Am 15. Oktober titelte die „Neue Züricher Zeitung“-
„Die Stunde des Oppositionsführers naht“. Gemeint war
damit Albin Kurti und die „Bewegung für
Selbstbestimmung“ . Die „Neue Züricher Zeitung“ ging
davon aus, dass Kosova sich in einem extrem unruhigen
Zustand befindet und speziell, die Person Albin Kurti
immer mehr Zustimmung erhält.
In der Tat, das Abkommen
mit Serbien vom 25. August dieses
Jahres führt in Kosova zu großen politischen
Verwerfungen. Der Widerstand gegen dieses Abkommen hat
eine enorme Breite und Tiefe in der kosovarischen
Gesellschaft erreicht. Das Abkommen billig Serbien
faktisch die Herrschaft über 30 % des Territoriums von
Kosova zu. Ein spezieller gebildeter „Serbischer
Kommunalverband“ soll über einen eigenen Haushalt,
neben dem Staatshaushalt verfügen. In den Gebieten
dürfen weiterhin 5000 von Serbien bezahlte Beamte
arbeiten. Selbstverständlich nehmen diese Leute nicht
nur ihr Geld aus Belgrad, sondern sie setzen die
politischen Vorgaben Belgrads um. In wirtschaftlicher
Hinsicht ist das Abkommen für die Perspektiven Kosovas
katastrophal. Die ethnisch gesäuberten Gebiete verfügen
über entscheidende Wasservorkommen, Zugänge zu Minen,
Kohlevorkommen und fertig gestellte
Wintersporteinrichtungen im Süden des Landes. Die
offizielle serbische Politik beruht darauf Kosova nicht
anzuerkennen. Heute zitiert die „Süddeutsche Zeitung“
den serbischen Präsidenten Nikolic. Dieser erklärte:“
Wir werden Kosovo niemals hergeben denn Kosovo ist
unser Kind.“ Darauf beruht die Politik der herrschenden
Klasse in Serbien. Die serbischen Strukturen in Kosova
sind nicht einfach kommunale Strukturen oder
Selbstverwaltungsinstanzen, sondern sie sind ein
direkter Ableger des serbischen Staates. Diese
Strukturen verhindern den Kontakt zwischen den
verschiedenen Nationalitäten, welche in Kosova leben.
Der Norden Kosovas wurde seit dem Jahr 2000
systematisch durch serbischen Faschisten ethnisch
gesäubert. Im Januar 2000 wurden über 11.000 Menschen
mit albanischer Nationalität aus dem Norden Kosovos
vertrieben. Dabei wurden neun Menschen getötet. Die
serbischen Gemeinden im Kosovo als Ableger des
serbischen Staates legen darauf Wert, sich von den
anderen Menschen im Kosova zu distanzieren. Der Autor
dieser Zeilen traf vor einigen Jahren einen Roma aus
Graçanica in Prishtina. Unter Tränen berichtete mir
der Roma im Büro der -Bewegung für Selbstbestimmung-:
„Der serbische Bürgermeister hat mich bedroht. Ich
solle nicht mehr mit meinem albanischen Nachbarn
sprechen. Ich müsse mich entscheiden zwischen ihm und
den Albanern.“ Auf diesem Trennungsgrundsatz basiert
die serbische Politik in Kosova . Diese Politik geht
nicht von den einfachen serbischen Menschen aus,
sondern von staatlichen und kriminellen serbischen
Strukturen. In Deutschland wird so getan als ob Serben
in Kosova einer latenten Bedrohung ausgesetzt sind.
Dies ist nichts anderes als miese Propaganda. Der Autor
kennt in der Landeshauptstadt Prishtina mehrere Cafés
in denen hauptsächlich Serben verkehren. Zum Glück wird
niemand in Prishtina angegriffen, aufgrund seiner
Nationalität. Die in der deutschen Presse als
nationalistisch verleumdete „Bewegung für
Selbstbestimmung“ fordert für Kosova die Gleichheit
aller Bürger und den lehnt jede nationale
Diskriminierung entschieden ab. Die nationalistische
Diskriminierung geht von den serbischen
Parallelstrukturen in Kosova aus. In dem so genannten
„Serbischen Gemeindeverband“ gibt es keine Rechte für
Albaner, Roma, Türken, oder Ägypter. Die Debatte um das
Abkommen in Brüssel hat auch nichts mit der Ablehnung
kommunaler Kompetenzen zu tun. Allerdings hat es etwas
damit zu tun, dass durch das Abkommen faktisch auf 30 %
des Territoriums von Kosova parallele und eigenständige
Strukturen in Justiz, Polizei, Gerichten und Etats
geschaffen werden. Letztendlich ist die serbische
Politik nur dazu da, die Menschen aufgrund ihrer
nationalen Herkunft zu spalten und letztendlich zu
diskriminieren. Ein Beispielen dafür ist die
Entwicklung in dem zu Serbien gehörenden Presehvo Tal.
Bis vor einigen Jahren lebten dort rund 100.000
Albaner. Gegenwärtig nur noch 50.000. Die serbische
Politik diskriminiert die dort lebenden Albaner und
zwingt viele von ihnen zur Flucht. Sich gegen das
Abkommen von Brüssel, 25. August dieses Jahres zu
wehren ist in Wirklichkeit eine internationalistische
Tat. Das Abkommen kam ohne Mitwirkung des Parlaments in
Prishtina zu Stande. Auf Druck der EU unterzeichneten
Hashim Thaci und Isa Mustafa den Vertrag mit Serbien.
Albin Kurti erklärte dazu kürzlich: „ Politiker wie
Aussenminister Hashim Thaci sind erpressbar, deshalb
hätten sie den fatalen Deal akzeptiert. Erpressbar
seien sie, weil die «Internationalen», also die
westlichen Schutzherren des jungen Staates, Beweise für
ihre korrupten Herrschaftsmethoden hätten. Aber weshalb
unterstützt Brüssel Serbien?“ Zu dieser Frage gab Kurti
vor kurzem folgende Antwort: “ Die EU füttert die
kleine Krake Serbien, um sie von der grossen Krake
Russland fernzuhalten. Aber die Tentakel der kleinen
Krake greifen schon tief in unser Kosova hinein.“
Faschistoid Methoden
Kosovo steht kurz vor einem Bürgerkrieg. Die
Repression gegen Aktivisten der „Bewegung für
Selbstbestimmung“ nimmt immer neue und brutalere Formen
an. Die von VV initiierte Unterschriftenkampagne gegen
das Abkommen mit Serbien, wird auf den Straßen brutal
behindert und des Öfteren polizeilich angegriffen.
Flugblattverteiler werden willkürlich festgenommen und
von Polizisten geschlagen. Dennoch konnten bereits
knapp 180.000 Unterschriften für ein Referendum gegen
das Abkommen vom Brüssel gesammelt werden. Angeblich
verhalten sich jetzt Abgeordnete der „Bewegung für
Selbstbestimmung“ im Parlament undemokratisch. Die
Realität sieht so aus, dass ein Abgeordneter wie Albin
Kurti im Parlament Tränengas zündete. Damit sollte
symbolisiert werden wie die Situation im Lande ist. Auf
den Straßen wird ständig Tränengas gegen den linken
Widerstand von VV, durch Polizisten abgefeuert. Dazu
kommen massive Knüppeleinsätze der Polizei. In der
Nacht zum vergangenen Dienstag wurde Albin Kurti für
einige Zeit festgenommen. Spontan sammelten sich viele
Bürger vor der Polizeistation im Prishtina um dagegen
zu protestieren. Dabei gingen einige Fensterscheiben
der Polizeistation zu Bruch. Rechte reaktionäre
Ideologen vor Ort, sowie so genannte Analytiker bringen
zunehmend die „Bewegung für Selbstbestimmung“ mit den
ehemaligen „Roten Brigaden“ in Italien im Verbindung.
Rechte Zeitungen wie Bota Sot bezichtigen VV des
Enverismus. Andere „Experten“ nennen Albin Kurti den
Che Guevara Kosovas. All dies ist die mediale
reaktionäre Begleitmusik zum Terror gegen die
Opposition in Kosova. Dennoch erweitert die „Bewegung
für Selbstbestimmung“ ihren Einfluss zunehmend. Dies
hat nicht nur mit ihrer Opposition gegen den Vertrag
von Brüssel zu tun. Nur die Bewegung für
Selbstbestimmung lehnt den neoliberalen
Privatisierungsprozess in Kosova ab. Nur die „Bewegung
für Selbstbestimmung“ prangert die Bereicherung der
örtlichen politischen Kaste an. Nur die „Bewegung für
Selbstbestimmung“ fordert ein progressives Steuersystem
mit Mehrbelastungen für die Reichen und finanzieller
Entlastung für die unteren Einkommensschichten. Nur die
„Bewegung für Selbstbestimmung“ fordert umgehend die
Errichtung eines öffentlichen Gesundheitswesens. Es
existiert in Kosova keinerlei kostenlose medizinische
Versorgung. Der Privatisierungsprozess hat das Land
extrem arm gemacht. Nur die „Bewegung für
Selbstbestimmung“ hat ein Programm welches die extreme
Massenarmut im Kosova beseitigen soll. Nur die
„Bewegung für Selbstbestimmung“ nimmt es nicht hin,
dass 18 % der Bevölkerung unter Kalorienmangel leiden
und 36 % der Bevölkerung von weniger als zwei Euro pro
Tag leben müssen. Der Euro ist im Kosova Landeswährung
und die Preise lassen sich mit den Preisen in
Mitteleuropa vergleichen. Die „Neue Züricher Zeitung“
schreibt in ihrem Artikel über die Opposition: „
Charismatisch und rhetorisch begabt, geniesst Kurti so
etwas wie einen Märtyrerstatus. Während des
Kosovokriegs wurde er von den Serben verhaftet und kam
erst nach zweieinhalb Jahren wieder frei. Die Ideologie
seiner Partei Vetevendosje, was übersetzt
«Selbstbestimmung» bedeutet, orientiert sich an den
antikolonialistischen Bewegungen der Dritten Welt. Sie
ist zugleich nationalistisch und antikapitalistisch. In
einem Umfeld, in dem eine kleine, rasch reich gewordene
Clique die Privatisierungen und die Aufteilung von
Märkten in der Hand hat und manche westliche
Botschafter sich wie römische Prokonsuln aufführen,
findet Kurtis Propaganda grossen Anklang. Er weiss das
und zitiert Gandhi: «Zuerst ignorieren sie dich, dann
lachen sie über dich, dann bekämpfen sie dich – und
dann gewinnst du.“ Bis auf die Bezeichnung
nationalistisch liegt der Autor der „NZZ“ ziemlich
richtig. Wenn sich die Situation im Kosova nicht ändert
besteht die Möglichkeit einer Massenerhebung. Immer
wieder weist VV auf die Notwendigkeit dieser Erhebung
hin. Es wird immer wieder betont, dass es für die
Menschen im Kosovo nur zwei Möglichkeiten gibt,
entweder die Regierung zu stürzen, oder das Land zu
verlassen. VV orientiert auf die erste Möglichkeit.
Nationalistisch sind im übrigen die herrschenden
kosovarischen und serbischen Parteien. Der Brüssler
Teilungsplan läuft auf ein zweites Bosnien am Balkan
hinaus. Das bosnische Beispiel zeigt, dass durch die
Teilung die Menschen gespalten werden. Dadurch können
sich Mafia- Parteien unter Verweis auf die jeweils
andere nationalistische Clique an der Macht halten.
Warum es Kosovo für Serbien so wichtig
Serbien ist EU Beitrittskandidat. Die EU versucht auch
in Serbien ihre Prinzipien der angeblich
alternativlosen neoliberalen Politik durchzusetzen.
Dabei kommt die serbische Regierung der EU weit
entgegen. Im Juli trat in Serbien ein
Arbeitsmarktgesetz in Kraft welches den sicheren
Arbeitsmarktbereich weit gehend dereguliert. Dies
führte bereits zu massiven Lohnsenkungen, für die
serbischen Arbeiter und Arbeiterinnen. Die
Arbeitslosigkeit welche im Frühjahr 2015 bei 25 % lag
steigt rapide an. Im kommenden Jahr sollen in Serbien
100.000 Stellen im öffentlichen Dienst abgebaut werden.
Die mickrigen serbischen Renten wurden bereits das
zweite Mal hintereinander gekürzt. In den kommenden
Monaten werden in Serbien aufgrund der Vereinbarungen
mit der EU, 500 Unternehmen privatisiert . Darunter
auch rentable Unternehmen wie die serbische Telekom.
Das neoliberale Regierungspaket wird zu weiteren
Massenentlassungen führen. Premierminister Vucic sagte
zu diesem Programm:“ Wir müssen und werden durch die
Hölle gehen“. Der serbische Höllenritt soll nach
Angaben des Premierministers 2-3 Jahre dauern, um
ausländische Investoren anzulocken. Damit diese
neoliberale Höllenritt durchgezogen werden kann-
benötigt die serbische Bourgeoisie nationalistische
Mythen- speziell den Anspruch auf Kosova. Diese alte
Masche der serbischen Politik soll verhindern, dass
sich die Arbeiter und Arbeiterinnen zusammen mit der
Jugend in Serbien gegen das Regime erheben. In Wahrheit
ist der Kampf für die Souveränität Kosovas im
Interessen der serbischen Arbeiterklasse. Denn Letztere
kann sich nur gegen die neoliberalen Grausamkeiten
erheben, wenn sie das gemeinsame ideologische Boot mit
der serbischen Bourgeoisie verlässt. Der wesentliche
Hebel für dieses Unterfangen ist die Akzeptanz des
Selbstbestimmungsrechtes von Kosova, durch die
einfachen Menschen in Serbien selbst.

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