Die DKP vor ihrem Parteitag (14./15. November)
Strategie der DKP – Fragen und Missverständnisse

von Hans-Peter Brenner

11/2015

trend
onlinezeitung

Red. Vorbemerkung:  Nach der Zweitveröffentlichung der Kritik von Frank Braun an den programmatischen Vorbereitungen auf den 21. DKP-Parteitag bei dem DKP-nahen Webprojekt REDGLOBE, wo sie am 9.11.15 von der Titelseite wieder verschwunden war, sah sich die DKP offensichtlich genötigt, Stellung zu beziehen. Die Aufgabe übernahm Hans-Peter Brenner als "Leiter der (vorläufigen) Antragskommission 1 des 21. Parteitags". Seine Zurückweisung erschien am 6.11.2015 bei DKP-News. Eine Veröffentlichung bei TREND sozusagen neben Frank Braun wurde eigentümlicherweise nicht angefragt. Auch sind die sprachlichen Umgangsformen, die Brenner wählt, nicht getragen von dem Geist eines solidarischen Widerstreits der Meinungen, wenn er den Autor Frank Braun nicht mit dessen Namen nennt, sondern ihn despektierlich als  "infopartisan" bezeichnet.

Frank Braun hatte als Nicht-DKP-Mitglied Kritik gegen eine erneute programmatische Orientierung der DKP auf die  "antimonopolistische Strategie" vorgebracht  und bereits in seinen früheren Beiträgen zum Thema davor gewarnt, kommunistische Erneuerung der Partei unter Beibehaltung alter gescheiterter Programmatik zu versuchen. Es zeigte sich zudem im Vorfeld  des 21. Parteitags der DKP, dass längst auch parteiintern ein deutliches Verlangen nach zeitgemäßer Korrektur dieser Programmatik zu vernehmen ist. Brenner aber behandelt die Kritik von außerhalb und innerhalb der Partei als „Mißverständnis“  bzw. „Mischung aus historischem Teil- und Halbwissen mit frappierender  Ahnungslosigkeit“. Diese Wortwahl erinnert  an solche aus früheren, vor allem 1989er Zeiten. So wirkt Brenners Text zwar im Ganzen apologetisch, in seinem Schlußsatz aber erstaunlich offen, wenn er  einräumt, dass die „kreative Debatte“ um die richtige Strategie auch  nach dem Parteitag weitergehen solle.

Aber lest selber....

Die Basis der DKP hat mit erfreulicher Intensität und Kreativität ihr Recht auf Verbesserungvorschläge und Änderungsanträgen zu dem vom Parteivorstand vorgelegten Entwurf eines „Leitantrages“ genutzt. Über 310 Anträge spiegeln das große Interesse wider sich an der Klärung inhaltlicher Fragen zu beteiligen.

Ich möchte aus der Fülle der Themen zwei herausgreifen:

a) die Debatte um die antimonopolistische Strategie der DKP, die man als Suche nach den besten „Übergängen zum Sozialismus“ oder nach den günstigsten Formen des „Herankommens an den Sozialismus“ bezeichnen kann.

b) die Debatte um den Marxismus-Leninismus als „Weltanschauung der Kommunisten“.

In diesem ersten Beitrag geht es um den Anträge und Diskussionen zur Strategie der DKP.

Im Entwurf des Leitantrages des PV heißt es in den Zeilen 157-158:

„Gerade die Einordnung unserer aktuellen Kämpfe in eine Strategie des revolutionären Bruchs mit dem Kapitalismus und die Suche nach Übergängen zum Sozialismus sind unverzichtbar.“

Sowohl in einigen Anträgen wie aber auch in einem Diskussionsbeitrag eines nicht der DKP angehörenden Mitdiskutierenden wird dazu die Meinung vertreten, dass   es in der DKP doch eine sehr große „Uneinigkeit“ darüber gebe, „was für Übergänge gemeint sind.“
Werde damit die gesamte historische Übergangsetappe zwischen Kapitalismus und Kommunismus gemeint, die von den Klassikern des Marxismus-Leninismus als „Diktatur des Proletariats“ oder als „Sozialismus“ bezeichnet wird. Und sei mit „revolutionärem Bruch“ der Beginn dieser historischen Wegstrecke gemeint? So fragen z.B. die Antragsteller aus Thüringen und geben zu bedenken: „Wenn mit den Übergängen der Weg beginnend mit dem revolutionären Bruch gemeint ist, so halten wir dies für weit vorgegriffen.“

Ein Artikel im linken Internet-Magazin „infopartisan“, der sich mit dem Parteitag der DKP befasst, beurteilt in einer Mischung aus historischem Teil- und Halbwissen mit frappierender Ahnungslosigkeit die tatsächlichen Positionen der DKP und deren historische Bezüge und theoretische Quellen der Strategie der DKP als „eine Verballhornung dessen, was einst Georgi Dimitroff und die führenden KommunistInnen der Komintern (Kommunistische Internationale) ihren Parteien unter den Krisenbedingungen von Faschismus und Krieg Mitte der 1930er Jahre empfahlen.“ Seine Orientierung auf die Bildung von Volksfronten gegen Faschismus und Krieg „mit allen, auch bürgerlichen Schichten des Volkes“ habe eigentlich nur „die Existenz der Partei“ sichern sollen, die mit dem Rücken an der Wand gestanden habe. Mit sozialistischer Revolution habe das nichts zu tun gehabt.  „Damit war für eine ganze Weile nicht mehr die soziale Revolution der ArbeiterInnenklasse und der mit ihr verbündeten Schichten strategisches Etappenziel.“ Sich darauf zu berufen wie es „DKP Theoretiker“ täten beweise nur „daß sie in puncto Kapitalismuskritik nicht gerade auf der Höhe der Zeit“ seien. Die DKP war und sei „so offensichtlich in ihrem ‚Antimonopolismus‘ befangen und gleichzeitig so fern von ‚Antikapitalismus‘ und ‚Antiimperialismus‘, daß sie kurz nach ihrer Gründung, als es wieder verstärkt klassenkämpferische Bewegung in der ArbeiterInnenklasse gegen den Widerstand speziell der sozialdemokratisch orientierten Gewerkschaftsspitzen gab, nichts Besseres zu tun hatte, als bei Zuspitzung solcher Konflikte stets das Bündnis mit eben diesen Sozialdemokraten zu suchen.“ (Zu undeutliches Programm - zu undeutliche Perspektive)

Die Antragskommission 1, die sich mit dem Leitantrag und der Handlungsorientierung des 21. Parteitags befasste, kommt zu ganz anderen Erkenntnissen und bewertet die geschichtlichen Quellen der Strategie der DKP völlig anders.

Die antimonopolistischen und sozialistischen Ziele der KP in Deutschland – mit der langfristigen historischen Perspektive des Aufbaus einer sozialistischen und schließlich auch kommunistischen Gesellschaft – sind in den Dokumenten und Beschlüssen der Parteitage seit der Neukonstituierung 1968 und vorher auch schon im Entwurf des Parteiprogramms der KPD von Frühjahr 1968 und der programmatischen Erklärung des ZK der KPD von Juni 1945 ausführlich begründet worden. Wollte man noch weiter zurückgehen, so müssste man auf die nach dem VII. Weltkongress der Komintern einberufenen „Brüsseler“ (1935) und „Berner“ Parteikonferenzen der KPD  nennen. Auch nach dem historischen Bruch von 1989/90 und dem Sieg der Konterrevolution in der DDR, der UdSSR und den anderen sozialistischen Staaten Europas hat die DKP auf den Parteitagen 1993 und 2006 in ihren programmatischen Beschlüssen ihre grundlegende antimonopolistische Strategie zur Öffnung des Weges zum Sozialismus bestätigt.

Sie beruht außer auf den Erfahrungen der KPD auch auf denen der Bolschewiki und der Komintern. Danach kommt es darauf an den politischen Hauptfeind zu bestimmen und alle ihm entgegenstehenden Klassenkräfte in einer gemeinsamen Front zusammenzuführen.

Der Hauptfeind ist im modernen Kapitalismus das Monopolkapital und insbesondere seine wichtigsten reaktionärsten zum Faschismus neigenden Fraktionen und Strömungen.

Durch diese Kämpfe sollen antimilitaristische, antifaschistische und antimonopolistische politische und ökonomische Forderungen in der Dialektik von Abwehrkämpfen und Offensiven durchgesetzt werden. Zugleich aber sollen die Kräfteverhältnisse so verändert werden, dass die Machtzentren des Großkapitals geschwächt und die Kampfbedingungen grundsätzlich zugunsten der revolutionären Arbeiterbewegung und ihrer Bündnispartner verändert werden.

In dieser Phase der verschärften Klassenkämpfe sollen gegen den zu erwartenden harten Widerstand des Großkapitals und seiner Machtapparate die Weichen für die sozialistische Umwälzung (=Revolution) gestellt und der Kampf um die Macht zugunsten der Werktätigen aufgenommen werden. Mit dieser strategischen Orientierung knüpfen wir an den Überlegungen von Marx und Engels an, wonach die Arbeiterklasse zunächst um einen „Anteil“ an der Macht, „später um die gesamte Macht“ kämpft um, in die Lage zu kommen „die bestehenden Gesetze entsprechend ihren Bedürfnissen zu ändern.“ (MEW 19, 258) Durch die volle Entfaltung der Demokratie in einem System des hochentwickelten staatsmonopolistischen Kapitalismus kann, wie Lenin noch kurz vor der Oktoberrevolution in seiner Arbeit „Die drohende Katastrophe und wie man sie bekämpfen“ schrieb, ein solches Übergewicht der Arbeiterklasse und der demokratische Volkskräfte erreicht werden, dass ein Durchgangsstadium in Form eines „revolutionär-demokratischen Staates“ erreicht wird.

„Revolutionär-demokratischer Staat“? Was ist darunter zu vestehen? Nach Lenin ist dies ein Staat, „der in revolutionärer Weise alle Privilegien abschafft, der sich nicht davor fürchtet, auf revolutionärem Weg den Demokratismus voll und ganz zu verwirklichen.“
Lenin ergänzte: „Man wird sehen, dass der staatsmonopolistische Kapitalismus in einem wirklich revolutionär- demokratischen Staate unweigerlich, unvermeidlich einen Schritt, ja mehrere Schritte zum Sozialismus hin bedeutet!“ (LW 25, S. 368) Der antimonopolistische Kampf soll also hin zum „revolutionären Bruch“ führen und den Weg dazu eröffnen.

Dieser Bruch steht nicht und kann auch nicht am Beginn der Kämpfe stehen, wie die Antragsteller aus Thüringen vermuten, sondern er wird und soll deren Ergebnis sein. Nur im Zuge einer massiven Intensivierung der Klassenauseinandersetzungen kann es zu einer solchen Schwächung der Macht der herrschenden Klasse kommen und ein solches Kräfteverhältnis zwischen den kämpfenden Blöcken (Arbeiterklasse und Verbündete kontra Groß- und Monopolbourgeoisie) errungen werden, dass der staatsmonopolistische Kapitalismus dann nicht mehr wie bisher als „reaktionär-bürokratischer Staat“, als eine „imperialistische Republik“ agieren kann. Das wäre dann, wie Lenin sagt, ein „Staat im Interesse der revolutionären Demokratie; dann ist das eben ein Schritt zum Sozialismus. Denn der Sozialismus ist nichts anderes als der nächste Schritt vorwärts über das staatsmonopolistische Monopol hinaus. Oder mit anderen Worten: Der Sozialismus ist nichts anderes als staatsmonopolistisches Monopol, das zum Nutzen des ganzen Volkes angewandt wird und dadurch aufgehört hat, kapitalistisches Monopol zu sein. Hier gibt es keine Mittelweg.“ (LW 25, S. 369)

Diese Strategie der Suche nach Möglichkeiten der Veränderungen des Kräfteverhältnisses durch und im Kampf um tiefgreifende politische und soziale Reformen, die das Machtsystem des staatsmonopolistischen Kapitalismus schwächen sollen, wurde von der Kommunistischen Internationale aufgegriffen und weiterentwickelt.

1922 betonte der IV. Kongress der Komintern (der letzte zu Lenins Lebenszeit): „Zwischen der gegenwärtigen Periode der offenen bürgerlichen Reaktion und dem vollen Sieg des evolutionären Proletariats über die Bourgeoisie liegen verschiedenen Etappen und sind verschiedenen kurzfristige Episoden möglich.“ (Vergl. „Die Kommunistische Internationale. Kurzer historischer Abriss“, Verlag Marxistische Blätter, Frankfurt 1970, S. 195). Der Kongress sah in der Form der „Arbeiter- und Bauernregierungen“ eine solche Möglichkeit des Übergangs zur sozialistischen Revolution. Diese Idee war eine Weiterentwicklung der Strategie der Bolschewiki in der ersten russischen Revolution von 1905, aber auch in der vom Charakter her bürgerlichen „Märzrevolution“ von 1917, die zum Sturz des Zarismus geführt hatte.

Für diese Kampfetappe wurde das Ziel der „revolutionär-demokratischen Diktatur der Arbeiter und Bauern“ propagiert.

G. Dimitroff erinnerte nach dem Machtantritt des deutschen Faschismus auf dem VII. Weltkongress der Komintern 1935 an diese und ähnliche Gedanken und Konzeptionen Lenins, als er in seinem historischen großen Referat scharf mit sektiererischen Fehlern in der Strategie der Kommunistischen Parteien abrechnete und an die berühmte Arbeit Lenins über den „linken Radikalismus“ erinnerte:
„Vor fünfzehn Jahren hat Lenin uns aufgefordert, unsere ganze Aufmerksamkeit darauf zu konzentrieren, Formen des Übergangs oder des Herankommens an die proletarische Revolution ausfindig zu machen…. Um den Millionenmassen zu helfen, möglichst schnell an Hand der eigenen Erfahrungen zu lernen, was sie zu tun haben, wo der entscheidende Ausweg zu finden ist und welche Partei ihr Vertrauen verdient; – dazu sind sowohl Übergangslosungen als auch besondere ́Formen des Übergangs oder des Herankommens an die proletarische Revolution` notwendig.“ (VII. Kongress der Kommunistischen Internationale. Referate und Resolutionen. Verlag Marxistische Blätter, Frankfurt 1975, S. 148)

Eine solche antifaschistische Strategie war also das völlige Gegenteil des vom „infopartisan“ behaupteten Verzichts auf die proletarisch-sozialistische Revolution.

Dimitroff grenzte diesen Kampf um die besten und günstigsten Übergänge und Wege zum revolutionären Bruch mit dem System des Kapitalismus zudem sehr deutlich von einer Konzeption des „3. Weges“ der damaligen Sozialdemokratie ab. Er kritisierte deren reformistische Konzeption eines dauerhaften „demokratischen Zwischenstadiums“, das angeblich durch friedliche Transformationsprozesse und durch rein parlamentarische Mehrheitsentscheidungen erreicht werden könnte.

Die DKP hat immer betont, dass sie von einem einheitlichen revolutionären Prozess des Kampfes um die Macht ausgeht, der über verschiedene kürzere oder längere Phasen und Etappen, zwischen denen es keine „chinesische Mauer“ gibt, zur Überwindung des Kapitalismus führt. Dass dies keine blutleeres theoretisches Konstrukt ist, zeigen auch andere erfolgreiche Revolutionen nach dem russischen „Oktober“, die über verschiedene antifaschistische, antikoloniale und antiimperialistische Etappen in der DDR, der CSSR, China, Vietnam und Kuba schließlich zur sozialistischen Umwälzung in diesen Ländern führten. Die DKP klebt aber keinesfalls an „unveränderlichen Revolutionsmodellen“, sondern geht von der Frage der Entwicklung der realen Kräfteverhältnisse, der Bestimmung der jeweils besten und effektivsten Kampfmethoden und –formen aus.

Das alles setzt eine starke Kommunistische Partei mit Masseneinfluss, starken Positionen in den Organisationen der Arbeiterbewegung und Betrieben, mit starker Verankerung in demokratischen Bündnissen, mit unüberhörbarem Einfluss in Massenmedien und Bildungseinrichtungen, unter der arbeitenden und lernenden Jugend und nicht mehr zu überhörendem Einfluss im parlamentarischen Bereich voraus. Und eine solche Partei wird zum gegebenen Zeitpunkt auch in der Lage sein (müssen) für die zu erwartenden plötzlichen Wenden und überraschenden neuen Entwicklungen mit klarem Kopf die jeweils richtigen taktischen Ziele und Kampfmethoden zu beschließen.

So weit die Empfehlung der Anttagskommission. Mit dieser Argumentation wird – wenn der Parteitag ihr folgt – die Diskussion aber mit Sicherheit nicht beendet sein können.Wir brauchen auch nach dem Parteitag die kreative Debatte über die politischen Antworten der DKP auf die Fragen, die uns zu den Zukunftsvorstellungen der Kommunistischen Partei gestellt werden.Und dazu gehört ganz wesentlich die Debatte um die richtige Strategie.

Quelle: http://news.dkp.suhail.uberspace.de vom 6.11.2015
Hans-Peter Brenner ist derzeit stellv. Vors. der DKP und Leiter der (vorläufigen) Antragskommission 1 des 21. Parteitags