Mit einer lächerlich wirkenden
Kopfbedeckung, die einer traditionellen bretonischen
Frauentracht nachempfunden ist, sitzt der Moderator vor der
Fernsehkamera und verkündet, nun beim eigenen obersten Boss
„die Nerven testen“ zu wollen. Jener wird
zwar nicht beim Namen genannt, sondern taucht nur als
„der bretonische Industrielle Vincent-der-Choleriker“
auf. Doch niemand dürfte sich darüber im Unklaren
bleiben, dass damit der Multimilliardär Vincent Bolloré
gemeint ist, der im Sommer dieses Jahres das Kommando über
den Fernsehsender Canal+ übernommen hat und
dessen familiäre Wurzeln in der Bretagne liegen. Die
Sendung vom vergangenen Samstag (25. Oktober 15), die diese
Passage enthält, zählt zur satirischen Serie Groland
und läuft auf ebendiesem privaten Kanal.
Wenige Sekunden später gibt der
Moderator, im bürgerlichen Leben Christian Borde oder mit
Künstlernamen Jean-Edouard Moustic, das Wort aus dem Studio
an seinen Kollegen draußen ab. Dieser verlautbart,
demonstrativ in die Kamera schwitzend, er befinde sich
„im Hafen von Abidjan“. Dabei sieht ein Blinder
mit Krückstock, dass er sich in den Straßen von Paris
aufhält. Nunmehr kündigt er an, er werde sich „einer
explosiven Untersuchung“ zuwenden. Diese führt ihn
in eine bretonische Crêpe-Küche, wo er sich nach dem Rezept
für eine regionale Spezialität (Kouign Amann) erkundigt.
Kurz darauf ist die Szene vorbei.
Es blieb am
vergangenen Wochenende (25./26. Oktober 2015) bei
Anspielungen auf Themen, die manche als explosiv betrachten
mögen, und wurde inhaltlich nicht wirklich ernst. So viel
Spiel mit seinen Nerven dürfte auch der neue Medienmogul
Bolloré, der ansonsten eher für seine Eingriffsfreude
gegenüber dem Redaktionsleben bekannt ist – erst zu Anfang
des Monats behaupteten Gerüchte hartnäckig, der Moderator
einer anderen Sendung, Patrick Menais, sei von Entlassung
gedroht (diese wurde dann jedoch zurückgezogen) -, noch
durchgehen lassen. Denn bei aller subversiven und
rebellischen Pose wurde kein heißes Eisen wirklich
angefasst. Benannt wurde immerhin eines, in Gestalt der
„afrikanischen Aktivitäten“ von Großunternehmer Bolloré.
Kommen diese zur Sprache, findet Bolloré
das in aller Regel weder unterhaltsam noch für die Ohren
der Öffentlichkeit geeignet. Ende Oktober läuft auf
Canal + eine neue Thrillerserie an, Panthers,
die allem Anschein nach ein Erfolg zu werden verspricht.
Sie spielt zwischen Paris, London und Belgrad. Für die
bereits geplante Fortsetzung der Serie sollte es auch nach
Westafrika gehen, im Kontext wirtschaftlicher Interessen
und krimineller Aktivitäten. Dagegen erging ein Veto des
Big Boss: Es kam für Vincent Bolloré nicht in Frage, dass
ökonomische Hintergründe zum französischen Kapitalismus in
Afrika thematisiert werden. Bolloré, der als
Tabakunternehmer anfing, leitet heute einen Transport- und
Infrastrukturkonzern und kontrolliert (ganz oder teilweise)
u.a. die Häfen von Abidjan – eben -, Conakry, Lomé und
Douala. Dort nutzt er die Geschäftsvorteile, die für ihn
aus der traditionellen neokolonialen Präsenz Frankreichs in
West- und Zentralafrika erwachsen. Dies durfte natürlich
nicht zur Sprache kommen. Jetzt soll die Fortsetzung der
Serie in Russland spielen. Auch dort gibt es mafiöse
Intererssen, aber Bolloré hat seine Finger nicht im Spiel.
Französisches neokoloniales Auftreten
und Geschäftsinteressen in Afrika sind aber im
französischen Mediensektor nicht allein bei Bolloré
anzutreffen. Am Freitag, den 09. Oktober 15 protestierten
im nördlichen Pariser Zentrum, im Marais-Viertel,
Oppositionelle aus dem Erdölstaat Gabun gegen die in der
Nähe ansässige Pariser Tageszeitung Libération
und riefen zu ihrem Boykott auf. Deren Direktor,
Laurent Joffrin, eröffnete am selben Tag ein zweitägiges
„Bürgerforum“in Gabuns Hauptstadt Libreville.
Oppositionelle in dem Staat, der seit 1967 durch dieselbe
Familie regiert wird – 42 Jahr lang war der Autokrat Omar
Bongo ohne Unterbrechung an der Macht, seit seinem Ableben
2009 regiert nun sein Sohn Ali Bongo – und wo Frankreich
mächtige Interessen im Erdöl- und Metallerzbereich hat,
bezeichneten es als einen Hohn. „Die Jugend“ des Landes
wurde etwa durch einen „Jugenddelegierten“ der seit 1967
regierenden Partei, PDG, vertreten, Vivien Péa, während das
Regime erst vor wenigen Wochen auf protestierende
StudentInnen schießen ließ. Regierungssprecher Alain-Claude
Billié Bi Nzé saß neben Joffrin auf der Tribüne, während
einer der wenigen zu den Debatten eingeladenen
Oppositionellen – der Regenwaldschützer Marc-Ona Essangui –
durch den in Paris als linksliberal geltenden Joffrin mit
den Worten unterbrochen wurde: „Dies ist keine
Wahlkampfveranstaltung hier!“
Hintergrund des Ganzen dürfte nach
Auffassung von afrikanischen BürgerrechtlerInnen sein, dass
das gabunische Regimes trotz Rückgangs der Erdöleinnahmen
auf gefüllten Kassen sitzt, während etwa Gesundheits- und
Bildungssystem im Land sich in einem katastrophalen Zustand
befinden. 500 Millionen Euro soll die Veranstaltung das
Regime gekostet haben, aber nebenbei dürften einige weitere
Mittel an die französischen Co-Veranstalter (neben ihnen
war u.a. auch die Weltbank mit im Boot) geflossen sein. Der
Medien- und Telekommunikations-Tycoon Patrick Drahi hat die
Mehrheitsanteile an Libération vor etwa zwei
Jahren aufgekauft, übernimmt sich aber derzeit finanziell
aufgrund seiner rauschartigen Politik des
Unternehemensaufkaufs besonders in den USA. Er braucht
dringend Geld - und dürfte auf das der gabunischen Diktatur
nicht gespuckt haben. Aber auch die Konkurrenten von
Le Monde, obwohl sie über die Umtriebe in Gabun
eher die Nase rümpften, suchen ihr ökonomisches Heil zum
Teil in Afrika. Am 10, und 11. September richteten sie in
Abidjan, der Wirtschaftsmetropole in der unperfekten
Demokratie Côte d'Ivoire, ein Forum mit der
Privatwirtschaft zu „Wachstumschancen in Afrika“ aus. Die
Elfenbeinküste, deren soeben wiedergewählter Präsident
Alassana Ouattara im April 2011 infolge einer französischen
Militärintervention eingesetzt wurde, wird derzeit von
französischen Unternehmen als Investitionsparadies
entdeckt. Warum sollten Medienunternehmen da abseits des
Booms stehen?
Editorische Hinweise
Den
Artikel bekamen wir vom Autor für diese Ausgabe.
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