Bernard Schmid berichtet aus Frankreich

Neues von der extremen Rechten
Petrodollars vom Golf für den Front National?

11/2016

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Pecunia non olet, wussten schon die alten Römer. Denn dass „Geld nicht stinkt“, hatte der historische Erfinder der Latrinensteuer vor nunmehr zwei Jahrtausenden postuliert. Dass man finanzielle Mittel lieber nicht ablehnt, gilt aber auch für die zeitgenössischen französischen Neofaschisten vom Front National (FN).

Wir werden nach Finanzierungsquellen suchen, ob in Russland, Argentinien, in den USA oder eben auch im Mittleren Osten“, erklärte der Finanzchef der Partei – Wallerand de Saint-Just – in der letzten Oktoberwoche 2016 gegenüber der Tageszeitung Le Figaro. Indirekt bestätigte er damit Meldungen, die zuerst am 21. und 24. Oktober d.J. durch die Onlinezeitung Mediapart veröffentlicht worden waren. Demnach plant die regierende Monarchie in der am Arabisch-Persischen Golf liegenden Föderation der Vereinigten Arabischen Emirate (VAE), die französische Partei finanziell zu unterstützen.

Mediapart berichtet auch, eine Reise von FN-Chefin Marine Le Pen nach Kairo vom 28. 05. 2015 durch die VAE politisch eingefädelt und kofinanziert worden sei. Dies hat auch eine Logik: Le Pen erklärte dort ihre Unterstützung für das ultrarepressive Regime von Ex-General und Präsident Abdelfattah Al-Sissi. Zwar ist ihre Partei, deren Geschäftsgrundlage in erster Linie die einwanderungsfeindliche Agitation ist und bleibt, auf die Dämonisierung von Muslimen an und für sich – jedenfalls von denen, die auf europäischem Boden leben – eingeschworen.

Allerdings wird diese Feindseligkeit in jüngster Zeit gerne politisch mit einer vorgeblichen Abwehr der islamistischen Gefahr verpackt. Da das Regime von Al-Sissi jedoch repressiv gegen die Muslimbrüder, aber nicht durch diese, vorgeht – im vergangenen Jahr verzeichnete Amnesty international über 550 „Verschwundene“ -, bezieht sich Marine Le Pen positiv auf seine Praktiken. Dies verleiht ihr ferner eine stärker internationale Statur, nachdem bislang vor allem Wladimir Putin als ihr ausländisches Vorbild erschien, sowohl aufgrund seines Umgangs mit Tschetschenien als auch aufgrund seiner „Selbstbehauptung“ gegenüber den USA.

Die VAE jedoch, die zwar für ein ähnliches Gesellschaftsmodell stehen wie die Nachbarländer Qatar und Saudi-Arabien – basierend auf Feudalismus, Ölrente und sklavenähnlicher Arbeit vor allem von asiatischen Migranten -, aber mit ihnen im Konkurrenzkampf liegen, versuchen sich ihrerseits als Teils eines Schutzwalls gegen den radikalen Islamismus zu profilieren. Qatar ist mit den internationalen Muslimbrüdern liiert, Saudi-Arabien mit vielen Unterströmungen der Salafisten. Die VAE können mit deren Kontakten nicht mithalten. In den letzten drei Jahren treten sie vor allem als Geldgeber des ägyptischen Regimes nach dem putschähnlichen Machtwechsel von 2013 in Erscheinung. Allerdings finanzierte auch Saudi-Arabien bis vor kurzem das ägyptische Regime, was nun aufgrund starker Differenzen zur Syrienpolitik vorläufig vorbei ist.

Die internationale Suche des FN nach Kontakten und Finanziers erklärt sich aber auch aufgrund seiner, eher klammen, pekuniären Situation. Denn man kann zwar über die Inhaber des Finanzkapitals sagen, was man will – doch man kann nicht behaupten, sie gehörten zu den besonderen Freunden der Partei Marine Le Pens. Bislang weigern sich französische Großbanken standhaft, ihrer Partei größere Geldsummen für den Wahlkampf 2016/17 vorzustrecken. Darüber wiederum beklagt sich die Parteispitze bitterlich. Und während sie noch 2014 versuchte, einen russischen Großkredit über neun Millionen Euro in der Öffentlichkeit zu vertuschen, verheimlicht sie derzeit ihre auch international angelegte Geldsuche nicht. Die Parteiführung erklärt in den Medien, die französischen Banken sollten sich gefälligst nicht so anstellen, dann brauche man auch nicht nach anderen Finanzierungsquellen weltweit zu suchen.

Eine allzu starke internationale Einbindung der Parteiführung dürfte jedoch wiederum einige Parteifreunde von der Basis – die den Diskurs der Partei über „notwendigen Protektionismus“ und den Rückzug auf vor der Unbill der Welt schützende, nationale Grenzen für bare Münzen nehmen – und manche Wähler eher verschrecken. Deswegen ist Vorsicht geboten, zumal der FN derzeit im Vorfeld des Wahlkampfs von heftigen Konflikten durchzogen wird, weil der Streit um Plätze in den Beraterstäben der Kandidatin Marine Le Pen voll entbrannt ist. Hinzu kommen beginnende Querelen um Listenplätze zu den im Juni 17 stattfindenden Parlamentswahlen. Mehrere Bezirksverbände des FN werden derzeit von „Säuberungen“ erschüttert, wie die Tageszeitung Libération es formulierte. In Marseille wird der FN-Politiker Stéphane Ravier, der als Bezirksbürgermeister von 150.000 Menschen sowie Senatsabgeordneter die wichtigsten institutionellen Positionen gleichzeitig besetzt, aus den eigenen Reihen heftig angefeindet. Und vergangene Woche verbot die Parteichefin ihrer Nichte Marion Maréchal-Le Pen einen Fernsehauftritt. Letztere tritt offiziell für eine etwas andere Linie ein – stärker wirtschaftsliberal und katholisch-traditionell, während Marine Le Pen eher staatsinterventionistisch argumentiert und den Begriff des Laizismus zu vereinnahmen versucht.

Rechtskatholische Konkurrenz

Die Partei muss sich auch aus einem anderen Grund in Acht nehmen, dass ihr über all diesen Querelen und Versuchen, ihren Diskurs anzupassen, nicht die aktiven Anhänger abtrünnig werden. Denn der FN hat in diesen Zeiten auch Konkurrenz bekommen. Und diese muss oft weniger Rücksichten auf „Befindlichkeiten“ der öffentlichen Meinung nehmen als der FN selbst, als aufgrund seiner Orientierung auf Wahlbeteiligungen notwendig „weichgespülte“ rechtsextreme Partei.

Zu einem Kristallisationskern rechts vom FN, oder jedenfalls vom offiziellen Profil der Partei, entwickelt sich in jüngster Zeit die katholisch-fundamentalistische Organisation Civitas, die sich vor wenigen Monaten offiziell als politische Partei konstituierte. Zwar ist diese noch von bescheidenem Ausmaß, doch konnte sie einige symbolträchtige Bei- und Übertritte verzeichnen. Etwa den von Marie d’Herblay. Es handelt sich um einer frühere FN-Funktionärin, die dadurch bekannt wurde, dass sie auch nach dem Ausschluss des – wegen geschichtsrevisionistischer Aussprüche – im August 2015 aus der Partei gedrängten Altvorsitzenden Jean-Marie Le Pen dessen Online-Show Le journal du bord de JMLP (Jean-Marie Le Pen) betreute. Auch der 26jährige Alexandre Gabriac, Chef der im Frühsommer 2013 verbotenen gewalttätigen Jugendorganisation Jeunesses nationalistes (JN), erklärte seinen Beitritt. Er war im Frühjahr 2011 vorübergehend aus dem FN ausgeschlossen worden, nachdem während des damaligen Bezirkswahlkampfs seine Facebookfotos mit Hitlergruß publik geworden waren. Seinerzeit war er der jüngste Regionalparlamentarier des FN mit Sitz in Lyon.

Übergänge zu Rechtsbürgerlichen

Civitas machte jüngst dadurch aufmerksam, dass die Organisation am 22. Oktober 16 in Calais gegen die Migranten dort demonstrierte. Vor allem aber durch die Ankündigung, bei den am 20. und 27. November stattfindenden Vorwahlen der Partei Les Républicains (LR) – es geht darum, wer zum Präsidentschaftskandidaten des konservativ-wirtschaftsliberalen Bürgerblocks nominiert wird – mitzumischen. Civitas will dazu aufrufen, für einen der derzeit im Rennen gebliebenen sieben Kandidaten zu stimmen. Es handelt sich um Jean-Frédéric Poisson, den Vorsitzenden der von der früheren rechtskatholischen und homophoben Ministerin Christine Boutin gegründeten Kleinpartei Parti Chrétien-démocrate (PCD).

Er machte in jüngster Zeit durch Sprüche über eine „zionistische Lobby“ auf sich aufmerksam und sieht ansonsten „Pornographie und Drogen“ allüberall, dank des „durch Mai 1968“ ausgelösten dramatischen Sittenverfalls. Allerdings erklärt Civitas zugleich, man werde bei der Präsidentschaftswahl im April und Mai 2017 nicht für den Bewerber von LR stimmen. Das trifft sich gut, denn ihr Favorit Poisson hat selbst angekündigt, falls der aussichtsreichste bürgerliche Bewerber – Alain Juppé – und Marine Le Pen in die Stichwahl einzögen, dann werde er auf keinen Fall für Juppé stimmen. In seinen Augen ist der frühere Premierminister Juppé ein „Vertreter des Multikulturalismus, der Frankreichs Ruin verursacht hat“.

Insgesamt 13 Prozent der Wählerinnen und Wähler von Marine Le Pen bei der Präsidentschaftswahl 2012 wollen voraussichtlich ebenfalls an der Urwahl der Partei LR teilnehmen. Viele von ihnen, um Nicolas Sarkozy zu unterstützen, vor allem wegen seiner jüngsten muslimfeindlichen Ausfälle. Einige auch, um Poisson zu unterstützen. Beide Vizevorsitzenden des FN, Florian Philippot und Louis Aliot, erklärten unterdessen, eine Teilnahme an der élection primaire bei der konservativen Konkurrenz sei „Zeitverschwendung“ für ihre Anhänger.

Eine andere außerparlamentarische Putztruppe in Gestalt der „identitären“ Bewegung setzt den FN ebenfalls durch ihren Aktivismus und ihre PR-Aktivitäten unter Druck.

Identitäre“

Ihr gelang jüngst ein erheblicher Propagandaerfolg, anknüpfend an das Attentat von Nizza vom 14. Juli dieses Jahres. In dieser Stadt, die von 1995 bis 2008 von einem ehemaligen Gründungsmitglied des FN – Jacques Peyrat – als Bürgermeister regiert wurde und die viele frühere Algeriensiedler aus der Kolonialzeit beherbergt, herrschte schon vor dem Mordanschlag ein rechts beherrschtes Klima.

Nunmehr versuchen organisierte extreme Rechte jedoch, die Trauerarbeit und die Tätigkeit von Vereinigungen, die für die Entschädigung und Betreuung von Verletzten oder Hinterblieben arbeiten, zu kapern. Das Gedächtnis an das Massaker soll auf diese Weise politisch vereinnahmt werden. Seit längerem gab es bereits mehrere, eher institutionalisierte Opfervereinigungen: Promenande des Anges - benannt nach dem Attentatsort -, die seit 1987 bestehende und nach einem Schutzpatron benannten Vereinigung Montjoye und die AFVT. Eine neue wurde jedoch am 11. Oktober 16 gegründet: die ASVAT oder „Vereinigung zur Unterstützung der Opfer von Terrorakten“. Diese bezeichnet sich als „parteipolitisch unabhängig“ und „patriotisch“.

Doch die Presse fand schnell heraus, dass sich die extreme Rechte in Gestalt der „Identitären“ hinter ihr verbirgt. Demnach steht der Vereinigung eine gewisse Liane d’Argelier vor, die jedoch mit richtigem Namen Maryline Canovas d’Argelier heißt. Im Jahr 2013 tauchte ihre Name, an der Seite von Philippe Vardon, bei einem „Islamisierung basta“ auf, das damals gegen einen geplanten Moscheebau in Nizza zu Felde zog.

Die „Identitären“ werden es infolge der jüngsten Medienberichterstattung wohl nicht schaffen, die Attentatsopfer oder jedenfalls die Mehrheit unter ihnen auf ihre Seite zu ziehen. Aber andererseits schafften sie dadurch umso mehr, eine größere Aufmerksamkeit in den Medien und der Öffentlichkeit auf sich ziehen.

Editorischer Hinweis

Den Artikel erhielten wir vom Autor für dieses Ausgabe.

Bernard Schmid berichtet bei TREND seit vielen Jahren regelmäßig über den Front National.