Stellungnahmen
der Minderheit

zum 21. Parteitag der DKP

11/2015

trend
onlinezeitung

Red. Vorbemerkung / kamue : Zwei Linien ringen seit dem 20. Parteitag um die politische Hegemonie in der DKP. Die heutige Minderheit, die bis zum 20. Parteitag (2013) die Partei führte, organisierte sich nach ihrer Abwahl in und entlang der DKP als Verein "marxistische linke". Dort werden ihre abweichenden Meinungen - ins besondere zum Marxismus-Leninismus, zur Bündnispolitik und zur Einschätzung der EU - diskutiert und verbreitet. Obgleich die "marxistische linke" die politisch-strategische Grundausrichtung der DKP (Stamokap und antinomonopolistische Demokratie) mit der Mehrheitslinie teilt, erscheint ihr die ideologische (Wieder-)Ausrichtung auf den Marxismus-Leninismus, wie sie die Mehrheit favorisiert, als ein Weg, der mit Blick zurück (Stichwort Stalin) noch tiefer ins politische Abseits führt.

Diese ideologische "Rückwärts"ausrichtung der DKP sollte nach dem Willen des Parteivorstands  durch den sogenannten Leitantrag auf dem 21.Parteitag  14./15.11.15 erfolgen.  Von der Antragsprüfungskommission gut orchestriert wurde er mehrheitlich angenommen. Deren Regieanweisungen führten u.a. auch dazu, dass die Minderheit ihre Kritik am Leitantrag nur durch wenige  Redebeiträg (z.B. Uwe Fritsch und Heinz Stehr) zum Ausdruck bringen konnte. Stattdessen wurde wie beim 20. Parteitag  ein weiterer Tagungstermin in Aussicht gestellt, wo der 21. Parteitag seinen formalen Abschluss finden soll.

TREND
hat sich in den 20 Jahren ihres Erscheinens immer auch als Chronist*n der Klassenkämpfe und sozialemanzipatorischer Bestrebungen verstanden. Die DKP-Entwicklung zu dokumentieren, verstehen wir daher als Chronist*nnenpflicht. 

Im vorliegenden Fall gilt unser Interesse der Minderheitsposition. Wir wollen ihr helfen, eine größere Öffentlichkeit zu erlangen. Nicht weil wir mit ihr übereinstimmen, sondern weil sich nicht nur die DKP in einem Erosionsprozess befindet, sondern auch die anderen linken Strömungen in der BRD von Mitgliederschwund und Zerbröseln von Inhalten gepeinigt werden. Die DKP-Liniendebatte ist dafür gleichsam exemplarisch, steht sie doch für die selbstverschuldete Isolierung, weil die DKP wie alle anderen linken Strömungen keinen Schwerpunkt auf die Erarbeitung wirkungsmächtiger programmatischer Grundlagen zur Vereinheitlichung der antikapitalistischen Linken legt. Allein von daher
kann es nicht egal sein, wohin sich eine der letzten "größeren" unter den kleineren Organisation entwickelt.

Walter Listl: Warum ich den Leitantrag ablehne

Einige Positionen im Leitantrag und in Referaten der theoretischen Konferenzen, die diesen Parteitag inhaltlich vorbereitet haben, sehe ich im Widerspruch bzw. in einem Spannungsverhältnis zu Geist und Aussagen von Programm und Statut.

Im Leitantrag zu diesem Parteitag wird die DKP als marxistisch-leninistische Partei definiert.

Dies steht im Widerspruch zu Programm und Statut der DKP

Dort heißt es:

“... Die DKP orientiert sich an den Ideen von Marx, Engels und     Lenin...“ (DKP-Programm)

„... Als marxistische Partei mit revolutionärer Zielsetzung orientiert sich die DKP an den Erkenntnissen des wissenschaftlichen Sozialismus, deren Weiterentwicklung sie fördert...“ (Statut der DKP).

Im Parteiprogramm treten wir zwar für die freie Verbreitung des Marxismus-Leninismus ein – aber wir beanspruchen den M-L eben nicht als unsere weltanschauliche Grundlage.

Aus gutem Grund hat die DKP mit dem Parteiprogramm von 2006 und in ihrem Statut darauf verzichtet, den Marxismus-Leninismus als ihre weltanschauliche Grundlage zu bezeichnen, weil dieser Begriff eng verbunden ist mit der Missachtung sozialistischer Rechtsstaatlichkeit, mit Repression, Massenverfolgung und Verbrechen. (Siehe Programm)

Auf der 12. PV-Tagung wurde im Referat von Hans Peter Brenner (zurecht!) Stalin als Kronzeuge für den marxistisch-leninistischen Charakter einer Kommunistischen Partei aufgerufen

Eben deshalb haben wir in Südbayern in einem Beschluss des BV diesen Begriff für unser Selbstverständnis abgelehnt

Auch Versuche, Stalin als Theoretiker in unsere Bildungsarbeit  einzuführen  (H.P.Brenner auf der 12. PV-Tagung) lehnen wir ab.

Wer zum stalinschen Verständnis des Marxismus-Leninismus zurückkehren will, verlässt Parteiprogramm und Statut.

An einer Rückkehr zu einem marxistisch-leninistischen Parteiverständnis werden wir nicht teilnehmen.

Zur Diktatur des Proletariats:

Patrik Köbele sagt in seinem Referat auf der theoretischen Konferenz, dass wir den Begriff der Diktatur des Proletariats nicht verwenden, hinge mit dem KPD-Verbot zusammen, sei also taktischer Natur.

Ich habe dazu eine andere Position.

Im Parteiprogramm heißt es:
“Die DKP geht davon aus, dass der Sozialismus das gemeinsame Werk aller Menschen sein wird, die das Ziel einer von der Herrschaft des kapitalistischen Profitprinzips befreiten Gesellschaft verbindet, der politische und weltanschauliche Zugänge zu diesem Ziel sich jedoch unterscheiden mögen. Die Weltanschauliche Grundlage für die sozialistische Zielsetzung der DKP ist der wissenschaftliche Sozialismus, die Theorie von Marx, Engels und Lenin. Andere Zugänge können aus religiösen oder allgemein humanistischen Überzeugungen, aus antifaschistischen, feministischen, globalisierungskritischen, aus antirassistischen oder ökologischen Motiven erwachsen...

Wenn wir diese anderen „Zugänge“ ernst nehmen, heißt das auch:
Ein neuer Sozialismus muss diese Elemente aus den anderen Zugängen in sich aufnehmen.

Dann kann aber die Denkfigur einer Diktatur des Proletariats nicht ernsthaft aufrecht erhalten werden.

Mit diesem Begriff kommt der Sozialismus in den Wortkostümen der Vergangenheit daher.

Diktatur des Proletariats ist ein historischer Begriff, ins Kommunistische Manifest geschrieben im vorletzten Jahrhundert in Erwartung der Revolution.

Ist unsere heutige Situation wirklich mit damals so vergleichbar, dass wir nur die selben Begriffe zu ihrer Erklärung verwenden müssten?

Die Welt von heute und morgen mit Begriffen des 19. Jahrhunderts zu beschreiben - da verkäme das Manifest zu einem Gebetbuch.

Der Begriff der Diktatur des Proletariats ist heute strategisch falsch, taktisch unbrauchbar, nicht verstehbar und nicht vermittelbar.

Daher lehne ich diesen Begriff nicht aus taktischen Gründen ab, sondern weil er ist mit der Logik unseres Parteiprogramms unvereinbar ist.

Zur Haltung der PV-Mehrheit zum Ausbruchsversuch Griechenlands aus dem Diktat der Troika:

Welche politischen Positionen aus solch dogmatischem Selbstverständnis abgeleitet werden, sieht am an der Haltung der PV-Mehrheit und in weiten Teilen der UZ zum Ausbruchsversuch Griechenlands aus dem Diktat der Troika.

Da werden von der deutschen Zuschauerbank aus Noten an die gewählte Linksregierung Griechenlands erteilt und Syriza abwechselnd der Zeigefinger und der Mittelfinger gezeigt.

Auf der Internetseite des PV wird gar die These vertreten:

“Syriza ist im Moment der entscheidende Beitrag zur Rettung des Kapitalismus in Griechenland...“

Auf Seite eins der UZ (3.7.15) werden die griechischen Wähler mit einem Esel verglichen, denen Syriza mit der Umschuldung eine Karotte vor die Nase hält damit sie weitertrotten.

Mit diesen sektiererischen Positionen, gepaart mit einer unerträglichen Besserwisserei und Arroganz treibt die DKP weiter in die Isolation.

Solidarität mit Griechenland darf nicht heißen, kritiklos die Positionen der KKE zu teilen.

Es ist tragisch, dass diese Partei, anstatt zur Solidarität mit der Linksregierung aufzurufen gerade davor warnt, weil diese Solidarität angeblich eine Kampagne sei, „die von der Partei der Europäischen Linken und anderen Gestrandeten des Klassenkampfes wie der KP-USA orchestriert wird“.

Das Problem liegt ganz anders:

Die europäische Linke war nicht in der Lage, in ihren Ländern und europaweit solchen Druck zu entwickeln, der die Regierungen, die EU-Kommission und die EZB zu Zugeständnissen an die griechische Regierung hätte zwingen können.

Das war nicht böse Absicht, sondern ist Ausdruck der Kräfteverhältnisse und des Zustandes der Linken in Europa.

Da dieser Druck jedoch eine wesentliche Voraussetzung der Strategie von SYRIZA war, kam es zu der Entwicklung, die mit dem 12. Juli dann zur großen Enttäuschung in weiten Teilen der Linken führte.

Insofern dokumentiert das Abkommen vom 12. Juli nicht einen Verrat von Syriza, sondern ein Kräfteverhältnis in Europa.

Es wurde Schlacht verloren im Kampf um einen neuen Kurs in Europa. Der konnte in fünf Monaten allein in Griechenland nicht gewonnen werden, aber er ist auch mit einer Etappenniederlage nicht verloren.

Für uns sollte nicht die Suche nach Fehlern von SYRIZA im Vordergrund stehen, sondern die Suche nach Wegen, um unsere eigene Schwäche zu überwinden.

Dazu gehören solche Fragen wie

  • Wie und was kann die Linke hierzulande von SYRIZA, PODEMOS, der Izquierda Unida oder dem wahlerfolgreichen Linksbündnis in Portugal lernen?
  • Wie können Kräfte bei uns zusammengeführt werden?
  • Wie kann der Widerstand gegen den neoliberalen Sparkurs transnationalisiert werden?
  • Wie lassen sich die Überlegungen "Für ein anderes Europa", "ein Europa von unten", "Europa neu begründen" in erste politische Schritte umsetzen?

Antworten auf diese Fragen werden im Leitantrag nicht einmal versucht.

Das sind meine Gründe für die Ablehnung des Leitantrages und dafür, dass ich niemanden von der alten PV-Mehrheit wählen werde.

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Walter Listl, ist Bezirkssprecher der DKP-Südbayern, er konnte seinen Redebeitrag nicht halten.

Quelle: http://www.kommunisten.de