Ein afrikanisches Land, in dem ein Oktoberfest –
auch Beer Fest genannt – stattfindet,
zu dem Bier und Brathähne serviert werden: Doch,
das gibt es. Es findet in Lomé, der Hauptstadt des
westafrikanischen Staates Togo, statt.
Wer nun aus deutscher
Sicht glaubt, ein Paradies in tropischen
Breitengraden gefunden zu haben, irrt. Das
Oktoberfest von Lomé und die Verbreitung von
Biersorten mit deutschen Wurzeln hängen einerseits
mit der deutschen Kolonialvergangenheit dort
zusammen, die von 1884 bis 1918 dauerte.
Andererseits hat vor allem Bayern in der Amtszeit
des verblichenen CSU-Ministerpräsidenten
Franz-Josef Strauß die Kooperation mit Togo in den
1980er Jahren ausgebaut, zum Teil folkloristisch
verbrämt. Politisch nimmt allerdings Frankreich
dort eine stärker bestimmenden Rolle ein, wie in
anderen seiner früheren Kolonien und Protektoraten
in Afrika, zu denen Togo von 1918 bis 1960 zählte.
Was beide europäischen Staaten betrifft, hat die
Zusammenarbeit mit dem Regime in Togo erhebliche
Schattenseiten. Das westafrikanische Land zählte zu
jenen Ex-Kolonien, die nach der Unabhängigkeit 1960
einen unabhängigen Weg zu beschreiten versuchten.
Doch im Januar 1963 wurde der Premierminister des
Landes, Sylvanus Olympio, ermordet. Die Beteiligung
Frankreichs war durchsichtig: Die durch putschenden
Militärs, die den Regierungschef ermordeten, hatten
dabei den französischen Botschafter telefonisch
kontaktiert, wie seine Witwe berichtete. Er hatte
den gefährlichen Einfall gehabt, aus dem bis heute
bestehenden Währungsverbund mit Frankreich in
Gestalt der gemeinsamen Währung franc CFA
auszutreten und eine eigenständige afrikanische
Währungszone zu bilden.
Seitdem regiert, bis
heute, genau eine Familie in Togo. Den Putsch von
1963 führte der Gendarmerieoffizier Gnassingbé
Eyadema an. In den Jahren darauf war er zunächst
Generalstabschef und der Machthaber hinter den
Kulissen. Er ließ sich dann im Januar 1967 zum
Präsidenten ausrufen – und blieb es bis zu seinem
Tode im Februar 2005. Daraufhin wurde sein Sohn
Faure Gnassingbé zum Präsidentschaftskandidaten der
Regierungspartei RPT erhoben. Im März 2005 ging er
als „Sieger“ aus einer Präsidentschaftswahl hervor,
deren Ergebnisse durch die Opposition als gefälscht
bezeichnet wurden. Im Anschluss an
Massendemonstrationen forderte die Repression
zwischen 500 und 1.000 Todesopfer, wie eine
UN-Untersuchungskommission bestätigte.
Heute begehrt jedoch
die togolesische Bevölkerung, erstmals seit 2005
wieder massenhaft, gegen das amtierende Regime auf.
Seit August dieses Jahres nimmt der Straßenprotest
gegen das amtierende Regime zu, zunächst infolge
eines Aufrufs des Oppositionsbündnisses CAP 2015
für den 03. August, dann der Oppositionspartei PNP
(Parti national panafricain) zum Protest am
19. August. Anlass war das Bekanntwerden der Pläne
einer „Reformkommission“ für die Organisierung der
Parlamentswahlen 2018, die die Vormachtstellung der
Regierungspartei RPT zu zementieren drohten.
Anfang September versprach die Regierung daraufhin,
einer Vereinbarung der westafrikanischen
Wirtschaftsgemeinschaft ECOWAS zuzustimmen, der
zufolge die Zahl der Amtszeiten von Staatschefs auf
zwei beschränkt werden soll. Das Regime fügte
jedoch hinzu, die bislang absolvierten Amtszeiten
sollten dabei nicht mitgezählt werden. Daraufhin
verbreiterte sich der Protest. Am 07. September
wurde ein wahres Menschenmeer von Demonstrierenden
in der Hauptstadt Lomé verzeichnet. Der dort
geplante Afrika-Israel-Gipfel musste auf
unbestimmte Zeit verschoben werden. Das Regime ließ
unterdessen den Zugang zum Internet im Land kappen.
Am
04. und 05. Oktober 17 fanden erneut massive
Demonstrationen statt, während die in Frankreich
und im ganzen französischsprachigen Afrika
erscheinende Wochenzeitschrift Jeune Afrique
ein Vertriebsverbot erhielt. Sie hatte zuvor
getitelt: „Wie lange kann Faure Gnassingbé
durchhalten?“
Seit dem Dienstag dieser Woche (
17. Oktober 17 ) finden
neuerliche Demonstrationen trotz Verbots statt, die
auch am Donnerstag anhielten. Am Mittwoch kamen ein
Erwachsener, sowie laut Angaben der Opposition ein
elfjähriges Kind - was die Regierung bestreitet –
in der Hauptstadt Lomé ums Leben. Ferner wurden 20
Menschen verletzt und 39 festgenommen. In Sokodé,
der zweitgrößten Stadt das Landes, wurden drei
Menschen erschossen. Die Oppositionspartei
Alliance nationale pour le changement (ANC)
– Teil des Bündnisses CAP 2015 – erklärte:
„Die Sicherheitskräfte führen Strafexpeditionen
durch und durchkämmen einzelne Häuser. Sie schlagen
alles, was sich bewegt.“
Unterdessen zählt ein Artikel in der französischen
Internetzeitung Mediapart von Fanny Pigeaud vom 05.
September 17 „die deutsche
Entwicklungszusammenarbeit“, neben der
Regierung Frankreichs, zu den zuverlässigen
Unterstützern der Regierung Togos. Hintergrund
seien die Marktanteile deutscher Unternehmen in
Togo. – Dort aktiv sind unter anderem die deutschen
Firmen HeidelbergCement und Bauer.
Editorischer Hinweis
Wir erhielten den Artikel vom Autor
für diese Ausgabe. Eine Kurzfassung dieses Artikels
erschien am 21. Oktober 17 in der Tageszeitung
,Neues Deutschland´
|