Offener Brief an Dr. Klaus Lederer den Vorsitzenden der LINKEN des Landes Berlin

von Antonín Dick

11/2016

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Sehr geehrter Herr Dr. Lederer,

wir Juden gedenken heute des furchtbaren Tages der Deutschen, des 9. November 1938, an dem die Synagogen in Deutschland in Flammen aufgingen, jüdische Geschäfte zerstört wurden, an dem viele, viele Juden ermordet und in Lager verschleppt wurden.

Vor wenigen Tagen sah ich eine Talkshow, an der die Vorsitzende der AfD,  Frau Dr. Frauke Petry, und die Vorsitzende der Bundestagsfraktion der LINKEN, Frau Dr. Sahra Wagenknecht, teilnahmen. Die AfD-Vorsitzende warf der LINKEN-Vorsitzenden Antisemitismus in den Reihen der LINKEN vor.  Seitens der LINKEN-Vorsitzenden gab es keinen Einspruch, keinerlei Protest. Ich war entsetzt. Meine Mutter Dora Dick, eine jüdisch-kommunistische Widerstandskämpferin wäre auch entsetzt gewesen.

Im Sommer 2016, im Zuge der Berliner Wahlvorbereitungen, erlebte ich Krypto-Antisemitismus mir gegenüber seitens der LINKEN- Gruppe Dr. Barbara Fried (Rosa-Luxemburg-Stiftung), Franziska Brychcy (LINKEN-Fraktion des Berliner Abgeordnetenhauses) und Gerald Bader (LINKEN-Fraktion in der Bezirksverordnetenversammlung von Steglitz-Zehlendorf).

Um mich und andere Juden vor antisemitisch eingestellten Deutschen schützen zu können, sah ich mich nach gesellschaftlichen Schutzmechanismen um. Ich fand eine Initiative von engagierten, nichtjüdischen Deutschen, bei der man judenfeindliche Übergriffe und Angriffe dokumentieren und  gleichzeitig um Schutz bitten kann. Diese Initiative ist das über das Internet erreichbare Meldezentrum: https://report-antisemitism.de

Heute werde ich meine Mutter besuchen, dort, wo ich immer wieder Abschied nehmen kann. Wir waren die einzigen Überlebenden einer weitverzweigten Berliner jüdischen Familie hier in dieser Stadt. Jetzt muss ich sagen: ich. Unsere gesamte Familie wurde von den Deutschen ermordet bzw. nach Unbekannt  vertrieben. Mich begleitet an diesem besonderen Tag eine Katholikin. Kommunisten, Sozialisten, Gewerkschafter und auch Christen haben meiner Mutter auf ihrer Flucht aus Nazideutschland tatkräftig geholfen.

Vor wenigen Tagen rief die Führung der Evangelischen Kirche in Deutschland  zu einem breiten gesellschaftlichen Bündnis gegen Rechts auf. In einem Schreiben an den Vorsitzenden der LINKEN-Gruppierung von
Steglitz-Zehlendorf Herrn Gerald Bader vom 2. 07. 2016 habe ich auf die  dringende Notwendigkeit eines Bündnisses gegen Rechts hingewiesen. Herr Bader hat es bis zum heutigen Tag nicht für notwendig befunden, einem jüdischen Bürger zu antworten.

Vielleicht könnten Sie mit Ihrer Partei an diesem Bündnis gegen Rechts  teilnehmen? Vor ein paar Wochen veröffentlichte ich bei der linksgerichteten online-Zeitung TREND einen Artikel über Bündnisse von  unten. Ich erlaube mir, Ihnen diesen Beitrag zuzusenden. Er verbindet Bündnisarbeit von gestern mit der von unten.

Und abschließend vielleicht eine Bitte an Sie, sehr geehrte Herr Dr. Lederer: Vielleicht könnten Sie Frau Dr. Barbara Fried von der Rosa-Luxemburg-Stiftung einmal darauf aufmerksam machen, dass Rosa  Luxemburg Jüdin war.

Shalom

Dr. Antonín Dick

 

Quelle: per email am 11.11.2016  durch den Autor

 


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Rose des Exilgeborenen
Ein Essay von Antonín Dick