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                             Redaktionelle Vorbemerkung 
                             Am 18. Oktober 2018 
                             beschäftigte sich im
                             Museum Neukölln auf dem Gutshof Alt-Britz die 
                             zweite Veranstaltung des Begleitprogrammes zur 
                             Ausstellung „Neukölln macht Schule. 1968–2018 “ mit 
                             dem bundesweiten  „Radikalenerlass“, wodurch 
                             es zu Berufsverboten (nicht nur) für Lehrer*innen 
                             in Neukölln in den 1970er Jahren kam.
                             Darüber sprachen: Wolfgang Ewert, Mitglied 
                             der BBV-Fraktion der Neuköllner Grünen , Henning Holsten, 
                             Historiker, Ausstellungs- und Filmemacher und Reiner 
                             Rowald, ehemaliger Lehrer und als SEW-Mitglied 
                             ein Opfer des "Radikalenerlasses". Die Runde 
                             moderierte der Politologie Reinhard Wenzel, 
                             seines Zeichens Geschäftsführer der 
                             sozialdemokratischen August-Bebel-Stiftung. 
                             Die Berufsverbotepolitik - vom sozialdemokratischen 
                             Kanzler Willy Brandt ausdrücklich begrüßt - nachdem 
                             sie 1971 auf Bundesländerebene fünfzehn Jahre nach 
                             dem KPD-Verbot wieder aufgenommen wurde und die BRD 
                             sich damit in einen autoritären, Menschenrechte 
                             mißachtenden Staat verwandelte, spielte in der 
                             Gesprächrunde keine Rolle. Vielmehr wurde durch den 
                             Historiker Holsten versucht, die mit der 
                             Berufsverbotepolitik einhergehende Schnüffel- und 
                             Denunziationspraxis aus den Charaktereigenschaften 
                             bestimmter Reaktionäre, wie z.B. dem damaligen 
                             Neuköllner Volksbildungstadtrat Gerhard Böhm (SPD) 
                             abzuleiten. Dieser narrativ-subjektivistischen 
                             Herangehensweise folgten auch Wolfgang Ewert, der 
                             1978 als Schüler sich in einen Komitee gegen 
                             Berufsverbote engagiert hatte und Reiner Rowald, in 
                             den 1960er Jahren als politischer Liedermacher eine 
                             Berlinweit bekannte Persönlichkeit. 
                               
                                 | Reiner Rowald 
                                 hatte übernommen, nicht nur von den 
                                 politischen Disziplinierungen wegen seiner 
                                 SEW-Mitgliedschaft zu berichten, sondern auch 
                                 den Fall des Hans Apel vorzustellen. 1978 wurde 
                                 dieser nach zehnjähriger Lehrertätigkeit als 
                                 Beamter auf Lebenszeit in 
                                 Berlin-Charlottenburg(!) wegen seiner 
                                 Mitgliedschaft in der SEW "aus dem Dienst 
                                 entfernt". Anstatt anhand dieses Falls 
                                 exemplarisch die reaktionären bundesweiten 
                                 Strukturen der Berufsverbotepolitik 
                                 darzustellen, verlas Rowald einen langen Brief 
                                 aus dem Nachlass des 1998 verstorbenen Hans 
                                 Apel, worin dieser seine Gefühle an dem Tag 
                                 schildert, als er seine Dienstschlüssel abgeben 
                                 musste. | 
                                  Songbook 1967
 |  
                             Nur am Rande erwähnte Reiner Rowald, dass es außer 
                             der  SEW noch andere betroffene "Rote" 
                             gab. Gemeint waren damit pauschal alle Kommunist*innen oder revolutionäre 
                             Sozialist*innen jenseits der SEW/DKP, die ebenfalls 
                             den politischen Disziplierungen der 
                             Berufsverbote-Politik ausgesetzt waren. In sechs 
                             Bänden des "Aktionskomitee gegen Berufsverbote" aus 
                             den Jahren 1975-1978 ist hingegen ohne solche 
                             ideologischen Auslassungen 
                             die Berufsverbotepolitik anhand vieler Fälle aus 
                             allen Bereichen des öffentlichen 
                             Diensts in Westberlin dokumentiert. Es hätte nicht 
                             geschadet darauf genauer einzugehen. 
                             Aus Gründen historischer Ehrlichkeit - und weil in 
                             der IG Metall die Unvereinbarkeitsbeschlüsse heute 
                             nach wie vor in Kraft sind - wäre dieser 
                             Gesprächskreis auch gut beraten gewesen, wenn er 
                             den Ausschluss von zahllosen Kolleg*innen aus den 
                             DGB-Gewerkschaften in den 1970er Jahren wegen ihrer 
                             Mitgliedschaft in revolutionär-kommunistischen 
                             Organisationen angesprochen hätte. Allerdings von 
                             diesen Unvereinbarkeitsbeschlüssen waren SEW und 
                             DKP explizit ausgenommen (sic!).  
                             Solch 
                             einem narrativen "Weißwaschen" (Brecht), heute 
                             allweil üblich wenn es um die Folgen von "68" geht, 
                             wollen wir mit entsprechenden  Informationen 
                             über die Politik der Berufsverbote und 
                             Unvereinbarkeitsbeschlüsse der 1970er Jahre 
                             entgegentreten. 
                             
                             Berlin im Oktober 2018Karl-Heinz Schubert
 
                             +++++++++++++++++++++ 
                               
                                 | VORWORT 
                                 Im Mai 1975 wurde 
                                 an der Freien Universität Berlin ein 
                                 Aktionskomitee gegen die derzeitigen 
                                 Überprüfungsverfahren der "politischen 
                                 Treuepflicht" und die Berufsverbote im 
                                 öffentlichen Dienst gegründet. In diesem 
                                 Komitee haben sich ungeachtet ihrer 
                                 politischen Differenzen die meisten 
                                 politischen Hochschulgruppen auf der Grundlage 
                                 einer gemeinsamen Plattform 
                                 zusammengeschlossen, um gegen Berufsverbote und 
                                 gegen den Abbau demokratischer Grundrechte den 
                                 Kampf und für olle Betroffenen materielle und 
                                 juristische Hilfe zu organisieren. 
                                 Das 
                                 Aktionskomitee hat sich zur Aufgabe gesetzt, 
                                 eine Alternative zur Märtyrerhaltung 
                                 Einzelner oder politischer Gruppen einerseits 
                                 und zum individuellen "die Haut retten" 
                                 andererseits zu entwickeln. Der beabsichtigten 
                                 Einschüchterung aller Angehörigen des 
                                 öffentlichen Dienstes durch die Überprüfung 
                                 ihrer politischen Treue und durch die 
                                 exemplarische Entfernung Einzelner kann ohne 
                                 eine breite Öffentlichkeit nicht wirksam 
                                 begegnet werden. Im Rahmen 
                                 der Aufgabenstellung des AKtionskomitees 
                                 steht auch diese erste Dokumentation von 
                                 Einzelfällen politischer Disziplinierung 
                                 in Westberlin, die
                                 zum 23. Juni 1975, dem 
                                 Aktionstag der Studenten der Freien Universität 
                                 , vorgelegt wird.
                                 Mit der Vorlage dieser 
                                 ersten Dokumentation 
                                 verbinden wir die Aufforderung an alle diejenigen, 
                                 die gegenwärtig von politischer 
                                 Überprüfung 
                                 betroffen sind, sicn 
                                 nicht eingeschüchtert in die Isolierung zu 
                                 begeben, sondern sich kollektiv zu wehren. 
                                 Aktionskomitee
                                 gegen Berufsverbote an der Freien Universität Berlin
 - Juni 1975 -
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                                       | 
                                       
  
 INHALT
 
                                         
                                         
                                         1. Vorwort2. Chronologie
 3. Dokumentation von 
                                         Einzelfällen
 3.1. 
                                          Disziplinierung 
                                         wegen Parteimitgliedschaft bzw.
                                         Parteiunterstützung (Fälle 1-4)
 3.2. 
                                         Verschleierte politische 
                                         Disziplinierung (Fall 5)
 3.3. Eingriff in 
                                         die Freiheit von Forschung und Lehre
                                         (Fälle 6-9)
 3.4. Ausweitung 
                                         auf den nicht-staatlichen Bereich
                                         (Fälle 10-11)
 3.5. Vorwurf 
                                         verwandtschaftlicher und sozialer 
                                         Beziehungen und anderes (Fälle 12-15)
 
                                       
                                       Herausgegeben vom 
                                       Aktionskomitee gegen Berufsverbote an der 
                                       Freien Universität Berlin1 Berlin 33 
                                       Ihnestr. 21 (OSI, Raum 100) Druck: 
                                       Oktoberdruck 030/612 32 56
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                             Die folgende Zusammenstellung soll in aller Kürze 
                             die wichtigsten Maßnahmen von Staatsseite seit 1971
                             in Erinnerung rufen und in Auszügen dokumentieren. 
                             Diese Zusammenfassung von Material soll zur 
                             politischen Analyse verwendet werden, ersetzt diese 
                             also nicht. Jedoch zeigt bereits die 
                             positivistische Faktenreihung eine deutliche 
                             Entwicklung und Steigerung der 
                             Repressionsmaßnahmen, die - über bloßes 
                             Dokumentieren hinaus -kurz nachgezeichnet werden 
                             soll. 
                             
                             1. Die Schraube wird angesetzt 
                             
                             Ohne Zweifel sind Berufsverbote nicht die ersten 
                             Repressionsmaßnahmen gegen Linke in der Geschichte 
                             der Bundesrepublik und Westberlins, und schon gar 
                             nicht sind es die einzigen Maßnahmen im 
                             staatlichen Instrumentarium. Bereits 1950
                             wurde mit dem "B eschluß der Bundesregierung vom 19-
                             Sept. 1950"
                             ("Adenauer-Erlaß") eine Gründlage für die 
                             Entlassung mißliebiger Staatsbediensteter 
                             geschaffen, wenn sie der KPD, FDJ oder 
                             nahestehenden Organisationen angehörten. Die 
                             staatsanwaltlichen Ermittlungen und 
                             Strafverfolgungen im Gefolge des KPD-Verbots von 
                             1956 gingen jährlich in die Zehntausende (vgl. 
                             dazu: Lutz Lehmann, Legal und opportun, Berlin
                             1966). 
                             
                             Mit der Entwicklung der Studentenbewegung und der 
                             Formierung der DKP schien es zunächst, als ließe 
                             der Staat dieser Entwicklung zumindest insoweit 
                             ihren Lauf, als Behinderungen beim 
                             
                             Eintritt in den Staatsdienst nicht zentral gezielt 
                             von Seiten der Behörden vorgenommen wurden. Jedoch 
                             sammelten politische Polizei und Verfassungsschutz 
                             bereits alles erreichbare Material. Als dann 
                             endgültig klar wurde, daß auch sozialliberale 
                             Reformbestrebungen nicht den massenhaften Genuß der 
                             Früchte vom Baum marxistischer Erkenntnis 
                             ungeschehen machen konnten, ging man dazu über, den 
                             Zugang zum Staatsdienst umfassend zu kontrollieren 
                             und Linke gezielt fernzuhalten. 
                             
                             1971: Erste Maßnahmen richteten sich noch im 
                             Rahmen bestehender Bestimmungen primär gegen die 
                             Berufung linker Hochschullehrer:   
                               
                             
                             
                             Verhinderung der Berufung Horst
                             Holzers nach Bremen,Begründung: DKP-Mitgliedschaft.
                             
                             
                               Verhinderung der Berufung von J. Meyer-Ingwersen 
                               nach Kastel mit der gleichen Begründung.
                             
                             
                               Aus einer der spektakulärsten Fälle die 
                               Verhinderung der Berufung von Ernest Mandel an 
                               die FU-Berlin (Anfang 1972), weil M. als Angehöriger der (trotz-kistischen)IV. 
                               Internationale als Gegner der 
                               freiheitlich-demokratischen Grundordnung (FDGO) 
                               anzusehen sei. Als M.
                               vor Studenten der FU sprechen sollte, erhielt er 
                               Einreiseverbot für die BRD und Westberlin. 
                             
                             Derartige Handhabungen der staatlichen 
                             Eingriffsmöglitfhkeiten bei Berufungen sind seitdem 
                             gängige Praxis, häufig werden auch 
                             Scheinbegründugen für die Ablehnung ("mangelmde 
                             Qualifikation") genannt. 
                             
                             Vorreiter für die zentralen Maßnahmen zum 
                             Berufsverbot war dann der Hamburger Senat, als es 
                             um die Einstellung von DKP-Mitgliedern nach dem 2. Staatsexamen in den Schuldienst ging: 
                             
                             
                             Hamburger Senatsentscheid 
                             vom 25.11.1971: 
                             
                             
                             "Grundsätzliche Entscheidung des Senats: Der Senat 
                             hat in einer Grundsatzerklärung festgestellt, daß 
                             die Ernennung zum Beamten auf Lebenszeit bei 
                             politischen Aktivitäten des Bewerbers in rechts- 
                             und linksradikalen Gruppen unzulässig ist. Dies 
                             gilt nach Auffassung des Senats erst recht im 
                             Erziehungsbereich und jedenfalls dann, wenn der 
                             Betrefiende in den genannten Gruppen besonders 
                             aktiv ist. In seiner Entscheidung geht der Senat 
                             davon aus, daß ein Beamter nach §6
                             und
                             §55 des Hamburgischen Beamtengesetzes durch sein 
                             gesamtes Verhalten die Gewähr dafür bieten muß,'daß 
                             er sich jederzeit zur freiheitlich-demokratischen 
                             Grundordnung im Sinne des Grundgesetzes bekennt 
                             und für ihre Einhaltung eintritt. Diese 
                             Entscheidung gilt auch für die Beantwortung der 
                             Frage, ob ein Beamter in der Sobezeit seine Eignung 
                             bewiesen hat." 
                             1972: Bezog 
                             sich der Hamburger Senatsentscheid auf die 
                             Ernennung zum Beamten auf Lebenszeit, griff kurz 
                             darauf die Ministerpräsidenkonferenz der Länder 
                             schon weiter aus: 
                             28.1.1972: 
                             "Grundsätze zur Frage der verfassungsfeindlichenKräfte im öffentlichen Dienst."
 
                             
                             "Nach den 
                             Beamtengesetzen in Bund und Ländern darf in das 
                             Beamtenverhältnis nur berufen werden, wer die 
                             Gewähr dafür bietet, daß er jederzeit für die 
                             freiheitliche demokratische Grundordnung im Sinne 
                             des Grundgesetzes eintritt; sind Beamte 
                             verpflichtet, sich aktiv innerhalb 
                             und außerhalb des Dienstes für die Erhaltung dieser 
                             Grundordnung einzusetzen. Es handelt sich hierbei 
                             um zwingende Vorschriften. 
                             Jeder Einzelfall muß für sich geprüft und 
                             entschieden werden. Von folgenden Grundsätzen ist 
                             dabei auszugehen: (Bewerber) Ein Bewerber, der 
                             verfassungsfeindliche Aktivitäten entwickelt, wird 
                             nicht in den öffentlichen Dienst eingestellt. 
                             Gehört ein Bewerber einer Organisation an, die
                             verfassungsfeindliche Ziele verfolgt, so 
                             begründet diese Mitgliedschaft Zweifel daran, ob er 
                             jederzeit für die freiheitliche demokratische 
                             Grundordnung eintreten wird. Diese Zweifel 
                             rechtfertigen in der Regel eine Ablehnung des 
                             Anstellungsantrags. 
                             (Beamter) Erfüllt ein 
                             Beamter durch Handlungen oder wegen
                             seiner Mitgliedschaft in einer Organisation 
                             verfassungsfeindlicher Zielsetzung die 
                             Anforderungen des Paragraphen §35 
                             Beamtenrechtsrahmengesetz nicht, so hat der 
                             Dienstherraufgrund des jeweils ermittelten Sachverhalts die 
                             gebotenen Konsequenzen zu ziehen und insbesondere 
                             zu prüfen, ob die Entfernung des Beamten aus dem 
                             Dienst anzustreben ist.
 
                             Für Arbeiter und 
                             Angestellte im öffentlichen Dienst gelten 
                             entsprechend den jeweiligen tarifvertraglichen 
                             Bestimmungen dieselben Grundsätze." 
                             Ergänzt wurden diese 
                             Bestimmungen durch eine gemeinsame Erklärung des 
                             Bundeskanzlers und der Ministerpräsidenten der 
                             Länder.
 2. Die Schraube wird gedreht
 
                             Der 
                             Ministerpräsidentenerlaß wurde bald in die Tat 
                             umgesetzt. Dabei zeigten die Bundesländer 
                             unterschiedlichen Eifer, was Zahl und politisches 
                             Spektrum der Betroffenen anging: Versuchte in den 
                             ersten Jahren Hessens Kultusminister Friedeburg 
                             die Anwendung in engen Grenzen zu halten, so legten 
                             Maier in Bayern und Hahn in Baden-Württemberg die 
                             Bestimmungen extensiv aus, bzw. gingen noch über 
                             sie hinaus. Charakteristisch 
                             für die meisten Bundesländer ist jedoch in dieser 
                             Zeit, daß sich die Zahl der Berufsverbote in 
                             Grenzen hielt und etliche Musterfälle in 
                             verschiedenen Bereichen durchexerziert wurden, als 
                             wolle die Bürokratie erst einmal prüfen, wie wirksam 
                             dieses neue Instrument 
                             greife, und sonst abschreckende 
                             Exempel statuieren 
                             (umfangreiche Dokumentation dieser früheren Fälle
                             bei Bethge/Roßmann; Der 
                             Kampf gegen das Berufsverbot, Köln 1975) In erster 
                             Linie war der Schulbereich betroffen, Hochschule 
                             und Justiz folgten sehr schnell, die anderen 
                             Bereiche des öffentlichen Dienstes mit einigem 
                             Abstand. Zwei Fälle haben 
                             Musterbedeutung erhalten: 
                               
                             
                             Anne Lenhart,
                             die wegen Mitgliedsch 
                             ft in der DKP nicht in den Schuldienst von 
                             Rheinland-Pfalz aufgenomnen wurde. In einer gewundenen 
                             Urteilsbegründung hat das 
                             Bundesverwaltungsgericht 1975 diese Entscheidung 
                             bestätigt. (Am 14.3.73 hatte dieses 
                             Gericht in einem anderen Fall allerdings 
                             entschieden, daß vor dem 
                             Verbot einer Partei keinem Beschäftigtem im
                             öffentlichen 
                             Dienst die Mitgliedschaft in dieser 
                             Partei zur Last gelegt 
                             werden könnte. Es handelte 
                             sich, jedoch um einen Oberstleutnant der 
                             Bundeswehr, der in der NPD 
                             war.)
                             
                             Heiner Saemisch, 
                             der wegen Mitarbeit in der 
                             "Roten Zelle Jura" an der Uni Kiel nicht in den 
                             juristischen Referendardienst, also ein Ausbildungsverhältnis 
                             mit staatlichem Monopolcharakter, 
                             aufgenomnen wurde. Der Fall liegt noch beim
                             Bundesverfassungsgericht. 
                             Der Berliner Senat 
                             folgte erst zögernd diesem Verfahren eines offen
                             politischen Berufsverbots. 
                             Nach einigen untauglichen Disziplinierungsmaßnahmen 
                             kam der erste massive 
                             Eingriff im November
                             1973. Acht Bewerber für 
                             die Referendarausbildung wurden zu 'Einstellungsgesprächen" 
                             beim Schulsenator vorgeladen. 
                             Ein Rechtsbeistand wurde 
                             ausgeschlossen, Wortprotokoll 
                             nicht geführt, belastendes Material herangezogen, 
                             das nicht in der Personalakte enthalten war. Die
                             Vorwürfe bezogen sich u.a. 
                             auf eingestellte Ermittlungsverhren
                             wegen angeblicher Beleidigung eines
                             Professors, Kandidatur für 
                             Uni-Gremien auf linken 
                             Listen und sogar auf Nutzung einer 
                             gemeinsamen
                             Wohhung mit Trotzkisten. 
                             Fünf der Bewerber wurden abgelehnt. Diese
                             Überprüfung 
                             und SeleKtion wiederholt sich seither zu jedem 
                             Einstellungsternin (z.T. im schriftlichen
                             Verfahren). Bezeichnend ist 
                             dabei die Tendenz zur Ausweitung: Waren 
                             anfangs primär Mitglieder der K-Gruppen 
                             und ehemalige
                             Mitglieder von Roten Zellen
                             betroffen und folgten dem SEW-Miitglieder, 
                             so trifft das Berufsverbot Mittlerweile 
                             auch deren Sympathisanten und unorganisierte.
 3. Die Schraube wird weiter 
                             angezogen
 
                             Seit der zweiten 
                             Jahreshälfte 1974 verschärften sich deutlich,
                             
                             die Maßnahmen des 
                             Staates. Die Gesinnungskontrolle wurde annähernd 
                             lückenlos. Grundlage in Westberlin war hierfür das
                             Rundschreiben II Nr. 112/1974 des Innensenators 
                             vom Okt.d.J.: 
                             
                             
                             "Betr.: Prüfung der dienstrechtlich geforderten 
                             Treuepflicht von Bewerbern 
                             1. 
                             Der Senat ist wie bisher der Auffassung, daß bis zu 
                             einer Änderung des Beamtenrechtsrahmengesetzes 
                             Richtlinien zur Anwendung der dienstrechtlichen 
                             Vorschriften über die Prüfung der Verfassungstreue 
                             der Bewerber für den öftentlichen Dienst und der im 
                             unmittelbaren und mittelbaren Landesdienst 
                             stehenden Dienstkräfte nicht zu erlassen sind.Aufgrund der bisherigen Erfahrungen ist es jedoch 
                             notwendig, das Verfahren der Auskunfterteilung üoer 
                             Bewerber zu vereinheitlichen.
 
                             Nach 
                             Beratung im Senat ergehen daher die nachstehenden 
                             Regelungen: 
                             2.4. 
                             Die Pflicht zur Anfrage beim Senator für Inneres 
                             wird zunächst erstreckt auf Bewerber für die 
                             Einstellung  
                             a) in 
                             Ämtern der Besoldungsgruppe A9 und höher sowie in 
                             den Vorbereitungs- und Probedienst von Laufbahnen, 
                             deren Eingangsamt mindestens der Besoldungsgruppe 
                             A9 zugeordnet ist,  
                             b)) 
                             in Dienstoosten der Vergütungsgruppe Vb BAT und 
                             höher, 
                             c) 
                             als Angehöriger des Polizei- oder des allgemeinen 
                             Vollzugsdienstes und des Werksdienstes an 
                             Justizvollzugsanstalten, 
                             d) 
                             als Angestellter in sozialpädagoischen Tätigkeiten. 
                             2.5. 
                             Auch bei anderen Bewerbern kommen eine Anfrage in 
                             Betrac'nt, wenn das von der Einstellungsbehörde für 
                             erforderlich gehalten wird, z.B. weil der Bewerber 
                             in einer besonderen Vertrauensstellung beschäftigt 
                             werden soll oder ohnehin Zweifel an der künftigen 
                             Erfüllung der politischen Treuepflicht des 
                             Bewerbers bestehen." 
                             
                             Ähnlich wurden die Verfahren in den Ländern der BRD 
                             perfektioniert. Wurden dort bis zum September ca. 
                             100.000 Bewerber überprüft, so wurden es bis zum 
                             Februar 1973 550.000. Die-selbe Wachstumsrate kann aucn seit den Februar 
                             veranschlagt werden.
 
                             Mit 
                             der Zahl der Überprüfungen durch den 
                             Verfassungsschutz stieg auch die Zahl der 
                             Berufsverbotefälle an. Gleichzeitig veränderte sich 
                             aucn die Qualität der Argumente: Der Betroffene 
                             musste jetzt nicht mehr aktives Mitgliedeiner unter 
                             dem offiziellen Etikett "verfassungsfeindlich" 
                             geführten Organisation sein, um abgelehnt zu 
                             werden. Betroffen ist z.B. jetzt auch, wer in 
                             Gruppen wie der SAZ ist und dazu noch einen 
                             Verwandten in radikalen Verhältnissen aufzuweisen 
                             hat (Fall Brentzel). Betroffen ist auch ein linkes 
                             SPD-Mitglied bei Bewerbungen, wenn ihm der 
                             Innensenator ein Dossier hinterherschickt, 
                             dem so zersetzende Aktivitäten wie die Unterschrift 
                             unter einen Vietnamaufruf und die unter einen 
                             Protest gegen ein erwartetes Verbot 
                             des KSV zu entnehmen sind (Fall Narr). Und 
                             betroffen sind jetzt nicht allein Bewerber, sondern 
                             auch Beamte auf Lebenszeit, so ein Lehrer, der 
                             entlassen werden soll, weil er auf einer 
                             SEW-Veranstaltung über seinen Berufsbereich 
                             referierte (Fall Apel). Auch gegen Unterzeichner 
                             von Wahlaufrufen (also nicht Mitglieder) der zu den 
                             Abgeordneten-hauswahlen 
                             zugelassenen Parteien wurden Disziplinarverfahren 
                             eingeleitet. Eine ähnliche 
                             Entwicklung läßt sich auch in der Bundesrepublik 
                             zeigen, wenn auch hier in einigen Ländern dieser 
                             Stand schon früher erreicht war (Bayern, 
                             Baden-Württemberg) .
 4. Überdreht?
 
                             Wie die jüngste 
                             Vergangenheit zeigt, ist auch eine weitere 
                             Steigerung möglich. So wurden jüngst allein aus 
                             einer Wohngemeinschaft mit "Anhängern 
                             der Neuen Linken" (wer auch immer 
                             das sein mag) Zweifel an der Verfassungstreue einer 
                             Angestellten abgeleitet. In einem anderen Fall kam 
                             zu dieser Untat gar noch die eheliche Gemeinschaft 
                             mit einem Mitglied (vermutet) der "Liga
                             gegen den Imperialismus" 
                             hinzu. Auch Teilnahme an Demonstrationen gegen den 
                             Vietnamkrieg in den Jahren 1966/67 konnte bei 
                             dieser einstellenden Behörde gleiche Zweifel 
                             erwecken. Wenn auch in den genannten Fällen die 
                             politische Argumentation der einstellenden Behörde 
                             völlig auf ein "die janze Richtung paßt uns 
                             nich'"-Niveau heruntergekommen ist, gibt sie sich 
                             immerhin noch als politische Argumentation zu 
                             erkennen und ist damit auch angreifDar. Diese 
                             Möglichkeit - und damit auch die Möglichkeit, über 
                             die Gerichtsbarkeit einige Positionen als unhaltbar 
                             revidieren zu lassen - wird jedoch endgültig in dem 
                             Fall genommen, daß die auf einem Schreiben 
                             Schulsenator Löffllers 
                             beruhende Anweisung des Schönebergers
                             Bezirksbürgermeister 
                             Kabus gängige Praxis der einstellenden Behörden 
                             wird: 
                             
                             "Beigefügt übersenden 
                             wir Ihnen die Abschrift eines an die Bezirksämter - 
                             Abt. Volksbildung - gerichteten Schreibens des 
                             Senators für Schulwesen vom -24. März 1975 zur 
                             Kenntninahme und der Bitte, auch in Ihrem Bereich 
                             entsprechend zu verfahren. 
                             Insbesondere
                             machen wir dabei auf die 
                             Bitte des Senators für Inneres aufmerksam, nach der 
                             bei Nachfragen von 
                             Bewerbern und anderer Personenkreise nicht mehr 
                             von den Einstellungsbehörden 
                             auf das ausstehende Ergebnis des Überprüfungsverfahrens 
                             durch den Senator für Inneres verwiesen werden 
                             soll. In Schöneberg wurde bereits auf der 
                             Büroleiterbesprechung am 27. November 1974 
                             bei der die Prüfung der dienstrechtlich 
                             geforderten Treuepflicht von Bewerbern 
                             einziger Tagesordnungspunkt war und die 
                             Verfahrensweise zum Rundschreiben Inn II Nr. 
                             112/1974 - geklärt worden 
                             ist, ausdrücklich darauf hingewiesen, daß gegenüber 
                             Bewerbern keinerlei Hinweise bezüglich einer 
                             Überprüfung durch den Senator für Inneres bzw. über 
                             deren Ergebnis gegeben 
                             werden dürfen. 
                             Aus gegebenem Anlaß 
                             machen wir Sie noch einmal 
                             auf diese Ausführungen aufmerksam und bitten Sie 
                             dringend, keinesfalls von diesem Verfahren
                             abzuweichen. 
                             Auch dürfen gegenüber 
                             Bewerbern keine positiven Angaben zur fachlichen 
                             und persönlichen Eignung 
                             gemacht werden, wraus dann Bewerber den Eindruck 
                             gewinnen könnten, die 
                             endgültige Mitteilung über 
                             die Einstellung sei eine 'reine Formsache' und ggf. 
                             nur noch von dem Ergebnis 
                             der Prüfung der dienstrechtlich geforderten 
                             Treuepflicht abhängig. 
                             Selbstverständlich dürfen den Bewerbern auch keine 
                             Einstellungstermine genannt werden. 
                             Eine Arbeitsaufnahme
                             ist erst möglich, wenn die Abteilung 
                             Personal und Verwaltung der Büroleitung den 
                             Einstellungstag mitgeteilt hat. Falls über einen 
                             Bewerber negative 
                             Erkenntnisse beim Senator 
                             für Inneres vorliegen sollten, wird dies der 
                             Büroleitung bekanntgegeben. Dem Bewerber wird von 
                             der Abteilung Personal und Verwaltun lediglich 
                             mitgeteilt, daß die Bewerbung nicht berücksichtigt 
                             werden konnte. 
                             Bitte
                             weisen Sie alle Amtsleiter, 
                             Stellenleiter oder 
                             sonstigen Mitarbeiter Ihres Bereiches, die mit 
                             Bewerbern Einstellungesgespräche 
                             führen, daraufhin, daß diese 
                             Verfahrensweise unbedingt eingehalzen
                             werden muß. Falls entgegen 
                             dieser Anordnung Zusagen gemacht oder unberechtigte
                             Auskünfte erteilt werden 
                             sollten, sind für etwaige Rechtsansprüche 
                             abgelehnter Bewerber die betreffenden
                             Mitarbeiter haftbar." 
                             Mit einer derartigen 
                             Praxis hat sich die 
                             Exekutive endgültig verselbständigt 
                             und kann in bürokratischem Absolutismus
                             ihre Entscheidungen 
                             treffen. 
                             Es scheint jedoch, 
                             als sei der Staatsapparat mit diesen Maßnahmen 
                             augenblicklich einige Schritte zu weit gegangen, 
                             für diese Einschätzung 
                             spricht die scharfe Kritik, die diese Anweisung 
                             sowohl von der liberalen Öffentlichkeit als auch 
                             von Seiten des Koalitionspartners FDP
                             erfuhr. Aucn die zuletzt 
                             beschriebenen politischen Vorwürfe 
                             gegen Lehrer sind zum
                             grossen Teil von 
                             der Behörde zurücksrenommen 
                             worden, weil wohl selbst als unhaltbar vor Gericht 
                             angesehen. In diese Richtung
                             deuten auch einige Gerichtsentscheidungen 
                             der jüngsten Zeit (Pfender, Fahlbusch). 
                             Vorläufig scheint also an diesem Punkt die bisher 
                             kontinuierlich ihren Druck verstärkende Schraube 
                             staatlicher Repression nicht mehr zu greifen. Umso 
                             stärker wäre von unserer Seite hier anzusetzen. Zu 
                             irgendwelchem Jubel ist deswegen jedoch kein
                             Grund. Denn zum einen ist 
                             durchaus eine Entwicklung denkbar (noch eine Mill. 
                             Arbeitslose mehr, etwas 
                             aufmüpfiger, dazu zwei publizistisch wirksame 
                             Bomben oder Kidnappings), in der auch derartige 
                             Praxis durch die Rechtsprechung abgesegnet wird. 
                             Und zum anderen ist auch ohne derartige Auswüchse 
                             die vielerorts bereits als "Normal" akzeptierte 
                             Praxis alles andere als normal, wenn
                             in diesem Begriff zumindest 
                             ein Hauch von Demokratie mitschwingen soll. In 
                             dieser "Normalität" können wir uns nicht 
                             einrichten. 
                             Kurze Nachbemerkung:
                             In diesem Kurzen Überblick 
                             ist allein die staatliche 
                             eindeutig politische Berufsverbotspraxis umrissen 
                             worden. Aus der täglich erfahrenen, oft gar nicht 
                             mehr bewußten Repression in 
                             der beruflichen Praxis der betroffenen Linken ist 
                             damit nur ein kleiner Ausschnitt erfaßt. Dazu 
                             gehört sehr viel mehr, z.B. die
                             schon immer gepflogene Praxis, linke 
                             Bewerber von einer Stelle 
                             abzuweisen, ohne je politisch zu argumentieren, 
                             sondern immer nur über die Qualifikation zu reden. 
                             Dazu gehören auch gut gezielte Rufmordkampagnen 
                             in der wissenschaftlichen Öffentlichkeit. 
                             Dazu gehört auch die präventive Selbstzensur nicht 
                             von vornherein ablehnender Stellen. Bei dem 
                             Überangebot von Akademikern auf dem Arbeitsmarkt 
                             wird diese offizielle Entpolitisierung 
                             letztlich politisch 
                             motivierter Ablehnungen noch verstärkt
                             zur Anwendung gelangen.
                             Es gehört auch zu diesem Bereich schließlich 
                             die Übernahme der Berufsverbotspraxis 
                             in nichtstaatlichen Bereichen: Entlassung politisch 
                             unbequemer kirchlicher Mitarbeiter, Entlassung von 
                             Ärzten aus Krankenhäusern freier Träger, nachdem 
                             diese einen Wink vom 
                             Verfassungsschutz erhalten haben, Gewerkschaftsaussschlüsse. 
                             In einigen Fällen - so beim Unvereinbarkeitsbeschluß 
                             des Kolpingwerks gegenüber 
                             den Jusos - können diese Gruppen 
                             sogar Vorreiter der Entwicklung sein, wenn diese 
                             Entwicklung nicht wieder zurückgedrängt werden 
                             kann.
 
                             
                             Quelle: Aktionskomitee gegen Berufsverbote(HG). 
                             Dokumente: Überprüfung der politischen Treuepflicht 
                             - Berufsverbot, Berlin 1975, Band 1, S.3-11 - OCR-Scan 
                             TREND 2018 |