Proteste und Repression in Togo

von Bernard Schmid

11/2017

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Ein afrikanisches Land, in dem ein Oktoberfest – auch Beer Fest genannt – stattfindet, zu dem Bier und Brathähne serviert werden: Doch, das gibt es. Es findet in Lomé, der Hauptstadt des westafrikanischen Staates Togo, statt.

Wer nun aus deutscher Sicht glaubt, ein Paradies in tropischen Breitengraden gefunden zu haben, irrt. Das Oktoberfest von Lomé und die Verbreitung von Biersorten mit deutschen Wurzeln hängen einerseits mit der deutschen Kolonialvergangenheit dort zusammen, die von 1884 bis 1918 dauerte. Andererseits hat vor allem Bayern in der Amtszeit des verblichenen CSU-Ministerpräsidenten Franz-Josef Strauß die Kooperation mit Togo in den 1980er Jahren ausgebaut, zum Teil folkloristisch verbrämt. Politisch nimmt allerdings Frankreich dort eine stärker bestimmenden Rolle ein, wie in anderen seiner früheren Kolonien und Protektoraten in Afrika, zu denen Togo von 1918 bis 1960 zählte.

Was beide europäischen Staaten betrifft, hat die Zusammenarbeit mit dem Regime in Togo erhebliche Schattenseiten. Das westafrikanische Land zählte zu jenen Ex-Kolonien, die nach der Unabhängigkeit 1960 einen unabhängigen Weg zu beschreiten versuchten. Doch im Januar 1963 wurde der Premierminister des Landes, Sylvanus Olympio, ermordet. Die Beteiligung Frankreichs war durchsichtig: Die durch putschenden Militärs, die den Regierungschef ermordeten, hatten dabei den französischen Botschafter telefonisch kontaktiert, wie seine Witwe berichtete. Er hatte den gefährlichen Einfall gehabt, aus dem bis heute bestehenden Währungsverbund mit Frankreich in Gestalt der gemeinsamen Währung franc CFA auszutreten und eine eigenständige afrikanische Währungszone zu bilden.

Seitdem regiert, bis heute, genau eine Familie in Togo. Den Putsch von 1963 führte der Gendarmerieoffizier Gnassingbé Eyadema an. In den Jahren darauf war er zunächst Generalstabschef und der Machthaber hinter den Kulissen. Er ließ sich dann im Januar 1967 zum Präsidenten ausrufen – und blieb es bis zu seinem Tode im Februar 2005. Daraufhin wurde sein Sohn Faure Gnassingbé zum Präsidentschaftskandidaten der Regierungspartei RPT erhoben. Im März 2005 ging er als „Sieger“ aus einer Präsidentschaftswahl hervor, deren Ergebnisse durch die Opposition als gefälscht bezeichnet wurden. Im Anschluss an Massendemonstrationen forderte die Repression zwischen 500 und 1.000 Todesopfer, wie eine UN-Untersuchungskommission bestätigte.

Heute begehrt jedoch die togolesische Bevölkerung, erstmals seit 2005 wieder massenhaft, gegen das amtierende Regime auf.

Seit August dieses Jahres nimmt der Straßenprotest gegen das amtierende Regime zu, zunächst infolge eines Aufrufs des Oppositionsbündnisses CAP 2015 für den 03. August, dann der Oppositionspartei PNP (Parti national panafricain) zum Protest am 19. August. Anlass war das Bekanntwerden der Pläne einer „Reformkommission“ für die Organisierung der Parlamentswahlen 2018, die die Vormachtstellung der Regierungspartei RPT zu zementieren drohten.

Anfang September versprach die Regierung daraufhin, einer Vereinbarung der westafrikanischen Wirtschaftsgemeinschaft ECOWAS zuzustimmen, der zufolge die Zahl der Amtszeiten von Staatschefs auf zwei beschränkt werden soll. Das Regime fügte jedoch hinzu, die bislang absolvierten Amtszeiten sollten dabei nicht mitgezählt werden. Daraufhin verbreiterte sich der Protest. Am 07. September wurde ein wahres Menschenmeer von Demonstrierenden in der Hauptstadt Lomé verzeichnet. Der dort geplante Afrika-Israel-Gipfel musste auf unbestimmte Zeit verschoben werden. Das Regime ließ unterdessen den Zugang zum Internet im Land kappen.

Am 04. und 05. Oktober 17 fanden erneut massive Demonstrationen statt, während die in Frankreich und im ganzen französischsprachigen Afrika erscheinende Wochenzeitschrift Jeune Afrique ein Vertriebsverbot erhielt. Sie hatte zuvor getitelt: „Wie lange kann Faure Gnassingbé durchhalten?“

Seit dem Dienstag dieser Woche ( 17. Oktober 17 ) finden neuerliche Demonstrationen trotz Verbots statt, die auch am Donnerstag anhielten. Am Mittwoch kamen ein Erwachsener, sowie laut Angaben der Opposition ein elfjähriges Kind - was die Regierung bestreitet – in der Hauptstadt Lomé ums Leben. Ferner wurden 20 Menschen verletzt und 39 festgenommen. In Sokodé, der zweitgrößten Stadt das Landes, wurden drei Menschen erschossen. Die Oppositionspartei Alliance nationale pour le changement (ANC) – Teil des Bündnisses CAP 2015 – erklärte: „Die Sicherheitskräfte führen Strafexpeditionen durch und durchkämmen einzelne Häuser. Sie schlagen alles, was sich bewegt.“

Unterdessen zählt ein Artikel in der französischen Internetzeitung Mediapart von Fanny Pigeaud vom 05. September 17 „die deutsche Entwicklungszusammenarbeit“, neben der Regierung Frankreichs, zu den zuverlässigen Unterstützern der Regierung Togos. Hintergrund seien die Marktanteile deutscher Unternehmen in Togo. – Dort aktiv sind unter anderem die deutschen Firmen HeidelbergCement und Bauer.

 

Editorischer Hinweis

Wir erhielten den Artikel vom Autor für diese Ausgabe. Eine Kurzfassung dieses Artikels erschien am 21. Oktober 17 in der Tageszeitung ,Neues Deutschland´