtsextrem regierte Kommune, hat seit dem Frühjahr eine Reihe neuer lokaler „Straftatbestände“ bzw. Ordnungswidrigkeiten eingeführt. So verhängt die Kommune eigens geschaffene Strafzettel für das Aufhängen von Wäsche an den Fenstern ab zehn Uhr früh22, für Auf-den-Boden-spucken23 und ähnliche Nichtigkeiten. Ménard verteilt zudem, auf freiwilliger Basis, graue Schuluniformen an die Schülerinnen und Schüler seiner Stadt, wie sie zuletzt vor mehreren Jahrzehnten in ganz Frankreich getragen wurden24. Während er gleichzeitig außerunterrichtliche Betreuungsstunden – eine Erleichterung für die Eltern – abschaffte, wenn ein Elternteil arbeitslos ist. Pech für Arbeitsuchende, wird ihnen doch entgegenhalten, sie seien ja derzeit nicht beschäftigt. Dies hat es allerdings zuvor auch bereits in anderen Kommunen gegeben25.

Die Stadtregierung, die also offenkundig von einer Rückkehr schnurstracks in die Vergangenheit träumt und zugleich alltägliche Verhaltensweise kontrollieren möchte, reduzierte den lokalen Hilfsfonds für soziale Härtefälle um fünf Prozent. Die Verringerung soll jedoch für gezielte Zwecke genutzt werden. Wer sich nämlich eines der neu geschaffenen örtlichen „Straftatbestände“ schuldig machte, jedoch von Härtefallhilfen abhängig ist, soll vorgeladen werden, um sich die Leviten lesen zu lassen. Wird der Vorladung nicht Folge geleistet, entfällt die Hilfe26. Nimmt man hinzu, dass Ménard, dem überregionale Ambitionen nachgesagt werden27, sich in der vom Rathaus herausgegebenen Kommunalzeitung abfeiern lässt wie dereinst Nicolas Ceausescu in den rumänischen Staatsmedien vor 198928, ahnt man, was der Mann vielleicht tun würde, hätte er mehr Macht als heute. Günstigstenfalls wohl die Errichtung einer Art Erziehungsdiktatur29...

Vorrang für Symbolpolitik

Oft bleibt die rechtsextreme Stadtpolitik jedoch weitgehend im Rahmen von Symbolpolitik, die den Anhängern des FN das Herz erwärmen soll, aber an den realen Lebensverhältnissen der örtlichen Bevölkerung natürlich nichts ändert. Im „siebten Sektor“ von Marseille etwa, der die ärmsten nördlichen Stadtbezirke (den 13. und den 14.) der Mittelmeermetropole mit circa 150.000 Einwohnerinnen und Einwohnern umfasst, regiert seit den letzten Kommunalwahlen der FN-Bezirksbürgermeister Stéphane Ravier. Der 44jährige ist seit nunmehr dreißig Jahren bei der extremen Rechten aktiv. Zu seinen kuriosesten Einfällen zählt es, dass tagtäglich ein Kommunalbediensteter dafür abgestellt wird, die französische Fahne am Rathaus am Morgen glattzustreichen und den Rest des lieben langen Tages darauf zu achten, dass sie sich nicht einrollt30.

Klingt dies noch witzig, so ist nicht ganz so komisch, dass die Bezirksverordneten seiner Partei, mit Stéphane Ravier an der Spitze, gegen städtische Mittelzuwendungen für soziale Stadtteileinrichtungen stimmten. Und zwar mit der Begründung, man solle nicht „Millionen ausschütten“ für (anscheinend von Natur aus) „kriminalitätsanfällige Zonen“ und ihre Bevölkerungen, unter denen ja nicht sonderlich viele blonde Nordeuropäer seien („il n’y a pas beaucoup de Scandinaves“)31. Und auch nicht sehr lustig ist, dass er nun anscheinend plant, nur Kinder mit französischem Ausweis zur vorgesehenen Weihnachtsfeier 2014 im FN-geführten Rathaus zuzulassen32. Denn der Weihnachtsmann ist strenger Nationalist.

Noch weniger belustigend sind andere symbolpolitische Weichenstellungen, die vor allem die rechtsextreme Kernwählerschaft bei der Stange halten sollen. So in der FN-regiertenStadt Cogolin (11.000 Einwohner), wo die Rathausregierung auf Teufel komm raus versucht, einen schnöden Parkplatz mit einigen Bäumen in „Place Maurice Barrès“ umzubennen33. Und dadurch einem 1923 verstorbenen Schriftsteller die Ehre zu erweisen, der nicht nur radikaler Nationalist („nationaliste intégral“) war, sondern auch glühender Antisemit, und seine Ideen zu rehabilitieren. In Béziers war es der bereits erwähnte Robert Ménard, der sich am diesjährigen 05. Juli – Jahrestag der Unabhängigkeit Algeriens von der französischen Kolonialmacht - vor den Bildern von Angehörigen der rechtsterroristischen „Organisation geheime Armee“ (OAS) verneigte34. Die OAS kämpfte und mordete 1961/62 gegen den absehbaren französischen Rückzug aus Algerien, unter anderem mit Bombenanschlägen auf belebten Märkten im damaligen Kolonialgebiet, und die vier auf der Säule in Béziers abgebildeten OAS-Mitglieder waren 1962 unter der gaullistischen Regierung standrechtlich erschossen worden.

Vorläufiges Fazit

Auch aus Sicht ihrer eigener Wählerschaft dürfte die Bilanz der rechtsextrem regierten Rathäuser bislang allenfalls durchwachsen ausfallen. Alles in allem können die Rechtsextremen des FN sich in der breiten Öffentlichkeit allerdings - im Gesamtbild - bislang noch darauf berufen, dass es auch in anderen, sozialdemokratisch oder konservativ geführten Rathäusern genügend Korruptionsskandale und Machtmissbrauchsfälle gäbe. Deswegen sei es unzulässig, jene des FN nicht gesondert herauszustreichen brauche.

Amtsmissbrauch für persönliche Profilierung, etwa von Bürgermeistern, die sich mehrere Dutzend mal pro Ausgabe ihrer Kommunalzeitung ablichten lassen, gibt es tatsächlich auch bei anderen Parteien. Ebenso Sparpolitik und –abbau, auch auf kommunaler Ebene. Zumal die derzeitige Rathauspolitik (egal unter welcher politischen Couleur) im Kontext einer landesweiten Situation in Frankreich steht, in der die Zentralregierung die Zuwendungen an die Kommunen drastisch reduziert hat und ihre eigenen wirtschaftlichen Schwierigkeiten auf diese abzuladen versucht35. Den Rechtsextremen kann man in diesem Zusammenhang vor allem vorwerfen, es eben nicht besser zu machen als die sonst von ihnen dermaßen geschmähten „Alt-“ oder (im Duktus des FN) „Systemparteien“, obwohl viele Wähler angeblich oder tatsächlich gerade aus sozialer Frustration für den FN stimmen.

Zu diesem „Auch-nicht-besser-machen“ kommen dann noch spezifische Skandale hinzu, die man so bei anderen Parteien nicht antrifft. Zwar ehrten in den letzten Jahren auch einige konservative Bürgermeister, vor allem in Städten mit hohem Bevölkerungsanteil früherer Algeriensiedler, die rechte Terrororganisation OAS36. Aber rassistische Sprüche wie die mancher FN-Amtsträger oder –Mandatsträger sind dann doch bei anderen. So läuft derzeit ein Verfahren gegen einen Beisitzer des FN-Bürgermeisters von Villers-Cotterêts in der Picardie (10.000 Einwohner/innen) wegen rassistischer Auslassungen37. Er hatte drei Karibikfranzosen anlässlich des Streits um einen Parkplatz aufgefordert, „in ihren Busch zurückzukehren“.38 Solcherlei Äußerungen sind, jedenfalls in dieser brutalen Offenheit, bei Amtsträgern anderer Parteien doch eher selten. Macht die extreme Rechte es also in vielerlei Hinsicht nicht besser als andere politische Kräfte, so macht sie Einiges noch erheblich schlimmer...

Vor dem Hintergrund von Krise, wachsender Armut und Arbeitslosigkeit sowie Entsolidarisierung ist allerdings fraglich, ob die rassistische Dimension allein derart viele Wähler abschrecken könnte, die versucht sind, für die extreme Rechte zu stimmen. Ihre „wahre“ Bilanz auf sozialem und wirtschaftlichem Gebiet in den von ihr regierten Kommunen, kommt allerdings erst noch. Denn bislang arbeiten die rechtsextrem regierten Rathäuser mit Haushalten, die noch von ihren Vorgängern ausgearbeitet wurden – die rechtsextremen Stadtoberhäupter wurden Ende März und Anfang April d.J. eingesetzt, das Haushaltjahr 2014 hatte damals bereits begonnen.

Doch ab 2015 werden es die FN-Amtsträger und ihre jeweilige Stadtratsmehrheit sein, die dann die Haushalte ausarbeiten können, und müssen. Mit absoluter Sicherheit werden sie so genannte Sparzwänge nicht aufbrechen, sondern eher noch verschärfen, dabei aber versuchen, sie vor allem auf bestimmte „Zielscheiben“ abzuwälzen. Etwa bei „Ausländervereinen“ und bei sozialen Einrichtungen, die als politische Gegner oder jedenfalls dem FN gegenüber kritisch stehend verortet werden, bevorzugt zu sparen39. Klein-Ceausescu Robert Ménard hat seinerseits bereits angekündigt, in Béziers einen Haushalt für 2015 vorzulegen, der „mit der Vergangenheit bricht“.40 In welche Richtung und auf welche Weise – da wird er alsbald Farbe bekennen müssen.

Fußnoten

8 Wenn nicht, dann hat die Liste – oder der Kandidat/die Kandidatin, dort, wo es um eine Personenwahl geht, ein ernsthaftes Problem. Im Jahr 2013 wurde das Wahlkampfkostenbudget des Präsidentschaftskandidaten Nicolas Sarkozy aus dem Vorjahr, in zweistelliger Millionenhöhe, wegen Unregelmäßigkeiten für ungültig erklärt und seine Rückzahlung annulliert. Daraufhin lancierte Sarkozy eine regelreche Bettelkampagne unter seinen Anhänger/inne/n, um einen Ruin seiner Partei abzuwenden und um 11 Millionen Euro an Spenden einzutreiben – was ihm letztlich sogar gelungen ist.

Editorische Hinweise

Den Artikel bekamen wir vom Autor für diese Ausgabe.