trend spezial:  Berichte aus Kosova redigiert von Max Brym

In Memoriam - Persönliche Erinnerungen an Astrit Dehari

von Max Brym / 07. November 2016

11/2016

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Ich kann es immer noch nicht fassen, dass mein Freund Astrit Dehari nicht mehr lebt. Samstag Abend las ich die Meldung in den kosovarischen Medien. Mein Herz stand fast still und auch mit 59 Jahren kann man noch Weinkrämpfe bekommen.

Astrit kannte ich seit 2008. Er wurde groß in einer sehr gebildeten, gastfreundlichen linkspatriotischen Familie. Sein Vater Avni Dehari, ist ein Veteran der linken albanischen Widerstandsbewegung gegenden serbischen Chauvinismus. Welch eine Trauer muss die Familie ertragen. Im Jahr 2014 starb der ältere Sohn Arbenor Dehari und jetzt Astrit Dehari. Vor etwas mehr als zwei Wochen besuchte ich Astrit im Gefängnis in Prizren. Er machte auf mich wie immer einen aufgeweckten und keinesfalls depressiven Eindruck. Ziemlich munter berichtete er, dass er viel liest und sich nicht dem Terror des Regimes beugt. Stolz blickten seine Mutter und sein Vater auf ihn. Am Samstag starb nun Astrit Dehari in der Haft. Zur genauen Todesursache gibt es unterschiedliche Angaben des Regimes. Astrit saß völlig unschuldig -genauso wie ANDERE im Gefängnis-. Ein terroristisches Regime warf ausgerechnet ihm „ Terrorismus“ vor. Beweise dafür hatte die Staatsanwaltschaft nicht. Der Rechtsanwalt von Astrit Dehari, Gent Beka bestätigte mir das in einem Gespräch. Insgesamt war Astrit 68 Tage im Gefängnis. In Kosova werfen die regierenden Millionäre unschuldige Menschen wie Astrit Dehari ins Gefängnis. Sie haben ihn indirekt oder sogar direkt ermordet. Alles was im Gefängnis passiert unterliegt der Verantwortung dieser Institution. Völlig lächerlich ist die Behauptung Astrit hätte zu viel Medikamente oder gar Drogen genommen. Wer teilt denn die Medikamente im Gefängnis aus? Die Familie fordert zurecht eine Autopsie unter Teilnahme von Ärzten welche die Familie Dehari benennt.

Astrit die Politik und die Medizin

Sehr erfolgreich studierte Astrit Medizin. Meist fand ich bei meinen Besuchen bei der Familie Dehari Astrit beim Studium medizinischer Fachbücher oder politischer Bücher vor. Astrit war genau wie sein verstorbener Bruder Aktivist der „ Bewegung für Selbstbestimmung“ (VV). Eine wichtige Rolle spielte Astrit im Studentenverband SKV – „Bewegung für die Gleichheit“. Astrit kämpfte gegen Studiengebühren, gegen eine privatisierte Bildung sowie gegen korrupte Rektoren. Immer setzte er neben praktischer Aktivität auf politische Bildung. Oftmals übersetzte er Vorträge von mir in Prishtina. Er sprach perfekt Deutsch und Albanisch. Astrit setzte sich immer für politischen Massenwiderstand gegen Armut, Arbeitslosigkeit sowie für Selbstbestimmung in Kosova ein. Jede Art von individuellem Terror welche ihm die Pronto Millionäre vorwerfen war ihm fremd. Er war ein guter Freund der zuletzt ein Buch von mir vom deutschen ins albanische übersetzte. Das Buch landete in seinem Computer ins Gefängnis. Den Text werde ich erhalten. Aber Astrit wird niemals mehr sprechen, lachen und politisch kämpfen. Welch ein Verlust, welche Trauer überschattet das menschliche Dasein. Das Vermächtnis von Astrit muss umgesetzt werden. Für soziale Gleichheit und Selbstbestimmung in Kosova und überall auf der Welt. Ich muss jetzt aufhören zu schreiben. Ich wollte noch viele persönliche Eindrücke niederschreiben. Aber es geht nicht mehr. Ich weine. Oh Astrit du wurdest nur 26 Jahre alt.