Kommentare zum Zeitgeschehen
Christoph Butterwegge
Ein Bundespräsidentenkandidat mit Vergangenheit

von Beate Iseltwald

11/2016

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Die Linkspartei hat Christoph Butterwegge als Bundespräsident aufgestellt. Es mag sein, dass er in Bezug auf soziale Armut vernünftige Positionen vertritt. Seine Vergangenheit ist es jedoch mit Sicherheit nicht, die ihn politisch attraktiv macht.

Zu den kontraproduktivsten linken Organisationen vor 1989 gehörte die DKP. Während andere Linke damit konfrontiert waren, in der Bevölkerung dafür zu argumentieren, dass Sozialismus nicht gleich DDR sei, bestand die Hauptbotschaft der DKP in genau dieser Gleichsetzung. Wenn es die DKP nicht gegeben hätte, die westdeutsche Bourgeoisie hätte einen solch nützlichen Idioten erfinden müssen. Die größten Antikommunisten, so sagte damals Böll, saßen in den Regierungen von Moskau und Ost-Berlin. Die DKP und ihre fellow-traveller haben die Verdrehung und Mystifikation kultiviert, die Kritik an der SED als „Antikommunismus“ zu verbellen. Die DKPler begrüßten dann bspw. die Verurteilung von Rudolf Bahro zu acht Jahren Gefängnis. Es handele sich um einen Akt legitimer Verteidigung des „sozialistischen Gemeinwesens“.

Wer in den 1970er und 1980er Jahren schon politisch aktiv war, kann sich daran erinnern, wie Christoph Butterwegge sich als treuer Bündnispartner der DKP betätigte. Anhänger der DKP verfuhren damals zweigleisig. Manche traten offen als Parteianhänger auf, manche als „wahre Sozialdemokraten“, die ihr Leiden daran ausstellten, dass die SPD sie nicht in ihren Reihen haben wollte. Diese „wahren Sozialdemokraten“ waren dadurch definiert, dass sie sich am Bündnis mit der DKP und an der Affirmation der DDR orientierten. Zum Dauerbündnispartner der DKP an den Unis ab der Mitte der 1970er Jahre gehörte der SHB („Sozialistischer Hochschulbund“) .

Mechthild Jansen und Christoph Butterwege haben die Position des SHB („Sozialistischer Hochschulbund“) und eines Teils der Stamokap-Jusos wie folge ausgedrückt:

"Bedingt durch die Verschiebung der Kräfteverhältnisse zwischen Imperialismus und Sozialismus im Weltmaßstab, aber auch die unübersehbare Stärkung der demokratischen Bewegung unseres Landes im allgemeinen (Gründung der DKP 1968, …) und die Neuformierung der SPD-Linken im besonderen, ist die herrschende Klasse zum gegenwärtigen Zeitpunkt gezwungen, die soziale Entrechtung der Werktätigen durch ideologisches Sperrfeuer (Menschenrechtskampagne) abzusichern. Innerhalb der SPD übernehmen 'linke' Varianten des Antikommunismus ('Zerschlagung der stalinistischen Bürokratien in Osteuropa') die Aufgabe, ein Vordringen des Marxismus zu verhindern. Auch die neue Juso-Führung ordnet sich bewußt oder unbewußt dieser Funktion unter ('Bahro-Kampagne' gegen den SHB, Gründung einer Bürgerrechtsbewegung unter Ausschluß der Kommunisten, Auftreten der Juso-Delegation bei den XI. Weltjugendfestspielen auf Kuba), worunter jedoch auf längere Sicht ihre Fähigkeit leiden muß, linke Minderheiten, kritische Intelligenz und enttäuschte Jugendliche an die SPD zu binden…. Von daher gehört es zu den Aufgaben der Marxisten innerhalb der SPD, trotz ständiger Bedrohung durch Parteiordnungsverfahren, mit denen die rechtssozialdemokratische Führung jede Zusammenarbeit unterbinden will, für die Aktionseinheit aller fortschrittlichen Kräfte einschließlich der Kommunisten einzutreten und sie in der Praxis zu realisieren…. Schließlich beinhaltet eine wirksame Interessenvertretungspolitik die Auseinandersetzung mit allen Schattierungen des Antikommunismus, der von den kapitalistischen Krisenphänomenen und sozialen Alternativen ablenken, das einheitliche Vorgehen der Hauptströmungen der Arbeiterbewegung, von Sozialdemokraten und Kommunisten, verhindern soll" (Beiträge zum wissenschaftlichen Sozialismus 1/79, S. 84, 86).

Butterwegge (Jg. 1951) war, als er diese grob desorientierenden Sätze verfasste, kein Jugendlicher mehr, sondern hatte bereits ein „Studium“ hinter sich.

Der SHB erklärte 1978:

"Es gibt für uns keinen Grund, bereits im Vorverständnis davon auszugehen, daß die Begründung für die Verurteilung von Rudolf Bahro seitens des Berliner Staatsgerichts der DDR falsch ist. Und daß geheimdienstliche Tätigkeit in unterschiedlichen Formen und mit unterschiedlichen Mitteln ausgeübt werden kann, wird jeder einschlägige 'Fachmann' bestätigen können ….  In einer Zeit, wo von den Rechtskräften alle Mittel für eine Rückkehr zur Politik des kalten Krieges aufgewendet werden, beteiligt sich der SHB nicht am psychologischen Krieg gegen die DDR. Daß die Rechtskräfte solche Vorfälle für ihre antikommunistischen Zwecke aufbauen, ist uns hinreichend bekannt. Doch überraschend ist, wie offen einige sich selbst als 'linke' Sozialdemokraten bezeichnende Politiker wie Peter von Oertzen ihre Ziele darlegen… die eine große Gefahr für die Entspannungspolitik darstellen… Durch von den Rechtskräften gekonnt inszenierte Ablenkungsmanöver läßt sich der SHB nicht irritieren… Die Unzufriedenheit und der Widerstand gegen den gewöhnlichen Kapitalismus in unserem Land sollen mit derartigen Kampagnen gebrochen werden…" (Frankfurter Rundschau, 15.7.78).

Butterwegge im Februar 1980 in der SHB-Zeitschrift „frontal“:

„Wer dem sozialistischen Staat, der sich von seinem Vorgänger grundlegend unterscheidet, nicht das Recht zugesteht, im Rahmen der gültigen Gesetze Gewalt anzuwenden, um die Machtstellung der Arbeiterklasse zu verteidigen, verläßt den Boden des wissenschaftlichen Sozialismus.“ Der Sozialismus ist „kein Pluralismus-Paradies, sondern das Gesellschaftssystem, wo die Arbeiterklasse ihre politische Macht errichtet, sie – unter Wahrung der sozialistischen Gesetzlichkeit, wenn es sein muß mit Gewalt – gegen ehemalige Kapitalisten und Konterrevolutionäre verteidigt und zur Umwälzung der herrschenden Eigentumsverhältnisse einsetzt.“ Auch die „Staatsmaschinerie der bürgerlich-parlamentarischen Demokratie“ könne man in den Sozialismus nicht übernehmen, sondern „zerbrechen“.

Die „sozialistische Gesetzlichkeit“, die Butterwegge hochhält, sah in der DDR so aus, dass Bahro, nachdem er seinen auch heute noch lesenswerten Band „Die Alternative“ 1977 im Westen publiziert hatte, wegen „landesverräterischer Sammlung von Nachrichten“ und „Geheimnisverrats“ verurteilt werden konnte.

Eine kritische Aufarbeitung seiner Vergangenheit ist bei Christoph Butterwegge nicht bekannt.

Quelle: Zusendung durch die Autorin.

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